Entscheidungsstichwort (Thema)
Fleischbeschautierärzte. Kürzung der Stückvergütung
Leitsatz (redaktionell)
1. § 12 Abs 2a UAbs b des TV über die Regelung der Rechtsverhältnisse der Fleischbeschautierärzte, Fleischbeschauer und Trichinenschauer außerhalb öffentlicher Schlachthöfe vom 1. April 1969 enthält hinsichtlich der Kürzung der Stückvergütung eine abschließende Regelung. Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats ist daher insoweit nicht gegeben.
2. Hilfskräfte iS des § 12 Abs 2a UAbs b TV sind auch Stempler, die die Voraussetzungen gemäß § 2 Ziffer 1b iV mit § 3 Abs 2 der Verordnung über die Unterstützung des amtlichen Tierarztes durch Hilfskräfte bei der hygienischen Überwachung des innergemeinschaftlichen Handelsverkehrs mit frischem Fleisch vom 29. Juni 1977 erfüllen.
3. Der unbestimmte Rechtsbegriff des Benehmens setzt eine Fühlungnahme zwischen den Parteien voraus, die vom Willen getragen ist, die Belange beider Seiten zu berücksichtigen und sich zu verständigen. Es muß der Versuch einer Einigung gemacht werden. Bei unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten gilt der Wille dessen, der nach Gesetz oder Tarifvertrag zu einer Regelung befugt ist.
Normenkette
TVG § 1; BGB § 611
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 08.02.1984; Aktenzeichen 4 Sa 543/83) |
ArbG Flensburg (Entscheidung vom 12.07.1983; Aktenzeichen 2 Ca 351/83) |
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Berechtigung des Beklagten, die der Klägerin für die Fleischbeschau von Schweinen und Rindern zu zahlende Stückvergütung zu kürzen.
Die Klägerin ist freiberuflich tätige Tierärztin. Daneben führt sie für den Beklagten in dessen Schlachthof die Fleischbeschau durch. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der Fleischbeschautierärzte, Fleischbeschauer und Trichinenschauer außerhalb öffentlicher Schlachthöfe vom 1. April 1969 (TV) und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge als Vertragsrecht Anwendung. § 12 Abs. 2 a TV enthält u.a. folgende Regelung:
"Sind bei der Beschau im Rahmen der geteilten Fleischbeschau
(§ 14 Abs. 1 Satz 2 AB.A) oder wegen des Einsatzes
von Hilfskräften nach der Hilfskräfteverordnung
mehrere Angestellte tätig, ist die Summe der täglichen
Stückvergütungen
a) .......
b) bei Einsatz von Hilfskräften entsprechend dem
Umfang der Tätigkeit der Hilfskräfte durch den
Arbeitgeber nach pflichtgemäßem Ermessen im
Benehmen mit den betroffenen, gegen Stückvergütung
tätigen Angestellten zu kürzen."
Bis zum 31. Mai 1982 erhielt die Klägerin ebenso wie die anderen für den Beklagten nebenberuflich tätigen Fleischbeschautierärzte für die Untersuchung von Schweinen eine Stückvergütung von 1,45 DM und für die Untersuchung von Rindern eine Stückvergütung von 3,57 DM. Neben den Tierärzten waren fünf Stempler tätig.
Am 14. Januar 1982 fand eine Teilpersonalversammlung der Tierärzte der Dienststelle Schlachttier- und Fleischbeschau des Beklagten statt, in der über eine Kürzung der Vergütungen für die Untersuchung der Tiere gesprochen wurde.
Ab 1. Juni 1982 zahlte der Beklagte pro Schwein eine Stückvergütung von 1,24 DM und pro Rind von 3,21 DM. Der Kürzung lag folgende Berechnung zugrunde:
Die Gesamtschlachtzahlen betrugen bei
Schweinen 580.148 und bei Rindern
53.702. 190.274 Schweine und 13.257 Rinder
wurden von den fest angestellten Tierärzten
untersucht. Dies ergab ein Verhältnis von
1 : 3 bei Schweinen und 1 : 4 bei Rindern
zu den durch nebenberuflich tätige Fleischbeschauertierärzte
untersuchten Tieren. Die
Kosten für die Stempler, die für alle
Fleischbeschautierärzte tätig wurden, betrugen
ca. 155.000,-- DM. Die vorgenommene
Kürzung von 0,21 DM pro Schwein und 0,36 DM pro
Rind ergab bei den durch die nebenberuflichen
Tierärzte untersuchten Tiere einen Betrag von
96.433,74 DM = 62,2 % von 155.000 DM. Dies entsprach
einer Umlegung der Kosten für die Stempler
im Verhältnis zu den hauptberuflich tätigen
Fleischbeschautierärzten von 1,6 : 1.
