Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Tariferhöhung auf Zulage
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10, § 2; TVG § 4 Ausschlußfristen
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 8. Juli 1997 – 9 Sa 2217/96 – teilweise aufgehoben.
2. Soweit das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 2. September 1996 – 6 Ca 11/96 – auch hinsichtlich der für Januar 1994 bis November 1995 geltend gemachten Teilbeträge von insgesamt 3.675,00 DM zurückgewiesen und über die Kosten entschieden hat, wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte Tariferhöhungen wirksam auf eine der Klägerin gezahlte übertarifliche Zulage angerechnet hat, und ob die Klägerin danach möglicherweise noch bestehende Gehaltsansprüche rechtzeitig geltend gemacht hat.
Die Klägerin ist als Sachbearbeiterin in einem Betrieb beschäftigt, den die Beklagte im Jahr 1995 von der T… H… L… GmbH übernommen hat und jetzt gemeinsam mit einer Schwestergesellschaft, der T… H… S… First GmbH & Co. KG, führt. Die Belegschaft umfaßte 1994 etwa 130 Arbeitnehmer. Die Unternehmen der T… H… -Gruppe sind innerhalb des T… -Konzerns von der T… Ha… AG abhängig.
Auf das Arbeitsverhältnis sind kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Klägerin und der Beklagten sowie deren Rechtsvorgängerin die Tarifverträge für das private Transport- und Verkehrsgewerbe in Hessen anwendbar. Im Manteltarifvertrag vom 7. Mai 1993 ist u.a. bestimmt:
“…
§ 9 Gehalt
…
6. Die Gehaltszahlung erfolgt spätestens am letzten Arbeitstag des ablaufenden Monats.
…
§ 18 Ausschlußfristen
1. Arbeitnehmerinnen sind zur sofortigen Nachprüfung ihrer Gehaltsabrechnung und des ausgezahlten Gehaltes verpflichtet. Stimmen die geleisteten Arbeitsstunden mit den der Abrechnung zugrunde liegenden Arbeitsstunden nicht überein, hat er seine Ansprüche innerhalb von zwei Monaten nach Entstehen des Anspruchs geltend zu machen.
2. Alle sonstigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmerin innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Entstehen des Anspruchs geltend gemacht werden.
…
5. Ansprüche, die nicht vor Ablauf der vorstehenden Fristen schriftlich geltend gemacht worden sind, sind ausgeschlossen.
…”
Die Klägerin erhält, ebenso wie zahlreiche andere in dem Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer, zu ihrem Tarifgehalt eine übertarifliche Zulage, die im Arbeitsvertrag als freiwillig und anrechnungsfähig bezeichnet ist. Unter dem 26. Mai 1993 richtete die T… H… L… GmbH ein Schreiben an die Belegschaft, in dem es u.a. hieß:
“der Vorstand der T… Ha… AG sowie die Geschäftsführung der T… H… L… GmbH hatten vor dem Hintergrund der aktuellen Ergebnislage und gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen beschlossen, 100 % der ab 01.03.1993 gültigen jeweiligen Tarifabschlüsse gegen freiwillige übertarifliche Zulagen zu verrechnen.
Nach Verhandlungen mit der Betriebsrätearbeitsgemeinschaft der T… Ha… AG sowie mit dem Gesamtbetriebsrat der T… H… L… GmbH wurde folgender Kompromiß geschlossen:
1. In den Betrieben, in denen der örtliche Betriebsrat gem. § 87 BetrVG der generellen teilweisen Verrechnung der Tarifrunde mit freiwilligen übertariflichen Zulagen schriftlich zugestimmt hat, werden 50 % des jeweiligen Tarifabschlusses gegen übertarifliche Zulagen aufgerechnet.
2. In den Betrieben, in denen der örtliche Betriebsrat nicht gem. § 87 BetrVG der generellen teilweisen Verrechnung der Tarifrunde mit freiwilligen übertariflichen Zulagen zugestimmt hat, werden aus rechtlichen Gründen 100 % des jeweiligen Tarifabschlusses gegen übertarifliche Zulagen aufgerechnet.
