Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohngleichheit von Mann und Frau
Leitsatz (redaktionell)
Parallelentscheidung zum Urteil des Senats vom 23. August 1995 – 5 AZR 942/93 –, zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung vorgesehen.
Normenkette
BGB § 612 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 2; EGVtr Art. 119 Abs. 1; Richtlinie 75/117/EWG
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 25.06.1993; Aktenzeichen 19 (18) Sa 322/92) |
ArbG Dortmund (Urteil vom 08.01.1992; Aktenzeichen 6 Ca 3846/90) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 25. Juni 1993 – 19 (18) Sa 322/92 – aufgehoben.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 8. Januar 1992 – 6 Ca 3846/90 – wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin begehrt aus Gründen der Gleichbehandlung einen ebenso hohen Lohn, wie ihn die Beklagte bei ihr beschäftigten Männern zahlt.
Die Beklagte befaßt sich mit der Herstellung und Verpackung gerösteter und gesalzener Nüsse und Ähnlichem. In ihrem Werk in S. beschäftigte sie in den Jahren 1990 und 1991 ungefähr 230 Arbeitnehmer, darunter etwa 115 bis 120 Arbeitnehmerinnen, von denen etwa 96 in der sog. Verpackungsabteilung arbeiteten.
Die Klägerin ist seit dem 9. Juni 1987 bei der Beklagten als Verpackerin in der Verpackungsabteilung beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit die Tarifverträge für die Süßwarenindustrie Anwendung. Die Klägerin erhielt zuletzt Lohn nach der Lohngruppe C des Entgelt-Bundesrahmentarifvertrages (EBTV).
Anfang 1990 stieg bei der Beklagten die Nachfrage nach ihren Produkten stark an. Sie hatte einen neuen großen Kunden in Frankreich gewonnen; zugleich entstand im Gebiet der ehemaligen DDR ein neuer Markt. Die Beklagte entschloß sich, der gestiegenen Nachfrage dadurch zu begegnen, daß sie in der Verpackungsabteilung teilweise Nachtschichten einführte. Anfangs wurde nur jede dritte Woche in Nachtschicht gearbeitet. In der Zeit vom 2. April 1990 bis zum 9. November 1990 ließ sie an der sog. Dosenanlage und in der Zeit vom 18. Juni 1990 bis zum 28. September 1990 an der Schlauchbeutelmaschine ständig Nachtarbeit durchführen. Hierzu setzte sie männliche Arbeiter in einem rollierenden System ein, vorübergehend auch einzelne Arbeiter in Dauernachtschicht.
Die Beklagte stellte aus diesem Anlaß in der Zeit vom 19. Februar 1990 bis zum 28. Juni 1990 insgesamt 11 Arbeiter neu ein. In ihren Arbeitsverträgen wurden diese Arbeiter nicht nur für die Verpackungsabteilung vorgesehen, sondern gleichermaßen, zum Teil sogar ausschließlich für den Einsatz auch in anderen Abteilungen, vor allem bei der Herstellung der Waren. Die Herstellungsabteilungen werden von der Beklagten „Vorproduktion” genannt; zu ihr zählen unter anderem die Mixerei, die Bäckerei und die Rösterei.
Bei den Eingestellten handelt es sich im einzelnen um folgende Arbeitnehmer:
Der Arbeiter Michael G. wurde am 19. Februar 1990 eingestellt. Er ist gelernter Bürokaufmann im Außenhandel, hat sieben Jahre als Schiffskoch gearbeitet und verfügt über einen Gabelstaplerführerschein. Nach dem Inhalt des schriftlichen Arbeitsvertrages war sein Einsatz vorgesehen für die Vorproduktion und die Verpackung. Nach der Einarbeitung wurde er zunächst in der Bäckerei und Mixerei tätig. Von Mitte Juni 1990 bis Mitte Oktober 1990 arbeitete er in der Verpackungsnachtschicht. Von Mitte Oktober 1990 bis zum 31. Dezember 1991 war er abwechselnd in der Bäckerei, Mixerei und dem Lager tätig. Seit dem 1. Januar 1992 arbeitet er ausschließlich im Lager.
