Entscheidungsstichwort (Thema)
AWbG. Architektur, Städtebau und aktuelle Situation in den neuen Bundesländern
Leitsatz (amtlich)
Die Studientagung “Architektur, Städtebau und aktuelle Situation in den neuen Bundesländern” dient nicht der politischen Weiterbildung i.S. des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes Nordrhein-Westfalen.
Normenkette
AWbG § 1 Abs. 1, § 7 S. 1
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 02.12.1993; Aktenzeichen 4 Sa 879/93) |
ArbG Herford (Urteil vom 31.03.1993; Aktenzeichen 2 Ca 1684/92) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 2. Dezember 1993 – 4 Sa 879/93 – aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 31. März 1993 – 2 Ca 1684/92 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Arbeitnehmerweiterbildung.
Der Kläger ist sei 1961 in dem Brauereiunternehmen der Beklagten als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Er teilte der Beklagten am 29. September 1992 mit, in der Zeit vom 7.-11. Dezember 1992 an der ministeriell anerkannten, von der rheinisch-westfälischen Auslandsgesellschaft e. V. Durchgeführten Bildungsveranstaltung “Architektur, Städtebau und aktuelle Situation in den neuen Bundesländern” teilnehmen zu wollen. Das Programm sah folgenden Ablauf vor:
Montag, 7.12.93: |
7.00 Uhr |
Abreise |
8.00 – 10.30 Uhr |
Einführung in das Reiseprogramm: |
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Was erwartet uns? |
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Fragestellung zu aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Problemen der Einheit Deutschlands |
11.00 – 12.00 Uhr |
Erläuterung des früheren Grenzregimes und der noch sichtbaren Spuren der innerdeutschen Grenze |
13.00 – 14.30 Uhr |
Die neuen Bundesländer Thüringen und Sachsen: Basisinformation und Rückfragen |
ca. 15.00 Uhr |
Ankunft in Dresden |
Gelegenheit zu ersten Erkundungen im Zentrum |
17.00 Uhr |
Ankunft im Internationalen Bildungs- und Informationszentrum, Tauscherstr. 9b, O-8021 Dresden Zimmerverteilung |
18.00 Uhr |
Abendessen |
anschl. 19.30 – 21.00 Uhr |
Begrüßung durch die Leitung des Hauses Vorstellung der Programmpunkte und der Gesprächspartner, Programmdiskussion |
Dienstag, 8.12.92: |
7.30 Uhr |
Frühstück |
9.00 – 12.00 Uhr |
Vergangenheit und Gegenwart in Dresden |
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Stadtrundfahrt: |
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Stadtgeschichte |
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Wandlungen im Stadtbild, bes. nach der “Wende” |
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aktuelle Planungen im Spannungsverhältnis zum historischen Dresden und in der kommunalpolitischen Auseinandersetzung |
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Planungen für eine neue Landeshauptstadt |
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Alltagsprobleme seit der Wende, Folgen der deutschen Einheit für das Stadtbild und für die Situation der Einwohner |
12.30 Uhr |
Mittagessen |
14.00 – 16.30 Uhr |
Die “Altlasten” des Wohnungsbaus – Führung im Sanierungsgebiet der der äußeren Neustadt: |
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Bestandsaufnahme und Perspektiven |
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Rolle der “Demokratie von unten”: die Bürgerinitiativen für die Erhaltung der Bausubstanz |
anschl. 18.00 Uhr |
Zeit zur individuellen Vertiefung Abendessen |
19.30 – 21.00 Uhr |
Kunst, Kultur und kommunalpolitische Situation in Dresden und in Sachsen – vor und nach der Wende Informationsgespräch mit einem Dresdener Schriftsteller |
Mittwoch, 9.12.92: |
7.30 Uhr |
Frühstück |
8.00 – 8.30 Uhr |
Restaurations- und Rekonstruktionsprojekte in Dresden im Überblick: |
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Wiederaufbau unter sozialistischen Bedingungen |
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Spannungsfeld von neuer Hauptstadtrolle, Alltagsproblemen und Denkmalpflege |
9.00 – 10.30 Uhr |
Rückbesinnung und Gegenwartsbewältigung: |
der Dresdner Zwinger und seine Geschichte |
Besuch der Zwinger-Bauhütte |
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Problematik des Wiederaufbaus nach 1945 |
