Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Zulage für Cockpitpersonal
Normenkette
TVG Tarifverträge: Luftfahrt § 1; TVG Tarifverträge: Lufthansa § 1; Tarifvertrag Vergütung Cockpit Nr. 1; BGB § 611
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 9. Oktober 1996 – 2 Sa 128/95 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung einer tariflichen Zulage.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Verkehrsflugzeugführer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet vereinbarungsgemäß das jeweilige Tarifwerk der Beklagten Anwendung. Der Kläger ist seit 1. Februar 1992 als „Senior First Officer”, abgekürzt: SFO, eingesetzt.
§ 4 Abs. 1 des am 1. Dezember 1992 in Kraft gesetzten Tarifvertrages Vergütung Cockpit Nr. 1 (im folgenden: TV Vergütung Cockpit Nr. 1) regelt die Zahlung von Zulagen und Zuschlägen für SFO wie folgt:
§ 4 Zulagen und Zuschläge
1. Die Zulage für Senior First Officer beträgt DM 875,– (SFO-Zulage).
Protokollnotiz zum Vergütungstarifvertrag Cokpit Nr. 1
…
2. Für Mitarbeiter, die am 30.11.1992 als Senior First Officer eingesetzt waren, gelten abweichend von Teil I §§ 3, 4 … folgende Regelungen:
b. Die Zulage für Senior First Officer gemäß Teil 1, § 4 Abs. 1 wird nicht bezahlt.
Gem. § 3 Abs. 3 des TV Vergütung Nr. 26, dem Vorgängertarifvertrag zum TV Vergütung Cockpit Nr. 1, hatte der Kläger seit seiner Ernennung zum SFO zusätzlich 486,42 DM zu seinem Grundgehalt erhalten.
Durch die Neuregelung des TV Vergütung Cockpit Nr. 1 wollten die Tarifvertragsparteien die wirtschaftlichen Schwierigkeiten berücksichtigen, in die die Beklagte 1992 geraten war; die Tarifvertragsparteien änderten die Vergütungsstrukturen und froren die Vergütung für eine bestimmte Dauer von Jahren ein. Das fliegende Personal der Beklagten wurde mit Rundschreiben vom 1. September 1992 wie folgt darüber informiert:
Mit dem Zustandekommen eines Konzerntarifvertrages für das Cockpitpersonal der D.
verändern sich die Vergütungs- und Einsatzstrukturen. …
Einige Themen können leider noch nicht detailliert behandelt werden, denn sie müssen noch redaktionell nachgearbeitet werden. …
Der Beitrag des Cockpitpersonals zur Sanierung unseres Unternehmens ist eindrucksvoll. …
Es gibt keine Vergütungserhöhung bis zum 30.9.1993. Zwischenzeitlich wird die gesamte Vergütungssystematik verändert. … Für 1. Offiziere, die als Senior-FO eingesetzt werden, wird eine Zulage von 875,00 DM gezahlt. …
Unter dem Datum 8. Dezember 1992 unterschrieben die Tarifvertragsparteien u.a. folgende Vereinbarung:
Mit Wirkung vom 1.12.1992 werden die Mantel- und Vergütungstarifverträge der D. und C. für das Cockpitpersonal nach Maßgabe der anliegenden Arbeitsgruppenergebnisse geändert.
Die Unterschrift unter die redaktionelle Endfassung des TV Vergütung Cockpit erfolgte tatsächlich am 5. Juli 1993.
Die Beklagte zahlte dem Kläger ab dem 1. Dezember 1992 seine bisherige Vergütung einschließlich des Steigerungsbetrages von 486,42 DM weiter. Die SFO-Zulage nach § 4 des TV Vergütung Cockpit Nr. 1 erhielt der Kläger nicht. An nach dem 1. Dezember 1992 ernannte SFO zahlte die Beklagte deren alte Vergütung weiter ohne Steigerungsbeträge nach § 3 Abs. 3 TV Vergütung Nr. 26 zzgl. der neuen SFO-Zulage von 875,– DM nach dem TV Vergütung Cockpit Nr. 1.
