Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifgeltung bei Mischbetrieben-Beweislast
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Mischbetrieben, die neben der Ausführung baugewerblicher Tätigkeiten auch in nichtbaulichen Bereichen tätig sind, kommt es für die Geltung der Tarifverträge des Baugewerbes darauf an, mit welchen Tätigkeiten die Arbeitnehmer des Betriebes überwiegend beschäftigt werden. Wirtschaftliche und handelsrechtliche Kriterien sind nicht entscheidend.
2. Dabei sind den eigentlichen baugewerblichen Arbeiten auch diejenigen Nebenarbeiten zuzurechnen, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und daher nach der Verkehrssitte von den Betrieben des Baugewerbes üblicherweise miterledigt werden. Dazu kann der Materialtransport gehören.
3. Bei den Auskunftsklagen nach den Sozialtarifen des Baugewerbes gelten die allgemeinen zivilprozeßrechtlichen Grundsätze für die Darlegungs- und Beweislast. Demgemäß hat die Klägerseite darzulegen und ggf. zu beweisen, daß im Betrieb des beklagten Arbeitgebers überwiegend von den Arbeitnehmern baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden.
4. Die Wiederholung von Zeugenvernehmungen steht gemäß § 398 ZPO grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsgerichts. Das Landesarbeitsgericht muß einen vom Arbeitsgericht vernommenen Zeugen jedoch dann erneut vernehmen, wenn es in prozeßentscheidenden Fragen dessen Aussage anders würdigen will als das Arbeitsgericht.
Leitsatz (redaktionell)
Überprüfung der Anwendung des § 286 ZPO durch das Revisionsgericht
Normenkette
TVG § 1 Fassung 1969-08-25; TVG § 4 Abs. 2 Fassung 1969-08-25, Abs. 1 Fassung 1969-08-25; TVG § 1 Tarifverträge: Bau; BRTV-Bau § 1; ZPO §§ 282, 286-287, 398
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 17.12.1985; Aktenzeichen 15/5 Sa 382/85) |
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 06.02.1985; Aktenzeichen 3 Ca 33/84) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 17. Dezember 1985 – 15/5 Sa 382/85 – aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin nach den Sozialtarifverträgen des Baugewerbes zur Auskunftserteilung verpflichtet ist. Die Beklagte firmiert als Gesellschaft für Vermittlung und Einsatz von Baugeräten. Sie führt Ausschachtungsarbeiten, Wegebau, Straßenbefestigungsarbeiten und Kanalbauarbeiten durch, betreibt aber auch Naturproduktenhandel und Deponien. Welche der betrieblichen Tätigkeiten der Beklagten überwiegen, ist zwischen den Parteien streitig.
Mit der Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Auskunftserteilung nach den Sozialtarifverträgen des Baugewerbes für den Zeitraum vom 1. Januar 1978 bis 31. August 1984 und für den Fall der Nichterfüllung gemäß § 61 Abs. 2 ArbGG auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 624.000,– DM in Anspruch genommen. Dazu hat die Klägerin vorgetragen, dem Einsatz ihrer Arbeitnehmer nach habe die Beklagte im Anspruchszeitraum neben der Vermietung von Baumaschinen zur Erbringung baulicher Leistungen überwiegend Tiefbauarbeiten, Erdbewegungsarbeiten, Planierarbeiten, Kanalbauarbeiten, Sprengarbeiten sowie Abbruch- und Enttrümmerungsarbeiten ausgeführt. Alle diese Tätigkeiten fielen unter den fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau, so daß die Beklagte im Sinne des Klagebegehrens zur Auskunftserteilung verpflichtet sei. Demgemäß hat die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
der Klägerin auf dem tariflich vorgesehenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,
wieviele arbeiterrentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer vom 1. Januar 1978 bis zum 31. August 1984 im Betrieb der Beklagten beschäftigt worden sind, wie hoch sich die Gesamtsumme ihres Bruttoarbeitsentgelts beläuft
und in welcher Höhe demgemäß nach den Sozialtarifen des Baugewerbes Beiträge an die Klägerin abzuführen sind,
- für den Fall, daß die Beklagte der Verpflichtung zur Auskunftserteilung binnen einer Woche nach Urteilszustellung nicht nachkommt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 624.000,– DM zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, ihr Betrieb sei kein solcher des Baugewerbes und werde daher auch von den Tarifverträgen des Baugewerbes nicht erfaßt. Dabei dürfe nicht einseitig auf die Art des Einsatzes der Arbeitnehmer abgestellt werden. Vielmehr müßten auch wirtschaftlich relevante Umstände berücksichtigt werden. Sie betreibe überwiegend ein Handelsunternehmen mit den Teilbereichen Einsatz und Vermittlung von Baugeräten, Transport von Schüttgut, Handel mit schüttbaren Naturprodukten sowie Betrieb von Deponien. Abgesehen davon sei die Klageforderung mindestens teilweise verjährt.
