Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildungskosten. Rückzahlungsvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
vgl. – 5 AZR 430/90 –; – 5 AZR 443/90 –
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 11.01.1990; Aktenzeichen 13 (17) Sa 1068/89) |
ArbG Oberhausen (Urteil vom 02.08.1989; Aktenzeichen 4 Ca 670/89) |
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. Januar 1990 – 13 (17) Sa 1068/89 – aufgehoben –
2. Der Rechtsstreit, wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte den Kläger von einer Darlehensschuld freistellen muß, die der Kläger zur Finanzierung eines Pilotenlehrgangs zum Erwerb der Musterberechtigung für den Flugzeugtyp Fokker F 27 eingegangen ist.
Der Kläger hat am 13. Juni 1988 einen „Zeitarbeitsvertrag” abgeschlossen, wonach er als Co-Pilot auf der Fokker F 27 nach dem Erwerb der Musterberechtigung eingesetzt werden sollte. Der Vertrag war auf 18 Monate begrenzt und sollte erst wirksam werden, nachdem der Kläger die Musterberechtigung erworben hatte. Während der Probezeit von sechs Monaten war eine Kündigungsfrist von einem Monat vereinbart; danach sollte die gesetzliche Kündigungsfrist gelten.
Zum Erwerb der Musterberechtigung hat er gleichzeitig einen „Ausbildungsvertrag” abgeschlossen und sich zur Übernahme der Kosten für den Erwerb der Musterberechtigung verpflichtet. Darüber sollte er nach Abschluß der Ausbildung von der Beklagten eine Endabrechnung erhalten. Diese Kosten waren vor Beginn der Ausbildung zu zahlen und sind vereinbarungsgemäß vom Kläger durch ein Darlehen der Bank für Gemeinwirtschaft vorfinanziert worden. Die Beklagte stellte dem Kläger für die Ausbildung 31.800,– DM in Rechnung, und der Kläger wies die Bank an, in gleicher Höhe das Darlehen an die Beklagte auszuzahlen.
Hinsichtlich der Rückzahlung der Darlehensverpflichtung haben die Parteien in § 13 des Arbeitsvertrages folgendes vereinbart:
„Sollte der Angestellte die Musterberechtigung für den Flugzeugtyp Fokker F 27 im Rahmen eines von diesem Angestelltenvertrag getrennten Ausbildungsvertrages erworben und auch vollständig bezahlt haben, so verpflichtet sich die W., dem Angestellten eine Treueprämie in Höhe der tatsächlich entstandenen und bezahlten Kosten inklusiv der Kosten für das Darlehen nach den im folgenden weiter aufgeführten Regelungen zu gewähren.
Die Treueprämie wird auf drei Jahre verteilt gewährt. Darüber hinaus steht dem Angestellten keine Treueprämie mehr zu.
Die Prämie wird jeweils in Höhe eines Drittels der gesamten Ausbildungskosten nach jeweils jährlicher Zugehörigkeit zur W. fällig. Der Angestellte erteilt hiermit seine unwiderrufliche Zustimmung, daß die W. die fälligen Treueprämien an den Darlehensgeber zur Tilgung zahlt.
Sollte der Angestellte vor Ablauf des jeweiligen Zugehörigkeitsjahres aus der W. ausscheiden, so steht ihm diese Treueprämie nur für das vollendete jeweilige Beschäftigungsjahr zu. Eine anteilige Anrechnung bzw. Zahlung scheidet aus.
Sollte der Angestellte nach Ablauf dieses befristeten Vertrages eine weitere Beschäftigung bei der W. nicht erhalten, oder die W. dem Angestellten kündigen, so verpflichtet sich die W. dem Angestellten die Treueprämie in Höhe der gesamten Ausbildungskosten zu zahlen. Die Zahlungspflicht erlischt, wenn der Angestellte einen Grund für eine fristlose Kündigung gegeben hat.”
Nach dem Erwerb der Musterberechtigung als Co-Pilot nahm der Kläger im August 1988 seinen Dienst bei der Beklagten auf und schied durch eigene Kündigung zum 31. März 1989 wieder aus. Danach wechselte er zur Fluggesellschaft R. in Frankfurt am Main, die ebenfalls Flugzeuge des Typs Fokker F 27 einsetzt.