Der Kläger verlangt mit seiner Klage die Zahlung der SFO-Zulage nach dem TV Vergütung Cockpit Nr. 1 ab dem 1. Dezember 1992, wobei er sich den bisher gezahlten Steigerungsbetrag von 486,42 DM monatlich anrechnen läßt. Er ist der Auffassung, sein Ausschluß von der Zahlung der SFO-Zulage ab 1. Dezember 1992 stelle eine sachlich ungerechtfertigte ungleiche Behandlung im Verhältnis zu den erst nach dem 1. Dezember 1992 ernannten SFO war; eine gleiche Arbeit werde ungleich bezahlt. Die unterschiedene Behandlung der vor und nach dem 1. Dezember 1992 ernannten Gesetze sich über den Zeitpunkt der Beförderung zum Kapitän daraus fort und führe zu unterschiedlichen Ergebnissen im Lebenseinkommen. Außerdem sei die Rückwirkung der Protokollnotiz unwirksam.
Der Kläger hat – soweit es Gegenstand des Revisionsverfahrens ist – beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 7.123,41 nebst 4 % Zinsen seit dem 14. März 1994 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage insoweit abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, eine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung läge nicht vor, ebensowenig eine unzulässige Rückwirkung der Protokollnotiz.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat, nachdem es bei den Tarifvertragsparteien eine Auskunft darüber eingeholt hat, warum die am 1. Dezember 1992 bereits eingesetzten SFO vom Bezug der SFO-Zulage ausgenommen worden sind, die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision, mit der er seinen Zahlungsantrag weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf die begehrte SFO-Zulage nicht zu; die Vorinstanzen haben die Klage daher zu Recht abgewiesen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der SFO-Zulage ergebe sich weder aus § 611 BGB i.V.m. § 4 und der Protokollnotiz Ziff. 2 b zum TV Vergütung Cockpit Nr. 1 noch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Ein Anspruch des Klägers aus dem TV Vergütung Cockpit Nr. 1 sei durch die Protokollnotiz Ziff. 2 b gerade ausgeschlossen, da der Kläger am 30. November 1992 bereits (nämlich seit dem 1. Februar 1992) als SFO eingesetzt war. Dabei könne dahinstehen, ob die Protokollnotiz insofern wirksam sei, als eine rückwirkende Inkraftsetzung dieser den Kläger belastenden Protokollnotiz in den Vertrauensschutz des Klägers eingreife; nach der Antragsänderung in der Berufungsinstanz stünden nurmehr Ansprüche für Zeiten nach der Unterschrift unter den TV Vergütung Cockpit Nr. 1 durch die Tarifvertragsparteien im Streit. Die Protokollnotiz sei nicht unwirksam, soweit sie einen Anspruch auf die SFO-Zulage für solche SFO ausschließe, die bereits am 30. November 1992 als SFO eingesetzt waren. Ein Vertrauensschutz des Klägers bestehe insoweit nicht. Die Tarifvertragsparteien seien frei, auch Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Der Gleichheitssatz des Art. 3 GG, an den auch die Tarifvertragsparteien gebunden seien, werde durch den Ausschluß der bereits am 30. November 1992 eingesetzten SFO von der Zahlung der SFO-Zulage nicht verletzt. Für diese Regelung seien aus der Natur der Sache folgende, einleuchtende Gründe gegeben, weil die Tarifvertragsparteien den existenzbedrohenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten im Jahr 1992 Rechnung getragen hätte. Dies werde durch die Tarifautonomie und die größere Sachnähe zu den Bewertungs- und