Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer Höchstbetragsklausel im Sozialplan
Leitsatz (redaktionell)
1. Höchstbegrenzungsklauseln für Abfindungen wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes in Sozialplänen sind grundsätzlich zulässig.
2. Eine Sozialplanregelung, nach der der sich rechnerisch aus den Steigerungssätzen für Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltsverpflichtungen und Schwerbehinderung ergebende Betrag, soweit er die Höchstgrenze übersteigt, an alle Arbeitnehmer gleichmäßig zu verteilen ist, begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wenn wegen der besonders hohen Arbeitslosenquote in der Region auch jüngere Arbeitnehmer Gefahr laufen, langfristig arbeitslos zu werden.
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 13.01.1987; Aktenzeichen 7 (15) Sa 1881/86) |
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 29.08.1986; Aktenzeichen 8 Ca 1540/86) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung.
Der am 3. April 1935 geborene Kläger trat am 1. April 1957 in die Dienste der Beklagten. Die Beklagte betreibt in der Bundesrepublik eine Waren- und Kaufhauskette.Von den noch im März 1986 betriebenen 138 Kaufhäusern wurden wegen anhaltender Verluste 14 stillgelegt, als erstes die Filiale in D, die zum 31. März 1986 geschlossen wurde. In dieser Filiale war der Kläger als Einkäufer für den Fachbereich Herrenkonfektion mit einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 4.300,-- DM beschäftigt. Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten einen Interessenausgleich und Sozialplan für die ca. 300 von der Stillegung des D Betriebes betroffenen Arbeitnehmer.
Der Sozialplan enthält zum Ausgleich und zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der von der Schließung des Betriebes in D betroffenen Arbeitnehmer u.a. folgende Regelungen:
"2. Abfindung
2.1 Es wird ein Grundbetrag von 3.000,-- DM an jeden aus-
scheidenen vollbeschäftigten Arbeitnehmer gezahlt. Teilzeit-
beschäftigte und Arbeitnehmer mit pauschaler Vergütung erhal-
ten den Grundbetrag im Verhältnis der individuellen Arbeits-
zeit zur tariflichen Arbeitszeit.
2.2 Für jedes vollendete Jahr der Unternehmenszugehörigkeit
wird 70 % des zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündi-
gung zahlbaren monatlichen Bruttoentgelts zugrunde gelegt
(Basisabfindung).
2.3 Auf die unter 2.2 genannte Basisabfindung (vollendete
Jahre x monatliches Bruttoentgelt x 70 %) kommen, soweit
zutreffend, folgende Zuschläge:
(1) a) für jedes unterhaltsberechtigte Kind 15 %
b) für Schwerbehinderte und Gleichgestellte 35 %
c) für Arbeitnehmer der Altersgruppen
45 bis 50 Jahre 15 %
51 bis 55 Jahre 25 %
ab 56 Jahre 35 %
(2) Die einzelnen Zuschläge können sich bis zur Höchstgrenze
von 125 % (für Schwerbehinderte und Gleichgestellte 140 %)
unter Einschluß des vorgenannten Faktors von 70 % summieren.
2.4 Für die Berechnung des Lebensalters ist das Alter maß-
gebend, das zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung
erreicht ist. Das gleiche gilt für die Berechnung der Be-
triebszugehörigkeit.
2.5 Die Abfindungen werden in den Grenzen des § 3 Ziff. 9
EStG steuerfrei gezahlt. Sie unterliegen im übrigen gemäß
§§ 24, 34 EStG dem halben Steuersatz.
3. Aufgrund der besonderen Betroffenheit der Mitarbeiter
in D und der beabsichtigten Stillegung zum 31. März
1986 erhalten darüber hinaus die Mitarbeiter, bei denen
die Kündigungsfrist
6 Monate zum Quartalsende beträgt, einen Betrag der ihrem
3-fachen Bruttomonatsgehalt entspricht;
4 Monate zum Quartalsende beträgt, einen Betrag der ihrem
3-fachen Bruttomonatsgehalt entspricht;
3 Monate zum Quartalsende beträgt, einen Betrag der ihrem
3-fachen Bruttomonatsgehalt entspricht;
6 Wochen zum Quartalsende beträgt, einen Betrag der ihrem
4 1/2-fachen Bruttomonatsgehalt entspricht;
2 Monate zum Monatsende beträgt, einen Betrag der ihrem
4-fachen Bruttomonatsgehalt entspricht;
1 Monat/4 Wochen zum Monatsende beträgt, einen Betrag der
ihrem 3-fachen Bruttomonatsgehalt entspricht;
2 Wochen zum Wochenschluß beträgt, den Betrag der ihrem
2 1/2-fachen Bruttomonatsgehalt entspricht
zusätzlich.