Das Arbeitsgericht hat nach einer umfangreichen Beweisaufnahme mit Vernehmung von elf Zeugen durch den ersuchten Richter die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ohne erneute Beweisaufnahme unter teilweiser Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils für den Anspruchszeitraum ab 1. Januar 1981 nach dem Klagebegehren erkannt und insoweit für den Fall der Nichterfüllung unter Abzug eines Betrages von 20 v.H. der von der Klägerin geltend gemachten Summe für den Fall der Nichterfüllung binnen einer Woche nach Urteilszustellung der Klägerin gemäß § 61 Abs. 2 ArbGG eine Entschädigung in Höhe von 297.600,– DM zuerkannt. Hinsichtlich des früheren Anspruchszeitraumes hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin mit der Begründung zurückgewiesen, insoweit sei die Klageforderung verjährt.
Mit ihrer Revision beantragt die Beklagte die Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils insoweit, als sie dadurch beschwert ist, und die volle Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision mit der Maßgabe, daß sie die Entschädigung nach § 61 Abs. 2 ArbGG erst sechs Wochen nach Urteilszustellung im Falle der Nichterfüllung beanspruchen kann.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt, soweit es nicht in Rechtskraft erwachsen ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zu erneuter Verhandlung und Entscheidung. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann dem Klagebegehren nicht entsprochen werden.
Auszugehen ist mit dem Landesarbeitsgericht von § 2 Abschnitt I Nr. 6 des Tarifvertrages über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe vom 12. November 1960 (VerfTV) in den Fassungen vom 17. November 1980, 10. November 1981 und 19. Dezember 1983 (dort gleichlautend § 13 Abs. 1). Der fachliche bzw. betriebliche Geltungsbereich des VerfTV ist mit dem des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) identisch. Während das in den älteren Fassungen des VerfTV jeweils in § 1 Abs. 2 in allgemeiner Weise zum Ausdruck gebracht wurde, wird in der Neufassung des VerfTV vom 19. Dezember 1983 in § 1 Abs. 2 der gesamte § 1 Abs. 2 BRTV-Bau wörtlich übernommen. An der materiellen Rechtslage ändert sich dadurch nichts.
Damit kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf an, ob im Anspruchszeitraum im Betrieb der Beklagten vom fachlichen bzw. betrieblichen Geltungsbereich des BRTV-Bau und damit auch vom Geltungsbereich des VerfTV erfaßte Tätigkeiten verrichtet worden sind. Dabei stellt das Landesarbeitsgericht zutreffend und in Übereinstimmung mit der entsprechenden Senatsrechtsprechung auf die zeitlich überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer der Beklagten und nicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie die Bedeutung der einzelnen betrieblichen Bereiche der Beklagten für Umsatz, Verdienst und die Möglichkeiten der Verwertung der erarbeiteten Produkte ab (vgl. BAGE 25, 188, 193 = AP Nr. 13 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau sowie die weiteren Urteile des Senats vom 10. September 1975 – 4 AZR 456/74 – AP Nr. 24 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau und 17. Februar 1971 – 4 AZR 71/70 – AP Nr. 9 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau mit weiteren Nachweisen).