Der Arbeiter Jörg R. wurde am 19. Februar 1990 eingestellt. Er ist Facharbeiter für Anlagen und Geräte und verfügt über einen Gabelstaplerführerschein. Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag war er ebenfalls vorgesehen für die Vorproduktion und für die Verpackung. Nach der Einarbeitung vom 19. Februar 1990 bis zum 31. März 1990 war er bis zum 12. Oktober 1990 in der Verpackungsnachtschicht tätig. Seit dem 13. Oktober 1990 arbeitet er im Lager.
Der Arbeiter Ingo Kr. wurde am 19. Februar 1990 eingestellt. Er ist gelernter EDV-Sachbearbeiter. Nach der Einarbeitung vom 19. Februar 1990 bis 31. März 1990 war er bis zum 8. Juni 1990 in der Verpackungsnachtschicht tätig. In der Zeit vom 9. Juni 1990 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 23. August 1991 war er als Springer im Lager tätig. Nach dem Vortrag der Beklagten sollte er außerdem in die Verpackungstechnik eingearbeitet und mit einfachen bis mittelschweren Wartungs-, Umbau- und Reparaturarbeiten an den Verpackungsmaschinen betraut werden.
Der Arbeiter Ismail T. wurde ebenfalls am 19. Februar 1990 eingestellt. Er hat keinen Beruf erlernt. Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag wurde er eingestellt für die Vorproduktion und die Verpackung. Nach der Einarbeitung bis zum 31. März 1990 war er in der Zeit vom 2. April 1990 bis 12. Oktober 1990 in der Verpackungsnachtschicht tätig. In der Zeit vom 13. Oktober 1990 bis 31. Dezember 1991 arbeitete er als Springer in der Bäckerei, Mixerei und im Lager. Seit dem 1. Januar 1992 ist er ausschließlich im Lager tätig.
Der Arbeiter Georg M. wurde gleichfalls am 19. Februar 1990 eingestellt. Er ist gelernter Rohrinstallateur. Nach der Einarbeitung bis zum 31. März 1990 war er bis zum 19. September 1990 in der Verpackungsnachtschicht tätig. In der Zeit vom 20. September 1990 bis 31. Dezember 1991 arbeitete er als Springer in der Bäckerei, Mixerei und dem Lager. Seit dem 1. Januar 1992 ist er ausschließlich im Lager tätig.
Der Arbeiter Ingolf P. wurde am 1. März 1990 eingestellt. Er ist gelernter Schlosser. Nach der Einarbeitung bis zum 31. März 1990 war er in der Zeit vom 2. April 1990 bis zum 2. Oktober 1990 in der Verpackungsnachtschicht tätig, zeitweise wurde er mit der Qualitätskontrolle befaßt. In der Zeit vom 3. Oktober 1991 bis 31. Dezember 1991 arbeitete er als Springer in den Abteilungen Bäckerei, Mixerei und Lager, in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 18. Oktober 1992 war er ausschließlich im Lager tätig.
Der Arbeiter Thorsten H. wurde vom 28. Mai 1990 bis zum 20. Juli 1990 beschäftigt. Er ist Student und arbeitete als Aushilfe. Vom 28. Mai bis Mitte Juni 1990 arbeitete er in der Bäckerei, der Mixerei und dem Lager. In der Zeit von Mitte Juni bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 20. Juli 1990 war er in der Verpackungsnachtschicht tätig.
Der Arbeiter Paul s. wurde am 28. Mai 1990 eingestellt. Er ist gelernter Bäcker. In der Zeit vom 28. Mai 1990 bis zum 10. Juni 1990 wurde er eingearbeitet. Vom 11. Juni 1990 bis zum 5. Oktober 1990 war er in der Verpackungsnachtschicht tätig. Seit dem 6. Oktober 1990 arbeitet er im Lager.
Der Arbeiter Johann K. wurde am 18. Juni 1990 eingestellt. Das Arbeitsverhältnis wurde am 6. August 1990 beendet. Er ist gelernter Schweißer und sollte nach der Urlaubszeit in allen Produktionsbereichen eigenständig Reparaturen und Schweißarbeiten ausführen. Er war ausschließlich in der Verpackungsnachtschicht tätig.