Mit Schreiben vom 22. März 1989 forderte die Bank den Kläger zur Rückzahlung des Darlehens in Höhe von derzeit 33.473,22 DM zuzüglich Zinsen und Kosten auf, nachdem die Beklagte ihr angezeigt hatte, daß sie den Kredit nicht in drei aufeinanderfolgenden Jahresraten zurückzahlen werde, weil das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und dem Kläger nicht mehr bestehe.
Der Kläger verlangt in diesem Rechtsstreit die Freistellung von der Darlehensverpflichtung mit der Begründung, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, von ihm die Vorfinanzierung der Einweisungskosten zu verlangen. Die Beklagte sei um dieses Darlehen ungerechtfertigt bereichert, weil sie die der Höhe nach streitigen Ausbildungskosten vom Kläger nicht ersetzt verlangen könne. Der Erwerb der Musterberechtigung für den Flugzeugtyp Fokker F 27 habe allein im Interesse der Beklagten gelegen. Dadurch habe der Kläger seine beruflichen Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt nicht verbessert. Außerdem bestreite er, daß die Beklagte Kosten in Höhe des für den Erwerb der Musterberechtigung in Rechnung gestellten Betrages gehabt habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von Forderungen der Bank für Gemeinwirtschaft AG, Niederlassung K., aus dem Kreditvertrag 10 08 60 90 00 wegen Mustereinweisungskosten vom 22. Juni 1988 freizustellen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß schon der erstmalige Erwerb einer Musterberechtigung für den Kläger ein beruflicher Vorteil gewesen sei und seine beruflichen Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt verbessert hätte. Die Beklagte stelle grundsätzlich nur Piloten ein, die schon im Besitz der Musterberechtigung für die Fokker F 27 seien. Bei dem Kläger habe man entgegenkommenderweise eine Ausnahme gemacht, um ihm als Berufsanfänger die Möglichkeit zu eröffnen, ein Großraumflugzeug zu fliegen. Die Beklagte hätte statt des Klägers andere Piloten mit dieser Musterberechtigung einstellen können. Es gebe allein in Deutschland 50 Piloten mit einer Musterberechtigung auf der Fokker F 27. Davon stünden ständig mehrere Piloten für den Arbeitsmarkt zur Verfügung. In den benachbarten EG-Ländern gebe es weitere rund 500 Piloten mit einer Musterberechtigung auf der Fokker F 27. Auch davon suchten stets mehrere Piloten eine Anstellung bei einem deutschen Unternehmen.
Andererseits habe der Erwerb dieser Musterberechtigung den Marktwert des Klägers deutlich erhöht, denn Piloten mit dieser Ausbildung seien auf dem Arbeitsmarkt gesucht. So stellte beispielsweise die D. Frankfurt vorzugsweise solche Piloten ein, weil die Musterberechtigung für die Fokker F 27 gleichzeitig zum Flugbetrieb des Nachfolgemodells Fokker F 50 berechtige. Schließlich habe der Kläger die Musterberechtigung für die Fokker F 27 nach seinem Wechsel zu R. dort einsetzen können.
Der Beklagten seien die mit dem Kläger vereinbarten Kosten für den Erwerb der Musterberechtigung tatsächlich entstanden. An diese Vereinbarung sei der Kläger gebunden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung dagegen zurückgewiesen. Der Kläger verfolgt mit der Revision sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und muß zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen. Es bedarf ergänzender Sachverhaltsfeststellungen durch die Vorinstanz.
