Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung und Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz. Fortführung der bisherigen Rechtsprechung zur vorgezogenen Stellenbesetzung vor dem Hintergrund sich abzeichnender betriebsbedingter Kündigungen: Senat 21. September 2000 – 2 AZR 440/99 – BAGE 95, 350; 6. Dezember 2001 – 2 AZR 695/00 – nv.. Betriebsbedingte Kündigung nach Betriebsübergang und Widerspruch des Arbeitnehmers. Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz. Kündigung
Orientierungssatz
- Eine Kündigung, die auf Grund einer zum Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes führenden organisatorischen Maßnahme ausgesprochen worden ist, ist nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis “bedingt”, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Eine Weiterbeschäftigung nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2b KSchG muß aber sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich und zumutbar sein. Dies setzt voraus, daß ein freier vergleichbarer (gleichwertiger) Arbeitsplatz oder ein freier Arbeitsplatz zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist und der Arbeitnehmer über die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt (hier: mögliche Weiterbeschäftigung eines Hausmeisters als Kraftfahrer).
- Diese Weiterbeschäftigungspflicht des – öffentlichen – Arbeitgebers nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2b KSchG besteht unabhängig von einem Widerspruch der zuständigen Personalvertretung.
- Als frei sind grundsätzlich solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind. Der Arbeitgeber kann sich allerdings nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB nicht auf einen von ihm selbst treuwidrig durch eine vorgezogene Stellenbesetzung verursachten Wegfall freier Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt berufen.
- Werden im Zusammenhang mit der Umstrukturierung und Privatisierung der Hausmeisterdienste einer Universität neue Stellen, ua. als Kraftfahrer, geschaffen, so hat der Arbeitgeber durch eine Sozialauswahl nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG zu entscheiden, welche von der Organisationsentscheidung betroffenen Arbeitnehmer er auf diesen neuen Stellen weiterbeschäftigt.
- Der Arbeitgeber muß bei der Planung und der Besetzung der – neugeschaffenen – Stellen auch damit rechnen, daß sozial schwächere Arbeitnehmer einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf einen externen Anbieter widersprechen.
- Der Senat hat es – auf Grund der besonderen Einzelfallumstände – dahinstehen lassen, ob der öffentliche Arbeitgeber bei der Besetzung neuer Stellen für kündigungsbedrohte Arbeitnehmer nach Durchführung einer – internen – Ausschreibung nur noch diejenigen bei einer Stellenbesetzung berücksichtigen muß, die sich im Vorfeld auch für die entsprechende Stelle beworben haben oder ob er grundsätzlich verpflichtet bleibt, einem vom Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes betroffenen Arbeitnehmer von sich aus eine beiden Parteien zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz auch zu geänderten Arbeitsbedingungen anzubieten und dabei klarzustellen, daß im Falle einer Ablehnung eines solchen Änderungsangebots möglicherweise eine Kündigung in Betracht kommt.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 1-3; BGB §§ 162, 613a
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung und die Weiterbeschäftigung des Klägers.
Der am 25. Juli 1960 geborene, verheiratete und seiner Ehefrau und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 1. September 1987 beim Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger tätig. Er erhielt zuletzt eine Vergütung nach der Lohngruppe 7 MTL II bzw. MTArb-O. Zwischen 1987 und 1992 arbeitete er als Transportarbeiter und LKW-Fahrer an der Technischen Universität (TU). Danach wurde er von der TU zuletzt als sog. Territorial-Hausmeister, dem 13 Hausmeister unterstellt waren, eingesetzt.
Mit Erlaß des Sächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 4. Juni 1996 wurde die TU aufgefordert, 139 zum Abbau geeignete Stellen zu benennen. Die TU beschloß am 6. August 1996, einen Stellenabbau vorrangig in Dienstleistungsbereichen der Verwaltung vorzunehmen und die Dienstleistungen durch externe Anbieter ersetzen zu lassen. Der Abbau sollte schrittweise bis Ende 1999 im wesentlichen durch Nutzung der natürlichen Fluktuation und Umsetzung auf frei werdende, fachlich geeignete Stellen realisiert werden. Sollten diese Maßnahmen zur Erreichung des Ziels nicht ausreichen, sollten Kündigungsverfahren eingeleitet werden.
