Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkursvorrecht einer französischen Handelsvertreterin
Leitsatz (amtlich)
Macht eine für ein Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland ausschließlich in Frankreich beschäftigte französische Handelsvertreterin (Voyageur, Représentant et Placier) im Konkurs dieses Unternehmens für noch offene Provisionsforderungen Konkursvorrechte nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO geltend, ist für das Konkursvorrecht die Arbeitnehmereigenschaft nach deutschem Recht zu bestimmen.
Normenkette
EGBGB Art. 30, 34; KO § 61 Abs. 1 Nrn. 1a, 1c; HGB § 84 Abs. 1 S. 2; EWGVtr Art. 7; Code du travail Art. L 751/1
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 07.12.1990; Aktenzeichen 9 Sa 1397/90) |
ArbG Krefeld (Urteil vom 11.09.1990; Aktenzeichen 4 Ca 756/90) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. Dezember 1990 – 9 Sa 1397/90 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin ist französischer Nationalität. Sie war von Ende 1985 bis 1. März 1989 als Außendienstmitarbeiterin (Voyageur, Représentant et Placier) für die Gemeinschuldnerin ausschließlich in Frankreich tätig. Sie haste in bestimmten zeitlichen Abständen die Kunden der Gemeinschuldnerin aufzusuchen und ihr in regelmäßigen Abständen zu berichten. Ihre Vergütung erfolgte auf Provisionsbasis in französischer Währung. Die Klägerin führte Steuern und Sozialversicherungsbeitrage in Frankreich ab. Die Parteien haben keinen schriftlichen Vertrag geschlossen; eine Rechtswahl fehlt. Am 28. Februar 1989 ist über das Vermögen der Gemeinschuldnerin der Konkurs eröffnet worden. Zum Konkursverwalter wurde der Beklagte bestellt.
Für die Zeit von Dezember 1988 bis Februar 1989 meldete die Klägerin Provisionsforderungen einschließlich 5 % Zinsen von insgesamt 16.191,87 DM zur Konkurstabelle an. Davon hat der Beklagte 15.693,73 DM anerkannt, die restliche Forderung sowie das Vorrecht der Forderungen dagegen bestritten.
Die Klägerin hat beantragt,
ihre Forderung an die Konkursmasse der Firma G… Aktiengesellschaft i. H. v. 16.191,87 DM, – 43 N 511/89 – Amtsgericht Krefeld, als bevorrechtigt festzustellen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat Forderungen der Klägerin von 16.124,68 DM als bevorrechtigt festgestellt und im übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist ohne Erfolg. Da die Klägerin als Voyageur, Représentant et Placier nach deutschem Konkursrecht keine Arbeitnehmerin ist, hat das Landesarbeitsgericht zu Recht entschieden, daß ihre in zweiter Instanz weiterverfolgten Provisionsforderungen nicht nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO bevorrechtigt sind.
1. Nachdem der Beklagte als Konkursverwalter das Vorrecht der von der Klägerin zur Konkurstabelle angemeldeten Forderungen bestritten hat, ist sie als Konkursgläubigerin gem. § 146 Abs. 1 Satz 1 KO berechtigt, die Feststellung des Vorrechts gegen den Konkursverwalter zu betreiben (vgl. BAGE 10, 310 = AP Nr. 2 zu § 61 KO; BAGE 19, 355 = AP Nr. 30 zu § 2 ArbGG 1953 Zuständigkeitsprüfung; BAGE 50, 221 = AP Nr. 3 zu § 146 KO).
Eine Prüfung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit findet nach § 73 Abs. 2 ArbGG a. F. nicht statt. Soweit durch Art. 2 des Vierten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung – 4. VwGoÄndG – vom 17. Dezember 1990 (BGBl I S. 2809) in den ab 1. Januar 1991 geltenden §§ 17 ff. GVG die Verweisung eines Rechtsstreits in den zulässigen Rechtsweg neu geregelt worden ist, sind die neuen Bestimmungen noch nicht anzuwenden, well sie bei Abschluß des ersten Rechtszuges noch nicht in Kraft getreten waren (BAG Beschluß vom 20. August 1991 – 1 ABR 85/90 – DB 1992, 275, zur Veröffentlichung für die Amtliche Sammlung vorgesehen, zu B I der Gründe). Das Urteil erster Instanz ist bereits am 11. September 1990 ergangen.
2.a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, auf das Vertragsverhältnis der Klägerin sei nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB französisches Recht anzuwenden. Obwohl die Klägerin insoweit Arbeitnehmerin sei, führe dies nicht dazu, daß ihre Forderungen als Arbeitnehmerforderungen gem. § 61 Abs. 1 Nr. 1a KO bevorrechtigt seien. Wer Arbeitnehmer i. S. der Konkursordnung sei, bestimme sich ausschließlich nach deutschem Recht, da die konkursrechtlichen Bestimmungen sog. Zwingende Eingriffsnormen gem. Art. 34 EGBGB seien. Nach deutschem, Recht sei die Klägerin nicht Arbeitnehmerin, sondern selbständige Handelsvertreterin, denen das Konkursvorrecht nur in dem beschränkten Umfang des § 61 Abs. 1 Nr. 1c KO zukomme.
b) Dieser Auffassung ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Klägerin nicht Arbeitnehmerin i. S. von § 61 Abs. 1 Nr. 1a KO ist und deshalb ihre Provisionsforderungen im Konkurs der Gemeinschuldnerin nicht bevorrechtigt zu befriedigen sind.
