Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollzugszulage. Vollzugszulage (Gitterzulage)
Orientierungssatz
Auch nach der im Jahre 1991 erfolgten Erweiterung des zulagenberechtigten Personenkreises für die sog. Gitterzulage durch die Änderung des Begriffs „Justizvollzugsanstalt” in „Justizvollzugseinrichtung” reicht ein lediglich mittelbarer Bezug zum Justizvollzug nicht aus.
Tätigkeiten in Justizvollzugsämtern oder Justizvollzugsschulen können nur dann den Anspruch auf die Gitterzulage auslösen, wenn sie mit den herausgehobenen Anforderungen verbunden sind, die Mitarbeiter in geschlossenen, der Öffentlichkeit grundsätzlich nicht zugänglichen Einrichtungen im ständigen Umgang mit straffällig gewordenen Personen erfüllen müssen.
Normenkette
Tarifvertrag über Zulagen an Angestellte § 6 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Dezember 2000 – 5 Sa 666/00 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin eine Justizvollzugszulage, im Sprachgebrauch der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes auch „Gitterzulage” genannt, zusteht.
Die Klägerin trat am 1. April 1965 in den Dienst des beklagten Landes. Nach § 2 des Arbeitsvertrags vom 1. April 1965 findet der BAT und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Die Klägerin wurde nach einer Vertragsänderung vom 8. Oktober 1973 ab dem 1. Januar 1974 beim Justizvollzugsamt H. beschäftigt. Dort ist sie mit der Verwaltung der Personalakten der Beamten von Justizvollzugsanstalten betraut.
Seit einer Neuregelung im Jahre 1982 werden Zulagen für Angestellte im „Tarifvertrag über Zulagen an Angestellte” (im folgenden: ZulagenTV) geregelt. Dessen § 6 Abs. 1 lautete in der Fassung des 6. Änderungstarifvertrags vom 26. Juni 1990:
„Angestellte bei Justizvollzugsanstalten, in abgeschlossenen Vorführbereichen der Gerichte sowie in geschlossenen Abteilungen bei Psychiatrischen Krankenanstalten, die ausschließlich dem Vollzug von Maßregeln der Sicherung und Besserung dienen, erhalten für die Zeit ihrer überwiegenden Beschäftigung in diesen Anstalten, Bereichen bzw. Abteilungen eine Vollzugszulage von monatlich ….”
Die Zahlung von Zulagen für vergleichbare Beamte war durch die Vorbemerkung Nr. 12 zu den Bundesbesoldungsordnungen A. und B. (im folgenden: Vorbem. 12) geregelt. Diese lautete in der Fassung des 5. Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 28. Mai 1990 (BGBl. I S 967):
„Beamte in Ämtern der Bundesbesoldungsordnung A bei Justizvollzugsanstalten, in abgeschlossenen Vorführbereichen der Gerichte sowie in geschlossenen Abteilungen bei Psychiatrischen Krankenanstalten, die ausschließlich dem Vollzug von Maßregeln der Sicherung und Besserung dienen, erhalten eine Stellenzulage nach ….”
Durch „Gesetz zur Neufassung anderer dienstrechtlicher Vorschriften” vom 11. Dezember 1990 (BGBl. I S 2682) wurde die Vorbem. 12 wie folgt neu gefaßt:
„Beamte in Ämtern der Bundesbesoldungsordnung A. bei Justizvollzugseinrichtungen, in abgeschlossenen Vorführbereichen der Gerichte sowie in geschlossenen Abteilungen bei Psychiatrischen Krankenanstalten, die ausschließlich dem Vollzug von Maßregeln der Sicherung und Besserung dienen, erhalten eine Stellenzulage nach ….”
Mit Wirkung ab dem 1. Januar 1999 wurde die Vorschrift um die Worte „und in Abschiebehafteinrichtungen” ergänzt.