3. In den Betrieben, in denen die schriftlichen Rückäußerungen der örtlichen Betriebsräte noch ausstehen, muß aus rechtlichen Gründen zunächst gem. o.g. Ziffer 2 verfahren werden. Nach Eingang der Rückäußerungen bis spätestens 30.06.1993 wird entweder rückwirkend das Prozedere gem. Ziffer 1 angewandt oder es verbleibt bei dem Prozedere gem. Ziffer 2.
In den Betrieben, in denen kein örtlicher Betriebsrat existiert, wird gem. Ziffer 1 verfahren.”
Der Betriebsrat des vom vorliegenden Verfahren betroffenen Betriebs in D… stimmte der vorgesehenen hälftigen Anrechnung nicht zu. Daraufhin rechnete die Arbeitgeberin die Tariferhöhung zum 1. Juli 1993 in diesem Betrieb bei allen Arbeitnehmern voll auf die übertarifliche Zulage an. Bei der Klägerin machte die Tariferhöhung 99,00 DM brutto monatlich aus. In gleicher Weise verfuhr die Arbeitgeberin bei der Tariferhöhung zum 1. Juni 1994, die bei der Klägerin 60,00 DM brutto monatlich betrug.
Von verschiedenen Zeitpunkten in den Jahren 1993 und 1994 an gewährte die Arbeitgeberin insgesamt 31 Arbeitnehmern neue übertarifliche Zahlungen, die sie mit veränderten Aufgaben, besonderen Leistungen oder der nach einjährigem Bestehen des Angestelltenverhältnisses üblichen Gehaltsanpassung begründete. Der Betriebsrat wurde hierbei nicht beteiligt.
Mit folgendem der Arbeitgeberin am 29. April 1994 zugegangenen Formschreiben machte die Klägerin Gehaltsansprüche geltend:
“Tarifanrechnung zum 01.07.1993
Sehr geehrter Herr He…
Zur Wahrung der Ausschlußfristen des Tarifvertrages für die gewerblichen und kaufmännischen Arbeitnehmer des privaten Transport und Verkehrsgewerbes in Hessen, mache ich unter Hinweis auf meine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ÖTV als tarifvertragsschließende Partei, den letztjährigen Gehaltsabschluß geltend.
Ich bitte Sie dementsprechend, dies bei der nächsten Gehaltsabrechnung rückwirkend ab dem 01.07.1993 zu berücksichtigen.”
Ein weiteres Schreiben, das der Arbeitgeberin am 21. September 1994 zuging, lautete wie folgt:
“Tarifanrechnung zum 01.06.1994
Zur Wahrung der Ausschlußfristen des Tarifvertrages für die gewerblichen und kaufmännischen Arbeitnehmer des privaten Transport und Verkehrsgewerbes in Hessen, mache ich mit meiner Unterschrift auf anliegender Liste, unter Hinweis auf meine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ÖTV als tarifvertragsschließende Partei, den
Lohn/Gehaltsabschluß geltend.
Ich bitte Sie dementsprechend, dies bei der nächsten
Lohn/Gehaltsabrechnung
rückwirkend ab dem 01.06.1994 zu berücksichtigen.”
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Anrechnung der Tariferhöhungen von 1993 und 1994 auf die übertarifliche Zulage sei unwirksam. Die Arbeitgeberin habe nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats handeln können. Die Anrechnungen seien nicht vollständig gewesen, da die Arbeitgeberin einen Teil des eingesparten Zulagenvolumens neu verteilt habe. Selbst wenn man dies außer Betracht lasse und von vollständigen Anrechnungen ausgehe, seien diese unter den besonderen Bedingungen des vorliegenden Falles nicht mitbestimmungsfrei gewesen. Die Arbeitgeberin habe sich nämlich nur deshalb nicht mit einer lediglich teilweisen und daher mitbestimmungspflichtigen Anrechnung begnügt, weil der Betriebsrat nicht bereit gewesen sei, sich insoweit ihrer Entscheidung zu unterwerfen. Ein solches Vorgehen sei rechtsmißbräuchlich und sittenwidrig. Überdies liege hierin eine verbotene Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer des Betriebs in Dietzenbach gegenüber denjenigen anderer Betriebe des Unternehmens.
Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin, soweit für die Revision noch von Interesse, Gehaltsansprüche in Höhe der Anrechnungsbeträge für die Monate Januar 1994 bis November 1995 einschließlich der in diesem Zeitraum fällig gewordenen Sonderzahlungen. Sie hat insoweit beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
1. DM 495,00 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich jeweils ergebenden Nettobetrag aus je DM 99,00 seit dem 01.02., 01.03., 01.04., 01.05. und 01.06.1994;
2. DM 3.180,00 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich jeweils ergebenden Nettobetrag aus je DM 159,00 seit dem 01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.11.1994 sowie 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.10. und 01.11.1995 sowie aus je DM 318,00 seit dem 01.12.1994 und 01.12.1995
zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach ihrer Meinung waren die Anrechnungen wirksam. Sie seien im Umfang der Tariferhöhungen vollständig erfolgt und damit mitbestimmungsfrei gewesen. Die neuen Zulagen seien unabhängig von den Anrechnungen vergeben worden. Die Entscheidung, im Betrieb in D… die Tariferhöhung vollständig mit der freiwilligen Zulage zu verrechnen, sei auch nicht rechtsmißbräuchlich gewesen. Eine unzulässige Ungleichbehandlung liege nicht vor, denn der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gelte nur betriebsbezogen; hier gehe es aber um Differenzierungen zwischen verschiedenen Betrieben. Schließlich habe die Klägerin mögliche Ansprüche nicht innerhalb der tariflichen Ausschlußfrist geltend gemacht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag im dargestellten Umfang weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung trägt die Abweisung der Klage nicht. Allerdings kann der Senat nicht abschließend über die von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsansprüche entscheiden. Hierzu bedarf es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen.
I. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß die Arbeitgeberin individualrechtlich zur Anrechnung befugt war. Dies ergibt sich aus der ausdrücklichen Bestimmung im Arbeitsvertrag.
1. Erfolglos wendet die Revision hiergegen unter Berufung auf das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 28. Januar 1998 (8 Sa 2219/96) ein, die Anrechnung habe nicht billigem Ermessen entsprochen.
Allerdings kann der Arbeitgeber nach § 315 Abs. 1 BGB die Verpflichtung zur Leistung von Vergütungsbestandteilen nur im Rahmen billigen Ermessens widerrufen. Voraussetzung hierfür ist, daß er die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat (BAG Urteil vom 7. September 1994 – 10 AZR 716/93 – AP Nr. 11 zu § 611 BGB Lohnzuschläge, zu II 2a der Gründe; Urteil vom 13. Mai 1987 – 5 AZR 125/86 – AP Nr. 4 zu § 305 BGB Billigkeitskontrolle, zu II 2 – 4 der Gründe). Dies ist regelmäßig zu bejahen, wenn eine Tariferhöhung auf eine allgemeine übertarifliche Zulage angerechnet wird. In diesem Fall bleibt das Arbeitsentgelt nominal unverändert. Die Absenkung der Zulage findet ihre Rechtfertigung darin, daß die Tariferhöhung den vorher mit der Zulage verfolgten Zweck erfüllt, das für den Arbeitnehmer verfügbare Einkommen ohne Bindung an besondere Voraussetzungen zu erhöhen, und insoweit die Zulage ersetzen kann (vgl. BAGE 82, 47, 53 = AP Nr. 85 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu II 1b der Gründe). Diese Wertung liegt auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde, nach der eine allgemeine übertarifliche Zulage regelmäßig unter einem entsprechenden Anrechnungsvorbehalt steht, selbst wenn das nicht ausdrücklich geregelt war.