Der Arbeiter Izzet B. wurde am 18. Juni 1990 eingestellt. Er verfügt über keine Ausbildung. In der Zeit vom 18. Juni 1990 bis 28. September 1990 war er in der Verpackungsnachtschicht tätig. Seit Oktober 1990 arbeitet er in der Rösterei.
Der Arbeiter Gerwin G. wurde am 5. Juli 1990 eingestellt. Er ist gelernter Kfz-Mechaniker. Vom 5. Juli 1990 bis Ende August 1990 wurde er als Maschinenführer/schlosser an der Hesser-Anlage eingesetzt. Seit September 1990 ist er in der Rösterei tätig.
Alle neu eingestellten Arbeiter wurden in die Tarifgruppe E des EBTV eingestuft. Der Tariflohn dieser Tarifgruppe betrug nach Vollendung des 20. Lebensjahres bis zum 31. März 1991 2.379,00 DM, ab 1. April 1991 2.534,00 DM. In derselben Zeit betrugen die Tariflöhne (ab 18. Lebensjahr) in der Tarifgruppe C 1.997,00 DM bzw. 2.137,00 DM und in der Tarifgruppe B 1.874,00 DM bzw. 2.009,00 DM. Die in Lohngruppe E eingestuften Arbeiter erhielten eine Zulage von monatlich 163,00 DM, die in Gruppe C eingestuften Arbeiterinnen bekamen monatlich 208,80 DM als Zulage. Ob und welche Zulagen Arbeiterinnen der Lohngruppe B erhielten, ist nicht festgestellt worden.
Die in Lohngruppe C eingereihte Klägerin meint, sie müsse nach der Lohngruppe E bezahlt werden. Ihre Tätigkeit sei nach dieser tariflichen Gruppe zu bewerten. Zumindest aber habe sie nach § 612 Abs. 3 BGB, Art. 119 EG-Vertrag Anspruch darauf, genau so bezahlt zu werden wie ihre männlichen Kollegen. Sie habe in der Verpackungsabteilung genau dieselben Arbeiten zu verrichten wie die dort in Nachtarbeit tätigen, aber höher bezahlten Männer. Die Beklagte behandle die Frauen ohne rechtfertigenden Grund schlechter, indem sie nur die Männer übertariflich entlohne. Sie stelle Frauen von vornherein nur für schlechter bezahlte Arbeiten ein. Die Unterschiedsbeträge zwischen dem gezahlten und dem begehrten Tariflohn für die Zeit vom 16. Juli 1990 bis zum 30. Juni 1991 ergeben – der Höhe nach unstreitig – die Klageforderungen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie
- 955,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 5. November 1990,
- 1.146,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Januar 1991,
- 2.292,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Mai 1991
zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat entgegnet, in der Nacht seien Tätigkeiten in der Verpackungsabteilung schwerer, weil die Arbeiter die Maschinen zusätzlich mit Verpackungsmaterial zu versorgen und die fertig verpackte Ware in das Lager zu bringen hätten. Sie müßten auch große Displays und Verkaufspaletten anfertigen und die Rohware zu den Verpackungsmaschinen schaffen. Diese Arbeiten würden in der Tagschicht von anderen Arbeitern erledigt, nicht aber von den Frauen an den Verpackungsmaschinen. Die Männer hätten auch nicht gleiche oder gleichwertige Arbeiten wie die Frauen durchzuführen, sondern andere, höherwertige Tätigkeiten. Sie seien gerade nicht nur für die Verpackungsabteilung eingestellt worden, sondern für eine Vielzahl verschiedener Arbeiten, die schon aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen nicht von Frauen ausgeübt werden dürften. Bei der Lohnfindung seien die unterschiedlichen Aufgaben der Männer gegenüber den Frauen berücksichtigt worden. Zudem sei berücksichtigt worden, daß die Männer flexibler einsetzbar seien und eingesetzt würden und daß sie zum Teil abgeschlossene Ausbildungen und Gabelstaplerführerscheine vorzuweisen hätten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat ihr zu Unrecht stattgegeben.
I. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht allerdings davon ausgegangen, daß der Klägerin kein Anspruch auf eine tarifliche Bezahlung nach Lohngruppe E des EBTV i.V.m. dem ETV-NRW zusteht. Die Klägerin erfüllt die Merkmale dieser Lohngruppe nicht.
