Entscheidungsstichwort (Thema)

Bautenschutz durch Schädlingsbekämpfung. Bekämpfung des Holzbocks durch Auftragen ölhaltiger Flüssigkeiten als Holzschutzarbeiten

 

Leitsatz (amtlich)

Holzschutzarbeiten werden auch dann vom Geltungsbereich der Bautarife erfaßt, wenn sie an bereits eingebauten Bauteilen zur Bekämpfung von Schädlingen durchgeführt werden, da ein Zusammenhang mit sonstigen baulichen Leistungen nicht mehr gefordert wird.

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Bau; BRTV-Bau § 1; Verfahrenstarifverträge-Bau

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 16.12.1988; Aktenzeichen 15 Sa 1044/88)

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 29.06.1988; Aktenzeichen 3 Ca 7496/87)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 1988 – 15 Sa 1044/88 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt die Beklagte auf Auskunftserteilung für die Zeit von Januar 1980 bis Januar 1988 in Anspruch.

Im Betrieb der Beklagten werden Holz- und Bautenschutzarbeiten durchgeführt. 75 der Arbeitszeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer entfällt auf die Schädlingsbekämpfung, insbesondere die des Hausbocks, bei Dachstühlen. Dabei wird auf das Holz eine ölhaltige Flüssigkeit aufgetragen. Holzschutzarbeiten vor Verwendung des Holzes zur Errichtung von Bauten werden nicht durchgeführt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß der Betrieb der Beklagten unter den fachlichen bzw. betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge für die Sozialkassen des Baugewerbes falle, die in den im Klagezeitraum geltenden Fassungen nach § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 19 “Holzschutzarbeiten an Bauteilen” erfaßt hätten. Diese tarifliche Bestimmung beziehe sich auf die Ausführung von Holzschutzarbeiten an Bauteilen unabhängig davon, ob es sich um bereits eingebaute Bauteile oder um Bauteile handele, die vor ihrem Einbau mit Holzschutzmitteln behandelt würden. Deshalb seien auch Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen, wie solche gegen den Hausbockbefall, Holzschutzarbeiten an Bauteilen im tariflichen Sinne. Dies ergebe sich auch daraus, daß in § 6 BRTV-Bau für derartige Tätigkeiten Erschwerniszuschläge vorgesehen seien. Nur Holzschutzarbeiten, die nicht an Bauteilen durchgeführt würden, fielen nicht unter den Geltungsbereich der Bautarifverträge.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

  • der Klägerin auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,

    • wieviel Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten

      Januar 1980 bis Januar 1988

      in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden sowie in welcher Höhe die lohnsteuerpflichtige Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen der Bauwirtschaft in den genannten Monaten angefallen sind.

  • Für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von 2 Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an die Klägerin folgende Entschädigung zu zahlen:

    746.800,-- DM

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß die Schädlingsbekämpfung bei bereits eingebauten Dachstühlen nicht unter den fachlichen bzw. betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge für die Sozialkassen des Baugewerbes falle. “Holzschutzarbeiten an Bauteilen” seien nur solche Arbeiten, die die Imprägnierung des Holzes vor seiner Verwendung in Bauten beträfen und die dem Zimmererhandwerk oder verwandten Handwerken zuzurechnen seien. Die Schädlingsbekämpfung bei Dachstühlen bereits bestehender Bauten sei keine bauliche Leistung.

Das Arbeitsgericht hat der Klage im Hinblick auf die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung für die Zeit von Dezember 1982 bis Januar 1988 unter Festsetzung der Entschädigungssumme auf 478.884,-- DM und der Frist zur Auskunftserteilung auf 6 Wochen stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben mit Recht erkannt, daß der Klägerin ein Anspruch auf Auskunftserteilung für den Klagezeitraum nach den Verfahrenstarifverträgen für die Sozialkassen des Baugewerbes in ihrer jeweiligen Fassung zusteht.

Im Klagezeitraum galten der allgemeinverbindliche Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe vom 12. November 1960 in den Fassungen vom 10. November 1981, 19. Dezember 1983, 12. Dezember 1984 und 17. Dezember 1985. Ab 1. Januar 1987 gilt der allgemeinverbindliche Tarifvertrag für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986. Vom fachlichen bzw. betrieblichen Geltungsbereich dieser Verfahrenstarifverträge werden Betriebe erfaßt, in denen von den Arbeitnehmern, bezogen auf den Zeitraum eines Kalenderjahres, arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die in § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge aufgeführt sind. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte, wie Umsatz und Verdienst, und auf handelsrechtliche und gewerberechtliche Kriterien kommt es nicht an (vgl. BAG Urteil vom 22. April 1987 – 4 AZR 496/86 – AP Nr. 82 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, m. w. N.). Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht damit an, daß für die aus der Tarifgebundenheit eines Arbeitgebers nach § 5 Abs. 4, § 4 Abs. 2 TVG folgenden tariflichen Verpflichtungen nicht maßgebend ist, ob für ihn die gesetzlichen Vorschriften der §§ 75, 76 AFG i. V. mit §§ 1 u. 2 der Baubetriebe-Verordnung vom 28. Oktober 1980 über die Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft gelten.

