Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Altersversorgung im Sozialplan

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Sozialplan, der den betroffenen Arbeitnehmern eine Abfindung oder eine vorgezogene Pensionierung zur Wahl anbietet, kann von Regelungen einer bestehenden Versorgungsordnung abweichen, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. So ist es nicht zu beanstanden, wenn für diejenigen Arbeitnehmer, die sich für die Abfindungslösung entscheiden und gleichzeitig die flexible Altersgrenze in Anspruch nehmen (§ 6 BetrAVG), ein versicherungsmathematischer Abschlag eingeführt wird, obwohl die bestehende Versorgungsordnung einen solchen nicht vorsieht.

 

Normenkette

BetrAVG § 6; BetrVG § 112; BGB §§ 242, 133, 157

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 01.06.1984; Aktenzeichen 6 Sa 1582/83)

ArbG Darmstadt (Urteil vom 29.09.1983; Aktenzeichen 1 Ca 196/83)

 

Tenor

  • Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt (Main) vom 1. Juni 1984 – 6 Sa 1582/83 – aufgehoben.
  • Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 29. September 1983 – 1 Ca 196/83 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der am 4. Juni 1923 geborene, schwerbehinderte Kläger trat am 1. Juli 1964 in die Dienste der Beklagten. Er war als technischer Ausbilder beschäftigt. Die Beklagte gewährt Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach einer Versorgungsordnung vom 1. Januar 1973 i.d.F. vom 23. Dezember 1981, die als Betriebsvereinbarung in Kraft gesetzt wurde. Versorgungsberechtigt sind alle Mitarbeiter nach Ablauf der Wartezeit, Eintritt eines Versorgungsfalles und Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Versorgungsfall für die Altersrente ist das Erreichen der Altersgrenze mit dem 65. Lebensjahr. Die Höhe des Ruhegeldes richtet sich nach der versorgungsfähigen Dienstzeit und dem versorgungsfähigen Entgelt. Für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr werden 0,5 v.H. des Entgelts unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze bzw. 1,7 v.H. des die Beitragsbemessungsgrenze übersteigenden Entgelts gezahlt. Für die Fälle des vorzeitigen Ausscheidens heißt es in § 7 Abs. 2, 3 der Versorgungsordnung:

  • ….
  • Betriebsangehörige, die mit Zustimmung der C… nach Vollendung des 55. Lebensjahres aus den Diensten der C… ausscheiden, erhalten vom Zeitpunkt des Ausscheidens an eine vorgezogene Altersrente. Der sich nach § 6 ergebende Rentenanspruch verringert sich für jedes volle Jahr, das der Rentenbeginn vor dem 60. Lebensjahr liegt um 6 vH und für jedes volle Jahr, das der Rentenbeginn vor dem 63. Lebensjahr liegt, um 2 vH. Für Bruchteile fehlender Jahre wird pro Monat jeweils 1/12 der vorgenannten Prozentwerte angesetzt.
  • Betriebsangehörige, die ohne Zustimmung der C… nach Vollendung des 55. Lebensjahres aus den Diensten der C… ausscheiden, erhalten vorbehaltlich des § 11 Abs. 2, ebenfalls vom Zeitpunkt des Ausscheidens an eine vorgezogene Altersrente. Die Höhe der vorgezogenen Altersrente wird in diesem Fall nach versicherungsmathematischen Grundsätzen (Richttafeln für die Pensionsversicherung von Heubeck-Fischer; mit dem jeweils geltenden gesetzlichen Rechnungszinsfuß) aus der sich zum Zeitpunkt des Ausscheidens bei voller Ausschöpfung aller steuerlichen Zuführungsmöglichkeiten ergebenden Rückstellung ermittelt (Sollwert).

    Betriebsangehörige, die zwischen dem 63. und 65. Lebensjahr aus den Diensten der C… ausscheiden (mit oder ohne Zustimmung der C…), erhalten ebenfalls vom Zeitpunkt des Ausscheidens an eine vorgezogene Altersrente gemäß § 7 Abs. 2.

Die Beklagte hat wiederholt Betriebsteile stillgelegt. Unter dem Datum vom 6. September 1982 schrieb sie an den Kläger:

Wie Sie wissen, haben wir am 20. August 1982 mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich abgeschlossen, der den Umfang der von der Stillegung der Standard-Raffinerie und der Reduzierung unserer Aktivitäten betroffenen Planstellen beschreibt. Von den Maßnahmen zum Personalabbau ist nach unserer Beurteilung auch Ihr Arbeitsplatz betroffen.