Die Klägerin hat keine Gesichtspunkte dafür vorgetragen, daß die Anrechnungen ihre Interessen hier ausnahmsweise unbillig beeinträchtigen würden. Auch das Anrechnungsvolumen von 99,00 DM und 60,00 DM monatlich bietet keinen Anhalt für eine solche Annahme. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 28. Januar 1998, auf das sich die Klägerin stützt, beruht auf unzutreffenden Erwägungen. Es sieht die Unbilligkeit allein darin, daß die Arbeitgeberin das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats durch die vollständige Anrechnung habe umgehen wollen. Eine Anrechnung mit Zustimmung des Betriebsrats, die bei einem Teil der Arbeitnehmer, z.B. bei der Klägerin, die Tariferhöhung ebenfalls in vollem Umfang hätte umfassen können, soll dagegen nicht zu beanstanden sein. Eine derartige Verbindung der individualrechtlichen mit der kollektiven Ebene besteht jedoch nicht. Die Klägerin verkennt, daß sich die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB auf den Inhalt einer Maßnahme des Arbeitgebers bezieht und dabei ausschließlich dem Interessenausgleich zwischen diesem und dem betroffenen Arbeitnehmer dient. Verfahrensmängel im kollektivrechtlichen Bereich, die sich aus der Mißachtung eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats ergeben, sind insoweit unbeachtlich. Sie haben andere Rechtsfolgen (dazu unten II 2 b).
2. Die Arbeitgeberin war auch nicht durch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz daran gehindert, die Tariferhöhung im Betrieb in D… vollständig auf die Zulage anzurechnen, obwohl sich die Anrechnung in anderen Betrieben des Unternehmens auf die Hälfte der Tariferhöhung beschränkte.
Es kann dahinstehen, ob sich dies, wie die Beklagte meint, bereits daraus ergibt, daß die Pflicht des Arbeitgebers zur Gleichbehandlung nur jeweils auf die Belegschaft eines Betriebs beschränkt wäre (so z.B. Kasseler Handbuch/Künzl 2.1 Rz 859). Das Bundesarbeitsgericht hat sich in dieser Frage bisher nicht festgelegt (z.B. Urteil vom 17. Dezember 1992 – 10 AZR 306/91 – AP Nr. 105 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu 2b der Gründe). Allerdings spricht der Umstand, daß der Arbeitgeber als Adressat dieser Pflicht mit dem Unternehmensträger identisch ist, wohl eher für die Annahme, der Gleichbehandlungsgrundsatz reiche über die Grenzen des einzelnen Betriebes hinaus und sei unternehmensweit anzuwenden (z.B. MünchArbR/Richardi § 14 Rz 9).
Eine Differenzierung zwischen den Belegschaften verschiedener Betriebe ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn sie darauf beruht, daß der Arbeitgeber nicht allein für alle Betriebe eine einheitliche Regelung schaffen kann, sondern die unterschiedlichen Positionen der jeweiligen Betriebsräte berücksichtigen muß (BAGE 80, 10, 12 = AP Nr. 130 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu I 2a der Gründe). So verhält es sich hier. Die Arbeitgeberin strebte eine für alle Betriebe einheitliche und mitbestimmungspflichtige Regelung der Anrechnung an, der sich jedoch der Betriebsrat in D… widersetzte. Damit war eine Gleichbehandlung der Belegschaft dieses Betriebs mit den Arbeitnehmern anderer Betriebe, in denen die Betriebsräte der vorgeschlagenen Anrechnung zustimmten, nur noch mit Hilfe eines entsprechenden Einigungsstellenspruchs erreichbar. Die daraufhin vorgenommene Differenzierung war durch den Widerspruch des Betriebsrats bedingt. Zwar entschied die Arbeitgeberin dabei allein, insoweit geht es aber nicht um ein Problem der Gleichbehandlung, sondern erneut um die betriebsverfassungsrechtliche Frage, ob es der Arbeitgeberin erlaubt war, auf diese Weise vorzugehen.
II. Ob diese Frage zu bejahen oder ob die Anrechnung der Tariferhöhungen auf die Zulage wegen Mißachtung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unwirksam war, kann aufgrund des bisher festgestellten Sachverhalts nicht abschließend beurteilt werden.
1. Eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts scheidet nicht etwa deshalb aus, weil das Vorgehen der Arbeitgeberin im Einklang mit einer Abrede stand, die sie mit der Arbeitsgemeinschaft der Betriebsräte der T… Ha… AG und dem Gesamtbetriebsrat der T… H… L… GmbH getroffen hatte. Diese Abrede ist mitbestimmungsrechtlich bedeutungslos.
Soweit die Arbeitsgemeinschaft der Betriebsräte beteiligt war, folgt das schon daraus, daß sie kein Organ ist, das an Stelle der einzelnen Betriebsräte gesetzliche Mitbestimmungsrechte ausüben könnte. Ein derartiges Gremium ist im Betriebsverfassungsgesetz nicht vorgesehen und kann daher die einzelnen Betriebsräte nicht binden.
Auch aus der Beteiligung des Gesamtbetriebsrats an der Absprache ergibt sich nichts anderes, denn er war für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts nicht zuständig. Für eine Beauftragung nach § 50 Abs. 2 BetrVG durch den Betriebsrat des Betriebs D… ist nichts vorgetragen. Die für eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erforderliche Notwendigkeit einer betriebsübergreifenden Regelung ist nicht erkennbar. Insbesondere konnte ein entsprechender Wunsch der Arbeitgeberin diese Zuständigkeit hier nicht begründen (BAGE 80, 366, 372 = AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, zu B I 2b der Gründe). Im übrigen ist die Absprache auch nicht so zu verstehen, daß die an ihr Beteiligten eine mitbestimmte Regelung hätten treffen wollen. Vielmehr wird darin wiederholt auf das gesetzliche Mitbestimmungsrecht verwiesen, das von den örtlichen Betriebsräten noch auszuüben sei.
2. Auch die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung trägt nicht die Annahme, die Arbeitgeberin habe das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gewahrt. Das Landesarbeitsgericht hat die Anrechnung als mitbestimmungsfrei angesehen, weil sie die Tariferhöhung in vollem Umfang erfaßt habe. Auf den ursprünglichen Vorschlag einer – mitbestimmungspflichtigen – hälftigen Anrechnung komme es nicht an. Es sei der Arbeitgeberin nämlich nicht verwehrt gewesen, als Reaktion auf den Widerstand des Betriebsrats hiervon abzurücken und sich für eine vollständige Anrechnung zu entscheiden. Die Neuvergabe übertariflicher Leistungen sei insoweit ohne Bedeutung, denn es fehle an einer konzeptionellen Einheit mit der Anrechnung.
a) Diese Begründung kann sich allerdings im Ausgangspunkt auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stützen. Nach den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Grundsätzen besteht ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Anrechnung einer Tariferhöhung auf übertarifliche Zulagen nur dann, wenn sich durch die Anrechnung die bisherigen Verteilungsrelationen ändern. Das ist der Fall, wenn sich das Verhältnis der Zulagenbeträge zueinander verschiebt. Weiter ist das Mitbestimmungsrecht davon abhängig, ob für eine anderweitige Regelung innerhalb des vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei vorgegebenen Dotierungsrahmens ein Gestaltungsspielraum verbleibt. Deshalb ist die Anrechnung mitbestimmungsfrei, wenn die Tariferhöhung im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen vollständig und gleichmäßig auf die übertariflichen Zulagen angerechnet wird (BAGE 69, 134, 164 ff. = AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu C III 4 – 6 der Gründe).
b) Der bisher festgestellte Sachverhalt läßt jedoch nicht den Schluß zu, die Arbeitgeberin habe die Zulage in mitbestimmungsfreier Weise vollständig auf die Tariferhöhungen angerechnet. Das Landesarbeitsgericht hat zu wenig berücksichtigt, daß die Arbeitgeberin zunächst beschlossen hatte, ihre individualrechtliche Anrechnungsbefugnis nicht voll auszuschöpfen, sondern die Tariferhöhungen jeweils zur Hälfte an die Arbeitnehmer weiterzugeben. Das Berufungsurteil enthält deshalb keine Feststellungen darüber, warum es dennoch zu einer vollständigen Anrechnung gekommen ist, und ob insoweit möglicherweise Unterschiede zwischen der Anrechnung von 1993 und derjenigen von 1994 bestehen. Von den erklärten Zielen der beiden Betriebspartner hängt es aber ab, ob der Arbeitgeberin vorzuwerfen ist, sie habe das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt, so daß die Anrechnungen deshalb unwirksam wären.