4. Die Abfindung ist jedoch höchstens begrenzt auf den Be-
trag, der sich aus der Addition von 60.000,-- DM, einem
zusätzlichen Betrag nach Maßgabe der nachstehenden Ziffer
sowie einem evtl. weiteren Betrag nach Maßgabe der Ziff. 6
ergibt.
5. Ein bei den Mitarbeitern nach Anwendung der Berechnungs-
formel zu Ziff. 2. und 3. 60.000,-- DM überschreitender Be-
trag wird in einer Summe zum Ausgleich sozialer Härte
zusammengefaßt. Er wird auf alle Mitarbeiter gleichmäßig
entsprechend dem Verhältnis der individuellen zur tarif-
lichen Arbeitszeit verteilt und zusätzlich ausbezahlt.
6. Mitarbeiter, die nach dem 31. März 1986 bei an sich noch
bestehendem Arbeitsverhältnis einvernehmlich ausscheiden
möchten, werden aus dem Arbeitsverhältnis, sofern nicht be-
triebliche Gründe infolge der Abwicklungsarbeiten entgegen-
stehen, entlassen; die Restlaufzeit bis zum Auslaufen der
Kündigungsfrist wird in Höhe des entsprechenden Anspruchs
auf Bruttogehalt der Abfindung zugeschlagen.
..........
11.1 Sollten sich bei der Durchführung dieses Sozialplanes
im Einzelfall besondere Härten ergeben oder sollten Einzel-
fälle nicht geregelt sein, so werden Unternehmen und ört-
licher Betriebsrat in einem paritätisch besetzten Aus-
schuß mit je zwei Mitgliedern vertrauensvoll mit dem Willen
zur Einigung beraten und eine Entscheidung treffen.
......."
In den Sozialplänen, die wegen der späteren Stillegungen in H und C mit den dortigen Betriebsräten abgeschlossen worden sind, sind Höchstbeträge für Abfindungen nicht vorgesehen.
Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist unter Wahrung einer halbjährigen Kündigungsfrist von der Beklagten zum 31. Dezember 1986 gekündigt worden. Die Parteien haben später durch einen Aufhebungsvertrag eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1986 vereinbart. Nach der von den Parteien getroffenen Aufhebungsvereinbarung ist unter Bezug auf Ziffer 6 des Sozialplanes eine zusätzliche Abfindung für "die Restlaufzeit bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist in Höhe des entsprechenden Anspruches auf Bruttogehalt" für 6 Monate als zusätzliche Abfindung gezahlt worden. Nach erfolglos gebliebener Stellungsuche hat sich der Kläger als Herrenausstatter selbständig gemacht.
Bei Schließung ihres Hauses hat die Beklagte dem Kläger seine nach dem Sozialplan zu gewährende Abfindung wie folgt berechnet:
Berechnung
----------
29 Jahre x 4.300,-- Bruttoentgelt = 124.700 DM
x 70 % = 87.290,-- DM
--------------
2 Kinder (pro Kind 15 %) 3O %
Schwerbehindert 35 % /
Altersgruppe
45 bis 50 Jahre - 15 % /
51 bis 55 Jahre - 25 % 25 %
Ab 56 Jahre - 35 % /
Höchstens 55 %
Schwerbehinderte 70 % 55 % = 48.009,50 DM
--------------
+
Sockelbetrag lt. Pkt. 2.1 Sozialplan
(3.000 DM) -TZ anteilig- = 3.000,-- DM
--------------
+
Abfindung lt. Pkt. 3 Sozialplan
(Kündigungsfrist) = 12.900,-- DM
---------------
Summe - Abfindung = 151.199,50 DM
---------------
Übersteigerungsbetrag (Höchstgrenze ./.
60.000 DM) = 91.199,50 DM
----------------
Zu zahlende Abfindung = 60.000,-- DM
================
Der Kläger ist der Auffassung, die Höchstbetragsklausel des Sozialplans sei unwirksam. Er hat zunächst beantragt, die Unwirksamkeit der in Ziffer 4 des Sozialplans vereinbarten Höchstbegrenzung festzustellen. Er hat dazu ausgeführt, die Kürzung seines Abfindungsanspruches stelle ein unbilliges und unsoziales Sonderopfer dar.