In Ausführung des Beschlusses wurde im Dezember 1996 ua. ein “Konzept Privatisierung der Hausmeisterdienste” von der TU erstellt. Es sah zum einen eine Privatisierung der Hausmeisterdienste vor; spätestens zum 31. Dezember 1997 sollten keine Hausmeister mehr von der TU beschäftigt werden. Zum anderen sollten zum Ausgleich sich aus der Privatisierung ergebender Kapizitätsdefizite bestimmte Aufgaben durch fachlich geeignetes Personal aus dem Kreis der Hausmeister wahrgenommen werden. Hierzu sollten 21 Stellen neu geschaffen werden, auf die sich die 79 Hausmeister entsprechend ihrer Qualifikation bewerben konnten. Unter anderem wurden die Stellen “Kraftfahrer Post II” und “Kraftfahrer Umzug und Verlegung” neu eingerichtet. Beide Stellen waren zunächst in der Lohngruppe 4 eingeordnet; die Stelle “Umzug/Verlegung” wurde im Nachgang in die Lohngruppe 5 hochgestuft. Für die Position des “Kraftfahrers Post II” benannte das Konzept der TU den Kläger unabhängig von seiner individuellen Zustimmung als alleinigen fachlich und persönlich geeigneten Kandidaten. Der Kläger bewarb sich gemeinsam mit fünf weiteren Mitarbeitern auf diese Stelle. Die Stelle wurde zum 1. Juni 1997 mit dem Mitarbeiter L.…, geb. am 10. Dezember 1944, beschäftigt seit 1. Juni 1989, 3 Kindern zum Unterhalt verpflichtet, besetzt. Die Stelle “Kraftfahrer Umzug und Verlegung” erhielt der Mitarbeiter U.…, geb. am 15. September 1972, ledig, ohne Unterhaltspflichten, beschäftigt seit 1. September 1989. Nach der Umsetzung auf diese Position zum 1. Juli 1997 erwarb der Mitarbeiter U.… den LKW-Führerschein.
Die verbleibenden Hausmeisterstellen faßte der Beklagte in vier Lose zusammen und übertrug sie nach einer öffentlichen Ausschreibung auf vier private Unternehmen.
Mit Schreiben vom 13. August 1997 unterrichtete das beklagte Land den Kläger über den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zum 1. November 1997 auf die H.-Service GmbH. Der Kläger widersprach mit Schreiben vom 15. September 1997 ohne Angabe von Gründen einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. Ab dem 1. November 1997 wurde er im Sachgebiet “Zentrale Beschaffung, Gruppe Aussonderungslager/Verkauf/Bestandskontrolle” an der TU als Hilfsarbeiter ohne Planstelle eingesetzt.
Mit Schreiben vom 31. August 1998, dem Kläger am 1. September 1998 zugegangen, kündigte der Beklagte nach Beteiligung des Personalrats das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. März 1999.
Der Kläger hat im Rahmen seiner am 7. September 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage die Auffassung vertreten, der Beklagte habe bei der Besetzung der neu definierten Stellen in den umstrukturierten Aufgabenfeldern keine Sozialauswahl vorgenommen bzw. sie fehlerhaft durchgeführt. Er hätte auf der Stelle “Kraftfahrer Umzug/Verlegung” weiterbeschäftigt werden müssen. Auf diese Stelle habe er sich nur deshalb nicht beworben, weil er bereits für die andere Kraftfahrerstelle von der TU nominiert gewesen sei. Die Übernahme der Hausmeisterdienste zum 1. November 1997 stelle keinen Betriebsübergang dar. Es habe deshalb auch keines sachlichen Grundes für seinen Widerspruch bedurft.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 31. August 1998 nicht zum 31. März 1999 aufgelöst worden ist;
- hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. den Beklagten zu verurteilen, ihn zu den Bedingungen seines als Änderungsvertrag bezeichneten Anstellungsvertrages vom 14. Oktober 1991 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 25. April 1995 ab 01. Januar 2000 als vollbeschäftigten Arbeitnehmer wiedereinzustellen;
- hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Anträgen zu 1. oder zu 2. den Beklagten zu verurteilen, ihn als vollbeschäftigten Arbeitnehmer in der Lohngruppe 7 weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Zum Zeitpunkt der Kündigung sei kein Arbeitsplatz frei gewesen. Der Kündigungsentschluß sei erst ein Jahr nach Besetzung der 21 neu geschaffenen Stellen auf Grund des Widerspruchs des Klägers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die H.-Service GmbH, mit dem nicht zu rechnen gewesen sei, gefaßt worden. Bei der Besetzung der freien Stellen sei er nicht an die Grundsätze der Sozialauswahl gebunden gewesen, da diese Tätigkeiten nicht mit den bisherigen Hausmeistertätigkeiten des Klägers vergleichbar gewesen seien. Auf eine fehlerhafte Sozialauswahl könne sich der Kläger im übrigen schon deshalb nicht berufen, weil er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses ohne sachlichen Grund widersprochen habe. Wegen seiner fehlenden Bewerbung auf die Stelle “Kraftfahrer Umzug/Verlegung” habe er bei deren Besetzung auch nicht berücksichtigt werden müssen.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin eine Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Die Kündigung des Beklagten vom 31. August 1998 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Deshalb war der Kläger auch vorläufig weiterzubeschäftigen.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Eylert, Dr. Roeckl, Kuemmel-Pleißner
Fundstellen
DB 2003, 158 |
ARST 2003, 115 |
EWiR 2003, 313 |
NZA 2003, 605 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 10 |
EzA |
ZfPR 2003, 82 |
SPA 2003, 6 |