Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Renten auf Beamtenversorgung

 

Leitsatz (redaktionell)

Vgl. Urteil des Senats vom 26. Februar 1991 – 3 AZR 223/90

 

Normenkette

BeamtVG § 55; 2. HStrucktG Art. 2 § 2 Abs. 3 Buchst. a; AVG §§ 6, 8; ArbGG § 9 Abs. 5

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 07.09.1988; Aktenzeichen 7 (3/9) Sa 362/88)

ArbG Aachen (Urteil vom 18.02.1988; Aktenzeichen 6 Ca 1229/87)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 7. September 1988 – 7 (3/9) Sa 362/88 -aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 18. Februar 1988 – 6 Ca 1229/87 – wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Berechnung des Ruhegehalts nach § 55 BeamtVG (Anrechnung von Renten auf Versorgungsbezüge). Der Kläger verlangt unter Berufung auf eine Übergangsvorschrift, daß seine Knappschaftsrente nur teilweise auf die Pension angerechnet wird.

Der 1921 geborene Kläger war vom 1. Mai 1965 bis zum 31. Juli 1982 als Lehrer an der Berggewerbeoberschule beschäftigt. Die Beklagte ist ein Bergwerksunternehmen und Trägerin dieser Schule.

Im Dienstvertrag der Parteien vom 29. Mai 1965 wurde der Kläger als Berggewerbeoberlehrer angestellt. Für den Umfang der Tätigkeit wurde auf die für gleichartige Lehrer im öffentlichen Dienst erlassenen Bestimmungen verwiesen. Der Kläger erhielt Bezüge aus der Besoldungsgruppe A 13 und einen Ortszuschlag nach beamtenrechtlichen Grundsätzen. Den Arbeitnehmeranteil zur knappschaftlichen Rentenversicherung übernahm die Beklagte. Außerdem enthielt der Dienstvertrag vom 29. Mai 1965 folgende Versorgungszusage:

„Scheiden Sie infolge Invalidität oder Vollendung des 65. Lebensjahres aus unseren Diensten aus, dann erhalten Sie ein monatliches Ruhegeld, welches zusammen mit dem während ihrer Tätigkeit als Lehrer bei unserer Gesellschaft in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung erdienten Rentenanteil den Betrag erreicht, der sich bei Zugrundelegung der gleichen Anzahl von Dienstjahren nach den Bestimmungen des Beamtenbesoldungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen an Ruhegeld errechnet. Unser Ruhegeld wird gekürzt, soweit es zusammen mit der Gesamtrente aus der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung 75 v.H. ihrer letzten ruhegeldfähigen Dienstbezüge übersteigt.”

Nachdem die Beklagte ab 1970 durch die Änderung des Schulfinanzierungsgesetzes Nordrhein-Westfalen ihre Personalkosten in vollem Umfang erstattet erhielt, schloß sie mit dem Kläger am 22. Oktober 1971 rückwirkend zum 1. Januar 1970 einen neuen Dienstvertrag. Danach wurde der Kläger auf Lebenszeit angestellt und in eine Planstelle als „Oberstudienrat an einer berufsbildenden Schule des Bergbaus” nach der Besoldungsgruppe A 14 eingewiesen. In § 5 des Dienstvertrags hieß es:

„Herr hat Anwartschaft auf beamtenmäßige Versorgung und Hinterbliebenenversorgung. Bei Berechnung der Versorgungsbezüge werden die für vergleichbare Landesbeamte geltenden Bestimmungen entsprechend angewandt.”

Der Kläger schied zum 31. Dezember 1969 aus der knappschaftlichen Rentenversicherung aus, da die Versicherungspflicht des Klägers ab dem 1. Januar 1970 entfiel.

Als mit Wirkung vom 1. Januar 1975 die Bergbauschule in eine Ersatzschule umgewandelt wurde, schlossen die Parteien rückwirkend zum selben Tage am 30. Dezember 1975 einen neuen Dienstvertrag. Dieser Dienstvertrag stimmte im wesentlichen mit dem Dienstvertrag vom 22. Oktober 1971 überein und enthielt in § 5 eine wortgleiche Versorgungszusage.