Der Leiter des Kreisveterinäramtes erklärte den auf seine Einladung zusammengekommenen Fleischbeschautierärzten am 3. Juni 1982, daß die angekündigte Kürzung der Stückvergütungen jetzt vorgenommen werde. Er nannte den Anwesenden die von ihm ermittelten neuen Stückvergütungen und erläuterte deren Berechnung. Die Fleischbeschautierärzte wandten sich gegen die vorgesehene Kürzung. Zur Höhe der ihnen genannten und erläuterten neuen Stückvergütungen nahmen sie keine Stellung. Am 11. Januar 1983 fand eine weitere Personalversammlung der Fleischbeschautierärzte statt, in der erneut die Zulässigkeit der Kürzungen diskutiert wurde.
Mit Schreiben vom 11. März 1983 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung des gekürzten Betrages in Höhe von 4.101,-- DM für die Zeit vom 1. Juni 1982 bis zum 31. Januar 1983 unter Fristsetzung bis zum 25. März 1983 auf. Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 22. März 1983 eine Zahlung ab.
Die Klägerin hält die vorgenommene Kürzung für unzulässig. § 12 Abs. 2 a Unterabs. b TV sei unanwendbar, da die Stempler keine Hilfskräfte im Sinne der Hilfskräfteverordnung seien. Sie erfüllten nicht die Voraussetzung der erfolgreichen Teilnahme an einem Einweisungskurs. Außerdem sei in der Teilpersonalversammlung am 14. Januar 1982 das erforderliche Benehmen nicht hergestellt worden. Der Beklagte sei nicht bereit und willens gewesen, die Belange der Tierärzte zu berücksichtigen und sich mit ihnen zu verständigen. Der Vertreter des Beklagten sei noch nicht einmal bereit gewesen, die Vorstellungen der Tierärzte entgegenzunehmen. Die Kürzung der Stückvergütungen sei auch wegen der Nichtbeachtung des Personalvertretungsgesetzes unwirksam. Es handele sich um eine Frage der Lohngestaltung im Sinne des § 71 Abs. 3 Ziff. 4 PersVG Schleswig-Holstein. Eine gesetzliche oder tarifliche Regelung, die den Umfang einer Kürzung konkret festlege, bestehe nicht.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie
4.101,-- DM nebst 14 % Zinsen seit dem
19. Januar 1983 zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen, die Kürzung der Vergütung der Klägerin sei gemäß § 12 Abs. 2 a TV nach pflichtgemäßem Ermessen und im Benehmen mit den Betroffenen vorgenommen worden. Die beschäftigten Stempler seien Hilfskräfte nach § 2 Nr. 1 b der Hilfskräfteverordnung. Die Einweisung sei in allen Fällen durch einen amtlich für die Aufgabe der Fleischbeschau bestellten Tierarzt - den Leiter des Beschauamtes - erfolgt. In der Teilpersonalversammlung am 14. Januar 1982 sei das im Tarifvertrag geforderte Benehmen auch hergestellt worden. Es sei keineswegs eine Kürzung in einer bestimmten Höhe von vornherein verordnet, sondern ein Vorschlag als Diskussionsgrundlage gemacht worden. Auf Seiten des Beklagten habe der Wunsch und die Bereitschaft bestanden, anderslautende Vorstellungen der Tierärzte zur Höhe der Kürzungen entgegenzunehmen und nach Möglichkeit einen Ausgleich der gegensätzlichen Interessen zu erreichen. Wenn die Tierärzte trotz hinreichender Gelegenheit nicht willens gewesen seien, ihrerseits Vorstellungen zur Höhe der vorzunehmenden Kürzungen zu äußern, könne dies nicht dem Beklagten angelastet werden. Die vorgenommenen Kürzungen entsprächen in ihrer Höhe zudem nicht dem ursprünglichen Vorschlag, was deutlich mache, daß es sich zunächst tatsächlich nur um einen Diskussionsvorschlag gehandelt habe. Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Festsetzung der Kürzung der Stückvergütungen sei nicht gegeben. Es bestehe in § 12 Abs. 2 a TV eine einschlägige tarifvertragliche Regelung.