Die demgegenüber erhobenen Einwendungen der Revision, die die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erläutert und vertieft hat, greifen nicht durch. Insbesondere ist insoweit entgegen der Rechtsauffassung der Revision unbeachtlich, daß es sich beim Betrieb der Beklagten um einen sogenannten Mischbetrieb handelt, dessen Arbeitnehmer teilweise in Sparten des Baugewerbes, teilweise aber auch in anderen Berufszweigen tätig sind. Im übrigen darf nicht übersehen werden, daß Tarifverträge ein Rechtsinstitut des Arbeitsrechts sind und vorzugsweise der Regelung von Arbeitsbedingungen, d.h. der Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, zu dienen bestimmt sind (§ 1 Abs. 1 TVG). Das gilt auch für die vorliegend streitbefangenen Sozialtarifverträge des Baugewerbes, denn durch sie werden den Arbeitnehmern des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe unter Berücksichtigung der besonderen Arbeitsbedingungen dieser Berufssparte bestimmte Leistungen (z.B. eine zusätzliche Altersversorgung) zugewendet. Diese Umstände zwingen entgegen der Rechtsauffassung der Revision dazu, an dem vom Landesarbeitsgericht mit Recht herangezogenen Rechtsgrundsatz festzuhalten, daß – insbesondere bei Mischbetrieben wie dem der Beklagten – die Tarifgeltung unter dem Gesichtspunkt des betrieblichen Geltungsbereiches der Tarifverträge nicht von wirtschaftlichen bzw. handelsrechtlichen Kriterien abhängig gemacht werden darf, sondern allein danach zu bestimmen ist, mit welchen Tätigkeiten die Arbeitnehmer des betreffenden Betriebes überwiegend beschäftigt werden.
Weiter ist mit dem Landesarbeitsgericht davon auszugehen, daß nach der aufgrund einer entsprechenden Tarifänderung geltenden neuen Rechtsprechung des erkennenden Senats unter den fachlichen bzw. betrieblichen Geltungsbereich des BRTV-Bau diejenigen Betriebe fallen, in denen überwiegend im Abschnitt V von § 1 Abs. 2 BRTV-Bau konkret genannte Beispielstätigkeiten ausgeführt werden, ohne daß dann noch die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III der Tarifnorm zu überprüfen sind (vgl. BAGE 45, 11, 17 = AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Nach dem insoweit unstreitigen Sachverhalt und den entsprechenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts werden im Betrieb der Beklagten Ausschachtungsarbeiten ausgeführt, wobei der Mutterboden abgeschoben und die Baugrube ausgehoben wird. Der Abraum wird nach den weiteren Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weggeschafft, teilweise auf die Deponien der Beklagten, und später zum Verfüllen der Baugruben wieder verwendet. Dabei handelt es sich, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, um Tiefbauarbeiten im Sinne der Beispielstätigkeit Nr. 35 im Abschnitt V von § 1 Abs. 2 BRTV-Bau. Dasselbe gilt für die Einplanierung von Schotter zum Zwecke der Befestigung der Wege zu den Baustellen. Außerdem werden nach den weiteren Feststellungen des Landesarbeitsgerichts von der Beklagten Baumaschinen zur Erbringung baulicher Leistungen mit Bedienungspersonal vermietet. Das geschieht im Sinne der Anforderungen der Senatsrechtsprechung, wie das Landesarbeitsgericht näher ausführt (BAGE 39, 146, 151 = AP Nr. 41 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau), und erfüllt damit das Tarifbeispiel Nr. 38 im Abschnitt V von § 1 Abs. 2 BRTV-Bau. Schließlich führt die Beklagte nach den weiteren Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auch noch Wegebefestigungsarbeiten, Straßenbauarbeiten und Kanalbauarbeiten im Sinne von Nr. 20 und Nr. 31 des Abschnitts V von § 1 Abs. 2 BRTV-Bau aus.