Den Regelungen des Interessenausgleichs folgend bieten wir Ihnen daher an, mit uns den anliegenden Aufhebungsvertrag zur Beendigung des zwischen uns bestehenden Arbeitsverhältnisses zum 30.6.1983 abzuschließen. Da wir über den Sozialplan für die jetzt geplanten Maßnahmen noch mit dem Betriebsrat verhandeln, können wir Ihnen noch kein endgültiges finanzielles Angebot machen. Wir bestätigen Ihnen jedoch, daß Sie an den Regelungen des jetzt auszuhandelnden Sozialplanes beteiligt werden, und daß wir Ihnen in Einklang mit dessen Bestimmungen eine Abfindung zahlen oder wahlweise eine Pensionierungsregelung anbieten wollen, sofern Sie das 55. Lebensjahr vollendet haben.

Als Abschlag auf die der Höhe nach noch auszuhandelnde Abfindung bieten wir Ihnen zum Zeitpunkt Ihres Ausscheidens zunächst 80 % des Abfindungsbetrages an, der sich nach dem von der Geschäftsleitung vorgeschlagenen Entwurf eines Sozialplanes zum Interessenausgleich vom 20. August 1982 (“Sozialplan 1982”) ergibt. Dieser Betrag erhöht sich, wenn der noch auszuhandelnde Sozialplan 1982 in Ihrem Falle eine günstigere Regelung ergeben sollte.

Für Mitarbeiter, die bei ihrem Ausscheiden das 55. Lebensjahr vollendet haben, soll außerdem die Möglichkeit geschaffen werden, binnen einen Monats nach Abschluß des Sozialplanes 1982 die geplante Pensionierungsregelung zu wählen. Eine bereits geleistete Abschlagszahlung auf den Abfindungsbetrag wäre ggf. natürlich zurückzuzahlen.

Wir bitten Sie, bis zum 13. September 1982 zu unserem Vorschlag Stellung zu nehmen. Wenn Sie ihn annehmen wollen, schicken Sie bitte den beigefügten Aufhebungsvertrag in zweifacher Ausfertigung unterzeichnet an uns zurück. Wollen sie unseren Vorschlag nicht annehmen, so werden wir gegebenenfalls die im Interessenausgleich als weiteren Schritt vorgesehene Kündigung aussprechen müssen.

Dem Schreiben waren beigefügt ein Aufhebungsvertrag, ein Interessenausgleich, ein Sozialplanentwurf sowie ein Aushang. In dem Sozialplanentwurf war vorgesehen, daß Mitarbeiter, die im Zusammenhang mit einer im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahme aufgrund eines Aufhebungsvertrages oder einer Kündigung der Beklagten ausscheiden, eine Abfindung erhalten. Diese sollte in der Dienst- und Lebensaltersstufe des Klägers 15 Monatsgehälter betragen. Ferner hieß es im Zusammenhang mit der Abfindungsregelung:

Bei Inanspruchnahme der Abfindung findet § 7 Abs. 2 Satz 1 Versorgungsordnung keine Anwendung.

Im einzelnen enthielt der Entwurf folgende Regelungen der Altersversorgung: Ältere Mitarbeiter, die nach zehn Dienstjahren das 55. Lebensjahr vollendet haben, können anstelle der Abfindung Leistungen eines vorzeitigen Pensionierungsprogramms wählen. Dieses sieht vor, daß sie in der Dienst- und Lebensaltersstufe des Klägers drei Monatsgehälter als Abfindung sowie das erdiente betriebliche Ruhegeld erhalten, wobei von einer Kürzung des Ruhegeldes nach § 7 Abs. 2 der Versorgungsordnung abgesehen wird. Ferner werden vom 55. bis 60. Lebensjahr Ausgleichzahlungen in Höhe der verdienten Sozialversicherungsrente gezahlt. Die Mitarbeiter haben sich arbeitslos zu melden. Während des Bezuges von Arbeitslosengeld ruhen die Versorgungsleistungen. Die in dem Sozialplanentwurf vorgesehenen Leistungen entsprachen im wesentlichen einem früheren Sozialplan vom 16. Februar 1982.

Die Parteien vereinbarten am 6. September 1982, das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1983 zu beenden. In dem Aufhebungsvertrag verpflichtete sich die Beklagte, eine Vorauszahlung auf die Abfindung in Höhe von 64.500,-- DM zu zahlen. Unter dem Datum vom 1. März 1983 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Rentenmitteilung. Hiernach beiträgt die Altersrente bei Erreichen des 65. Lebensjahres 722,40 DM und der ratierlich zum 1. März 1983 berechnete Wert 511,50 DM.