I. Das Landesarbeitsgericht hält die Beklagte nicht für verpflichtet, den Kläger von der Darlehensschuld zur Finanzierung der Kosten für den Erwerb der Musterberechtigung freizustellen. Es sei von dem Grundsatz auszugehen, daß die Arbeitsvertragsparteien vereinbaren können, Ausbildungskosten, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer auf gewandt habe, seien von diesem zurückzuzahlen, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf bestimmter Fristen beende. Das gelte nur dann nicht, wenn dadurch das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes in unzulässiger Weise beeinträchtigt werde. Dagegen sei die Rückzahlungsverpflichtung dem Kläger zuzumuten, denn die Beklagte habe ihm den erstmaligen Erwerb einer Qualifikation als Verkehrsluftfahrzeugführer verschafft. Dagegen sei es üblich, daß der Arbeitnehmer grundsätzlich selbst die Kosten trage, die auf gewandt werden müßten, um die angebotene Tätigkeit auszuüben. Damit unterscheide sich die Fallgestaltung im Rechtsstreit von solchen Verfahren, in denen es um den Erwerb einer zusätzlichen Musterberechtigung oder um die Umschulung auf ein anderes Flugzeugmuster im Rahmen eines schon bestehenden Beschäftigungsverhältnisses gehe. Der Beklagten habe es freigestanden, nur Piloten einzustellen, die bereits über eine Musterberechtigung für die Fokker F 27 verfügten. Der Kläger habe vor Abschluß des Arbeitsvertrages keine vergleichbare Qualifikation gehabt, weil er bisher nur einmotorige kolbengetriebene Landflugzeuge bis zu 2.000 kg Höchstmasse habe fliegen dürfen. Durch die ihm von der Beklagten gewährte Ausbildung habe er seine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten wesentlich verbessert. Das ergebe sich schon aus der Tatsache, daß er bei seinem neuen Arbeitgeber (R.) mit derselben Musterberechtigung ein Verkehrsflugzeug des Typs Fokker F 27 fliegen konnte und zum anderen „aus den umfänglichen Darlegungen der Beklagten, daß der Besitz der ersten Musterberechtigung eines Verkehrsluftfahrzeugführers den Erwerb weiterer Musterberechtigungen erleichtere”. Die diesbezüglichen überzeugenden Ausführungen der Beklagten habe der Kläger „nur in unsubstantiierter Weise bestritten”. Gleiches gelte „für seine damit verbundenen Beweisantritte”. Die Tatsache, daß er „den wirtschaftlichen Wert der Ausbildung” nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses mit der R. bei seinem späteren Arbeitgeber, der L., nicht genutzt habe, sei nicht rechtserheblich.
Der Kläger könne auch keine „Einwände gegen die Zahlungsverpflichtung aus dem Gesichtspunkt der Angemessenheit der Kosten erheben”. Er habe die Ausbildung zu einem vereinbarten Preis „eingekauft” und sei daran gebunden. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, dem Kläger die Ausbildung „zu spezifiziert nachzuweisenden Selbstkosten zuzuwenden”.
II. Ob der Kläger die Befreiung von seiner Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Bank für Gemeinwirtschaft von der Beklagten verlangen kann, läßt sich aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch nicht abschließend entscheiden und bedarf noch weiterer Sachaufklärung in der Vorinstanz.
1. Der Kläger hat in entsprechender Anwendung des § 257 BGB nur dann einen Anspruch auf Befreiung von der Zahlungsverpflichtung, wenn die Beklagte um den Darlehensbetrag ungerechtfertigt bereichert ist (§ 812 BGB). Das hängt davon ab, ob sie den Darlehensbetrag, den der Kläger zur Vorfinanzierung der Kosten für den Erwerb der Musterberechtigung aufgebracht hat, zu Unrecht erhalten hat. Das ist dann der Fall, wenn der Kläger nicht verpflichtet war, die Kosten für den Erwerb der Musterberechtigung zu tragen.
Diese Verpflichtung leitet die Beklagte aus dem Ausbildungsvertrag vom 13. Juni 1988 ab, der zeitgleich mit dem Arbeitsvertrag abgeschlossen worden ist. Die gegenseitige rechtliche Verknüpfung dieser Verträge ergibt sich aus der Regelung in § 13 des Anstellungsvertrages, wonach sich die Verpflichtung zur Rückzahlung der Ausbildungskosten innerhalb eines dreijährigen Bindungszeitraumes nach jedem vollem Jahr der Betriebszugehörigkeit um ein Drittel ermäßigen sollte. Zwar sprechen die Parteien in diesem Zusammenhang von einer „Treueprämie zur Tilgung der Darlehensverpflichtung gegenüber der Bank”, jedoch hat der Kläger von der Beklagten kein Darlehen erhalten, sondern ist ihr gegenüber eine Zahlungsverpflichtung eingegangen, die er mit Hilfe eines Darlehens vorfinanziert hat. An der Rückzahlungsverpflichtung selbst zwischen den Parteien ändert sich dadurch nichts.