Auch die hierzu erhobenen Einwendungen der Revision sind nicht begründet. Entgegen den Ausführungen der Revision hat das Landesarbeitsgericht nicht in tarifwidriger Weise Abbrucharbeiten dem betrieblichen Geltungsbereich des BRTV-Bau unterworfen. In seinen materiellrechtlichen Ausführungen zu Fragen der Tarifgeltung ist vielmehr das Landesarbeitsgericht auf Abbrucharbeiten überhaupt nicht eingegangen. Es spricht davon lediglich an einer Stelle seiner Entscheidungsgründe im Rahmen der Wiederholung einer Zeugenaussage ohne tragende Bedeutung. Ferner übersieht die Revision, daß auch Abbrucharbeiten jedenfalls dann vom BRTV-Bau erfaßt werden, wenn sie mit sonstigen baugewerblichen Tätigkeiten in Zusammenhang stehen (vgl. die Urteile des Senats vom 4. August 1971 – 4 AZR 358/70 – AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau und 10. September 1975 – 4 AZR 456/74 – AP Nr. 24 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Im übrigen enthält hierzu die Revision nur noch neuen, in der Revisionsinstanz jedoch aus den Gründen des § 561 ZPO nicht mehr berücksichtigungsfähigen Tatsachenvortrag, während die Revisionserwiderung zutreffend darauf hinweist, daß, falls bei der Beklagten Abbrucharbeiten ausgeführt würden, bei der gegebenen Fallgestaltung viel dafür spricht, bei diesen einen Zusammenhang mit baugewerblichen Aufgaben der Beklagten im Sinne der Senatsrechtsprechung zu bejahen.
Die Revision kann auch nicht erfolgreich einwenden, das Landesarbeitsgericht habe die von ihm herangezogenen Tarifbeispiele zu extensiv ausgelegt und den baugewerblichen Tätigkeiten Arbeiten zugerechnet, die nicht als solche im Rechtssinne betrachtet werden könnten. Diese rechtliche Beurteilung der Beklagten ist fehlerhaft. Vielmehr ist es tarifgerecht und daher nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht z.B. den von Arbeitnehmern der Beklagten ausgeführten Ausschachtungsarbeiten gleichsam als Zusammenhangstätigkeiten den Materialtransport oder die Reinigung der Anfahrwege zurechnet, wobei das Landesarbeitsgericht mit Recht berücksichtigt, daß bei der Beklagten das abgelagerte Erdreich später wieder zur Auffüllung der Baugruben verwendet wird. Die Tarifbeispiele des Abschnitts V von § 1 Abs. 2 BRTV-Bau erfassen nämlich nicht nur den eigentlichen baugewerblichen Kern der darin geregelten Tätigkeiten, sondern darüber hinaus alle Arbeiten, die branchenüblich und im Sinne einer sachgerechten Ausführung der baulichen Tätigkeiten notwendig sind und deswegen regelmäßig nach der Verkehrssitte als Nebenarbeiten von den Betrieben des Baugewerbes miterledigt werden, wobei auch die Umstände des Einzelfalles mitzuberücksichtigen sind. In anderen Tarifbereichen wird in diesem Zusammenhang von sogenannten „Zusammenhangstätigkeiten” gesprochen, die der eigentlichen Aufgabenstellung der Arbeitnehmer zuzurechnen und einer gesonderten tariflichen Bewertung daher nicht zugänglich sind (vgl. das Urteil des Senats vom 14. Februar 1979 – 4 AZR 414/77 – AP Nr. 15 zu §§ 22, 23 BAT 1975 mit weiteren Nachweisen). Nur eine solche Tarifauslegung erweist sich auch im Regelungsbereich des BRTV-Bau als vernünftig, gerecht, zweckorientiert und praktisch brauchbar, so daß ihr auch im Hinblick darauf der Vorzug gebührt (vgl. das Urteil des Senats vom 19. März 1986 – 4 AZR 642/84 – AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen, mit weiteren Nachweisen).
Damit ist die materiell-rechtliche Beurteilung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Trotzdem bedarf das angefochtene Urteil der Aufhebung und die Sache der Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht. Wie die Revision im einzelnen mit Recht rügt, hat nämlich das Landesarbeitsgericht hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast der Klägerin möglicherweise zu geringe Anforderungen gestellt. Es kann sogar nach den entsprechenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts nicht ausgeschlossen werden, daß es für die auf Auskunftserteilung nach den Sozialtarifen des Baugewerbes gerichteten Klagen in abstrakter Weise mit den allgemeinen Grundsätzen des Prozeßrechts unvereinbare Rechtsprinzipien aufgestellt und diese vorliegend angewendet hat. Nur weil das nicht sicher feststeht, hat das Revisionsgericht davon abgesehen, auch das Verfahren des Landesarbeitsgerichts aufzuheben (§ 564 Abs. 2 ZPO).