Regelungsspielraum der Tarifvertragsparteien gedeckt. Daß der Kläger nachteilig betroffen sei, indem er bei gleicher Arbeit eine um die Differenz zwischen der neuen SFO-Zulage von monatlich 875,– DM und seinem individuellen Steigerungsbetrag bei dem monatlichen Grundgehalt, im Falle des Klägers 486,42 DM, ein ungleiches Arbeitsentgelt erhalte, verstoße nicht gegen Art. 3 GG. Auch soweit die neue SFO-Zulage deutlich höher sei als die früheren Steigerungsbeträge, seien dafür sachliche Gründe gegeben. Die neue SFO-Zulage falle mit der späteren Ernennung zum Kapitän ersatzlos weg, während die bei den vor dem 1. Dezember 1992 eingesetzten SFO eingetretene Steigerung des Grundgehalts erhalten bleibe. Im Hinblick auf die Zahl der SFO sei es auch nicht zu beanstanden, daß die Neuregelung allgemein und pauschal erfolgt sei und zur Folge haben könne, daß vor dem 1. Dezember 1992 bereits eingesetzte SFO nach der Beförderung zum Kapitän wegen des Einbezugs ihres individuellen Steigerungsbetrags in ihr Grundgehalt mehr erhalten, als die später ernannten SFO, bei denen die SFO-Zulage ab der Ernennung zum Kapitän wegfalle. Daß einige der vor dem 1. Dezember 1992 ernannten und eingesetzten SFO gegenüber den nach dem 30. November 1992 ernannten SFO bei gleicher Arbeit ein höheres Lebenseinkommen erzielten, andere ein niedrigeres – je nach dem individuellen Lebensalter, der unterschiedlichen Seniorität der einzelnen SFO und dem Zeitpunkt der Ernennung zum Kapitän –, sei nicht gleichheitswidrig. Der Kläger müsse im Hinblick auf die pauschale tarifvertragliche Neuregelung hinnehmen, daß er zu den SFO gehöre, die Einbußen im Lebenseinkommen erlitten.
Der Senat folgt dem Landesarbeitsgericht im Ergebnis und weitgehend in der Begründung seiner Entscheidung.
II. Der Kläger kann die Zahlung der Differenz der SFO-Zulage nach dem TV Vergütung Cockpit Nr. 1 zu dem bereits gewährten Steigerungsbetrag aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt verlangen.
1. a) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, kann ein Anspruch des Klägers nicht aus dem vereinbarungsgemäß anzuwendenden Tarifwerk der Beklagten hergeleitet werden.
Die Protokollnotiz Ziff. 2 b zu § 4 des TV Vergütung Cockpit Nr. 1 schließt einen Anspruch des Klägers aus, da dieser am 30. November 1992 bereits als SFO eingesetzt war.
b) Die Protokollnotiz Ziff. 2 b zu § 4 des TV Vergütung Cockpit Nr. 1 ist wirksam.
Dabei stellt sich das Problem der Rückwirkung der Protokollnotiz – wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat – nicht. Das Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand seiner Entscheidung zwar festgestellt, daß die Unterschriften unter die redaktionelle Endfassung des TV Vergütung Cockpit Nr. 1 erst am 5. Juli 1993 geleistet worden waren. Der Kläger macht nach der Antragsänderung im Berufungsverfahren am 9. Oktober 1996 im vorliegenden Rechtsstreit nur noch Ansprüche für den Zeitraum August 1993 bis Februar 1994 geltend, also für einen Zeitraum, zu dem die Unterschriften unter dem Tarifvertrag bereits erfolgt waren. Damit kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf eine Auswirkung der Protokollnotiz nicht an.
Dabei ist davon auszugehen, daß die Protokollnotiz Bestandteil des Tarifvertrages ist, da sie von den Tarifvertragsparteien vereinbart worden ist (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Aufl., § 198, III. 6.).