Soweit das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat, die Tätigkeit der Klägerin erfülle auch nicht die Voraussetzungen der Lohngruppe D, kann seine Ansicht dahingestellt bleiben; diese Lohngruppe ist vom Klageantrag nicht erfaßt. Da die Lohngruppen B, C, D und E des hier anzuwendenden EBTV hinsichtlich der Tätigkeitsmerkmale nicht aufeinander aufbauen, kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen der jeweils nächstniedrigeren Lohngruppe erfüllt sind (BAG Urteil vom 15. Oktober 1986 – 4 AZR 572/82 – AP Nr. 51 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie).
II. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht der Klage mit der Erwägung stattgegeben, der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch auf Bezahlung der Unterschiedsbeträge zur Lohngruppe E des EBTV nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu.
1. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe den ab 19. Februar 1990 eingestellten Arbeitern unterschiedslos eine Bezahlung nach Lohngruppe E gewährt, obwohl nur drei von ihnen die Voraussetzungen dieser Tarifgruppe erfüllten. Diese Bezahlung sei als übertarifliche Zulage zu bewerten, deren Gewährung dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz unterliege. Die Tätigkeiten der nach Tarifgruppe E bezahlten Arbeiter seien denen der Klägerin ähnlich. Gleichwohl habe die Beklagte keine sachlichen Gründe dargelegt, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigten. Auch wenn nur ein vorübergehender Einsatz der Männer in der Verpackungsabteilung geplant gewesen sei, rechtfertige dies ihre Bezahlung nach Lohngruppe E des EBTV nicht. Ausdrücklich offengelassen hat das Landesarbeitsgericht, ob ein Anspruch gem. § 612 Abs. 3 BGB wegen des Verstoßes gegen das Prinzip der Lohngleichheit von Mann und Frau bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit besteht.
2. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft.
a) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Bezahlung der Arbeiter nach Lohngruppe E des EBTV stelle, soweit ihnen mehr als der den Frauen gezahlte Tariflohn gezahlt werde, eine übertarifliche Zulage dar, ist rechtsfehlerhaft. Die Beklagte hat die Arbeiter nicht in eine niedrigere Lohngruppe eingruppiert und dann den zusätzlichen Differenzbetrag zur Lohngruppe E gewährt. Vielmehr sind die Arbeiter mit Zustimmung des Betriebsrats für sehr unterschiedliche Arbeiten eingestellt und deshalb in die Lohngruppe E eingruppiert worden. Die Klägerin hat auch nicht geltend gemacht, aus Gründen der Gleichbehandlung einen Anspruch auf eine übertarifliche Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen ihrer Lohngruppe und der Lohngruppe E des EBTV zu haben. Vielmehr macht sie geltend, sie müsse deshalb genau so viel wie die ab Februar 1990 neu eingestellten Männer verdienen, weil ihre Arbeit mit der der Männer gleich oder zumindest gleichwertig sei.
b) Indem das Landesarbeitsgericht offengelassen hat, ob sich der Anspruch der Klägerin aus § 612 Abs. 3 BGB ergeben kann, hat es die wesentliche Rechtsgrundlage verfehlt, nach der aus Gründen der Gleichbehandlung der Geschlechter Männern und Frauen gleich hoher Lohn zu zahlen ist. Hierfür ist nicht mehr auf den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz abzustellen. Ebenso ist es nicht mehr angängig, den Grundsatz der Entgeltgleichheit mangels einfachrechtlicher nationaler Normen aus Art. 3 Abs. 2 GG herzuleiten. Rechtsgrundlage nach deutschem Recht ist insoweit nur noch § 612 Abs. 3 BGB. Diese Bestimmung hat seit ihrer Einführung durch Art. 1 Nr. 3 des arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetzes vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1308) mit Wirkung vom 21. August 1980 als speziellere und spätere Norm den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz für das Entgelt von Männern und Frauen wie auch die unmittelbare Herleitung dieses Grundsatzes aus Art. 3 Abs. 2 GG verdrängt (vgl. Hanau in Erman, BGB, Bd. 1, 9. Aufl., § 612 Rz 26; Michels-Holl in RGRK-BGB, 12. Aufl., § 612 Abs. 3 Rz 68). Das europarechtliche Lohngleichheitsgebot für Mann und Frau (Art. 119 Abs. 1 EG-Vertrag, Richtlinie Nr. 75/117/EWG) ist durch die gemeinschaftskonform auszulegende Bestimmung des § 612 Abs. 3 BGB in innerstaatliches Recht umgesetzt worden (BAG Urteil vom 26. Mai 1993 – 5 AZR 184/92 – BAGE 73, 166, 174 = AP Nr. 42 zu Art. 119 EWG-Vertrag, zu II 2 der Gründe, m.w.N.).