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat gegenteilig entschieden. Mit der durch Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 31. Juli 1984 - 3 AZN 218/84 - zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kürzung der Stückvergütungen durch den Beklagten sei gem. § 12 Abs. 2 a Unterabs. b TV zu Recht erfolgt. Die eingesetzten Stempler seien Hilfskräfte gemäß der Hilfskräfteverordnung. Ein Benehmen bezüglich der Kürzung der Stückvergütung sei mit den Betroffenen hergestellt worden. Benehmen sei ein Begriff aus dem öffentlichen Recht und bezeichne die Fühlungnahme zwischen zwei Parteien, die von dem Willen getragen werde, auch die Belange der anderen Seite zu berücksichtigen und sich mit ihr zu verständigen, um vorhandene Differenzen nach Möglichkeit auszugleichen. Dieses Benehmen sei bei der Personalversammlung am 14. Januar 1982 hergestellt worden. Dem stehe nicht entgegen, daß in der Diskussion zwar über den Grund, nicht aber über die Höhe der voraussichtlichen Kürzung gesprochen worden sei. Vom Arbeitgeber könne nicht verlangt werden, daß er ausdrücklich über jeden Punkt eine Beratung herbeiführe. Ihn treffe allein die Pflicht, zu unterrichten und dann die von den Arbeitnehmern angesprochenen Punkte zu besprechen. Vorliegend sei es überflüssig gewesen, besonders auf eine Beratung bezüglich der Höhe hinzuwirken, da die strikte und wiederholte Ablehnung der Kürzung durch die Tierärzte die Höhe in jeder Form mit erfaßt habe. Zeit für Gegenvorstellungen durch die Tierärzte habe genug bestanden, zumal noch eine weitere Zusammenkunft am 3. Juni 1982 stattgefunden habe. Die Äußerung des Beklagten, die Maßnahme "per dictum" durchzusetzen, ändere an der Beurteilung nichts, da sie zum einen erst zum Ende der Versammlung, also nach Herstellung des Benehmens gefallen sei und zum anderen an der modifizierten Kürzung mit kleineren als den angekündigten Beträgen deutlich werde, daß eine Einflußnahme noch möglich gewesen sei. Eine Beteiligung des Personalrats sei bei der Kürzung der Stückvergütung aus Rechtsgründen nicht erforderlich gewesen.
II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung jedenfalls im Ergebnis nicht stand.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht zunächst ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Kürzung der Stückvergütung verneint.
a) Gemäß § 71 Abs. 3 Ziff. 4 PersVG Schleswig-Holstein hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen über Fragen der Lohngestaltung innerhalb der Dienststelle, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen, die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden und deren Änderung. Zu den Fragen der Lohngestaltung gehört auch die Aufstellung von allgemeinen Grundsätzen bei einer Ergebnisbeteiligung, nach welchen Kriterien der Anteil des einzelnen Arbeitnehmers zu ermitteln ist (vgl. Crisolli/Ramdohr, Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, Stand 25. August 1986, TV über die Regelung der Rechtsverhältnisse der Fleischbeschautierärzte, Fleischbeschauer und Trichinenschauer außerhalb öffentlicher Schlachthöfe vom 1. April 1969, § 12 a Anm. 8). Dem steht im Streitfall auch nicht die Bestimmung des § 12 Abs. 2 a TV entgegen, wonach die Kürzung im Benehmen mit dem Betroffenen zu erfolgen hat. Denn durch Tarifvertrag darf - wie sich vorliegend schon aus § 93 PersVG Schleswig-Holstein ergibt - ein gesetzlich vorgesehenes Mitbestimmungsrecht nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden (vgl. Crisolli/Ramdohr, aaO; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 1 Rz 253 m.w.N.).