Die Tarifvertragsparteien konnten durch eine neue tarifliche Regelung in der Protokollnotiz am 30. November 1992 bereits ernannte SFO vom Bezug der sog. SFO-Zulage ausschließen, auch soweit diese bisher eine SFO-Zulage erhielten. Tarifvertragliche Regelungen tragen auch während der Laufzeit des Tarifvertrages den immanenten Vorbehalt ihrer rückwirkenden Abänderbarkeit durch einen anderen Tarifvertrag in sich (BAG Urteil vom 23. November 1994 – 4 AZR 879/93 – BAGE 78, 309 = AP Nr. 12 zu § 1 TVG Rückwirkung); auch bereits entstandene und fällig gewordene, aber noch nicht abgewickelte Ansprüche, die aus einer Tarifnorm folgen, genießen keinen Sonderschutz gegen eine rückwirkende Veränderung (BAG Urteil vom 23. November 1994 – 4 AZR 879/93 – a.a.O.). Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung tarifvertraglicher Regelungen ist lediglich durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Tarifvertragsunterworfenen begrenzt.
Ob im vorliegenden Fall das Vertrauen der Tarifvertragsunterworfenen im Hinblick auf die Umstände des Zustandekommens der Protokollnotiz Nr. 2 b zu § 4 TV Vergütung Cockpit Nr. 1, insbesondere das Rundschreiben der Beklagten zum 1. September 1992 und die „Vereinbarung zur Gestaltung und Umsetzung des Konzerntarifvertrages Cockpit” vom 14. November 1992 geschützt war, kann – mit dem Landesarbeitsgericht – jedoch dahinstehen, da der Kläger Ansprüche erst ab August 1993, also ohne Rückwirkung der Protokollnotiz, gerichtlich geltend macht und die Beklagte im Termin vor dem Berufungsgericht vom 9. Oktober 1996 die Bezahlung der Zulage auch für die vorherige Zeit zugesichert hat, wenn und soweit der Kläger für die nachfolgende Zeit mit seinem Berufungsantrag rechtskräftig Erfolg hat.
Auch das Günstigkeitsprinzip steht der Anwendung der Protokollnotiz Ziff. 2 b zu § 4 des TV Vergütung Cockpit Nr. 1 nicht entgegen, da im Verhältnis von zwei aufeinanderfolgenden Tarifverträgen die Zeitkollisionsregel gilt (BAG Urteil vom 16. Mai 1995 – 3 AZR 535/94 – BAGE 80, 139 = AP Nr. 15 zu § 4 TVG Ordnungsprinzip). Der jüngere Tarifvertrag tritt an die Stelle des älteren Tarifvertrags. Dabei ist unerheblich, daß die Tarifvertragsparteien die Tarifnorm zum Nachteil der betroffenen Arbeitnehmer geändert haben (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. zuletzt Urteil vom 24. August 1993 – 3 AZR 313/93 – AP Nr. 19 zu § 1 BetrAVG Ablösung).
2. Der TV Vergütung Cockpit Nr. 1 mit der Protokollnotiz Ziff. 2 b zu § 4, wonach die SFO-Zulage an SFO, die am 30. November 1992 bereits als SFO eingesetzt waren, nicht gezahlt wird, verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nach die Gerichte für Arbeitssachen Tarifverträge daraufhin zu prüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht, insbesondere das Grundgesetz oder zwingendes Gesetzesrecht verstoßen (BAGE 22, 252, 267 = AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu B IV 3 b der Gründe; BAGE 41, 163, 168 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Besitzstand, zu II 3 der Gründe; BAG Urteil vom 7. November 1995 – 3 AZR 870/94 – AP Nr. 138 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie, zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 28. Mai 1996 – 3 AZR 752/95 – AP Nr. 143 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie, zu II 1 der Gründe). Der allgemeine Gleichheitssatz der Verfassung ist Teil der objektiven Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung beansprucht. Er ist daher auch von den Tarifvertragsparteien zu beachten. Mit der Tarifautonomie des Art. 9 Abs. 3 GG ist den Tarifvertragsparteien die Macht verliehen, wie ein Gesetzgeber Rechtsnormen zu schaffen; dementsprechend müssen sie sich auch – wie der Gesetzgeber – an die zentrale Gerechtigkeitsnorm des Art. 3 Abs. 1 GG halten (BAG Urteil vom 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 – BAGE 79, 236, 242 = AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu B II 2 a der Gründe; BAG Urteil vom 7. November 1995 – 3 AZR 870/94 – a.a.O.; BAG Urteil vom 28. Mai 1996 – 3 AZR 752/95 – a.a.O.).