aa) Nach den dargestellten Grundsätzen war allerdings die Entscheidung über den Umfang der Anrechnung mitbestimmungsfrei, denn sie betraf die Kürzung der insgesamt für die übertarifliche Zulage zur Verfügung stehenden Mittel. Mitbestimmungspflichtig war dagegen die auf dieser Grundlage zu treffende Festlegung, in welchem Maße die Arbeitnehmer jeweils von der Kürzung betroffen werden sollten, ob also die Tariferhöhung im Einzelfall entsprechend dem betrieblichen Durchschnitt, zu einem höheren oder zu einem niedrigeren Prozentsatz verrechnet werden sollte. Insoweit bestanden bei der in erster Linie geplanten teilweisen Anrechnung Gestaltungsspielräume. Wie sich aus dem Schreiben vom 26. Mai 1993 ergibt, ging auch die Arbeitgeberin ursprünglich davon aus, daß die hälftigen Anrechnungen mitbestimmungspflichtig waren. Unbegründet ist ihre spätere Annahme, auch eine hälftige Anrechnung sei deshalb mitbestimmungsfrei gewesen, weil sie gleichmäßig gewirkt hätte. Da die Zulagen bei den einzelnen Arbeitnehmern unterschiedlich hoch waren, mußten sich durch ihre Kürzung um jeweils denselben Teil der Tariferhöhung die Größenverhältnisse zwischen den einzelnen Zulagen verschieben. In einem solchen Vorgehen liegt keine mitbestimmungsfreie gleichmäßige Anrechnung im Sinne der Rechtsprechung des Großen Senats (BAGE 69, 134, 166 = AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu C III 5b aa der Gründe).
Mitbestimmungsfrei wäre die Maßnahme der Arbeitgeberin nur dann gewesen, wenn sie das Ziel verfolgt hätte, die Tariferhöhung vollständig auf die übertariflichen Zulagen anzurechnen. Eine Entscheidung über die Verteilung des Anrechnungsvolumens, bei welcher der Betriebsrat mitzubestimmen hätte, wäre dann nicht mehr zu treffen gewesen, weil insoweit kein individualrechtlicher Gestaltungsspielraum bestanden hätte. Da die Arbeitgeberin aber hier zunächst nicht diesen, sondern den Weg einer teilweisen Anrechnung einschlug, war sie auch verpflichtet, das dabei nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestehende Mitbestimmungsrecht zu respektieren und die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen. Aufgrund des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 BetrVG) war es ihr verwehrt, dem Betriebsrat Verhandlungen über eine andere Verteilung des Anrechnungsvolumens zu verweigern und auf entsprechende Änderungsvorschläge mit einem Junktim zu reagieren, also jede Abweichung von den eigenen Verteilungsvorstellungen schon von vornherein mit einer vollständigen Anrechnung zu beantworten. Mit einem solchem Vorgehen wird dem Betriebsrat angesonnen, sich der einseitigen Entscheidung der Arbeitgeberin bedingungslos zu unterwerfen und damit auf sein gesetzliches Mitgestaltungsrecht zu verzichten. Diese Befugnis hat er indessen nicht (BAG Beschluß vom 23. Juni 1992 – 1 ABR 53/91 – AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B II 1 der Gründe; Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 39; GK-BetrVG/Wiese, 5. Aufl., § 87 Rz 5). Vielmehr waren nach § 87 BetrVG Meinungsverschiedenheiten über die Höhe der Anrechnung bei den einzelnen Arbeitnehmern im Rahmen des von der Arbeitgeberin vorgegebenen Einsparvolumens im Verhandlungswege oder erforderlichenfalls durch Spruch der Einigungsstelle zu überwinden. Sollte die Arbeitgeberin ihre danach bestehenden Pflichten verletzt haben, so wären die Anrechnungen unwirksam gewesen.