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Fragen von Prestige und Selbstverständnis einer Stadt |
10.30 – 12.00 Uhr |
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Der Zwinger und sein Umfeld: das schwierige Verhältnis von Tradition und Moderne |
12.30 Uhr |
Mittagessen |
14.00 – 15.30 Uhr |
Die Frauenkirche in der Geschichte und in der Diskussion um den Wiederaufbau Vortrag und Diskussion mit Vertretern des Landeskirchenamtes/Baureferat |
15.30 – 17.00 Uhr |
Dresden als Kunst- und Kulturstadt – die Museen und ihre Bedeutung für Dresden: |
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Gemäldegalerie Alte/Neue Meister |
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Grünes Gewölbe |
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Dresdens Perspektive als Museumsstadt |
18.00 Uhr |
Abendessen |
Donnerstag, 10.12.92: |
7.00 Uhr |
Frühstück |
anschl. 7.30 – 8.30 Uhr |
Fahrt nach Freiberg: |
Anmerkungen zur aktuellen Lage in Sachsen – |
landes- und kommunalpolitische Situation, wirtschaftliche und soziale Probleme, |
Besonderheiten der Region |
9.00 – 10.30 Uhr |
Freiberg und seine Bedeutung für die sächsische Geschichte – Stadtrundgang: |
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Stadtgeschichte: Epochendaten |
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Freiberg in und nach der “Wende” |
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Geschichte der Baudenkmäler: der Dom |
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Erscheinungsformen der aktuellen Probleme der Städte in der ehem. DDR |
11.00 – 12.30 Uhr |
Probleme und Chancen eines Neuanfangs: |
Freiberg als Beispiel für die Perspektiven der wirtschaftlichen und industriellen Entwicklung der Städte in den neuen Bundesländern – thematische Führung |
12.30 Uhr |
Mittagessen |
14.00 – 16.00 Uhr |
Industrielle Strukturen in der Geschichte – die Bergbautradition in Freiberg: |
Besuch des Berghaumuseums und der Schachtanlage “Alte Elisabeth” |
anschl. ca. 17.00 Uhr |
Zeit zur freien Verfügung |
Rückfahrt nach Dresden |
18.00 Uhr |
Abendessen |
19.30 – 21.00 Uhr |
Abschlußbesprechung im Bildungszentrum |
Freitag, 11.12.92: |
6.30 Uhr |
Frühstück |
7.15 Uhr |
Verabschiedung und Weiterreise nach Weimar |
11.00 – 14.00 Uhr |
Faschismusbewältigung am Beispiel der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald: |
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Führung |
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Vorführung des Dokumentarfilms |
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Rundgang durch das ehem. KZ |
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Buchenwald nach 1945 |
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Das Beispiel Buchenwald vor und nach der Wende: Vom Ende einer Staatsraison |
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Perspektiven für die Gedenkstätten in der ehem. DDR |
14.00 – 17.00 Uhr |
Bedeutung Weimars und des klassischen Literaturerbes – Rundgang durch Weimar und Besuch des Goethe- und/oder Schiller-Wohnhauses und -Museums |
17.00 Uhr |
Heimreise |
Nachdem die Beklagte die Freistellung abgelehnt hatte, schlossen die Parteien in einem Verfahren auf Erlaß einer Einstweiligen Verfügung am 25. November 1992 folgenden gerichtlichen Vergleich:
- Der Antragsteller wird in der Zeit vom 7. Dezember bis 11. Dezember 1992 zur Teilnahme an der Bildungsveranstaltung “Architektur, Städtebau und aktuelle Situation in den neuen Bundesländern” von der Arbeit freigestellt.
- Es besteht Einigkeit darüber, daß der Antragsteller für die Zeit vom 7. Dezember bis 11. Dezember 1992 nach dem AWbG NRW begehrte Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Klageverfahren geltend zu machen hat.
- Damit ist der Rechtsstreit erledigt.
Nach dem Besuch der Veranstaltung hat der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.104,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 6. Januar 1993 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Danach hat die Beklagte dem Kläger am 19. April 1993 folgendes mitgeteilt:
Sehr geehrter Herr M…,
aufgrund des Urteils durch das Arbeitsgericht Herford sind wir bereit, den eingeklagten Gehaltsabzug in Höhe von DM 1.104,-- brutto mit dem April-Gehalt abzurechnen.