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt dann vor, wenn im wesentlichen gleichliegende Sachverhalte ohne sachlich einleuchtenden Grund unterschiedlich behandelt werden (BAG Urteil vom 28. Mai 1996 – 3 AZR 752/95 – a.a.O., m.w.N.). Dabei kommt es darauf an, ob sich aus dem von den Tarifvertragsparteien verfolgten Zweck der Leistung Gründe herleiten lassen, die die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Ungleichbehandlung sachlich rechtfertigen (BAG Urteil vom 20. Juni 1995 – 3 AZR 539/93 – AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Nährmittelindustrie, zu II 2 a der Gründe; BAG Urteil vom 7. November 1995 – 3 AZR 952/94 – AP Nr. 12 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bühnen, zu B II 1 b bb der Gründe).
Nach diesen Grundsätzen gibt es für die vorliegend von den Tarifvertragsparteien getroffene Regelung in der Protokollnotiz Nr. 2 b zu § 4 des TV Vergütung Cockpit Nr. 1 mit der Ausnahme der bereits am 30. November 1992 eingesetzten SFO von der Zahlung der „neuen” SFO-Zulage – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat – sachlich einleuchtende Gründe. Die Tarifvertragsparteien haben mit der Neuregelung durch den TV Vergütung Cockpit Nr. 1 eine neue Vergütungsstruktur festgelegt und dabei – berechtigterweise – die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten berücksichtigt. Bei der strukturellen Neuregelung der Vergütung der SFO durften die Tarifvertragsparteien darauf aufbauen, daß die am 30. November 1992 bereits als SFO eingesetzten Arbeitnehmer einen Steigerungsbetrag erhalten haben, der mit der Beförderung zum Kapitän in das Grundgehalt einbezogen wird. Wenn die Tarifvertragsparteien nunmehr für die nach dem 30. November 1992 eingesetzten SFO eine gesondert ausgewiesene SFO-Zulage vorgehen, die bei der Ernennung zum Kapitän nicht in das Grundgehalt einbezogen wird, so ist dies unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. Die Tarifvertragsparteien haben mit der Neuregelung den Interessen der Arbeits ernannten SFO und den noch zu ernennenden SFO in auswesender Weise Rechnung getragen.
Auch die in der Protokollnotiz Ziff. 2 b zu § 4 des TV Vergütung Cockpit Nr. 1 enthaltene Stichtagsregelung, wonach die am 30. November 1993 bereits als SFO eingesetzten Mitarbeiter die „neue” SFO-Zulage nicht erhalten, verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Grenze zur Willkür wird durch eine tarifvertragliche Regelung nicht schon dann überschritten, wenn die gefundene Lösung nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste ist, sondern erst dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für die Regelung nicht finden läßt (BAG Urteil vom 28. September 1994 – 4 AZR 738/93 – AP Nr. 51 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel; BAG Urteil vom 18. September 1991 – 5 AZR 620/90 – AP Nr. 192 zu Art. 3 GG, m.w.N.). Die Grenzen der Tarifautonomie sind dann nicht überschritten, wenn die Tarifvertragsparteien Differenzierungen vornehmen, für die sachlich einleuchtende Gründe vorhanden sind. Dabei ist es unvermeidlich, daß bei Pauschalierungen, die im Gesetzes- und Tarifrecht im Interesse der Praktikabilität vorgenommen werden, gewisse Härten vorkommen (BAG Urteil vom 28. September 1994 – 4 AZR 738/93 – a.a.O.; BAG Urteil vom 1. Juni 1983 – 4 AZR 578/80 – AP Nr. 16 zu § 23 a BAT). Eine Differenzierung nach Stichtagen ist dabei weder sachwidrig noch willkürlich, wenn die sachliche Rechtfertigung sich aus dem Zweck der Zulage ergibt (BAG Urteil vom 4. November 1992 – 5 AZR 268/91 – n.v.; BAG Urteil vom 25. April 1991 – 6 AZR 532/89 – BAGE 68, 32 = AP Nr. 137 zu § 611 BGB Gratifikation). Zu berücksichtigen ist dabei, daß Tarifverträge zwischen gleichstehenden Parteien im einzelnen ausgehandelt werden. Die Tarifvertragsparteien haben insoweit einen weiten Beurteilungsspielraum; Sie können in eigener Verantwortung unter Umständen Zugeständnisse in einer Richtung mit Vorteilen in anderen Bereichen ausgleichen (BAG Urteil vom 28. September 1994 – 4 AZR 738/93 – a.a.O.).