bb) Dennoch ist die Sache noch nicht im Sinne der Klägerin entscheidungsreif. In den Vorinstanzen blieb nämlich ungeklärt, worin die Meinungsverschiedenheit der Betriebspartner bestand. Sollte sich der Betriebsrat den von der Arbeitgeberin vorgeschlagenen Anrechnungen nicht mit dem Ziel einer anderen Verteilung widersetzt, sondern lediglich eine insgesamt niedrigere Anrechnung gefordert haben, wäre sein Widerspruch mitbestimmungsrechtlich unbeachtlich gewesen. Er hätte sich dann allein gegen die Festlegung des Zulagenvolumens gerichtet, bei der kein Mitbestimmungsrecht besteht. In diesem Fall hätte es der Arbeitgeberin freigestanden, die unzulässige Blockade dadurch zu vermeiden, daß sie in eine mitbestimmungsfreie Anrechnungsform auswich. Nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit war sie nämlich nur gehalten, hinsichtlich mitbestimmungspflichtiger Entscheidungen eine Einigung mit dem Betriebsrat zu suchen. Dem steht nicht entgegen, daß ein derartiges Ausweichen die Einflußmöglichkeiten des Betriebsrats beschränkt. Es handelt sich hierbei um eine Folge der Entscheidung des Gesetzes, die Festlegung des Dotierungsrahmens dem Arbeitgeber alleine zu überlassen und ihm für die Anrechnung von Tariferhöhungen neben mitbestimmungspflichtigen auch mitbestimmungsfreie Gestaltungsformen zur Verfügung zu stellen. Darauf weist das Landesarbeitsgericht zutreffend hin.
Tatsächlich hat die Arbeitgeberin versucht, in der beschriebenen Weise auszuweichen. Dem Landesarbeitsgericht ist in der Annahme zu folgen, daß die schließlich vorgenommene Anrechnung vollständig war. Dem steht nicht entgegen, daß die Arbeitgeberin im Verlauf der Jahre 1993 und 1994 verschiedentlich neue Zulagen gewährt hat. Allerdings kann sich aus dem Zusammenhang der – bei isolierter Betrachtung vollständigen – Anrechnung einer Tariferhöhung mit der Gewährung zusätzlicher Leistungen ergeben, daß der Arbeitgeber nur scheinbar seine Anrechnungsmöglichkeit voll ausgeschöpft, in Wirklichkeit aber einen Teil des Zulagenvolumens umverteilt hat. Ein solcher Vorgang ist mitbestimmungspflichtig, weil er Gestaltungsspielräume läßt. Bei der mitbestimmungsrechtlichen Beurteilung sind neue Zulagen indessen nur dann zu berücksichtigen, wenn sie zusammen mit der umstrittenen Anrechnung auf einer einheitlichen Konzeption des Arbeitgebers beruhen. Zwischen Anrechnung und Neuvergabe muß ein unmittelbarer Zusammenhang in dem Sinne bestehen, daß der Arbeitgeber durch die Anrechnung Spielräume schaffen und für neue Leistungen nutzen will (BAGE 79, 96, 101 f. = AP Nr. 71 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B II 3a und b der Gründe). Für eine derartige Konzeption gibt es hier indessen keine Anhaltspunkte. Gegen sie spricht überdies, daß die neuen übertariflichen Leistungen, auf die sich die Klägerin stützt, zwischen dem 1. März 1993 und dem 1. Dezember 1994 weit gestreut gewährt wurden. Angesichts dessen ist der Vortrag der Beklagten plausibel, die Zulagen hätten sich – gewissermaßen routinemäßig – aus Entwicklungen in den Arbeitsverhältnissen der betroffenen Arbeitnehmer ergeben. Soweit die Klägerin diesen Begründungen im einzelnen entgegengetreten ist, hat sie im wesentlichen nur die Berechtigung der Zulagen in Frage gestellt. Auf diese Bewertung kommt es aber im vorliegenden Zusammenhang nicht an.