c) Das Landesarbeitsgericht hat desweiteren die Voraussetzungen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verkannt und zu Unrecht als gegeben erachtet. Es hat angenommen, bereits die „Ähnlichkeit” der Tätigkeit der Klägerin mit den Tätigkeiten der ab Februar 1990 eingestellten Männer verpflichte den Arbeitgeber zur Gleichbehandlung, sofern er nicht darlege, aus welchen – berechtigten – Gründen er den Männern eine übertarifliche Zulage gewähre, den Frauen jedoch nicht. Die bloße „Ähnlichkeit” der Tätigkeit genügt aber nicht, um den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz anzuwenden. Er gebietet nur, „Gleiches” bzw. – soweit es um Fragen der Arbeitsvergütung geht – „Gleichwertiges” gleich zu behandeln (BAG Urteil vom 27. Juli 1988 – 5 AZR 244/87 – AP Nr. 83 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu II 1 der Gründe; Urteil vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 219/93 – AP Nr. 51 zu Art. 119 EWG-Vertrag, zu II a der Gründe). Eine „Ähnlichkeit” verschiedener Tätigkeiten stellt keine Gleichheit oder Gleichwertigkeit der Tätigkeiten hinsichtlich des Arbeitsentgelts dar und verpflichtet deshalb nicht, denselben Lohn zu zahlen. Die Ähnlichkeit der Tätigkeiten ist entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts auch keine Hilfstatsache, die eine Diskriminierung mit der Folge vermuten ließe, daß es Sache des Arbeitgebers wäre, rechtfertigende Gründe für eine unterschiedliche Behandlung darzulegen.
Die Tätigkeiten der Klägerin und der von ihr zum Vergleich herangezogenen Männer sind zudem weder gleich noch gleichwertig (vgl. unten zu III 1 der Entscheidungsgründe).
III. Diese Rechtsfehler haben die Aufhebung des Berufungsurteils zur Folge. Es erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend. Jedoch genügen die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts für eine Entscheidung des Revisionsgerichts in der Sache selbst. Die Klage ist nicht begründet.
1. Nach § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB darf in einem Arbeitsverhältnis für gleiche oder gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts des Arbeitnehmers eine geringere Vergütung vereinbart werden als mit einem Arbeitnehmer des anderen Geschlechts. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen nicht vor.
a) Die Klägerin hat nicht die gleiche Arbeit wie die von ihr zum Vergleich herangezogenen, ab Februar 1990 eingestellten Arbeiter, ausgeübt.
aa) Wann die Arbeit „gleich” ist, ist im Gesetz nicht bestimmt. Um gleiche Arbeit handelt es sich, wenn Arbeitnehmer an verschiedenen oder nacheinander an denselben technischen Arbeitsplätzen identische oder gleichartige Tätigkeiten ausüben (Michels-Holl in RGRK-BGB, 12. Aufl., § 612 Abs. 3 Rz 81; Schaub in MünchKomm zum BGB, 2. Aufl., § 612 Rz 262; Richardi in Staudinger, BGB, 12. Aufl. § 612 Rz 53). Ob die Arbeit gleich ist, ist durch einen Gesamtvergleich der Tätigkeiten zu ermitteln. Dabei kommt es auf die jeweiligen Arbeitsvorgänge und das Verhältnis dieser Vorgänge zueinander an. Soweit Tätigkeiten oder ihre Merkmale voneinander abweichen, ist auf die jeweils überwiegend auszuübende Tätigkeit abzustellen (Michels-Holl in RGRK-BGB, a.a.O.). Einzelne gleiche Arbeitsvorgänge für sich allein genügen nicht für die Annahme, die insgesamt jeweils geschuldete Arbeitstätigkeit sei gleich. Dies ist auch zu beachten, wenn für vorübergehende Zeiträume gleiche Arbeiten ausgeübt werden. Auch in solchen Fällen kommt es darauf an, die Arbeiten in einem dem Einzelfall gerecht werdenden repräsentativen Zeitraum zu vergleichen.