Weiter geht das Landesarbeitsgericht zutreffend davon aus, daß unter den fachlichen bzw. betrieblichen Geltungsbereich zunächst diejenigen Betriebe fallen, in denen arbeitszeitlich überwiegend die in Abschnitt V von § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt werden. Ist dies nicht der Fall, ist zu prüfen, ob die im Betrieb ausgeführten Tätigkeiten die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III von § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge erfüllen (BAGE 55, 67 = AP Nr. 79 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Unstreitig wurden im Betrieb der Beklagten im Klagezeitraum arbeitszeitlich überwiegend Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen gegen den Befall von Dachstühlen bereits bestehender Gebäude mit Hausbock durchgeführt durch Aufbringung des entsprechenden Holzschutzmittels, das in der Regel in einer ölhaltigen Flüssigkeit besteht. Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um “Holzschutzarbeiten an Bauteilen” im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 19 der im Klagezeitraum insoweit übereinstimmenden Fassungen der Verfahrenstarifverträge.

Unter Holzschutz sind allgemein Maßnahmen gegen Wertminderung oder Zerstörung des Holzes durch Holzschädlinge, Feuer sowie durch Witterungs- und Umwelteinflüsse zu verstehen (Der Große Brockhaus, 15. Aufl., Band 5, S. 387). Ebenso bezeichnen Brocksiepe/Sperner (BRTV-Bau, 1981, S. 76, 77) als Holzschutzarbeiten vorbeugende Maßnahmen zum Schutz des Holzes gegen Fraß, Fäulnis und Feuer sowie zum Schutz des Bauwerks gegen Witterungseinflüsse, Feuchtigkeit und Alterung. Zu den Holzschutzarbeiten rechnen auch die Bekämpfung und Beseitigung bereits aufgetretener Schäden am Holz und am Bauwerk.

Bei der Bekämpfung des Hausbocks in Dachstühlen durch Auftragen entsprechender Holzschutzmittel handelt es sich damit nach dem Tarifwortlaut eindeutig um Holzschutzarbeiten an Bauteilen. Weder der Tarifwortlaut noch der tarifliche Gesamtzusammenhang, die für die Tarifauslegung in erster Linie maßgebend sind (BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung), rechtfertigen die Annahme, daß Holzschutzarbeiten an Bauteilen im tariflichen Sinne nur solche sind, die dem vorbeugenden Holzschutz von Bauteilen vor ihrer Verwendung dienen und deshalb im unmittelbaren Zusammenhang mit der Erstellung von Bauten oder der Erbringung sonstiger baulicher Leistungen durchgeführt werden. Eine solche Einschränkung läßt sich weder dem Wortlaut der tariflichen Bestimmung des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 19 Verfahrens-TV entnehmen noch bietet die tarifliche Bestimmung des § 6 BRTV-Bau, die für entsprechende Arbeiten Erschwerniszuschläge vorsieht, Anhaltspunkte für die von der Beklagten vertretene Differenzierung bei den Holzschutzarbeiten im tariflichen Sinne.

Außerdem haben die Tarifvertragsparteien in den Tätigkeitsbeispielen des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Verfahrens-TV, wenn sie einen Zusammenhang mit baulichen Leistungen verlangen, dies durch entsprechende Formulierungen zum Ausdruck gebracht, wie z. B. in Nr. 37, wonach das Verlegen von Bodenbelägen nur “in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen” erfaßt wird oder in Nr. 38, der das Vermieten von Baumaschinen mit Bedienungspersonal betrifft, aber nur soweit sie “zur Erbringung baulicher Leistungen” eingesetzt werden. Eine solche Einschränkung enthält das hier maßgebende Tätigkeitsbeispiel der Nr. 19 nicht, so daß es auf einen Zusammenhang mit baulichen Leistungen nicht ankommt.

Diese Auslegung wird durch die Tarifgeschichte bestätigt. Nach den vor dem 1. Januar 1980 geltenden Verfahrenstarifverträgen für das Baugewerbe wurden vom fachlichen Geltungsbereich Holzschutzarbeiten an Bauteilen nur erfaßt, “soweit sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erstellung von Bauten oder der Erbringung sonstiger baulicher Leistungen durchgeführt werden”. In den seit dem 1. Januar 1980 geltenden Verfahrenstarifverträgen sind diese Einschränkungen nicht mehr enthalten. Daraus muß geschlossen werden, daß es auf einen Zusammenhang mit baulichen Leistungen nicht ankommt.

Anhaltspunkte dafür, daß der Betrieb unter den Ausnahmekatalog des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Verfahrens-TV fällt oder eine Tarifbindung der Beklagten an einen im Verhältnis zu den Bautarifverträgen spezielleren Tarifvertrag vorliegt, bestehen nicht.

Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Neumann, Dr. Etzel, Dr. Freitag, Lehmann, Pahle

 

Fundstellen

Haufe-Index 873906

RdA 1990, 64

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