cc) Das Landesarbeitsgericht muß danach bei der erneuten Verhandlung der Frage nachgehen, wie es dazu gekommen ist, daß die Beklagte das Ziel einer hälftigen Anrechnung aufgab, nachdem sie auf den Widerstand des Betriebsrats gestoßen war. Wenn es ihr nur darum gegangen sein sollte, eigene Verteilungsgrundsätze ohne Abstriche durchzusetzen und die Alternative der vollständigen Anrechnung dabei als Druckmittel einzusetzen, hätte sie das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt. Dafür könnten sich immerhin Anhaltspunkte in ihrem Schreiben an die Belegschaft vom 26. Mai 1993 finden, das keinerlei Verhandlungsspielräume vorzusehen scheint.
III. Sollte sich ergeben, daß die Anrechnungen wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats unwirksam waren, so wäre die Klage hinsichtlich der jetzt noch streitigen Beträge begründet. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Forderungen der Klägerin seien im wesentlichen verfristet.
1. Mit dem der Arbeitgeberin am 29. April 1994 zugegangenen Schreiben hat die Klägerin nicht nur, wie das Landesarbeitsgericht meint, ihre – jeweils am letzten Arbeitstag des Monats fälligen – Entgeltansprüche für Januar bis März 1994 innerhalb der dreimonatigen tariflichen Ausschlußfrist geltend gemacht. Das Schreiben, das gleichlautend von einer großen Zahl von Arbeitnehmern verwendet wurde und daher als typische Willenserklärung vom Senat auszulegen ist (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 73 Rz 15), umfaßt auch später fällige Gehaltsansprüche, soweit deren Nichterfüllung darauf beruht, daß die Arbeitgeberin die Tariferhöhung zum 1. Juli 1993 auf die Zulage angerechnet hat.
Eine tarifliche Ausschlußfrist kann auch dadurch gewahrt werden, daß der Gehaltsanspruch bereits vor Fälligkeit geltend gemacht wird. Das ergibt sich aus dem Zweck einer solchen Frist. Sie soll rechtzeitig klarstellen, daß die fraglichen Ansprüche erhoben werden (BAG Urteil vom 27. März 1996 – 10 AZR 668/95 – AP Nr. 134 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu II 2b der Gründe). Dieser Warnfunktion genügt das fragliche Schreiben. Es macht durch die Bezugnahme auf die Tarifanrechnung zum 1. Juli 1993 und den “letztjährigen”, also den 1993 zustande gekommenen Gehaltsabschluß deutlich, daß sich die Klägerin mit der Anrechnung nicht zufrieden geben und daher auch für die Zukunft die zusätzlichen Gehaltsansprüche geltend machen wollte, die sich ihrer Meinung nach aus der Tariferhöhung ergaben. Das vom Landesarbeitsgericht zur Stützung seiner Meinung angeführte Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 5. April 1995 (– 5 AZR 961/93 – AP Nr. 130 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu 2b und c der Gründe) enthält keine Gesichtspunkte, die dieser Bewertung entgegenstünden. Soweit es sich mit der Geltendmachung künftiger Ansprüche befaßt, betrifft es nur die Frage, ob mit einer Zahlungsklage für zwei bestimmte Monate auch die Ausschlußfrist für künftige Ansprüche gewahrt wird. Insoweit gelten aber schon wegen der für Klagen nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestehenden Bestimmtheitserfordernisse andere Maßstäbe als für das hier zu beurteilende Schreiben.
2. Die Ansprüche, die sich aus der Anrechnung einer weiteren Tariferhöhung zum 1. Juni 1994 ergeben, hat die Klägerin mit dem der Arbeitgeberin am 21. September 1994 zugegangenen Schreiben rechtzeitig auch für die Zukunft geltend gemacht. Die vorstehenden Erwägungen gelten auch insoweit.
Unterschriften
Dieterich, Rost, Wißmann, H. Blanke, von Platen
Fundstellen