Am 1. August 1982 trat der Kläger in den vorgezogenen Ruhestand und erhielt seither Ruhegehalt nach der Versorgungszusage des letzten Dienstvertrags sowie Knappschaftsruhegeld. Die Beklagte kürzte die Pension des Klägers gemäß § 55 BeamtVG n.F. um die vollen Bezüge aus dem Knappschaftsruhegeld. Dies will der Kläger nicht hinnehmen. Er beruft sich auf die Übergangsvorschrift des Art. 2 § 2 Abs. 3 Buchst. a des 2. HStruktG vom 22. Dezember 1981 in der Fassung des Art. 5 des 7. Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 18. Juli 1985 (BGBl I, 1513), wonach der nach § 55 BeamtVG zu berücksichtigende Rentenbetrag ab 1. Januar 1986 in Höhe von 20 % anrechnungsfrei sei.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er erfülle die Voraussetzungen dieser Vorschrift, da seine Versorgung auf einem Beamtenverhältnis beruhe, das vor dem 1. Januar 1966 begründet worden sei. Sein Vertragsverhältnis zur Beklagten sei seit Beginn, also seit dem 1. Mai 1965 beamtenähnlich ausgestaltet gewesen. Er berechnet seine Nachforderung für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis 31. Juli 1987 mit 11.676,96 DM und hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.676,96 DM brutto zuzüglich Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, sie habe dem Kläger eine beamtenähnliche Versorgung erst durch den Dienstvertrag vom 22. Oktober 1971 ab 1. Januar 1970 zugesagt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision ist zulässig.

Das Rechtsmittel ist statthaft. Es wurde durch das Landesarbeitsgericht nachträglich zur Heilung eines vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungsverstoßes durch Beschluß vom 9. Mai 1990 zugelassen. Hinsichtlich des Verfahrens bei der Verkündung des Zulassungsbeschlusses sind Verfahrensrügen nicht erhoben worden.

Die Revision ist fristgerecht eingelegt worden. Die Revisionsfrist hat nicht zu laufen begonnen, da das vollständige Urteil mit Rechtsmittelbelehrung nicht zugestellt wurde (§ 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG). Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 1990 (– 1 BvR 232/89 –) hätte das Urteil des Landesarbeitsgerichts mit Zulassung der Revision und Rechtsmittelbelehrung zugestellt werden müssen. Dies ist bisher nicht erfolgt.

II. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger kann nicht verlangen, daß seine Knappschaftsrente nur teilweise auf die Pension angerechnet wird.

1. Nach § 55 Abs. 1 BeamtVG werden Versorgungsbezüge für Angehörige des öffentlichen Dienstes neben Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen nur bis zum Erreichen der in Absatz 2 bezeichneten Höchstgrenze gezahlt. Ziel der Vorschrift ist es, Doppelversorgungen zu vermeiden. Die Gesamtversorgung sollte nicht die Versorgung übersteigen, die der Beamte erhalten hätte, wenn er während seines ganzen Arbeitslebens im Beamtenverhältnis gestanden hätte (vgl. Entwurf des 3. BBÄndG, BT-Drucks. IV/2174, S. 18).

Nach § 55 Abs. 1 BeamtVG i.d.F. des 3. BBÄndG vom 31. August 1965 war die Anrechnung jedoch nur für Versorgungen aus einem Beamtenverhältnis vorgesehen, das nach dem 31. Dezember 1965 begründet worden ist. Durch Art. 2 § 1 Nr. 7 des 2. HStruktG vom 22. Dezember 1981 (BGBl I, 1523) wurde dieser Bestandsschutz für ältere Beamtenverhältnisse gestrichen und statt dessen eine Härteregelung (Ausgleich durch nur teilweise Rentenanrechnung) eingeführt. Dieser Ausgleich wurde aber nur gewährt, wenn die Versorgung auf einem Beamtenverhältnis beruht, das vor dem 1. Januar 1966 begründet worden ist (Art. 2 § 2 Abs. 1 Satz 1 des 2. HStruktG).