Zwar weist das Landesarbeitsgericht zu Beginn seiner diesbezüglichen Ausführungen zutreffend und in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung darauf hin, daß die Klägerin für ihr Vorbringen, dem Einsatz ihrer Arbeitnehmer nach würden bei der Beklagten überwiegend unter die Tarifverträge des Baugewerbes fallende Tätigkeiten verrichtet, darlegungs- und beweispflichtig sei (vgl. das Urteil des Senats vom 10. September 1975 – 4 AZR 456/74 – AP Nr. 24 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Diese Pflicht der Klägerin hält das Landesarbeitsgericht jedoch nur „grundsätzlich” für bestehend. Im übrigen führt es an der entsprechenden Stelle seiner Entscheidungsgründe weiter aus:
„Es muß aber berücksichtigt werden, daß der Kläger als Außenstehender keinen umfassenden und detaillierten Überblick über die im Betrieb der Beklagten geleistete Arbeit haben kann, während der Beklagten allein konkrete Angaben über die Tätigkeit jedes einzelnen Arbeitnehmers möglich sind.”
Wenn hieraus alsdann das Landesarbeitsgericht weiter folgert, „diese ungleichen Aufklärungsmöglichkeiten lösten prozessuale Pflichten aus” und nötigten demgemäß die Beklagte,
„die ihr zu Gebote stehenden Aufklärungsmöglichkeiten zu nutzen und anhand der vorhandenen Unterlagen wie Rechnungen, Stundennachweise etc. substantiiert das durch die Zeugen vermittelte Beweisergebnis zu erschüttern”,
dann können das zwar auch fallbezogene Ausführungen im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO oder die dem Tatsachenrichter grundsätzlich offenstehende Möglichkeit der Inanspruchnahme des Rechtsinstituts der sogenannten Umkehr der Beweislast für den Einzelfall sein (vgl. Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., § 118 II 4 a, S. 720). Es kann aber, wie die Beklagte sowohl in ihrer Revision als auch in ihren ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat näher ausgeführt hat, ebenfalls nicht ausgeschlossen werden, daß das Landesarbeitsgericht mit den dargestellten Ausführungen aus seinen Entscheidungsgründen im Sinne eines allgemeinen, abstrakten Rechtsgrundsatzes zum Ausdruck bringen will, daß bei den Auskunftsklagen der Klägerin nach den Sozialtarifen des Baugewerbes die allgemeinen Grundsätze des Zivilprozesses über die Darlegungs- und Beweislast der klagenden Partei nicht oder nur eingeschränkt gelten bzw. daß schlechthin von diesen Grundsätzen zugunsten der Klägerin Abweichungen statthaft oder gar geboten sind.
Diese Rechtsauffassung, die das Landesarbeitsgericht nach den Ausführungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in gleich oder ähnlich gelagerten Prozessen bereits definitiv vertreten haben soll, ist fehlerhaft. Bereits in dem vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Urteil vom 10. September 1975 – 4 AZR 456/74 – (AP Nr. 24 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau) hat der Senat mit näherer Begründung ausgeführt, daß es – wie schlechthin im allgemeinen Zivilprozeß und dem arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren – auch bei den Auskunftsklagen der Klägerin gegen nach ihrer Auffassung beitragspflichtige Arbeitgeber nicht ausreicht, wenn für ihr entsprechendes Prozeßvorbringen lediglich eine mehr oder weniger große Wahrscheinlichkeit besteht. Es kommt vielmehr auch hier darauf an, welche Tatsachen das Berufungsgericht als bewiesen, also nach seinem Erkenntnisvermögen als wahr ansieht. Damit kommt es darauf an, ob der Vortrag der Klägerin, dem Einsatz der Arbeitnehmer nach würden im Betriebe der Beklagten überwiegend vom BRTV-Bau erfaßte Tätigkeiten verrichtet, in diesem Sinne bewiesen ist oder nicht. Dabei liegt die Beweislast, wie der Senat in dem angezogenen Urteil bereits deutlich ausgesprochen hat, bei der Klägerin und nicht etwa bei der Beklagten.