bb) Die Klägerin hat unstreitig nur als Verpackerin (Maschinenbedienerin) in der Verpackungsabteilung der Beklagten gearbeitet. Eine gleiche Tätigkeit haben die Männer nur ausgeübt, soweit sie an den Verpackungsmaschinen als Verpacker gearbeitet haben. Jeder der ab Februar 1990 eingestellten Arbeiter hatte in den Streitzeiträumen aber weitgehend auch andere Arbeiten zu leisten. Sie waren schon nach ihren Arbeitsverträgen auch und zum Teil sogar ausschließlich für andere Tätigkeiten außerhalb der Verpackungsabteilung eingestellt worden. In der Verpackungsabteilung sollten und wurden sie – nach der Zeit der Einarbeitung – zunächst nur in Wechsel-Nachtschicht, d.h. alle drei Wochen, eingesetzt. In den anderen Wochen waren sie nicht in der Verpackungsabteilung tätig, sondern hatten andere Aufgaben, z.B. in der sog. Vorproduktion (Mixerei, Rösterei usw.). Für wenige Wochen wurden einzelne Arbeiter vorübergehend in Dauernachtschicht in der Verpackungsabteilung eingesetzt; sodann waren sie aber nicht mehr dort eingesetzt, sondern – wie ursprünglich vorgesehen – in anderen Abteilungen, vor allem in der Vorproduktion. Insgesamt war die von den Arbeitern geschuldete Arbeit nicht auf eine Tätigkeit als Verpakker an Verpackungsmaschinen ausgerichtet. Ihre vertraglich geschuldete und tatsächlich geleistete Arbeit war mit der Arbeit der Klägerin nicht gleich. Dabei wird, soweit die Arbeiter in der Nachtschicht an den Verpackungsmaschinen gearbeitet haben, zu Gunsten der Klägerin als richtig unterstellt, daß vergütungsrelevante zusätzliche Arbeiten in der Nachtschicht, wie sie die Beklagte behauptet und die Klägerin bestritten hat, nicht angefallen sind.
b) Die Arbeit der Klägerin und die Arbeiten, die von den ab Februar 1990 eingestellten Arbeitern zu leisten waren und geleistet worden sind, sind auch nicht als gleichwertig zu erachten.
aa) Das Gesetz, vor allem § 612 Abs. 3 BGB, bestimmt nicht, wann Arbeiten „gleichwertig” sind. Auch aus der durch § 612 Abs. 3 BGB umgesetzten Richtlinie 75/117/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen vom 10. Februar 1975 (ABl. EG Nr. L 45/19) ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Begriffsbestimmung der gleichwertigen Arbeit. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 612 Abs. 3 BGB sind Arbeiten gleichwertig, wenn sie nach objektiven Maßstäben der Arbeitsbewertung denselben Arbeitswert haben (BT-Drucks, 8/3317, S. 10). Dabei können die Praxis der Tarifvertragsparteien und die allgemeine Verkehrsanschauung Anhaltspunkte geben (BT-Drucks., a.a.O.). Für die Frage der Gleichwertigkeit ist wie bei Art. 119 Abs. 1 EG-Vertrag (BAG Urteil vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 219/93 – AP Nr. 51 zu Art. 119 EWG-Vertrag, zu B III 2 b am Ende der Gründe) auf den Gegenstand der Arbeitsleistung abzustellen. Ob die Arbeiten gleichwertig sind, kann nur festgestellt werden, indem die geschuldeten Tätigkeiten insgesamt miteinander verglichen werden. Für die qualitative Wertigkeit einer Arbeit ist unter anderem das Maß der erforderlichen Vorkenntnisse und Fähigkeiten nach Art, Vielfalt und Qualität bedeutsam. Je größer diese Anforderungen sind, desto höher ist der Wert der Arbeit einzuschätzen. Steht ein Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag für eine Vielzahl verschiedener Arbeiten zur Verfügung, so kann schon dies eine insgesamt höhere Bewertung der von ihm insgesamt geschuldeten Arbeit rechtfertigen oder gar erfordern als für die jeweilige Einzeltätigkeit anzunehmen sein kann. Allerdings wird die Feststellung gleichwertiger Arbeit erheblich erschwert, weil objektive Maßstäbe der Bewertung nicht vorhanden sind (Michels-Holl in RGRK-BGB, a.a.O., Rz 82; Schaub in MünchKomm zum BGB, 2. Aufl., § 612 Rz 264; Richardi in Staudinger, BGB, 12. Aufl., § 612 Rz 55 f.).
