Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzurlaub für Schwerbehinderte. Schadenersatz
Leitsatz (redaktionell)
Kann Urlaub, der als Schadenersatz für verfallenen Urlaub geschuldet wird, wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden, ist der Arbeitnehmer in Geld zu entschädigen.
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 16.12.1982; Aktenzeichen 9 Sa 1214/82) |
ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 23.06.1982; Aktenzeichen 1 Ca 151/82) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger für die Jahre 1979 und 1980 zusätzlicher Urlaub nach § 44 SchwbG zustand, der nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist.
Der Kläger war bis zum 31. Dezember 1981 bei dem Finanzbauamt I des beklagten Landes als Angestellter beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags vom 31. August 1961 bestimmte das Arbeitsverhältnis sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträgen. Durch Bescheid des Versorgungsamts vom 16. Oktober 1981 wurde der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung, dem 1. September 1978, als Schwerbehinderter anerkannt. Das beklagte Land gewährte dem Kläger daraufhin Zusatzurlaub nach § 44 SchwbG für das Urlaubsjahr 1981. Den Zusatzurlaub für 1978 (zwei Tage), für 1979 (sechs Tage) und für 1980 (sechs Tage), den der Kläger mit Schreiben vom 11. November 1981 ebenfalls geltend gemacht hatte, verweigerte das beklagte Land.
Mit der am 27. Januar 1982 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, ihm stehe auch dieser Zusatzurlaub von insgesamt 14 Tagen zu. Da das Arbeitsverhältnis seit 1. Januar 1982 beendet sei, müsse das beklagte Land diesen Urlaub abgelten. Der Kläger hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an ihn
1.450,-- DM brutto zu zahlen.
Das beklagte Land hat den Anspruch der Höhe nach nicht bestritten, jedoch die Auffassung vertreten, ein etwaiger Urlaubsanspruch für die zurückliegenden Urlaubsjahre sei nach § 47 Abs. 7 BAT verfallen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, nachdem dieser auf die Beweisaufnahme hin sein Begehren um die beiden für 1978 verlangten Urlaubstage ermäßigt hatte. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Klageanspruch, soweit das Landesarbeitsgericht über diesen entschieden hat, weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist teilweise begründet. Der Anspruch des Klägers auf Abgeltung des noch im Streit befindlichen Schwerbehindertenzusatzurlaubs für die Jahre 1979 und 1980 ist nicht entstanden. Das beklagte Land muß dem Kläger jedoch Schadenersatz in Höhe von 621,50 DM leisten, da es zu vertreten hat, daß der Urlaubsanspruch des Klägers für 1979 verfallen ist.
I. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung (§ 51 BAT, § 7 Abs. 4 BUrlG) zu. Der Anspruch des Klägers auf zusätzlichen Urlaub nach § 44 SchwbG für die Jahre 1979 und 1980 war bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, am 31. Dezember 1981, verfallen.
1. Dem Kläger stand für die Urlaubsjahre 1979 und 1980 ein zusätzlicher Urlaub von jeweils sechs Arbeitstagen zu, weil er schwerbehindert war.
Nach § 44 Satz 1 SchwbG haben Schwerbehinderte Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von sechs Arbeitstagen im Jahr. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 28. Januar 1982 - 6 AZR 636/79 - BAG 37, 379, 381 = AP Nr. 3 zu § 44 SchwbG, zu 2 der Gründe, mit weiteren Nachweisen), der der erkennende Senat folgt, entsteht der Anspruch auf Zusatzurlaub aufgrund der Schwerbehinderteneigenschaft, d. h. wenn der Arbeitnehmer infolge seiner Behinderung in der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 50 v.H. nicht nur vorübergehend gemindert ist (§ 1 SchwbG). Auf die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft durch die zuständige Behörde kommt es nicht an. Der Bescheid nach § 3 SchwbG hat nur deklaratorische Bedeutung.