b) Gleichwohl scheidet ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats hier deswegen aus, weil die tarifliche Regelung des § 12 Abs. 2 a TV die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst abschließend und zwingend regelt. Zwar wird das Mitbestimmungsrecht des Personalrats durch eine tarifliche Regelung nur dann ausgeschlossen, wenn die Tarifvertragsparteien den Gegenstand abschließend und vollständig geregelt haben, nicht aber schon dann, wenn die tarifliche Normierung insgesamt oder in einzelnen Punkten lediglich ergänzungsbedürftige Rahmenvorschriften geben. Ob die Tarifvertragsparteien Raum für ergänzende betriebliche Regelungen lassen wollten, muß, wenn es im Tarifvertrag an einem ausdrücklichen Hinweis fehlt, aus den einschlägigen tariflichen Bestimmungen eindeutig zu entnehmen sein. Mit Rücksicht auf den vom Gesetzgeber gewollten Vorrang des Tarifvertrages entfaltet somit jede tarifliche Regelung, die nicht ohne weiteres als nur unvollständig gemeint erkennbar ist, für die Betriebspartner eine Sperrwirkung. Jede aus sich heraus zu handhabende Regelung in einem Tarifvertrag schließt damit eine entsprechende betriebliche Regelung aus (vgl. BAG Urteile vom 30. Oktober 1986 - 6 AZR 253/82 - und vom 21. Mai 1987 - 6 AZR 13/86 -, mit weiteren Nachweisen, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze läßt der hier maßgebliche § 12 Abs. 2 a TV nicht erkennen, daß die Tarifvertragsparteien die Frage der Kürzung der Stückvergütung nur unvollständig regeln und Raum für ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 70 Abs. 3 Ziff. 4 PersVG Schleswig-Holstein lassen wollten. Es liegt vielmehr eine abschließende und vollständige aus sich heraus handhabbare tarifvertragliche Regelung vor. Die Tarifvorschriften lassen damit keinen darüber hinausgehenden Regelungsspielraum.
2. Nach § 12 Abs. 2 a Unterabs. b TV ist die Summe der täglichen Stückvergütungen bei Einsatz von Hilfskräften entsprechend dem Umfang der Tätigkeit der Hilfskräfte durch den Arbeitgeber nach pflichtgemäßem Ermessen im Benehmen mit den betroffenen gegen Stückvergütung tätigen Angestellten zu kürzen. Die von der Beklagten vorgenommene Kürzung entspricht jedoch nicht der tarifvertraglichen Vorschrift.
a) Mit dem Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon auszugehen, daß es sich bei den eingesetzten Stemplern um Hilfskräfte im Sinne der Hilfskräfteverordnung (Verordnung über die Unterstützung des amtlichen Tierarztes durch Hilfskräfte bei der hygienischen Überwachung des innergemeinschaftlichen Handelsverkehrs mit frischem Fleisch - Hilfskräfteverordnung - Frisches Fleisch - vom 29. Juni 1977, BGBl. I S. 1117) handelt. Entgegen der Auffassung der Revision sind Hilfskräfte i.S. der Hilfskräfteverordnung nicht nur die in § 2 Ziff. 1 Buchst. a dieser Verordnung genannten Fleischbeschauer. Das ergibt sich unmittelbar aus § 12 Abs. 2 a TV und insbesondere auch aus seinem Unterabsatz b, in dem keine vom Obersatz abweichende Voraussetzung des Begriffs "Hilfskräfte" aufgestellt ist. Hilfskräfte nach der Hilfskräfteverordnung sind daher gemäß § 2 der Verordnung nicht nur Fleischbeschauer, die die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 der Verordnung erfüllen, sondern auch Personen unter Beschränkung ihrer Tätigkeit auf die Kennzeichnung nach Anl. 1 Nr. 2 Buchst. c (Kennzeichnung der Genußtauglichkeit des Fleisches - Tätigkeit der Stempler), sofern sie erfolgreich an einer mindestens einwöchigen Einweisung durch den amtlichen Tierarzt in die praktische Durchführung der Genußtauglichkeitskennzeichnung teilgenommen haben (§ 2 Ziff. 1 b in Verb. m. § 3 Abs. 2 Hilfskräfteverordnung). Der Wortlaut von § 12 Abs. 2 a TV, von dem bei der Tarifauslegung zunächst auszugehen ist (vgl. BAGE 46, 308, 313 f. = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung = EzA § 1 TVG Auslegung Nr. 14, m.w.N.; Senatsentscheidung vom 13. November 1986 - 6 AZR 529/83 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt), ist insoweit eindeutig und läßt keinen Raum für Zweifel. Sofern die Tarifvertragsparteien eine Einschränkung gewollt und nur die Fleischbeschauer gemeint haben sollten, so hat dieser Wille in der tariflichen Norm jedenfalls keinen Niederschlag gefunden. Die von dem Beklagten eingesetzten Stempler, die nach der von der Revision nicht gerügten Feststellung des Landesarbeitsgerichts auch an einer mindestens einwöchigen Einweisung durch einen amtlichen Tierarzt in die praktische Durchführung der Genußtauglichkeitskennzeichnung erfolgreich teilgenommen haben, sind demnach Hilfskräfte im Sinne der Hilfskräfteverordnung.
b) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Kürzung der Stückvergütung auch im Benehmen mit den Betroffenen erfolgt.
aa) Der unbestimmte Rechtsbegriff "des Benehmens", der in verschiedenen Gesetzen verwendet wird (z.B. § 18 Abs. 1 ArbGG), unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung, nämlich daraufhin, ob der Rechtsbegriff als solcher verkannt, ob bei der Subsumierung des Sachverhalts Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder ob bei der Beurteilung wesentliche Umstände übersehen worden sind (vgl. BAG Urteil vom 25. Oktober 1984 - 2 AZR 417/83 - AP Nr. 3 zu § 273 BGB). Unter dem Begriff des Benehmens ist eine Mitwirkungsform zu verstehen, die schwächer ist als das Einvernehmen oder die Zustimmung und erfordert keine völlige Willensübereinstimmung (vgl. BVerwGE 11, 195, 200; Grunsky, ArbGG, 4. Aufl., § 18 Rz 3). Nach der Rechtsprechung des Fünften Senats (BAG Urteil vom 15. Dezember 1976 - 5 AZR 600/75 - AP Nr. 3 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag = EzA § 613 a BGB Nr. 10) wird mit der Abrede, eine Maßnahme müsse im Benehmen mit einem anderen getroffen werden, nur gefordert, daß dem anderen auch ein gewisser Einfluß auf die Willensbildung eingeräumt wird. Die Bestimmung soll sicherstellen, daß der Betreffende seine Vorstellungen einbringen kann, bevor ein endgültiger Beschluß gefaßt wird. Danach erschöpft sich die Herstellung des Benehmens nicht in einer bloßen Information oder Anhörung. Die Bedeutung des Wortes liegt zwischen Einvernehmen und Anhören. Stärker als die Anhörung setzt das Benehmen eine Fühlungnahme voraus, die von dem Willen getragen wird, auch die Belange der anderen Seite zu berücksichtigen und sich mit ihr zu verständigen (BSG, DVBl. 1969, 746, 747). Es muß zumindest der Versuch einer Einigung erfolgen (BVerwGE, aaO). Erhebliche Einwände oder Bedenken der anderen Beteiligten dürfen nicht einfach unbeachtet bleiben, sondern es ist darauf hinzuwirken, aufgetretene Differenzen nach Möglichkeit auszugleichen. Wenn allerdings bei einer solchen Fühlungnahme Meinungsunterschiede nicht zu überbrücken sind, muß der Wille derjenigen Stelle oder Person, die zu einer Regelung befugt ist, den Ausschlag geben (BSG, aa0).
bb) Von diesem so bezeichneten Begriff des Benehmens ist das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Entgegen der Auffassung der Revision hat es bei der Unterordnung des Sachverhalts auch weder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen, noch hat es bei der Beurteilung wesentliche Umstände übersehen.
Soweit es ausgeführt hat, vom Arbeitgeber könne nicht verlangt werden, daß er über jeden Punkt eine Beratung herbeiführe, hat es sich nicht in Widerspruch zu dem dargelegten Begriff des Benehmens gesetzt. Denn dieser Satz kann nicht isoliert betrachtet werden, sondern ist im Zusammenhang mit den gesamten Ausführungen zu sehen. Aufgrund der Besonderheiten des Streitfalles ist durchaus der Schluß möglich, daß der Beklagte nicht gehalten war, seinerseits eine Beratung über die Höhe der Kürzung herbeizuführen, nachdem von der anderen Seite die Kürzung grundsätzlich und generell abgelehnt wurde. Das Benehmen setzt den Versuch einer Einigung voraus und die Bereitschaft, Belange der anderen Seite, ihre Einwände oder Bedenken zu berücksichtigen. Werden Einwände oder Bedenken aber nur für einen bestimmten Komplex geäußert, kann die Beschränkung der Diskussion auf die von der anderen Seite angesprochenen Punkte trotzdem als Versuch einer Einigung gesehen werden. Diese Wertung verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze.