Am 2. März 1983 vereinbarte die Beklagte mit ihrem Betriebsrat den Sozialplan zum Interessenausgleich vom 20. August 1982. Nach dessen Vorschriften ergibt sich zugunsten des Klägers eine große Abfindung von 15 Monatsgehältern (83.742,-- DM). Im Zusammenhang mit der Abfindung heißt es dann:

Bei Inanspruchnahme der Abfindung findet § 7 Abs. 2 der Versorgungsordnung der CD keine Anwendung.

In einer “Protokollnotiz” vereinbarte die Beklagte mit dem Betriebsrat:

Mitarbeiter, die statt der Wahlmöglichkeit gemäß Ziff. 6 eine große Abfindung in Anspruch nehmen, erhalten, wenn eine unverfallbare Anwartschaft vorliegt, eine Altersrente in der Regel mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Ergibt sich aufgrund § 6 des BRG eine frühere Fälligkeit, erfolgt eine Abzinsung nach allgemeingültigen versicherungsmathematischen Grundsätzen (6 %).

Im übrigen besteht ein Wahlrecht für ältere Arbeitnehmer, nach 10jähriger Dienstzeit und Erreichen des 55. Lebensjahres anstelle der großen Abfindung neben einer kleinen Abfindung den Bezug vorzeitigen Ruhegeldes zu wählen. Dieses wird vom Zeitpunkt des Ausscheidens an in Höhe des erdiensten Ruhegeldes gezahlt, wobei Zurechnungszeiten für die bis zum 63. Lebensjahr fehlenden Dienstjahre berücksichtigt werden. Ferner sind Ausgleichsleistungen bis zum Einsetzen der Sozialversicherungsrente zugesagt.

Seit dem 1. Juli 1983 bezieht der Kläger von der Bundesknappschaft Altersruhegeld wegen anerkannter Schwerbehinderung. Die Beklagte setzte daraufhin mit Schreiben vom 18. August 1983 seine Betriebsrente fest. Sie ging von einer Vollrente bei Erreichen des 65. Lebensjahres in Höhe von 534,20 DM aus. Diese kürzte sie entsprechend der Protokollnotiz zum Sozialplan wegen vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand, um (59 Monate × 0,5 % = )29,5 % auf 376,61 DM.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß die Kürzung seiner Rente nicht gerechtfertigt sei. Er hat vorgetragen, bei Abschluß des Aufhebungsvertrages habe er darauf vertrauen dürfen, daß seine Versorgungsansprüche nur nach § 7 Abs. 2 Satz 2 der Versorgungsordnung gekürzt würden. Im Sozialplanentwurf habe sie nur § 7 Abs. 2 Satz 1 der Versorgungsordnung außer Kraft gesetzt. Nach Abschluß des Aufhebungsvertrages habe die Beklagte in seine unverfallbare Versorgungsanwartschaft nicht mehr eingreifen können. Sie habe auch in mehreren vergleichbaren Fällen ein ungekürztes vorgezogenes Altersruhegeld zugestanden. Mit der Klage verlange er den Unterschiedsbetrag zwischen der beanspruchten und der gezahlten Betriebsrente für die Zeit vom 1. Juli 1983 bis zum 30. Juni 1984 und Feststellung der entsprechenden Zahlungsverpflichtung. Zu zahlen sei ihm eine Betriebsrente von 534,20 DM, die auf 502,42 DM ratierlich gekürzt werden könne.

Der Kläger hat beantragt,

  • die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 1. Juli 1983 bis 30. Juni 1984 1.509,72 DM nachzuzahlen;
  • festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihre Ruhegeldleistungen auch ab 1. Juli 1984 über den nach § 7 Abs. 2 Satz 2 ihrer Versorgungsordnung vom 23. Dezember 1981 zulässigen Rahmen hinaus nicht zu kürzen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, der Kläger habe erkannt, daß ihm entweder zunächst noch kein Ruhegeld, dafür aber die große Abfindung, oder aber die kleine Abfindung in Verbindung mit einem vorzeitigen Ruhegeld zustehen sollte. Um neben der großen Abfindung einen Bezug des vorzeitigen Ruhegeldes zu verhindern, sei im Sozialplanentwurf § 7 Abs. 2 Satz 1 der Versorgungsordnung außer Kraft gesetzt worden. Hierbei hätten die Betriebspartner zunächst jedoch übersehen, daß Arbeitnehmer mit unverfallbarer Versorgungsanwartschaft nach § 6 BetrAVG Anspruch auf vorgezogenes Altersruhegeld hätten. Deshalb sei die Protokollnotiz vereinbart worden. Die Zahlung einer großen Abfindung verbunden mit vorzeitiger Pensionierung und Kürzung des Ruhegeldes nach versicherungsmathematischen Grundsätzen sei immer noch günstiger als die vorzeitige Pensionierungsregelung.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Arbeitnehmer der Beklagten, die nach dem Sozialplan vom 2. März 1983 eine große Abfindung gewählt und darüber hinaus vorgezogenes Altersruhegeld beansprucht haben, müssen einen versicherungsmathematischen Abschlag hinnehmen.

I. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß dem Kläger nach der Versorgungsordnung der Beklagten vom 23. Dezember 1981 ein betriebliches Ruhegeld zusteht.

1. Versorgungsberechtigt sind Betriebsangehörige der Beklagten, wenn nach Ablauf einer einjährigen Wartezeit ein Versorgungsfall eintritt und sie in den Ruhestand treten. Als Versorgungsfall für Altersrenten ist allerdings nur das Erreichen des 65. Lebensjahres vorgesehen. Aber nach § 1248 Abs. 1 RVO, § 25 Abs. 1 AVG, § 48 Abs. 1 RKG kann ein anerkannter Schwerbehinderter mit dem 60. Lebensjahr Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Nach § 6 Satz 1 BetrAVG kann er zu diesem Zeitpunkt auch eine zugesagte betriebliche Altersversorgung verlangen. Dieses Recht besteht unabhängig von der Regelung einer Altersgrenze in der Versorgungsordnung oder im Sozialplan. Danach liegt ein Versorgungsfall vor. Der Kläger war bei der Beklagten rund 19 Jahre beschäftigt. Er ist anerkannter Schwerbehinderter. Er ist mit Erreichen des 60. Lebensjahres bei der Beklagten ausgeschieden und in den Ruhestand getreten.

2. Die Höhe der Ruhegeldleistungen ist nach der Versorgungsordnung abhängig von der versorgungsfähigen Dienstzeit und dem versorgungsfähigen Entgelt. Insoweit herrscht nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zwischen den Parteien kein Streit.

Wird ein Arbeitnehmer vor Erreichen der Altersgrenze, also vor dem 65. Lebensjahr in den Ruhestand versetzt, so sieht die Versorgungsordnung ein abgestuftes System vor, wie der vorzeitigen Ruhegeldgewährung und dem längeren Ruhegeldbezug Rechnung getragen wird. Scheidet ein Arbeitnehmer nach Vollendung des 55. Lebensjahres im Einverständnis der Beklagten aus deren Diensten, so erhält er Ruhegeld; jedoch wird das Ruhegeld für jedes volle Jahr vor dem 60. Lebensjahr um 6 v.H. und für jedes volle Jahr vor dem 63. Lebensjahr um 2 v.H. gekürzt (§ 7 Abs. 2 VO). Scheidet der Arbeitnehmer dagegen ohne Einverständnis der Beklagten nach Vollendung des 55. Lebensjahres aus, so wird sein Ruhegeld um versicherungsmathematisch errechnete Abschläge gekürzt (§ 7 Abs. 3 Satz 2 VO). Scheidet der Arbeitnehmer erst zwischen dem 63. und 65. Lebensjahr mit oder ohne Zustimmung der Beklagten aus deren Diensten, so erhält er Altersruhegeld ohne jegliche Abschläge (§ 7 Abs. 3 Satz 3 VO). Dieses System der Versorgungsordnung ist jedoch im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Der Sozialplan hat es für die durch ihn begünstigten Arbeitnehmer geändert.

II. Der Sozialplan hat für Versorgungsansprüche älterer Arbeitnehmer, die wegen des Verlustes ihres Arbeitsplatzes eine sogenannte “große Abfindung” beanspruchen, einen versicherungsmathematisch berechneten Abschlag eingeführt. Dieser ist zu berücksichtigen, wenn Arbeitnehmer mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in den Ruhestand treten.

1. Der Sozialplan eröffnet Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, zwei Möglichkeiten: Entweder könne sie aus dem Erwerbsleben ausscheiden und neben einer kleineren Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes vorgezogenes betriebliches Altersruhegeld beanspruchen, das von der Beklagten noch aufgebessert wird; oder sie können statt dessen im Erwerbsleben bleiben und wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes eine größere Abfindung beanspruchen. Zur Erreichung dieses Ziels wurde durch den Sozialplan vom 2. März 1983 § 7 Abs. 2 VO außer Kraft gesetzt. Die geringen Abschläge, die die Versorgungsordnung für Fälle vorgezogener Pensionierung vorsah, paßten nach Ansicht der Betriebspartner nicht in das System des Sozialplans.