An dieser Rechtsauffassung ist festzuhalten. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum bei den Auskunftsklagen der Klägerin davon abgewichen werden könnte. Die allgemeinen zivilprozeßrechtlichen Grundsätze über die Darlegungs- und Beweislast gelten nämlich, sofern nicht gesetzlich etwas anderes bestimmt wird (wie z.B. in § 282 BGB oder in § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG), auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren ohne Einschränkung. Demgemäß vertritt der Senat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß etwa der Kläger einer Eingruppierungsfeststellungsklage die Einzelheiten seiner Tätigkeit und darüber hinaus diejenigen Tatsachen vortragen und im Bestreitensfalle beweisen muß, die das Gericht kennen muß, um die Arbeitsvorgänge des Klägers nach § 22 BAT bestimmen zu können. Außerdem hat der Kläger einer solchen Klage, obwohl das im Einzelfalle mit Schwierigkeiten verbunden sein kann, die jenigen Tatsachen substantiiert vorzutragen und ggf. zu beweisen, aus denen der Schluß möglich ist, daß er auch jeweils in Betracht kommende tarifliche Qualifizierungen erfüllt (vgl. die Urteile des Senats BAGE 34, 158, 166 = AP Nr. 36 zu §§ 22, 23 BAT 1975 sowie vom 24. Oktober 1984 – 4 AZR 518/82 – AP Nr. 97 zu §§ 22, 23 BAT 1975 mit weiteren Nachweisen). Vergleichbare Schwierigkeiten im Bereiche der Darlegungs- und Beweislast stellen sich erfahrungsgemäß auch in sonstigen Prozessen der allgemeinen Zivilgerichtsbarkeit und der Arbeitsgerichtsbarkeit ein, etwa in Unfallprozessen und Schadenersatzprozessen anderer Art. Gleichwohl ist an den aufgezeigten allgemeinen Rechtsgrundsätzen über die Darlegungs- und Beweislast, wie sie sich insbesondere aus § 282 ZPO ergeben, schon im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit festzuhalten.
Dabei verkennt der Senat nichts daß bei bestimmten Fallgestaltungen, etwa groben Verstößen gegen bestehende Berufspflichten, z.B. von Ärzten, oder im Bereiche der sogenannten Produzentenhaftung sowohl die höchstrichterliche Rechtsprechung wie das zivilprozessuale Schrifttum grundsätzlich eine Umkehr der Beweislast bejahen und damit die Prozeßführung des jeweiligen Klägers erleichtern (vgl. BGHZ 72, 132, 133 und BGHZ 51, 91, 104 sowie Rosenberg/Schwab, aaO, § 118 II 4 b – c, S. 721 – 722 mit weiteren Nachweisen). Auch hieraus kann die Klägerin jedoch keine Rechte herleiten. Mit den genannten Fallgestaltungen haben nämlich die Prozesse, in denen die Klägerin Arbeitgeber auf Auskunftserteilung nach den Sozialtarifverträgen des Baugewerbes in Anspruch nimmt, keine Gemeinsamkeit. Die Revisionserwiderung vermag auch keine Umstände darzulegen, die den Schluß nahelegen könnten, es bestehe ein allgemeines Bedürfnis, an die Darlegungs- und Beweislast der Klägerin in derartigen Prozessen geringere Anforderungen zu stellen oder diese ganz oder teilweise der beklagten Partei aufzuerlegen.