Es ist auch nicht rechtsfehlerhaft, wenn das Landesarbeitsgericht der Äußerung von Seiten des Beklagten, die Maßnahme "per dictum" durchzusetzen, nicht dahingehend gewertet hat, daß eine Einflußnahme gar nicht möglich war. Zum einen spricht für die Möglichkeit einer Einflußnahme und die Bereitschaft, Einwände zu berücksichtigen die Tatsache, daß die Kürzung tatsächlich niedriger ausgefallen ist als in der Teilpersonalversammlung zunächst angekündigt worden war. Zum anderen zeigt aber auch der weitere Verlauf der Versammlung, wie er in der Niederschrift dargelegt ist, daß damit die Diskussion nicht völlig beendet war und der Dienststellenleiter, wie dem Dankeswort eines anderen Teilnehmers zu entnehmen war, um die Lösung der Probleme bemüht war.
c) Allerdings ist der Revision dahingehend zu folgen, daß eine Kürzung der Summe der täglichen Stückvergütungen entsprechend dem Umfang der Tätigkeit der Hilfskräfte nicht die Kürzung der einzelnen Stückvergütungen unter Berücksichtigung der Kosten für die Hilfskräfte, wie sie der Beklagte vorgenommen hat, erfaßt. Es ist zwar nicht auszuschließen, daß bei einer Gesamtbetrachtung das Gesamtergebnis nicht wesentlich differiert, da eine Kürzung der einzelnen Stückvergütung auch zu einer Kürzung der Summe der täglichen Stückvergütungen führt. Die Grundlagen sind aber unterschiedlich und eine Kürzung der Summe der täglichen Stückvergütungen entsprechend dem Umfang der Tätigkeit der Hilfskräfte kann zu ganz anderen Ergebnissen führen als eine kostenbezogene Kürzung der Einzelstückvergütung.
Die von dem Beklagten vorgenommene Kürzung hat weder auf die Summe der täglichen Stückvergütungen noch auf den Umfang der Tätigkeit der Hilfskräfte abgestellt und verstößt insofern gegen § 12 Abs. 2 a TV. Sie stellt damit keine nach § 12 Abs. 2 a TV zulässige Kürzung dar.
3. Gleichwohl konnte der Senat die Sache nicht abschließend entscheiden. Der Rechtsstreit mußte vielmehr zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden (§ 565 Abs. 1, 3 ZPO), da nicht geklärt ist, welche Beträge der Klägerin genau zustehen und ob diese Beträge innerhalb der Ausschlußfrist gemäß § 23 TV rechtzeitig geltend gemacht worden sind.
Der Ablauf tariflicher Ausschlußfristen ist von Amts wegen zu beachten (ständige Rechtsprechung des BAG - vgl. u.a. BAGE 23, 83, 89 = AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAG Urteil vom 12. Juli 1972 - 1 AZR 445/71 - AP Nr. 51 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Dazu hat das Landesarbeitsgericht nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen. Dem Vortrag der Parteien ist lediglich zu entnehmen, daß eine schriftliche Geltendmachung mit Schreiben vom 11. März 1983 erfolgt ist, so daß für einen Teil der geltend gemachten Forderung die Ausschlußfrist gewahrt erscheint. Es bedarf aber der Feststellung, wann die einzelnen Forderungen fällig geworden sind. Die Tarifvertragsparteien haben nicht vereinbart, für welchen Zeitraum die Vergütung jeweils zu berechnen und wann und auf welche Weise sie zu zahlen ist. Auch die Höhe der Teilforderungen ist festzustellen, sofern ihre Fälligkeit mehr als sechs Monate vor der schriftlichen Geltendmachung liegt, da die Parteien bisher von einem unstreitigen Gesamtbetrag ausgegangen sind, ohne die Forderung im einzelnen aufzuschlüsseln.
III. Das Landesarbeitsgericht wird daher den Sachverhalt weiter aufzuklären und die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Sodann wird es unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze erneut in der Sache und auch über die in der Revisionsinstanz entstandenen Kosten zu entscheiden haben.
Dr. Röhsler Dörner
zugleich für den erkrankten
Richter Dr. Jobs
Fürbeth Spiegelhalter
Fundstellen
Haufe-Index 440811 |
BAGE 55, 393-402 (LT1-3) |
BAGE, 393 |
DB 1988, 296-296 (LT) |
RdA 1988, 57 |
ZTR 1988, 98-99 (LT1-3) |
AP § 611 BGB, Nr 16 |
AR-Blattei, ES 1550.9 Nr 65 (LT1-3) |
AR-Blattei, Tarifvertrag IX Entsch 65 (LT1-3) |
EzBAT, TV Fleischbeschauerpersonal außerhalb öffentl Schlachthöfe Nr 3 (LT1-3) |