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Arbeitsvertragsparteien vereinbaren, daß Ausbildungskosten, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer aufgewendet hat, von diesem zurückzuzahlen sind, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf bestimmter Fristen beendet. Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Zahlungsverpflichtungen, die an die vom Arbeitnehmer ausgehende Kündigung anknüpfen, können das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 GG beeinträchtigen. Deshalb kommt es darauf an, ob den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gegenübersteht. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen. Die Rückzahlungspflicht muß vom Standpunkt eines verständigen Betrachters aus einem begründeten und zu billigendem Interesse des Arbeitgebers entsprechen; der Arbeitnehmer muß mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben. Insgesamt muß die Erstattungspflicht dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein. Dabei kommt es u.a. auf die Dauer der Bindung, den Umfang der Fortbildungsmaßnahme, die Höhe des Rückzahlungsbetrages und dessen Abwicklung an (vgl. BAGE 13, 168, 174 f. = AP Nr. 25 zu Art. 12 GG, zu II 1 der Gründe; BAGE 28, 159, 163 = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu II 1 a der Gründe; BAG Urteil vom 19. März 1980 – 5 AZR 362/78 – AP Nr. 5 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe; BAGE 42, 48 = AP Nr. 6 zu § 611; BGB Ausbildungsbeihilfe sowie BAG Urteile vom 11. April 1984 – 5 AZR 430/82 – AP Nr. 8 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe und vom 11. Oktober 1989 – 5 AZR 516/88 –, n.v., zu III der Gründe).
Nach allem ist es für die Interessenabwägung vorrangig, ob und inwieweit der Arbeitnehmer mit der Aus- oder Weiterbildung einen geldwerten Vorteil erlangt (so ausdrücklich BAGE 28, 159, 165 f. = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu II 4 der Gründe). Eine Kostenbeteiligung ist dem Arbeitnehmer um so eher zuzumuten, je größer der mit der Ausbildung verbundene berufliche Vorteil für ihn ist. Andererseits scheidet eine Beteiligung an Ausbildungskosten in der Regel dann aus, wenn die Interessen des Arbeitnehmers an der Ausbildung im Vergleich zu denen des Arbeitgebers gering sind (z.B. bei betriebsbezogenen Fortbildungsmaßnahmen, die nur den Zweck haben, vorhandene Kenntnisse und Fähigkeiten zu erweitern, BAGE 28, 159, 166 = AP, a.a.O.). Eine Rückzahlungsverpflichtung ist dann mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren (BAGE 28, 159, 166 = AP, a.a.O.).
3. Das Landesarbeitsgericht hat diese Rechtsgrundsätze zwar seiner rechtlichen Würdigung vorangestellt, es hat sie aber auf den Sachverhalt nicht richtig angewandt.
a) Die Revision greift zutreffend den rechtlichen Ausgangspunkt des Berufungsgerichts an. Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, daß die Beklagte dem Kläger schon dadurch einen beruflichen Vorteil zugewandt habe, daß sie ihm in Verbindung mit einem Arbeitsvertrag erstmals die Möglichkeit zum Erwerb einer Musterberechtigung verschafft habe. Damit unterscheide sich die Interessenlage von den Fällen, in denen ein Pilot bereits eine Musterberechtigung erworben habe und nun entweder für einen anderen Flugzeugtyp eingestellt werde oder während des Arbeitsverhältnisses für einen anderen Flugzeugtyp umgeschult werde.