Durch das Siebente Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 18. Juli 1985 (BGBl I, 1513) wurde Art. 2 § 2 des 2. HStruktG mit Wirkung zum 1. Januar 1986 geändert. Für die vor dem Stichtag, dem 1. Januar 1966, begründeten Beamtenverhältnisse wurde der nach § 55 BeamtVG zuzurechnende Rentenbetrag um 20 % gemindert (Art. 2 § 2 Abs. 3 Buchst. a 2. HStruktG).

2. Die Versorgung des Klägers beruht nicht auf einem Beamtenverhältnis, das vor dem 1. Januar 1966 begründet worden ist.

a) Zuzustimmen ist dem Landesarbeitsgericht darin, daß im Streitfall die Vorschriften des § 55 BeamtVG und Art. 2 § 2 des 2. HStruktG entsprechend anzuwenden sind. Der Kläger ist zwar nicht Beamter. Die Beklagte hat aber durch die Verweisung auf beamtenrechtliche Vorschriften in den Dienstverträgen mit dem Kläger ein „beamtenähnliches Dienstverhältnis” geschaffen.

b) Ein „Beamtenverhältnis” i.S. des Art. 2 § 2 Abs. 3 des 2. HStruktG ist bei einem beamtenähnlichen Dienstverhältnis eines Angestellten erst dann begründet, wenn ihm eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen zugesagt worden ist. Der Abschluß eines Arbeitsvertrags, in dem auf einige Regelungen des Beamtenrechts verwiesen wird, genügt nicht (vgl. Urteil des Senats vom 26. Februar 1991 – 3 AZR 223/90 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt).

Art. 2 § 2 des 2. HStruktG ist eine Übergangsvorschrift zu § 55 BeamtVG n.F. und regelt das Verhältnis von Beamtenversorgung zur gesetzlichen Rentenversicherung. Ein Beamtenverhältnis i.S. dieser Vorschriften liegt daher nur dann vor, wenn eine beamtenmäßige Versorgung gegeben ist. Es kommt bei beamtenähnlichen Angestellten für die Begründung eines Beamtenverhältnisses nach diesen Vorschriften nicht darauf an, ab wann einzelne beamtenrechtliche Vorschriften auf das Dienstverhältnis angewendet wurden. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt der Zusage einer beamtenmäßigen Versorgung. Während nämlich Beamte sozialversicherungsfrei sind (§ 6 AVG), können beamtenähnliche Angestellte von der Versicherungspflicht erst befreit werden, wenn bei ihnen „Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung und Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen gewährleistet ist” (§ 8 AVG).

c) Damit erfüllt der Kläger entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des Art. 2 § 2 Abs. 3 Buchst. a 2. HStruktG nicht.

Im Dienstvertrag vom 29. Mai 1965 wurde lediglich die Aufstockung der gesetzlichen Rente des Klägers bis zu dem Betrag zugesagt, den eine entsprechende Beamtenversorgung ergeben würde. Dieses „Aufstockungsruhegeld” ist keine beamtenmäßige Versorgung. Es bestand daher auch weiterhin Sozialversicherungspflicht. Die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 8 AVG lagen nicht vor.

Erst durch den Dienstvertrag vom 22. Oktober 1971 wurde dem Kläger rückwirkend zum 1. Januar 1970 eine beamtenmäßige Versorgung zugesagt. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Kläger dann auch nach § 8 AVG von der Versicherungspflicht befreit. Ein Beamtenverhältnis i.S. des Art. 2 § 2 Abs. 3 des 2. HStruktG war für den Kläger damit erst ab 1. Januar 1970 begründet. Der maßgebliche Stichtag für die Übergangsregelung (1. Januar 1966) war verstrichen. Die Knappschaftsrente des Klägers ist somit im vollen Umfang auf sein Ruhegehalt anzurechnen (§ 55 BeamtVG).

 

Unterschriften

Dr. Heither, Dr. Wittek, Kremhelmer, Gnade, Dr. Konow

 

Fundstellen

Dokument-Index HI951918

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