Im Verlaufe des Rechtsstreits hat die Beklagte klargestellt, daß sie von den Einsparungen aufgrund der durch die Einführung des Höchstbetrages sich ergebenden Kürzungen entsprechend Ziffer 5 des Sozialplanes einen Härtefonds gebildet habe und nach Absprache mit dem Betriebsrat einen Anteil von 2.411,-- DM auf den Kläger ausschütten werde, sobald das Klageverfahren rechtskräftig abgeschlossen sei.
Der Kläger hat daraufhin unter Klagerücknahme im übrigen beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn über
die im Sozialplan zuerkannten 62.411,-- DM
hinaus weitere 88.788,50 DM nebst 4 %
Zinsen von dem sich ergebenden Nettobetrag
seit dem 1. 10. 1986 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die beanstandeten Sozialplanbestimmungen hielten einer Rechts- und abstrakten Billigkeitskontrolle stand. Anlaß für die Begrenzung von Sozialplanansprüchen und die Schaffung des Härtefonds sei die mit 15 % überdurchschnittlich hohe Arbeitslosenquote in D gewesen, die besonders die Gruppe der jüngeren Verkäufer und Verkäuferinnen treffe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Verfahrensziel weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus dem Sozialplan vom 8. Januar 1986.
1. Dem Kläger steht nach den §§ 112 Abs. 1, 77 Abs. 4 BetrVG in Verbindung mit Nr. 2, 3 und 4 des Sozialplanes der Filiale D nur eine Abfindungssumme in Höhe von 60.000,-- DM zu:
(1) Grundbetrag gem. Nr.2.1 3.000,--DM
(2) Basisabfindung gem. Nr.2.2
29 Beschäftigungsjahre x 4.300,-- DM mtl.
Bruttoentgelt x 70 % 87.290,--DM
(3) Sozialzuschläge gem. Nr.2.3
1 a) 2 unterhaltsberechtigte Kinder 3O %
1 c) Altersgruppe 51 bis 55 Jahre 25 %
Summe 55 % 48.009,50DM
(4) Wegen der besonderen Arbeitsmarktsituation
in D gestaffelte Zusatzabfindung
gem. Nr.3
bei Kündigungsfrist von 3 Monaten
bis 6 Monaten zum Quartalsende
3-faches Bruttomonatsgehalt 12.900,--DM
(5) Summe 151.199,50DM
Nr. 4 des Sozialplanes regelt, daß die summenmäßige Addition der Posten aus den Nr. 2 und 3 des Sozialplanes auf den Höchstbetrag von 60.000,-- DM begrenzt wird.
2. Nach Nr. 5 des Sozialplans fällt der die Höchstbegrenzung von 60.000,-- DM übersteigende Mehrbetrag von 91.199,50 DM in einen Sozialplanfonds, der auf alle Mitarbeiter gleichmäßig entsprechend dem Verhältnis ihrer individuellen zur tariflichen Arbeitszeit verteilt wird. Nach der vom Kläger nicht beanstandeten Berechnung der Beklagten entfallen auf den Kläger entsprechend diesem Berechnungsmodus 2.411,-- DM.
3. Aus der Addition der Abfindungsteilbeträge nach Nr. 2, 3
und 4 des Sozialplanes in Höhe von 60.000,--DM
und nach Nr. 5 des Sozialplans in Höhe von 2.411,--DM
ergibt sich daher der außer Streit befindliche An-
spruch von 62.411,--DM.
Für einen weitergehenden Anspruch des Klägers enthalten die Bestimmungen des Sozialplanes keine Grundlage.
II. Die Beklagte ist auch nicht nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet, den Kläger so zu stellen wie vergleichbare Angestellte aus den stillgelegten Filialen C und H. Das Landesarbeitsgericht hat zwar festgestellt, daß in den Sozialplänen, die für diese Filialen zwischen den jeweiligen örtlichen Betriebsräten und der Geschäftsführung abgeschlossen worden sind, keine Höchstbegrenzungsklauseln enthalten sind, aber zu Recht einen Gleichbehandlungsanspruch des Klägers verneint.
Nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz darf der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer nicht ohne sachlichen Grund von Leistungen ausschließen, die er einer Gruppe von Arbeitnehmern generell gewährt, ohne hierzu rechtlich verpflichtet zu sein (BAG Urteile vom 21. Dezember 1970, BAGE 23, 160 = AP Nr. 1 zu § 305 BGB Billigkeitskontrolle; vom 22. Dezember 1970 - 3 AZR 52/70 - AP Nr. 2 zu § 305 BGB Billigkeitskontrolle; vom 17. Mai 1978 - 5 AZR 132/77 - AP Nr. 42 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; vom 31. Januar 1979, BAGE 31, 266, 278 = AP Nr. 8 zu § 112 BetrVG 1972, zu C II 2 b (1) der Gründe, und vom 16. Juli 1985, BAGE 49, 199, 211, 212 = AP Nr. 32 zu § 112 BetrVG 1972, zu III 3 b der Gründe).
Hat der Arbeitgeber aufgrund eines Sozialplanes an die von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer Abfindungen zu zahlen, so erbringt er keine freiwillige Leistung, sondern erfüllt ein gesetzliches Gebot. Dementsprechend bleibt für die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kein Raum. Dies hat der erkennende Senat bereits im Urteil vom 16. Juli 1985 (aaO) ausgesprochen. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz beschränkt die Autonomie des Arbeitgebers bei der Gewährung freiwilliger Leistungen. Ist der Arbeitgeber bei der Gewährung von Sozialplanleistungen aber nicht autonom, sondern nach § 112 BetrVG an den mit dem Betriebsrat vereinbarten Sozialplan gebunden, so kann der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz dem Arbeitgeber kein bestimmtes Verhalten vorschreiben.
Abgesehen davon scheidet ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit den Belegschaften der Betriebe in H und C, deren Sozialpläne keine Höchstbetragsklausel enthalten, schon deshalb aus, weil die Betriebspartner verschiedener Betriebe voneinander unabhängig sind. Sie sind gehalten, die Nachteile zu mildern, die konkret für die Arbeitnehmer ihrer Belegschaften aufgrund des Arbeitsplatzverlustes entstehen. Dies kann zu ganz unterschiedlichen Ausgestaltungen von Sozialplänen bei unterschiedlichen Betrieben desselben Unternehmens führen.
III. Dem Kläger würde der geltend gemachte Anspruch zustehen, wenn Betriebsrat und Arbeitgeber bei der Vereinbarung der Bestimmungen der Nr. 4 und 5 des D Sozialplanes so gegen Recht und Billigkeit im Sinne von § 75 Abs. 1 BetrVG verstoßen hätten, daß diese Bestimmungen als unwirksam anzusehen wären, und bei erneuter, fehlerfreier Ausübung ihres Ermessens Betriebsrat und Arbeitgeber den Kläger so stellen müßten, daß ihm auch die in den Nr. 2 und 3 geregelten Einzelposten in voller Höhe zuständen (vgl. dazu das Konditionalprogramm in BAGE 37, 237, 241 ff. = AP Nr. 14 zu § 112 BetrVG 1972, zu II 2 und III der Gründe). Das ist aber nicht der Fall.
1. Die vom Kläger beanstandete Vereinbarung eines Höchstbetrages für Entlassungsabfindungen in einem Sozialplan begegnet grundsätzlich keinen rechtlichen Bedenken. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Gesetzgeber für vergleichbare Fälle in § 10 KSchG und § 113 Abs. 1 2. Halbsatz BetrVG ebenfalls Höchstbegrenzungen vorgesehen. Zwar handelt es sich insoweit nicht um zwingende Vorgaben für die Betriebspartner, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat (vgl. Senatsbeschluß vom 27. Oktober 1987 - 1 ABR 9/86 - AP Nr. 41 zu § 112 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen), aber das gesetzliche Vorbild zeigt, daß der Gesetzgeber von der Zulässigkeit pauschalierender Begrenzungen auch für Sozialpläne ausgeht.
2. Nr. 4 des D Sozialplanes begrenzt die sich aus der Addition der Nr.2 und 3 ergebende Abfindung auf höchstens 60.000,-- DM. Nach Nr. 5 fällt der übersteigende rechnerische Mehrbetrag jedoch nicht ersatzlos weg, sondern in einen "zum Ausgleich sozialer Härte" gebildeten besonderen Fonds. Für jeden Arbeitnehmer des D Betriebes soll von diesem Geld ohne Berücksichtigung der bestehenden Entgeltunterschiede oder sozialen Merkmale ein nur nach dem Verhältnis von individueller zur tariflichen Arbeitszeit gewichteter "gleicher" Betrag zusätzlich zu den Abfindungen nach den Nr. 2 und 3 gezahlt werden.