Allerdings konnten die Betriebspartner nicht § 6 BetrAVG außer Kraft setzen. Einem Arbeitnehmer, der das Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nimmt, mußten sie den Anspruch auf ein vorgezogenes betriebliches Ruhegeld erhalten. Aber sie konnten für diesen Fall einen versicherungsmathematischen Abschlag verlangen, um die längere Laufzeit der Betriebsrente auszugleichen. Das war auch tatsächlich beabsichtigt, wie sich nach Ansicht des Senats schon allein aus der vorgesehenen Alternative zwischen einer kleinen Abfindung mit vorgezogenem Ruhegeld und einer großen Abfindung ohne Versorgungsleistungen ergibt. Etwaige Auslegungszweifel werden durch die Protokollnotiz zum Sozialplan beseitigt.

2. Der Kläger meint zu Unrecht, der Sozialplan sei rechtsunwirksam oder könne ihm nicht entgegengehalten werden, soweit er für die Berechnung seines Ruhegeldes versicherungsmathematische Abschläge einführe.

a) Die in der Rechtsform einer Betriebsvereinbarung abgeschlossene Versorgungsordnung kann durch eine spätere Betriebsvereinbarung geändert werden (BAG GS 3, 1, 5 = AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG, zu I 2 der Gründe; 22, 252, 260 = AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu B II der Gründe; einhellige Ansicht vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 118). Dasselbe gilt für die Änderung der Versorgungsordnung durch einen Sozialplan. Dieser hat die Rechtswirkungen einer Betriebsvereinbarung (§ 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG). Nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dient ein Sozialplan zum Ausgleich oder zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen. Dieser Gesamtzweck schließt es jedoch nicht aus, daß einzelne Bestimmungen sich isoliert betrachtet zum Nachteil von Arbeitnehmern auswirken können. Der Günstigkeitsvergleich erfordert eine Gesamtbetrachtung.

b) Insoweit stand es auch in der Regelungsmacht der Betriebspartner, durch einen Sozialplan versicherungsmathematisch berechnete Abschläge für den vorzeitigen Ruhegeldbezug einzuführen. Durch den vorzeitigen und damit auch längeren Bezug des Ruhegeldes erwachsen erhöhte finanzielle Aufwendungen, die ausgeglichen werden können (BAG 30, 333, 336 f. = AP Nr. 1 zu § 6 BetrAVG, zu I 2 der Gründe; Urteil vom 11. September 1980 – 3 AZR 185/80 – AP Nr. 3, aaO, zu I 2 der Gründe; Urteil vom 26. März 1985 – 3 AZR 236/83 – AP Nr. 10, aaO, zu II 1 der Gründe). Allerdings ist der Senat immer davon ausgegangen, daß derartige Abschläge eingeführt werden müssen, bevor der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, daß er ohne weitere Kürzungen seines Ruhegeldes in den Ruhestand treten konnte.

c) Der Kläger hatte vor seiner Versetzung in den Ruhestand keinen Anlaß, darauf zu vertrauen, er könne neben der großen Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes vorgezogenes Ruhegeld ohne versicherungsmathematischen Abschlag verlangen. Als er mit der Beklagten am 6. September 1982 die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1983 vereinbarte, wußte er, daß der Sozialplan noch nicht abgeschlossen war. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 6. September 1982 konnte er entnehmen, daß er entweder an einem vorzeitigen Pensionierungsprogramm teilnehmen oder wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes eine größere Abfindung erwarten konnte. Aus dem beigefügten Sozialplanentwurf ergab sich, daß die Beklagte eine Änderung der Versorgungsordnung anstrebte. Ein Vergleich der im Sozialplan vorgesehenen Leistungen zeigte, daß die Beklagte ein ausgewogenes Verhältnis der Leistungen des vorzeitigen Pensionierungsprogrammes und der Entlassungsabfindungen anstreben mußte, wenn sie sich nicht dem Vorwurf der Ungleichbehandlung aussetzen wollte. Schließlich ließ die Beklagte den Kläger nicht im Zweifel darüber, daß sie Rückgewähr von Abfindungen verlangen würde, wenn der Kläger das Leistungsprogramm wechseln oder überziehen sollte.

 

Unterschriften

Dr. Dieterich, Schaub, Dr. Steckhan, Kunze, Fieberg

 

Fundstellen

Haufe-Index 872418

BB 1987, 199

ZIP 1987, 127

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