Wenn ein Pilot bei seiner Einstellung schon eine Musterberechtigung für einen vom Arbeitgeber eingesetzten Flugzeugtyp hat („Type-Rating”), können ihm die Kosten für die Umschulung auf einen anderen Flugzeugtyp, den der Arbeitgeber während des Arbeitsverhältnisses einsetzt, grundsätzlich nicht auferlegt werden (Senatsurteil vom 24. Juli 1991 – 5 AZR 443/90 –, zu III 5 c der Gründe sowie Leitsatz 2, zur Veröffentlichung vorgesehen). Daraus folgt aber umgekehrt nicht, daß die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Maßstäbe für die Zulässigkeit von Rückzahlungsvereinbarungen im Fall eines erstmaligen Erwerbs einer Musterberechtigung nicht zu berücksichtigen wären.
Das Landesarbeitsgericht läßt sich zu Unrecht von der Überlegung leiten, daß ein Arbeitnehmer im allgemeinen die Kosten einer Ausbildung trage, die er für die angebotene Tätigkeit benötige. Dabei hat es aber außer acht gelassen, daß nach dem unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland ein Pilot nur von einer Fluggesellschaft eine Musterberechtigung vermittelt bekommen kann. Das Berufungsgericht ist diesem Beweisantritt nicht nachgegangen. Wenn sich dieser Vortrag des Klägers als richtig erweisen sollte, kann man den Kläger nicht einem Arbeitnehmer gleichstellen, der auf eigene Kosten in der Lage ist, die für seinen Beruf benötigte Ausbildung zu erwerben (z.B. den Erwerb einer Fahrerlaubnis). Das Berufungsgericht wird diesem streitigen Vortrag des Klägers nachgehen und diese Umstände näher aufklären müssen.
b) Die Beklagte wendet sich zu Unrecht in diesem Rechtsstreit dagegen, daß ihr die Darlegungs- und Beweispflicht dafür obliegt, daß sie die tatsächlichen Voraussetzungen für die Rechtswirksamkeit einer Rückzahlungsklausel darlegen muß. Demgegenüber ist an der ständigen gegenteiligen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts festzuhalten (so ausdrücklich BAGE 28, 159, 166 = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu III 1 der Gründe sowie Senatsurteil vom 24. Juli 1991 – 5 AZR 443/90 –, zu III 4 der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Beurteilungsgrundsätze für die Rechtswirksamkeit von Rückzahlungsklauseln beruhen im Kern auf dem Grundsatz von Treu und Glauben (BGH Urteil vom 5. Juni 1984 – VI ZR 279/82 – AP Nr. 11 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu II 1 der Gründe). Dieser setzt dem Arbeitgeber, der zur Fürsorge gegenüber seinen Beschäftigten verpflichtet ist, für Rückzahlungsvereinbarungen dieser Art wegen der damit verbundenen Bindungen des Arbeitnehmers an seinen Arbeitsplatz Schranken. Andererseits verbietet er ihm nicht schlechthin, seine Leistungen für eine berufliche Aus- und Weiterbildung mit Bindungsverpflichtungen des Beschäftigten zu verknüpfen. In diesen Grenzen ist dem schutzwürdigen Interesse des Arbeitgebers Rechnung zu tragen, sich als Gegenleistung den Wert von ihm finanzierter Aus- und Fortbildung für einen angemessenen Zeitraum zu sichern. Eine vernünftige Berücksichtigung der Arbeitgeberinteressen in dieser Form schließt das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nicht aus (BVerfGE 39, 128, 141). Die für den Arbeitnehmer tragbaren Bindungen sind aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln (BGH Urteil vom 5. Juni 1984 – VI ZR 279/82 – AP Nr. 11 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu II 1 der Gründe).