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die Betriebspartner mit dieser nivellierenden Regelung (ebenso wie mit dem Sockelbetrag in Nr. 2.1 und der degressiv mit der Länge der Kündigungsfrist abnehmenden Abfindung nach Nr. 3) die besondere Betroffenheit von jüngeren, noch nicht in höhere Vergütungsgruppen aufgestiegenen Vollzeit- und Teilzeitarbeitnehmern berücksichtigen wollen. Für sie ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wegen der in D besonders hohen Arbeitslosenquote unter kaufmännischen Angestellten die Gefahr einer längeren Arbeitslosigkeit besonders groß.
3. Entgegen der Auffassung der Revision verstößt die Höchstbegrenzungsklausel weder gegen Recht noch Billigkeit.
a) Die vom Kläger beanstandete Regelung verletzt nicht § 75 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Danach haben Arbeitgeber und Betriebsrat darauf zu achten, daß Arbeitnehmer nicht wegen der Überschreitung bestimmter Altersstufen benachteiligt werden. Mit dieser Vorschrift wird aber eine Differenzierung aufgrund bestehender tatsächlicher und für die jeweilige Regelung erheblicher Gesichtspunkte nicht unzulässig (Senatsurteil vom 14. Februar 1984 - 1 AZR 574/82 - AP Nr. 21 zu § 112 BetrVG 1972). Aus diesem Grund hat der Senat in seinem Urteil vom 26. Juli 1988 (- 1 AZR 156/87 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) entschieden, es sei zulässig, die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Altersruhegeld bei der Bemessung der Abfindung zu berücksichtigen und unter Umständen sogar die Gewährung von Abfindungen völlig auszuschließen.
Vorliegend benachteiligt die Höchstbegrenzungsklausel der Nr. 4 in Verbindung mit den Berechnungsvorschriften der Nr. 2 und 3 noch nicht einmal notwendigerweise die älteren Arbeitnehmer. Ältere Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis erst wenige Jahre besteht, werden wegen der besonders großen Bedeutung der Betriebszugehörigkeit für die Bemessung der Abfindung in Nr. 2.2 des Sozialplanes von der Obergrenze nicht erfaßt, dagegen können gut verdienende 30- bis 40-jährige Arbeitnehmer, die seit ihrer Lehrzeit dem Betrieb angehört haben, von der Obergrenze betroffen sein.
Gemessen am Zweck des Sozialplanes, mit einem begrenzten Sozialplanvolumen möglichst allen von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmern eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe bis zu einem ungewissen neuen Arbeitsverhältnis oder längstens bis zum Bezug von Altersruhegeld zu ermöglichen, liegt in der vorliegend vereinbarten Kombination von individuell auf Betriebszugehörigkeit und sozialer Bedürftigkeit abstellenden Merkmalen mit nivellierenden Gesichtspunkten auch keine mittelbare Diskriminierung älterer Arbeitnehmer. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Betriebspartner die für den einzelnen Arbeitnehmer zu erwartenden Nachteile nicht konkret voraussehen und deshalb nur abstrakt Vorsorge treffen können. Angesichts der vom Landesarbeitsgericht festgestellten besonders hohen Arbeitslosenquote in D (15 %), von der in ganz besonderem Maße die kaufmännischen Angestellten betroffen waren, bewirkt auch die tendenzielle Bevorzugung der Gruppe der jüngeren Arbeitnehmer, deren Abfindungssummen die Höchstbetragsklausel nicht erreichen können, keine sachwidrige Benachteiligung der Gruppe der älteren Arbeitnehmer. Wie der Senat in seinem Urteil vom 14. Februar 1984 (aaO, zu 3 d der Gründe) ausgeführt hat, befindet sich die Gruppe der jüngeren Arbeitnehmer vielfach noch im Aufbau ihrer wirtschaftlichen und familiären Existenz. Diese Gruppe hat also andere, aber in vielen Fällen nicht geringere wirtschaftliche Probleme beim Verlust ihres Arbeitsplatzes als die älteren Arbeitnehmer. In der Regel finden jüngere Arbeitnehmer allerdings leichter einen neuen