Durch Änderungstarifvertrag Nr. 7 vom 24. April 1991 zum ZulagenTV wurde in § 6 Abs. 1 folgende Regelung aufgenommen:
„Angestellte bei Justizvollzugseinrichtungen, in abgeschlossenen Vorführbereichen der Gerichte sowie in geschlossenen Abteilungen bei Psychiatrischen Krankenanstalten, die ausschließlich dem Vollzug von Maßregeln der Sicherung und Besserung dienen, erhalten für die Zeit ihrer überwiegenden Beschäftigung in diesen Einrichtungen, Bereichen bzw. Abteilungen eine Vollzugszulage von monatlich ….”
Die Klägerin erhielt ab dem 1. April 1991 eine Zulage nach § 6 Abs. 1 ZulagenTV in Höhe von zuletzt monatlich 184,08 DM brutto. Mit Schreiben vom 4. August 1999 teilte das beklagte Land der Klägerin mit, daß die Zahlung der Vollzugszulage ab dem 31. August 1999 eingestellt werde.
Mit ihrer am 20. August 1999 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, daß das Schreiben vom 4. August 1999 ihr Arbeitsverhältnis nicht geändert habe und das beklagte Land verpflichtet sei, über den 31. August 1999 hinaus die „Gitterzulage” zu zahlen.
Die Klägerin meint, das Schreiben vom 4. August 1999 enthalte eine unzulässige Teilkündigung. Ihr vertraglicher Anspruch auf Zahlung der Zulage gemäß § 6 ZulagenTV bestehe unverändert fort. Die Auslegung des § 6 ZulagenTV ergebe, daß die Tarifvertragsparteien zum Zeitpunkt der Aufnahme des Wortlauts „Angestellte bei Justizvollzugseinrichtungen” Kenntnis hatten von der seit der Änderung der Vorbem. 12 herrschenden Verwaltungspraxis, wonach an alle in Justizvollzugseinrichtungen beschäftigte Beamten, unabhängig von ihren im einzelnen ausgeübten Tätigkeiten, die Zulage gewährt worden sei. Ihre Tätigkeit beim Justizvollzugsamt H. werde vom Wortlaut des § 6 ZulagenTV erfaßt. Sinn und Zweck der Änderung des Tatbestands der Vollzugszulage sei eine Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten gewesen. Dies zeige sich anhand der Stellungnahmen der Tarifvertragsparteien. Es sei eine Gleichstellung der Angestellten mit den vergleichbaren Beamten beabsichtigt gewesen. Auch der Gesetzgeber habe mit der Änderung der Vorbem. 12 die Gewährung der Zulage an alle Mitarbeiter der Justizvollzugseinrichtungen, unabhängig von besonderen Belastungen, gewollt. Damit habe der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum nach § 42 Abs. 3 BBesG dahingehend ausgeübt, das Merkmal einer herausgehobenen Funktion allein an eine Tätigkeit in den genannten Beschäftigungsbehörden zu knüpfen. Bei einer abweichenden Auslegung hätte die Änderung des § 6 ZulagenTV und der Vorbem. 12 keinen Sinn, da hiervon kaum Mitarbeiter betroffen wären. Im übrigen habe das beklagte Land mit der Gewährung der Zulage seit April 1991 eine betriebliche Übung begründet.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien durch das Schreiben des Präsidenten des Justizvollzugsamtes W. vom 4. August 1999 nicht geändert ist und das beklagte Land auch über den 31. August 1999 hinaus verpflichtet ist, die sogenannte Gitterzulage zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Dem Schreiben vom 4. August 1999 sei keine Kündigungserklärung zu entnehmen. Es werde lediglich auf die bisherige rechtswidrige Verwaltungspraxis hingewiesen und die Einstellung der Zahlung angekündigt. Angestellte könnten die Gitterzulage nur beanspruchen, wenn sie im gleichen Maße wie Beamte in Justizvollzugseinrichtungen unmittelbar mit den besonders belastenden Aufgaben des Strafvollzugs betraut seien. Die Tarifvertragsparteien hätten im Rahmen der Änderung des § 6 ZulagenTV keine förmlichen Tarifvertragsverhandlungen geführt, sondern allein die Regelung an die Änderung der Vorbem. 12 angepaßt. Ihr Wille habe sich allein auf die Gleichstellung der verschiedenen Mitarbeitergruppen erstreckt. Die Auslegung der Vorbem. 