c) Aus dieser dem Einzelfall angepaßten Interessenabwägung folgt zwangsläufig, daß eine Partei in diesem Rahmen solche Umstände darlegen muß, die ihr Interesse an derartigen Rückzahlungsverpflichtungen rechtfertigen können. Daraus ergibt sich im Streitfall folgendes:
aa) Der Arbeitgeber übernimmt die Kosten für den Erwerb der Musterberechtigung in der Erwartung, daß der Pilot mit dieser Ausbildung im Arbeitsverhältnis für bestimmte Zeit bleibt und nicht zur Konkurrenz abwandert. Das ergibt sich im Streitfall schon aus der mit dem Kläger vereinbarten Bindungsfrist. Andererseits reicht das alleine nicht aus, um den Arbeitnehmer mit der Rückzahlungsverpflichtung für diese Ausbildungskosten (wenn auch zeitanteilig) zu belasten, falls er vor Ablauf der Bindungsfrist aus dem Arbeitsverhältnis wieder ausscheidet. Der Arbeitgeber könnte zur Vermeidung der vorzeitigen Abwanderung des Arbeitnehmers die Ausbildung davon abhängig machen, daß ein Langzeitvertrag abgeschlossen oder lange Kündigungsfristen vereinbart werden (z.B. auch abgestimmt auf den Zeitpunkt des Flugplanwechsels). Er muß sich dann allerdings selbst in gleichem Umfang binden (§ 622 Abs. 5 BGB). Das ist nicht unzumutbar, weil nur erprobten Arbeitskräften eine teure Ausbildung finanziert zu werden pflegt (so schon BAGE 28, 159, 166 = AP, a.a.O., zu II 4 der Gründe).
bb) Wenn der Arbeitgeber aber diesen Weg nicht gehen will, was ihm unbenommen ist, und dafür den Piloten mit der Rückzahlungsverpflichtung für die Ausbildungskosten belastet, so muß er ihm dafür nach den schon dargelegten Grundsätzen einer sachgerechten Interessenabwägung einen Ausgleich bieten: Einen solchen sieht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darin, daß der Arbeitnehmer mit der vom Arbeitgeber gewährten Ausbildung seine beruflichen Chancen wesentlich verbessert hat, weil Nachfrage nach derart ausgebildeten Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt besteht. Diesen ihm im Rahmen der Interessenabwägung entlastenden Umstand muß zwangsläufig der Arbeitgeber darlegen und beweisen, wie es auch ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entspricht (vgl. zu II 3 b der Entscheidungsgründe).
cc) Zwar hat die Beklagte behauptet und dargelegt, daß Nachfrage nach Piloten mit der vom Kläger erworbenen Musterberechtigung außerhalb des Betriebes der Beklagten bestanden habe. Diesen Ausführungen ist das Landesarbeitsgericht aber nicht nachgegangen, sondern hat sich darauf gestützt, daß der Kläger bei dem neuen Arbeitgeber (R.) mit der Musterberechtigung für die Fokker F 27 einen entsprechenden Flugzeugtyp fliegen konnte. Das Berufungsgericht setzt sich damit in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Danach kommt es nicht darauf an, ob andere Fluggesellschaften denselben Flugzeugtyp einsetzen, für den der Kläger die Musterberechtigung erworben hat. Es ist vielmehr ausschlaggebend, ob außerhalb des eigenen Betriebes Bedarf nach derart ausgebildeten Arbeitskräften im nennenswerten Umfang besteht und inwiefern die Berufs- und Verdienstchancen des Arbeitnehmers gerade durch die Ausbildung gesteigert worden sind. Dazu gehören konkrete Angaben über die Lage auf dem Arbeitsmarkt für die Kräfte mit dem Ausbildungsstand des Klägers (vgl. BAGE 28, 159, 167 = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu III 2 a der Gründe; BAGE 42, 48, 53 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu II 3 der Gründe und BAG Urteil vom 11. April 1990 – 5 AZR 308/89 – DB 1990, 2222 f.).