bb) Das Landesarbeitsgericht hat zwar – von seinem unzutreffenden rechtlichen Standpunkt aus konsequent – nicht geprüft, ob die Arbeit der Klägerin den Arbeiten gleichwertig ist, die die von ihr zum Vergleich herangezogenen, ab Februar 1990 eingestellten Arbeiter geleistet haben. Aus den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen wie auch aus dem Vortrag der Klägerin selbst ergibt sich jedoch, daß dies nicht der Fall ist. Außer dem Arbeiter K. hat jeder der von ihr zum Vergleich herangezogenen Arbeiter nicht nur als Verpacker an Verpackungsmaschinen in der Verpackungsabteilung der Beklagten gearbeitet, sondern ist mit einer Vielzahl verschiedener Arbeiten in verschiedenen Abteilungen der Beklagten befaßt gewesen, vor allem in den verschiedenen Abteilungen der Vorproduktion. K. war aber auch für andere Tätigkeiten vorgesehen. Bereits dies macht deutlich, daß die Arbeit der Klägerin den Arbeiten der von ihr zum Vergleich herangezogenen Arbeiter nicht gleichwertig ist, mögen auch einzelne Arbeitsvorgänge, die von den Arbeitern zu erbringen waren, mit der Arbeit der Klägerin gleichwertig sein.
2. Aus denselben Erwägungen ergibt sich, daß die Klage auch nicht nach Art. 119 Abs. 1 EG-Vertrag begründet ist.
a) Hiernach ist der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit anzuwenden. Es ist Aufgabe der für die Beurteilung des Sachverhalts zuständigen nationalen Gerichte festzustellen, ob die Arbeiten der Frauen und die der Männer gleich oder gleichwertig sind (EuGH Urteil vom 31. Mai 1995 – Rs C-400/93 – EuroAS 1995, 130, 132). Der Maßstab für die Gleichheit oder die Gleichwertigkeit der zu vergleichenden Arbeiten ist derselbe wie bei § 612 Abs. 3 BGB, der seinerseits gemeinschaftskonform auszulegen ist (BAG Urteil vom 26. Mai 1993 – 5 AZR 184/92 – BAGE 73, 166, 174 f. = AP Nr. 42 zu Art. 119 EWG-Vertrag, zu II 2 der Gründe).
b) Die Arbeit der Klägerin ist mit den Arbeiten der von ihr zum Vergleich herangezogenen Männer weder gleich noch gleichwertig, wie unter III 1 im einzelnen dargestellt worden ist.
3. Ob in der Tatsache, daß die Frauen nicht mit denselben Tätigkeiten wie die Männer betraut und deshalb nicht wie diese eingruppiert sind, eine Diskriminierung wegen des Geschlechts liegt (§ 611 a Abs. 1 BGB, Art. 119 EG-Vertrag), war nicht zu prüfen. Die Klägerin hat zwar eine dahingehende Vermutung geäußert. Sie hat aber nicht verlangt, für dieselben Arbeiten wie die Männer eingesetzt zu werden, sondern sie verlangt unter Beibehaltung ihrer bisherigen Tätigkeit einen gleich hohen Lohn, wie ihn die Männer erhalten.
Unterschriften
Griebeling, Schliemann, Reinecke, Werner, Heel
Fundstellen