Da es jedenfalls aus den vorgenannten Gründen der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht bedarf, kommt es auf die weiteren prozessualen Rügen der Revision nicht mehr an. Der Senat verkennt auch nicht, daß die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts durch das Revisionsgericht nur beschränkt überprüfbar ist. Dabei ist von § 286 ZPO auszugehen, dessen Absatz 1 den Grundsatz der freien Beweiswürdigung für den Zivilprozeß normiert, der gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG unbeschränkt auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren gilt. Danach sind die Zivilgerichte in der Verwertung der Beweismittel grundsätzlich frei, woraus zugleich folgt, daß die Anwendung des § 286 ZPO durch die Tatsachengerichte vom Revisionsgericht nur auf die Wahrung der Voraussetzungen und Grenzen von § 286 ZPO hin überprüft werden kann. Der erkennende Senat kann daher insoweit lediglich überprüfen, ob vom Landesarbeitsgericht der gesamte Inhalt der Verhandlung berücksichtigt worden ist, ob eine Würdigung aller erhobenen Beweise stattgefunden hat und ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen die Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze ist (vgl. das Urteil des Senats vom 30. Mai 1984 – 4 AZR 146/82 – AP Nr. 2 zu § 21 MTL II mit weiteren Nachweisen).
Zwar muß die Beklagte die zuvor aufgezeigten Grundsätze über die nur beschränkte Überprüfungsmöglichkeit der Anwendung des § 286 ZPO durch das Landesarbeitsgericht gegen sich gelten lassen. Im Rahmen dieser beschränkten Überprüfungsmöglichkeit des Revisionsgerichts rügt die Beklagte jedoch erfolgreich, daß die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts teilweise widersprüchlich ist.
Das Landesarbeitsgericht nimmt als Ergebnis der von ihm gewürdigten Beweisaufnahme des Arbeitsgerichts im Gegensatz zu diesem an, daß im Anspruchszeitraum nach dem Einsatz der Arbeitnehmer der Beklagten in deren Betrieb die baulichen Leistungen überwogen. Andererseits führt das Landesarbeitsgericht an späterer Stelle ausdrücklich aus, die Aussagen der vom ersuchten Richter vernommenen Zeugen und seine eigenen Folgerungen, die im Widerspruch zu denen des Arbeitsgerichts stehen, beruhten notwendigerweise auf Schätzungen, so daß Bewertungsfehler nicht ausgeschlossen werden können und das Ausmaß der baulichen Leistungen vom Landesarbeitsgericht nicht in zutreffender Weise erfaßt worden ist. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts widersprechen sich, wie die Revision zutreffend ausführt und die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch weiter erläutert hat. Hinzu kommt, daß das Landesarbeitsgericht, wie die Revision weiter zutreffend darlegt, in schematischer Weise die Zahl der vernommenen Zeugen (11) zu deren (teilweise recht unbestimmten) Aussagen über die Zeitanteile der baulichen Tätigkeiten (6,5) ins Verhältnis gesetzt und daraus ohne nähere Begründung gefolgert hat, bei der Beklagten hätten im gesamten Anspruchszeitraum die baulichen Tätigkeiten überwogen. Zumindest hätte das Landesarbeitsgericht in überprüfbarer und vom Revisionsgericht nachvollziehbarer Weise darlegen müssen, aus welchen konkreten Gründen es aus den Aussagen der vom ersuchten Richter vernommenen Zeugen im Sinne einer repräsentativen Bewertung den Schluß ziehen konnte und gemäß § 286 ZPO gezogen hat, daß bei der Beklagten im Anspruchszeitraum durchgehend überwiegend bauliche Tätigkeiten verrichtet wurden, wie es die Tarifnormen fordern. Schließlich hat das Landesarbeitsgericht nach seinen eigenen Ausführungen Schätzungen gemäß § 287 ZPO vorgenommen, die Grundlagen seiner Schätzungen jedoch nicht angegeben, so daß auch insoweit eine Überprüfung durch das Revisionsgericht nicht möglich ist (vgl. die Urteile des Senats BAGE 31, 241, 248 = AP Nr. 16 zu § 5 TVG sowie vom 6. Dezember 1978 – 4 AZR 321/77 – AP Nr. 11 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und 12. Februar 1975 – 4 AZR 219/74 – AP Nr. 83 zu §§ 22, 23 BAT mit weiteren Nachweisen). Da es bereits an der Darlegung der Grundlagen seiner Schätzungen im Urteil des Landesarbeitsgerichts fehlt, bedarf es keiner weiteren Überprüfung der von der Revision angeschnittenen Frage, ob insoweit auch ein Verstoß gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorliegen könnte. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang freilich auch nicht, daß bereits das Vorbringen der Klägerin gegenüber den Instanzgerichten über den Zeitanteil der baulichen und nichtbaulichen Tätigkeiten im Bereiche der Beklagten sehr allgemein gehalten war und weder nach Jahren noch nach Monaten irgendwie differenzierte.