Ob die vorliegend dargelegten Maß Stäbe für die Beurteilung der Rückzahlungsverpflichtungen vorliegen, hängt entscheidend mit davon ab, auf welchen Zeitraum man dabei abstellen muß. Bei der Beurteilung dieser Voraussetzungen ist – wie allgemein im Vertragsrecht – von dem zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegebenen Umständen auszugehen. Aus der späteren Entwicklung kann die Unwirksamkeit der Vereinbarung allenfalls abgeleitet werden, wenn sie bei Vertragsabschluß vorhersehbar war (Senatsurteil vom 24. Juli 1991 – 5 AZR 430/90 –, zu III 2 a der Gründe, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen; ferner LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Oktober 1981 – 6 Sa 353/81 – EzA Art. 12 GG Nr. 18). Da es auf die Umstände im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ankommt, ist es unerheblich, ob der Kläger bei seinem neuen Arbeitgeber die ihm von der Beklagten verschaffte Musterberechtigung Fokker F 27 einsetzen konnte oder nicht, denn daraus läßt sich nicht allgemein auf eine größere Nachfrage nach Piloten mit dieser Lizenz schließen, sondern das kann auf Zufall beruhen (Senatsurteil vom 24. Juli 1991 – 5 AZR 430/90 –, zu III 2 c der Gründe, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
dd) Ebensowenig kann sich das Landesarbeitsgericht auf die – unbewiesene – Behauptung der Beklagten stützen, der Erwerb der Musterberechtigung für den Flugzeugtyp Fokker F 27 habe schon dadurch die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten des Klägers verbessert, weil er damit „weitere Musterberechtigungen” leichter erwerben könne.
Dabei läßt die Vorinstanz einmal die zeitlich begrenzte Geltung der Musterberechtigung außer Betracht. Zum anderen ist nicht ersichtlich, welche weiteren „Musterberechtigungen” der Kläger erwerben konnte, nachdem er das Type-Rating für die Fokker F 27 schon hatte. Wenn die Vorinstanz damit meinen sollte, es sei nach dem Erwerb der Musterberechtigung Fokker F 27 für den Kläger leichter gewesen, die Musterberechtigung auch für das Nachfolgemodell F 50 zu erwerben, so hat es dabei den entgegenstehenden Vortrag des Klägers nicht berücksichtigt, daß im Juni 1988 die F 50 noch gar nicht einsatzbereit gewesen sei. Das müßte aufgeklärt werden, wenn man sich auf diesen Gesichtspunkt stützen will.
ee) Zwar vertritt die Beklagte die Auffassung, daß sich die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten des Klägers durch den Erwerb der Musterberechtigung Fokker F 27 auf dem Arbeitsmarkt im allgemeinen erhöht hätten. Andererseits macht sie aber geltend, daß schon im Zeitpunkt der Einstellung des Klägers Piloten mit der Musterberechtigung Fokker F 27 auf dem Arbeitsmarkt eine entsprechende Tätigkeit gesucht hätten. Das spricht eher dafür, daß kein zusätzlicher Bedarf für Piloten mit einer Musterberechtigung Fokker F 27 bestanden hat. In diesem Zusammenhang ist es unverständlich, daß die Beklagte einerseits nach ihrer Behauptung ohne Schwierigkeiten Piloten mit der Musterberechtigung Fokker F 27 auf dem Arbeitsmarkt erhalten konnte, andererseits aber dem Kläger diese Musterberechtigung erst verschaffen mußte, um ihn seinem Arbeitsvertrag entsprechend einsetzen zu können. Dieses Verhalten wäre nur begreiflich, wenn die Beklagte eine Ausbildungsfunktion zu erfüllen hätte. Aber sie hatte selbst gar nicht die Möglichkeit, dem Kläger für ihren Betrieb die erforderliche Musterberechtigung zu verschaffen. Die Darlegungen der Beklagten sprechen eher dafür, daß im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses voraussehbar war, daß keine Nachfrage nach Piloten mit der vom Kläger erworbenen Musterberechtigung bestanden hat. Das wird im Zusammenhang mit der von der Beklagten darzulegenden Erhöhung der beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten des Klägers in der Vorinstanz noch aufzuklären sein.
4. Auf die Einwendungen des Klägers gegen die Höhe der Rückzahlungsverpflichtung kommt es erst an, wenn die Beklagte die tatsächlichen Voraussetzungen für die Rechtswirksamkeit einer Rückzahlungsklausel dargelegt und bewiesen hat.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Die Amtszeit des ehrenamtlichen Richter Heinz ist beendet. Dr. Thomas, Kalb
Fundstellen