12 ergebe, daß die Stellenzulage bereits nach § 42 Abs. 3 BBesG nur für eine herausgehobene Funktion und nicht für das Grundamt als solches gewährt werden könne. Eine etwaige, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens vertretene abweichende Interpretation der Rechtsfolgen der Änderung, sei mangels objektiven Niederschlags im Gesetz ohne Belang. Sinn und Zweck der Änderung der Vorbem. 12 und des § 6 ZulagenTV sei es, sämtlichen besonders belasteten Mitarbeitern in allen Justizvollzugseinrichtungen künftig die gleiche Zulage zu gewähren, während bislang nur die Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalten erfaßt worden seien. Die irrtümliche Verwaltungspraxis seit 1991 rechtfertige weder die von der Klägerin vertretene Auslegung des ZulagenTV noch einen Anspruch aus einer betrieblichen Übung. Die auf einem Irrtum beruhende tarifwidrige Verwaltungspraxis habe jederzeit geändert werden können.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Anträge weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Zahlung einer Vollzugszulage nach § 6 Abs. 1 ZulagenTV.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß das beklagte Land keine Kündigung ausgesprochen, sondern nur die tarifgerechte Einstellung der Zahlung angekündigt habe. Die Einstellung sei zu Recht erfolgt, da die Klägerin weder einen tarifvertraglichen noch einen arbeitsvertraglichen Zahlungsanspruch habe. Durch die auf einer irrtümlichen Interpretation des ZulagenTV beruhende Verwaltungspraxis sei kein Anspruch aus einer betrieblichen Übung erwachsen. § 6 ZulagenTV fordere neben einer Beschäftigung in einer Justizvollzugseinrichtung eine Tätigkeit im unmittelbaren Strafvollzug. Dies folge aus einem Vergleich mit den weiteren aufgezählten Einrichtungen. Sinn und Zweck des § 6 ZulagenTV sei es, die besonderen Belastungen einer Tätigkeit im geschlossenen Strafvollzug auszugleichen. Die Tarifgeschichte zeige, daß mit § 6 Abs. 1 ZulagenTV eine der Vorbem. 12 für Beamte entsprechende Regelung getroffen worden sei. Diese Regelung normiere allein eine Erschwerniszulage zum Ausgleich der schwierigen äußeren und psychischen Arbeitsbedingungen im Strafvollzug. Mit der Änderung des Wortlauts in „Justizvollzugseinrichtungen” sei nur beabsichtigt gewesen, die dort beschäftigten Mitarbeiter in die Zulagengewährung einzubeziehen, soweit sie in gleicher Weise mit den Aufgaben des Strafvollzugs belastet seien.
II. Diesen rechtlichen Erwägungen folgt der Senat.
Die Klage ist nicht begründet. Der Anspruch kann weder auf die vertragliche Inbezugnahme des § 6 ZulagenTV noch auf eine durch betriebliche Übung begründete arbeitsvertragliche Anspruchsgrundlage gestützt werden.
1. Die Klägerin hat keinen vertraglichen Zahlungsanspruch auf der Grundlage von § 2 des Arbeitsvertrags in Verbindung mit § 6 Abs. 1 ZulagenTV. Die Klägerin fällt nicht unter den Kreis der zulagenberechtigten Personen.
a) Gemäß § 2 des Arbeitsvertrags vom 1. April 1965 finden die Vorschriften des BAT und die diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Dazu gehört der ZulagenTV, von dessen Geltungsbereich die Klägerin erfaßt wird.
b) Die Klägerin erfüllt auf Grund der von ihr ausgeübten Tätigkeit nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zahlung einer Vollzugszulage. Voraussetzung hierfür ist gemäß § 6 Abs. 1 ZulagenTV, daß überwiegend eine Tätigkeit „bei Justizvollzugseinrichtungen” ausübt wird. Die Auslegung dieser Norm ergibt, daß allein die organisatorische Zuweisung von Aufgaben des Justizvollzugs an die Dienststelle der Klägerin die Zulagenzahlung nicht rechtfertigt. Erforderlich ist, daß der Angestellte selbst überwiegend Tätigkeiten im Bereich des unmittelbaren Strafvollzugs ausübt. Die Verwaltungstätigkeiten der Klägerin erfüllen diese Anforderungen nicht. Der Senat folgt damit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Vorbem. 12(BVerwG 23. April 1998 – 2 C 1/97 – ZTR 1998, 475).
aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Ausgehend vom Wortlaut der Tarifnorm ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt(BAG 20. April 1994 – 10 AZR 276/93 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 11 mwN; 7. Juni 2000 – 10 AZR 423/99 – nv.).
bb) Erfolglos rügt die Klägerin, das Landesarbeitsgericht habe bei der Anwendung dieser Grundsätze mit seiner Auslegung materielles Recht verletzt.
Da § 6 Abs. 1 ZulagenTV die Begriffe „Angestellte bei Justizvollzugseinrichtungen” nicht selbst definiert und sich eine eindeutige Definition auch nicht in sonstigen landes- oder bundesrechtlichen Vorschriften findet, hat sich die Auslegung dieses Begriffs am allgemeinen Sprachgebrauch, an der Entstehungsgeschichte und am Sinn und Zweck der Norm zu orientieren. Sprachlich setzt sich der Begriff aus „Einrichtungen” und „Justizvollzug” zusammen. Justizvollzug wird allgemein als Strafvollzug verstanden, soweit er von Justizbehörden ausgeübt wird. Der Justizstrafvollzug ist im Strafvollzugsgesetz geregelt. Hiernach befaßt sich der Strafvollzug mit dem Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung (§ 1 StrVollzG). Freiheitsstrafen und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung werden in Justizvollzugsanstalten vollzogen (§ 139 StrVollzG). Die der Justizverwaltung obliegende Aufsicht über die Justizvollzugsanstalten wurden beim beklagten Land den Justizvollzugsämtern übertragen. Die Dienststelle der Klägerin ist damit eine Einrichtung, die mittelbar Aufgaben im Zusammenhang mit dem Justizvollzug erfüllt.
cc) Damit ist sie jedoch in ihrer Gesamtheit keine „Justizvollzugseinrichtung” im Sinne des § 6 Abs. 1 ZulagenTV. Erforderlich ist vielmehr eine Tätigkeit in einer Dienststelle oder einem Teil einer Dienststelle, die unmittelbar für die Durchführung des Strafvollzugs, dh. für den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung nach dem Strafvollzugsgesetz mit den damit verbundenen herausgehobenen Funktionen zuständig ist.
(1) Die Entwicklung der Vorschrift zeigt, daß sie in engem Zusammenhang mit der Vorbem. 12 aus dem Bereich des Beamtenrechts steht und nicht anders auszulegen ist als diese. In deren Entwicklung war die Vollzugszulage immer an eine Tätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Strafvollzug in abgeschlossenen Bereichen geknüpft. Ursprünglich erhielten Beamte des beklagten Landes nach der Vorbemerkung Nr. 8 der Landesbesoldungsordnung Nordrhein-Westfalen eine Zulage, wenn sie „in einer Justizvollzugsanstalt oder in den Hausgefängnissen der Gerichte” tätig waren. Mit der bundeseinheitlichen Neuregelung des Besoldungsrechts wurde die Vorbem. 12 eingeführt, die in der Fassung vom 23. Mai 1975 eine Zulage für Beamte vorsah, die „bei Justizvollzugsanstalten sowie in geschlossenen Abteilungen bei Psychiatrischen Krankenanstalten, die ausschließlich dem Vollzug von Maßregeln der Sicherung und Besserung dienen”, tätig waren. Landesrechtlich wurde die Neuregelung durch die Anordnung der entsprechenden Geltung der Vorbem. 12 umgesetzt(Vorbemerkung Nr. 1.5. zur Landesbesoldungsordnung Nordrhein-Westfalen). Mit dem 5. Gesetz zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 28. Mai 1990 wurde der Kreis der zulagenberechtigten Beamten in der Vorbem. 12 erneut erweitert auf Beamte in „abgeschlossenen Vorführbereichen der Gerichte”.