Der Senat verkennt weiterhin nicht, daß nach der auch für das Berufungsverfahren geltenden Vorschrift des § 398 ZPO die nochmalige Vernehmung eines bereits vom Arbeitsgericht bzw. in dessen Auftrag vom ersuchten Richter vernommenen Zeugen durch das Landesarbeitsgericht nicht zwingend vorgeschrieben ist, sondern in dessen pflichtgemäßem Ermessen steht (vgl. die Urteile des Bundesgerichtshofes BGHZ 7, 116, 122 sowie vom 20. Dezember 1978 – V ZR 221/77 – MDR 1979, 482, das Urteil des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 30. Juli 1964 – 2 AZR 482/63 – AP Nr. 1 zu § 398 ZPO mit Anmerkung von Pohle sowie Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 45. Aufl., § 398 Anm. 2 I A a und Stein/Jonas/Schumann/Leipold, ZPO, 19. Aufl., § 398 Anm. I 2 mit weiteren Nachweisen). Vorliegend lassen jedoch, wie die Revision mit Recht hervorhebt, die besonderen Umstände des Prozesses eine nochmalige Vernehmung der Zeugen durch das Berufungsgericht geboten erscheinen. Dabei ist davon auszugehen, daß in erster Instanz alle Zeugen durch den ersuchten Richter vernommen worden sind, so daß schon das Arbeitsgericht bereits von ihnen keinen unmittelbaren Eindruck gewinnen konnte. Hinzu kommt, daß das Arbeitsgericht nach der von ihm angeordneten Beweisaufnahme – anders als das Berufungsgericht – aufgrund einer eingehenden, vollständigen und widerspruchsfreien Beweiswürdigung und unter besonderem Hinweis darauf, die Zeugen hätten weitgehend „keine eindeutigen Angaben” machen können, zu dem Ergebnis gelangt ist, daß von ihm die klagebegründenden Tatsachen nicht als bewiesen angesehen werden könnten. Als weiterer Unsicherheitsfaktor kommt hinzu, daß sogar nach den eigenen Erkenntnissen des Landesarbeitsgerichts die Angaben der einzelnen Zeugen jeweils nur einen beschränkten Zeitraum des Anspruchszeitraumes betreffen und dazu noch auf Schätzungen beruhen. Angesichts dieser vielfachen Unsicherheitsfaktoren in der von der des Arbeitsgerichts abweichenden Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts weist die Revision mit Recht darauf hin, daß jedenfalls dann eine nachträgliche bzw. nochmalige Vernehmung eines bereits vernommenen Zeugen vorzunehmen ist, wenn das Berufungsgericht die Zeugenaussage anders als der Erstrichter würdigen will (vgl. die Urteile des Bundesgerichtshofes vom 24. Oktober 1973 – VIII ZR 111/72 – NJW 1974, 56 und 13. März 1968 – VIII ZR 217/65 – LM Nr. 6 zu § 398 ZPO sowie Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 398 Anm. 2 I A dd, Stein/Jonas/Schumann/Leipold, aaO, § 398 I 3 sowie Rosenberg/Schwab, aaO, § 140 IV 1 b, S. 893 mit weiteren Nachweisen). Zumindest muß das dann gelten, wenn Zeugenaussagen – wie vorliegend in prozeßentscheidenden Fragen unterschiedlich bewertet und gewürdigt werden sollen.
Unter Berücksichtigung der zuvor dargelegten Grundsätze wird das Landesarbeitsgericht die Sache erneut, ggf. unter Ergänzung bzw. Wiederholung der Beweisaufnahme, zu verhandeln und zu entscheiden haben.
Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revisionsinstanz mitzuentscheiden haben.
Unterschriften
Dr. Feller, Dr. Etzel, Dr. Freitag, Koerner, Brocksiepe
Fundstellen
BAGE, 78 |
BB 1987, 2017 |
RdA 1987, 254 |