Arbeitsplatz. Dieser Gesichtspunkt verliert aber an Bedeutung, wenn - wie in D - die Arbeitslosenquote besonders hoch ist und hiervon die kaufmännischen Angestellten besonders betroffen sind. Mit der in den Nr. 2.2 und 2.3 des Sozialplanes gewählten Berechnungsformel für die Steigerungsbeträge der Abfindungen wird auf die verbleibende besondere Gefährdung älterer Arbeitnehmer ausreichend Rücksicht genommen. Es wird nämlich in erster Linie auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die Höhe des zuletzt bezogenen Bruttoentgelts und die besondere Betroffenheit der Altersgruppen über 45 Jahre abgestellt. Auch die nivellierende Wirkung der Höchstbetragsklausel ändert daran nichts, daß die älteren Arbeitnehmer mit längerer Betriebszugehörigkeit in den Genuß höherer Abfindungen kommen als jüngere Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis noch nicht allzu lange bestanden hat. Im vorliegenden Falle führt zwar die Höchstbetragsklausel dazu, daß die sich rechnerisch ergebende Abfindung des Klägers und anderer älterer Arbeitnehmer ganz erheblich gekürzt wird. Auch führt Nr. 5 des Sozialplans, der die gleichmäßige Verteilung des die Höchstgrenze übersteigenden Betrages auf alle Arbeitnehmer anordnet, zu einer Erhöhung des Sockelbetrages im Sinne von Nr. 2.1 des Sozialplans um 2.411,-- DM auf 5.411,-- DM. Der Sozialplan berücksichtigt aber auch so die besondere Gefährdung älterer Arbeitnehmer noch ausreichend. Höchstbegrenzungsklausel und relativ hoher Sockelbetrag ändern nämlich nichts daran, daß die Arbeitnehmer in vorgerücktem Alter mit langer Betriebszugehörigkeit eine erheblich höhere Abfindung erhalten als jüngere Arbeitnehmer mit kurzer Betriebszugehörigkeit.
b) Soweit die Revision die Verletzung des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG rügt, verkennt sie dessen Inhalt. Die Vorschrift des § 75 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, dessen Voraussetzungen - wie ausgeführt - nicht vorliegen, stellt nämlich eine spezielle Ausprägung des allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes dar. Die Revision hat aber außer dem Hinweis auf die nachteiligen Folgen der nivellierenden Regelungen der Nr. 4 und 5 des Sozialplans für die älteren Arbeitnehmer keine weiteren Gesichtspunkte dargelegt, aus denen sich eine Benachteiligung des Klägers ergeben könnte.
c) Die Revision hat außerdem gerügt, der Kläger habe bei der Entlassung als 51jähriger Arbeitnehmer kaum Chancen, jemals wieder einen neuen Arbeitsplatz zu finden. So schlimm diese Prognose für den Kläger ist, so wenig ergibt sich daraus allein, daß Betriebsrat und Arbeitgeber bei der ihnen möglichen Milderung des auszugleichenden Nachteils unter den bereits dargestellten besonderen Bedingungen des D Betriebes die Sozialplanmittel unbillig verteilt haben. Immerhin hat der Kläger neben einer weiteren Abfindung in Höhe von 25.800,-- DM für seine unterfristige Vertragsauflösung 62.411,-- DM als Sozialplanabfindung erhalten. Unter Inanspruchnahme dieses Kapitals hat er sich als Herrenausstatter selbständig machen können.
4. Verstoßen die angegriffenen Bestimmungen des Sozialplans damit nicht gegen Recht und Billigkeit, so war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
Kehrmann Weinmann
Fundstellen
BAGE 59, 255-265 (LT1-2) |
BAGE, 255 |
BB 1989, 144-145 (LT1-2) |
DB 1988, 2465-2466 (LT1-2) |
NJW 1989, 480 |
NJW 1989, 480 (L1-2) |
AuB 1989, 196-196 (T) |
Stbg 1989, 212-212 (T) |
ARST 1989, 43-44 (LT1-2) |
EWiR 1989, 229-229 (L1-2,S1) |
Gewerkschafter 1989, Nr 2, 38-38 (T) |
NZA 1989, 28-31 (LT1-2) |
RdA 1989, 70 |
SAE 1989, 165-168 (LT1-2) |
AP § 112 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 46 |
AR-Blattei, ES 1470 Nr 34 (LT1-2) |
AR-Blattei, Sozialplan Entsch 34 (LT1-2) |
EzA § 112 BetrVG 1972, Nr 44 (LT1-2) |