Sowohl der Einsatz bei „Justizvollzugsanstalten”, in „abgeschlossenen Vorführbereichen der Gerichte” als auch in „geschlossenen Abteilungen bei Psychiatrischen Krankenanstalten, die ausschließlich dem Vollzug von Maßregeln der Sicherung und Besserung dienen”, bezog sich unmittelbar auf Tätigkeiten des Justizvollzugs (§§ 1, 139 StrVollzG). Die Einrichtungen der abgeschlossenen Vorführbereiche der Gerichte und geschlossenen Abteilungen und Stationen bei Psychiatrischen Krankenanstalten sind ihrer Funktion nach mit dem geschlossenen Strafvollzug vergleichbar(BVerwG 23. April 1998 – 2 C 1/97 – aaO). Sämtlichen in der 1990 geltenden Fassung der Vorbem. 12 genannten Einrichtungen ist gemeinsam, daß die in diesen Bereichen des unmittelbaren Strafvollzugs tätigen Mitarbeiter in geschlossenen, der Öffentlichkeit grundsätzlich nicht zugänglichen Einrichtungen im ständigen Umgang mit straffällig gewordenen Personen eingesetzt sind.
(2) Die mit dem Gesetz zur Neufassung anderer dienstrechtlicher Vorschriften vom 11. Dezember 1990 in Kraft getretene Änderung des Wortlauts der Vorbem. 12 hat daran nichts geändert. Sie erweitert den Kreis der Anspruchsberechtigten von Mitarbeitern der „Justizvollzugsanstalten” auf solche in „Justizvollzugseinrichtungen”. Der Begriff knüpft aber weiterhin an den unmittelbaren Justizvollzug an. Das ergibt sich schon aus der Verwendung des Genitivs „Justizvollzugs…”. Erforderlich ist damit eine unmittelbar der Durchführung des Strafvollzugs dienende Tätigkeit(BVerwG 23. April 1998 – 2 C 1/97 – aaO; OVG Rheinland-Pfalz 19. September 1997 – 10 A 12838/96 – ZTR 1998, 144; Arbeitsgericht Köln 12. April 2000 – 3 Ca 8040/99 –; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand Mai 2001 Teil V ZulTVe 1982 Erl. 9.1.; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Teil III Stand August 2001 TV allg. Zul. Bund/TdL § 6 II. Rn. 5; aA: OVG Hamburg 31. Oktober 1996 – Bf I 24/95 – = nachgehend BVerwG 23. April 1998 – 2 C 1/97 – aaO; Verwaltungsgericht Arnsberg 9. Mai 2001 – 2 K 318/00 –).
(3) Die Annahme der Klägerin, der Gesetzgeber habe mit der Wortlautänderung nunmehr jegliche Tätigkeit in Justizvollzugseinrichtungen auch ohne unmittelbaren Bezug zum Strafvollzug besonders vergüten wollen, steht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelungskompetenz für Stellenzulagen nach § 42 BBesG. Es ist aber davon auszugehen, daß sich der Gesetzgeber gesetzeskonform verhalten wollte. Grundsätzlich wird die Tätigkeit eines Beamten durch das dem verliehenen Amt entsprechende Grundgehalt nebst Familienzuschlag angemessen besoldet. Gemäß § 42 Abs. 1 BBesG können für „herausgehobene Funktionen” Zulagen gewährt werden. Zwar hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Zulagen einen weiten Gestaltungsspielraum, doch verlangt § 42 Abs. 1 BBesG unabdingbar ein Amt, das mit einer Funktion verbunden ist, die sich aus den übrigen Funktionen, die dem gleichen statusrechtlichen Amt zugewiesen sind, heraushebt. Die Dienstaufgaben müssen sich nach den vorausgesetzten Kenntnissen, Schwierigkeiten der Dienstverrichtung oder der Verantwortung im Vergleich zu den sonstigen Ämtern als höherwertig herausheben(BVerwG 23. April 1998 – 2 C 1/97 – aaO; Fürst GKÖD Band III Besoldungsrecht des Bundes und der Länder Teil 2 Stand Februar 2001 K vor § 42 Rn. 24 u. 26, K § 42 Rn. 13; Clemens/Millack/Engelking/Lantermann/Henkel Besoldungsrecht des Bundes und der Länder Teil II Stand März 2001 BBesG § 42 Anm. 3). Die in der Vorbem. 