Es kann dahinstehen, ob aufgrund der Regeln des internationalen Privatrechts (Art. 30 EGBGB) für das Vertragsverhältnis französisches Recht anzuwenden (Art. L. 751/l ff. des Code du travail) und danach die Klägerin als Vovageur, Représentant et Placier wie eine Arbeitnehmerin zu behandeln wäre, weil das hier maßgebliche Konkursrecht zwingende Regelungen öffentlich-rechtlichen Inhalts enthält. Dafür ist die anzuwendende Rechtsordnung gesondert zu bestimmen.
Für das internationale Konkursrecht fehlen insoweit ausdrücklich Kollisionsnormen im Einführungsgesetz zum BGB (Ferid, IPR, 3. Aufl., S. 74). Deutsches Recht geht anderen ausländischen Regelungen international zwingend vor (Art. 34 EGBGB), wenn es den zumindest auch im Interesse des Gemeinwohls und nicht nur im Individualinteresse getroffenen Regelungen unbedingte Geltung verschaffen soll (BAGE 63, 17, 32 = AP Nr. 28 zu Internationales Privatrecht, Arbeitsrecht, m.w.N.). Bei den materiell-rechtlichen Konkursvorschriften, zu denen das Konkursvorrecht gehört, handelt es sich um solche zwingenden Normen. Sie sind dem öffentlichen Recht zuzuordnen und haben Bedeutung für die Abwicklung des Konkurses. Denn das Konkursverfahren dient dem Ziel, im Wege einer Gesamtvollstreckung eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger zu erreichen. Die materiell-rechtlichen Konkursvorschriften sind deshalb eng mit den verfahrensrechtlichen Regeln verknüpft. Aus dieser engen Verbindung ergibt sich notwendig eine rechtliche Gleichbehandlung zwischen Verfahrens- und materiellem Recht (Ferid, IPR, 3. Aufl., S. 74). Verfahrensrechtlich gilt aber immer das Recht am Ort des gerichtlichen Verfahrens. Nur wenn die Abwicklung des Konkurses einheitlich nach einer Rechtsordnung erfolgt, ist eine gleichmäßige Verteilung des Schuldvermögens gewährleistet. Von daher hat auch die Bestimmung der Konkursvorrechte einheitlich zu erfolgen, denn sie sind als Ausnahmen von dem Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger nur in den u.a. in § 61 KO genannten Grenzen gerechtfertigt (Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10. Aufl., § 61 Rz 6). Die zwingenden Konkursvorrechte können daher nicht durch die (teilweise) Anknüpfung an eine ausländische Rechtsordnung verändert werden. Maßgeblich ist vielmehr das Recht am Ort des Konkursgerichtes (so bereits RGZ, 1, 322; 8, 110, 114; Jaeger/Henckel/Weber, KO, 8. Aufl.; § 61 Anm. 40; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10. Aufl,, § 61 Rz 7; Ferid, aaO, S. 74; Reithmann/Martiny, Int.Vertr.R., 4. Aufl., Rz 977). Es gilt deshalb deutsches Konkursrecht.
c) Die Anwendung deutschen Konkursrechts verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 7 EWG-Vertrag. Danach ist jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Diese Vorschrift gilt indessen nur im Anwendungsbereich des EWG-Vertrages. Da für das Konkursrecht eine gemeinschaftliche Regelung fehlt und es bislang nicht Gegenstand der Harmonisierung nationaler Rechtsvorschriften ist, kann schon deswegen keine Diskriminierung i. S. des Art. 7 EWG-Vertrag gegeben sein (von der Groeben/Thiesing/Ehlermann/ Zuleeg, EWG-Vertrag Kom., 4. Aufl., S. 165).
3. Nach deutschem Konkursrecht steht der Klägerin ein Konkursvorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 1a KO nicht zu, denn unter Zugrundelegung deutschen Rechts ist die Klägerin nicht Arbeitnehmerin.
a) Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Arbeit verpflichtet ist. Da es vorliegend um die Abgrenzung zwischen einem selbständigen Handelsvertreter und einem Angestellten geht, kann für den Arbeitnehmerstatus unmittelbar auf die Definition in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB zurückgegriffen werden Danach ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.
b) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, ist die Klägerin keine Arbeitnehmerin, sondern selbständige Handelsvertreterin.
Die Klägerin war in der Einteilung ihrer Arbeit frei und unterlag keinem Weisungerecht der Gemeinschuldnerin. Die Klägerin vermittelte Geschäfte für die Gemeinschuldnerin und wurde hierfür erfolgsabhängig auf Provisionsbasis vergütet. Der Umstand, daß sie die Kunden in einer bestimmten zeitlichen Folge zu besuchen hatte und der Gemeinschuldnerin berichten mußte, steht der Annahme eines selbständigen Handelsvertreterverhältnisses nicht entgegen. Die konkrete Einteilung der täglichen Arbeitszeit blieb der Klägerin überlassen. Die Berichtspflicht gehört zu den allgemeinen Pflichten des Handelsvertreters nach § 86 HGB.
4. Der Klägerin kommt als selbständiger Handelsvertreterin auch nicht ein Konkursvorrecht gem. § 61 Abs. 1 Nr. 1c KO zugute. Ausweislich ihrer Abrechnung vom 27. Februar 1989 hat sie während der letzten sechs Monate ihres Vertragsverhältnisses mehr als 1.000,-- DM und damit über der für das Konkursvorrecht bestimmten Grenze verdient.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Leinemann, Timpe, Dörner, Dr. Lipke, Wisskirchen
Fundstellen
Haufe-Index 838644 |
NZA 1992, 1129 |
RdA 1992, 287 |
ZIP 1992, 1158 |
IPRspr. 1992, 261 |