Nach diesen Grundsätzen ist der von den Tarifvertragsparteien gewählte Stichtag 30. November 1992 nicht zu beanstanden. Im Hinblick darauf, daß die Verhandlungen der Tarifvertragsparteien in dieser Zeit geführt worden sind, und die wirtschaftliche Situation der Beklagten im Jahr 1992 zugrunde gelegt worden ist, sind vernünftige und einleuchtende Gründe für diesen Stichtag gegeben. Wenn die Tarifvertragsparteien im Zusammenhang mit einer Stichtagsregelung versuchen, die dadurch entstehenden finanziellen Belastungen in vertretbaren und überschaubaren Grenzen zu halten, so sind dies allein sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung (BAG Urteil vom 28. September 1994 – 4 AZR 738/93 – a.a.O.); finanzielle Erwägungen im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation der Beklagten rechtfertigen die unterschiedliche Regelung. Es stellt keine willkürliche Differenzierung dar, wenn im Tarifvertrag darauf abgestellt wird, ob ein Mitarbeiter bereits vor oder nach einem bestimmten Stichtag in einer bestimmten Funktion eingesetzt war (BAG Urteil vom 28. September 1994 – 4 AZR 738/93 – a.a.O.); daher ist es auch nicht zu beanstanden, wenn Absolventen des gleichen Ausbildungslehrgangs – entsprechend den unterschiedlichen Zeitpunkt ihrer Ernennung zum SFO – bei der Sammlung der SFO-Zulage ab 1. Dezember 1992 verschieden behandelt werden. Soweit derartige Stichtagsregelungen im Einzelfall unvermeidliche Härten mit sich bringen, müssen diese in Kauf genommen werden. Den Tarifvertragsparteien bleibt es unbenommen, Strukturierungen auch schrittweise einzuführen.
Da die Protokollnotiz Ziff. 2 b zu § 4 TV Vergütung Cockpit Nr. 1 somit wirksam ist, hat der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung der SFO-Zulage nach den ab 1. Dezember 1992 geltenden tariflichen Bestimmungen. Ein Anspruch auf die Differenz zwischen dem bisherigen Steigerungsbetrag als SFO und der „neuen” SFO-Zulage steht dem Kläger nicht zu.
3. Wie schon das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann der Anspruch des Klägers auch nicht auf eine Gesamtzusage gestützt werden. Die Verlautbarungen der Beklagten, insbesondere im Rundschreiben vom 1. September 1992 und in der PV-Information vom Januar 1993 informieren lediglich über die Tarifverhandlungen, sie haben keinen rechtsgeschäftlichen Inhalt.
4. Da keine anderen Anspruchsgrundlagen ersichtlich sind, ist die Revision des Klägers gegen die klageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen zurückzuweisen.
5. Die Verfahrensrüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe ohne Beweisangebot durch Einholung von Auskünften der Tarifvertragsparteien Beweis erhoben, greift nicht durch. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts beruht nicht auf dieser Beweiserhebung, da das Berufungsgericht für seine Entscheidung eine zusätzliche Begründung gegeben hat (Zöller, ZPO, 20. Aufl., § 550 Rz 8).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Dr. Jobs, Hauck, Hermann, Großmann
Fundstellen