12 vorgesehene Stellenzulage findet systemgerecht ihre Rechtfertigung darin, daß die Zuordnung der Ämter zu den Besoldungsgruppen der BBesO A die ständig über die Normalanforderungen der Laufbahn hinausgehenden Anforderungen an die Beamten des Strafvollzugsdienstes nicht hinreichend berücksichtigt. Diese sind zu erhöhter Wachsamkeit angehalten und müssen notfalls Leben und Gesundheit einsetzen, um Ausbruchsversuche oder Übergriffe der ihrer Obhut anvertrauten Personen zu verhindern. Sie können auch im privaten Bereich Nachteile infolge ihrer dienstlichen Tätigkeit erleiden. Diese berufstypischen Besonderheiten sollen ausgeglichen werden(OVG Rheinland-Pfalz 19. September 1997 – 10 A 12838/96 – aaO; BVerwG 23. April 1998 – 2 C 1/97 – aaO; BAG 7. Juni 2000 – 10 AZR 423/99 – aaO; Clemens/Millack/Engelking/Lantermann/Henkel Besoldungsrecht des Bundes und der Länder Teil IV Stand März 2001 BBesG Anlage I Vorbem. Nr. 12 Anm. 1).
(4) Die Erweiterung des zulagenberechtigten Personenkreises ist sinnvoll vor dem Hintergrund, daß auch nicht unmittelbar in Strafanstalten tätige Personen die gleichen herausgehobenen Funktionen ausüben können. So ist es beispielsweise denkbar, daß ein Mutter-Kind-Heim nicht innerhalb einer „Anstalt” ieS eingerichtet wird, dennoch aber Strafen an den Müttern vollzogen werden. Weiterhin wird der Begriff der „Einrichtung” teilweise synonym mit dem der „Anstalt” verwendet. So werden beispielsweise im Vollstreckungsplan für das Land Hessen(Justiz-Ministerial-Blatt für Hessen vom 1. Oktober 2001, S 605 ff.) „Einrichtungen für den Vollzug von Jugendarrest”, als „Zweiganstalt” einer Justizvollzugsanstalt erwähnt, weiterhin „Abteilungen” zB für den offenen Vollzug. Angesichts der erweiternden Formulierung der Vorbem. 12 können – auch in Anbetracht künftig möglicher Entwicklungen – keine Zweifel über die Zulagenberechtigung nur wegen der Bezeichnung oder der Organisation der Vollzugseinrichtung entstehen.
(5) Die von der Klägerin zitierte Beschlußempfehlung des Innenausschusses des Bundestages vom 17. Oktober 1990(BT-Drucks. 11/8138 S 31), nach der die vorgeschlagene Wortlautänderung in der Vorbem. 12 dahin gehend interpretiert wurde, damit würden „in die Gewährung der Zulage … Beamte bei Justizvollzugsämtern einbezogen” zwingt nicht zu einer anderen Auslegung. Die Stellungnahme trifft zu, soweit tatsächlich Beamte in Justizvollzugsämtern mit zulagenrechtfertigenden Aufgaben des Strafvollzugs betraut sind. Zu den sonstigen Beamten in Justizvollzugsämtern enthält sich die Stellungnahme. Die Interpretation, die Gesetzesänderung begünstige unterschiedslos sämtliche Beamten der Justizvollzugsämter, ist im übrigen für die Auslegung der Vorbem. 12 auch insoweit ohne Belang, als subjektive Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten nicht dem objektiven Gesetzesinhalt gleichgesetzt werden dürfen. Maßgebend bleibt allein der objektive Wille des Gesetzgebers, der im Gesetz selbst Ausdruck gefunden hat(BVerwG 23. April 1998 – 2 C 1/97 – aaO).