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, daß die Bezahlung unter dem Vorbehalt der Bestätigung durch das Landesarbeitsgericht Hamm erfolgt.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen und zur Abweisung der Klage. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf den geforderten Geldbetrag.
I. Die form- und fristgerecht eingelegte und ordnungsgemäß und rechtzeitig begründete Revision ist zulässig. Die Beklagte ist nicht wegen ihrer Erklärung vom 19. April 1993 gehindert, die Revision durchzuführen. Insbesondere kann ihr nicht das Rechtschutzinteresse abgesprochen werden. Die Beklagte hat nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils den streitigen Betrag nicht zur Erfüllung einer vertraglichen oder gesetzlichen Schuld bezahlt, sondern zur Abwendung der Zwangsvollstreckung, wie der Vorbehalt in Satz 2 der Erklärung vom 19. April 1993 ausweist. Der Vorbehalt einer Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils durch das Landesarbeitsgericht Hamm enthält keinen antizipierten Verzicht auf das Rechtsmittel der Revision, von dem die Beklagte seinerzeit nicht einmal wissen konnte, ob es ihr überhaupt eröffnet wird.
II. Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 7 AWbG. Die Beklagte hat den Kläger nicht zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung für die von ihm besuchte Veranstaltung nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz von der Arbeit freigestellt.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat der Arbeitnehmer aufgrund des AWbG einen gesetzlich bedingten Freistellungsanspruch, kein Selbstbeurlaubungsrecht (Urteil vom 25. Oktober 1994 – 9 AZR 349/93 – n.v.; Urteil vom 25. Januar 1994 – 9 AZR 160/93 – n.v.; Urteile vom 21. September 1993 – 9 AZR 335/91 – AP Nr. 6 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW und – 9 AZR 429/91 – AP Nr. 7 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Urteil vom 11. Mai 1993 – 9 AZR 231/89 – BAGE 73, 135 = AP Nr. 2 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW). Deshalb entsteht der Lohnfortzahlungsanspruch nach § 7 AWbG nur, wenn der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Erfüllung des Anspruchs auf Freistellung nach dem AWbG nachgekommen ist. Weigert sich der Arbeitgeber, die Freistellungserklärung abzugeben, muß der Arbeitnehmer versuchen, den Anspruch gerichtlich durchzusetzen. Erlangt der Kläger die Freistellungserklärung vor dem Besuch der Veranstaltung nicht, so fehlt es an einer Voraussetzung für den gesetzlichen Entgeltanspruch.
So verhält es sich im Streitfall. Die Beklagte hat den Kläger jedenfalls vor dem arbeitsgerichtlichen Vergleich nicht nach dem AWbG freigestellt, sondern vielmehr ausdrücklich erklärt, daß es sich bei der vom Kläger angegebenen Bildungsveranstaltung weder um eine berufliche noch um eine politische Weiterbildung handele und dem Kläger damit keine bezahlte Freistellung nach dem AWbG gewährt werden könne.
2. Die Freistellungserklärung kann entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht dem gerichtlichen Vergleich vom 25. November 1992 entnommen werden.
a) Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Auslegung der atypischen Einzelvereinbarung lediglich den Wortlaut des Vergleichs berücksichtigt, nicht aber die bisherige Haltung der Beklagten und die Tatsache, daß es sich bei der Erklärung um einen Prozeßvergleich mit wechselseitigem Nachgeben handelt. Damit hat das Landesarbeitsgericht gegen die Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB verstoßen, weil es nicht alle für die Auslegung maßgeblichen Umstände berücksichtigt hat.
b) Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts ist unzutreffend. Bereits der Wortlaut der Nr. 1 des Vertrages läßt nicht hinreichend deutlich erkennen, daß die Beklagte ihre Meinung zur Qualität der Veranstaltung geändert hat und nunmehr den vom Kläger begehrten gesetzlichen Anspruch erfüllen wollte. Angesichts des Wortlauts der Nr. 2 wird das Gegenteil deutlich. Wird weiter bedacht, daß in einem Vergleich regelmäßig kein Anerkenntnis einer Partei zusammengefaßt wird, sondern beide Parteien im Wege des Nachgebens eine für beide Seiten dienliche Lösung finden wollen, so kann die Erklärung der Beklagten lediglich als Freistellungserklärung anderer, eigener Art angesehen werden, die nicht ohne weiteres die Pflicht der Vergütungsfortzahlung auslöst. Inhalt einer derartigen Sondervereinbarung ist die Freistellung des Arbeitnehmers zum Besuch der Veranstaltung, verbunden mit dem Versprechen des Arbeitgebers, die ausgefallene Vergütung nachträglich zu gewähren, wenn die Gerichte für Arbeitssachen feststellen sollten, daß die Veranstaltung entgegen der Auffassung des Arbeitgebers die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen sollte (Senatsurteil vom 24. August 1993 – 9 AZR 240/90 – AP Nr. 9 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Senatsurteil vom 9. Februar 1993 – 9 AZR 648/90 – BAGE 72, 200 = AP Nr. 1 zu § 9 BildungsurlaubsG Hessen).
III. Der Kläger hat keinen Anspruch aufgrund der zwischen den Parteien im Vergleich vom 25. November 1992 geschlossenen Sondervereinbarung. Denn die vom Kläger besuchte Veranstaltung erfüllt nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1 AWbG. Sie diente nicht der politischen Weiterbildung.
1. Eine Veranstaltung dient der politischen Weiterbildung, wenn sie geeignet ist, das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge zu verbessern und die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache in Staat, Gesellschaft und Beruf zu fördern. Davon kann ausgegangen werden, wenn dieses Ziel nach dem didaktischen Konzept sowie der zeitlichen und sachlichen Ausrichtung der einzelnen Lerneinheiten erreicht werden soll und kann (Senatsurteil vom 9. Mai 1995 – 9 AZR 185/94 – zur Veröffentlichung bestimmt, mit weiteren Nachweisen). Es ist nicht ausreichend, wenn in einer Veranstaltung mit einem anderen Ziel nebenbei Kenntnisse in politischen Fragen vermittelt werden.
2. Das für die Beurteilung maßgebende Konzept erschließt sich zunächst aus dem vom Veranstalter ausgegebenen Programm. Läßt dieses nicht erkennen, daß das Konzept auf eine Verbesserung und Förderung des Verständnisses der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge auf einem oder mehreren politischen Gebieten gerichtet ist, so besteht kein Anspruch auf Freistellung nach § 1 AWbG. Die Rechtslage ist nur dann anders zu beurteilen, wenn der Arbeitnehmer darlegen und im Streitfall beweisen kann, daß die Veranstaltung nach einem vom Programm und seinen Erläuterungen abweichenden didaktischen Konzept durchgeführt worden ist, das den gesetzlichen Voraussetzungen genügt.
3. Das vom Kläger vorgelegte Programm läßt nicht erkennen, daß der Bildungsveranstaltung ein didaktisches Konzept zur Vermittlung von Kenntnissen zugrunde lag, die geeignet sind, das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge zu verbessern. Dem Programm kann nur entnommen werden, daß Themen wie Architektur und Städtebau im Vordergrund und Aspekte der politischen Bildung allenfalls nebenbei vermittelt wurden. Hinzu kommt, daß der größte Teil des Programms im Rahmen von Rundfahrten und Besichtigungen abgewickelt wurde. In diesem Fall ist darzulegen, in welcher Art und Weise Wissensvermittlung betrieben worden ist. Erläuternde Informationen über Busmikrofon und/oder Erläuterungen eines Führers während eines Rundgangs sind regelmäßig nicht geeignet, Kenntnisse zur politischen Bildung zu vermitteln. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Veranstalter selbst den touristischen Charakter der Studientagung dadurch hervorhebt, daß es sich um eine nicht alltägliche Studienreise handele und daß die Mitreisenden Dresden von einer Seite kennenlernen würden, die sich nicht jedem Touristen erschließe.
4. Der Kläger hat neben der Vorlage des Programms keine weiteren, von dieser Unterlage abweichenden Tatsachen zum Inhalt und zur Durchführung der Reise vorgetragen. Er hat sich vielmehr damit begnügt, auf die ministerielle Anerkennung hinzuweisen. Das ist nicht ausreichend.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Leinemann, Düwell, Dörner, Dr. Pühler, Trümner
Fundstellen
Haufe-Index 871647 |
BB 1996, 116 |
NZA 1996, 423 |