dd) Dem entsprechen Sinn und Zweck der Regelung des § 6 Abs. 1 ZulagenTV und damit der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien. Die „Gitterzulage” stellt eine Erschwerniszulage dar, mit der die erhöhten Anforderungen einer Tätigkeit in abgeschlossenen, der Öffentlichkeit grundsätzlich nicht zugänglichen Einrichtungen und der Umgang mit straffällig gewordenen Personen abgegolten werden sollen(BAG 7. Juni 2000 – 10 AZR 423/99 – nv.). Der Stellungnahme des Bundesrates zu dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern ist bezüglich der Vorbem. 12 zu entnehmen, daß damit „schwierige äußere und psychische Bedingungen” ausgeglichen werden sollen(BT-Drucks. 7/1906 S 114 Nr. 15 a). In der Gegenäußerung der Bundesregierung(BT-Drucks. 7/1906 S 135 Nr. 15 a) wird auf die „besonderen Belastungen des unmittelbaren dauernden Umgangs mit Anstaltsinsassen” Bezug genommen.
ee) Eine von diesen zur Vorbem. 12 angestellten Überlegungen abweichende Interpretation des Sinns und Zwecks des Begriffs „Justizvollzugseinrichtungen” gemäß § 6 Abs. 1 ZulagenTV ist nicht geboten. Die im wesentlichen stets parallele Entwicklung des ZulagenTV entsprechend den beamtenrechtlichen Vorschriften spricht dafür, daß auch die Änderung durch den 7. Änderungstarifvertrag vom 24. April 1991 die Änderung der Vorbem. 12 lediglich nachvollzog. Die von der Klägerin vertretene Auffassung einer nunmehr erstmaligen Zulagengewährung unabhängig von einer Tätigkeit im unmittelbaren Strafvollzug findet auch im ZulagenTV keinerlei objektiven Niederschlag. Die vom Landesarbeitsgericht eingeholten Auskünfte der Tarifvertragsparteien sind für diese Behauptung unergiebig. Sie geben keinen Aufschluß darüber, welche erkennbaren und übereinstimmenden Vorstellungen die Tarifvertragsparteien bei Abschluß des Tarifvertrags hatten. Sie enthalten lediglich Rechtsauffassungen zur Auslegung der tariflichen Bestimmungen, die für die Auslegung nicht maßgeblich sind(BAG 12. Juni 1996 – 4 AZR 1057/94 – nv.). Auch soweit die Klägerin anführt, die Tarifvertragsparteien hätten den 7. Änderungstarifvertrag in Kenntnis der Zulagenzahlung an alle Beamten in Justizvollzugseinrichtungen unabhängig von der im einzelnen ausgeübten Beschäftigung vereinbart, rechtfertigt dies kein anderes Auslegungsergebnis. Die unterschiedslose Zahlung der Vollzugszulage auch an Beamte ohne Wahrnehmung herausgehobener Funktionen des Strafvollzugs erfolgte gesetzeswidrig unter Verkennung der Rechtslage. Es ist nicht anzunehmen, daß die Tarifvertragsparteien diese fehlerhafte Verwaltungspraxis zum Anlaß nehmen wollten, ihr bisheriges Regelungsziel einer Erschwerniszulage ausschließlich für die Angestellten in Justizvollzugseinrichtungen aufzugeben, für die sonstigen unveränderten Alternativen des § 6 Abs. 1 ZulagenTV jedoch beizubehalten. Die nach der Tarifänderung durchgeführte tarifwidrige Gewährung der Zulage durch das beklagte Land ist für die Ermittlung des Willens der Tarifvertragsparteien gleichfalls ohne Bedeutung.
c) Danach hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei die Tätigkeit der Klägerin für nicht zulagenberechtigt gehalten. Die Klägerin übte mit der Verwaltung von Personalakten keine Aufgaben aus, die mit den besonderen Belastungen des unmittelbaren Justizvollzugs verbunden waren.
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der Vollzugszulage auf der Grundlage einer betrieblichen Übung erworben. Die entsprechende Beurteilung des Verhaltens des beklagten Landes durch das Landesarbeitsgericht ist von der Revision nicht angegriffen worden.
III. Die Kosten der erfolglosen Revision hat die Klägerin zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Unterschriften
Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Bacher, Burger
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 24.10.2001 durch Gaßmann, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 671653 |
PersV 2002, 572 |