2. Dieser Zusatzurlaub war bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen.
a) Da der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte, abgesehen vom Merkmal der Schwerbehinderteneigenschaft, hinsichtlich seines Entstehens und Erlöschens dem Anspruch auf Erholungsurlaub folgt (vgl. BAG Urteil vom 18. Oktober 1957 - 1 AZR 437/56 - AP Nr. 2 zu § 33 SchwBeschG), muß er innerhalb des jeweiligen Urlaubsjahrs geltend gemacht werden. Geschieht dies nicht, erlischt er mit Ablauf des Urlaubsjahrs (BAG 37, 379, 381 = AP Nr. 3 zu § 44 SchwbG, zu 3 a der Gründe, mit weiteren Nachweisen).
b) Der Zusatzurlaub für die beiden streitbefangenen Urlaubsjahre ist mit Ablauf des 30. April 1981 verfallen.
Für den Zusatzurlaub 1980 folgt dies daraus, daß der Kläger diesen nicht bis 30. April 1981 angetreten hat (§ 47 Abs. 7 BAT). Den Zusatzurlaub 1979 hatte der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Sommer 1979 schriftlich geltend gemacht. Dies reichte nach der bis zum 31. Dezember 1979 geltenden Fassung des BAT aus, um das Erlöschen des Urlaubsanspruchs mit Ablauf des damals maßgebenden Endzeitpunkts des Übertragungszeitraums (31. März 1980) zu verhindern. Der auf diese Weise in das Urlaubsjahr 1980 übertragene Urlaub hätte jedoch bis 30. April 1981 angetreten werden müssen. Da dies nicht geschah, ist auch dieser Zusatzurlaub mit Ablauf des 30. April 1981 erloschen.
c) Diesem Ergebnis kann nicht mit der Kritik entgegengetreten werden, die Gröninger an der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Januar 1982 - 6 AZR 636/79 - geübt hat (Anm. zu AP Nr. 3 zu § 44 SchwbG).
Soweit Gröninger meint, der Arbeitnehmer könne wegen der noch ausstehenden behördlichen Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft seinem Arbeitgeber nicht erklären, er sei Schwerbehinderter und verlange deshalb Zusatzurlaub, verkennt er die Voraussetzungen dieses Urlaubsanspruchs und die rechtlichen Möglichkeiten, die dem Arbeitnehmer auch schon vor der behördlichen Feststellung zur Verfügung stehen. Da der Anspruch auf Zusatzurlaub schon vom Zeitpunkt der Schwerbehinderung an und nicht erst nach behördlicher Feststellung besteht, muß er auch vom Zeitpunkt der Schwerbehinderung an geltend gemacht werden können. Zutreffend weisen Wilrodt/Neumann (SchwbG, 6. Aufl., § 3 Rz 37) darauf hin, daß ein Arbeitnehmer sich schon vor Feststellung der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit auf seine Schwerbehinderteneigenschaft berufen könne, dann aber im Streitfall nachweisen müsse, daß er um wenigstens 50 v.H. erwerbsgemindert sei.
Auch dem Hinweis, der Schwerbehindertenzusatzurlaub sei Teilurlaub im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. a BUrlG und damit nach § 7 Abs. 3 Satz 4 BUrlG auf das nächste Kalenderjahr übertragbar (Gröninger, aaO, zu 5), ist nicht zu folgen. Der Zusatzurlaub tritt zu dem Grundurlaub hinzu und verlängert dadurch den Gesamturlaub des Arbeitnehmers. Er ist nicht Teilurlaub. Das folgt daraus, daß er, wie dargelegt, hinsichtlich seines Entstehens und seines Erlöschens dem Grundurlaub folgt.
II. Der Anspruch des Klägers ist jedoch bezüglich des Zusatzurlaubs für das Jahr 1979 als Schadenersatzanspruch begründet.
1. Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (Urteile vom 7. November 1985 - 6 AZR 169/84 - zur Veröffentlichung vorgesehen und vom 5. September 1985 - 6 AZR 86/82 - AP Nr. 1 zu § 1 BUrlG Treueurlaub) hat für den Fall, daß der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch erfolglos geltend gemacht hatte und dem Arbeitgeber die Erteilung des Urlaubs möglich war, angenommen, der Arbeitgeber habe für die infolge Zeitablaufs eingetretene Unmöglichkeit, als welche das Erlöschen des Urlaubsanspruchs anzusehen sei, einzustehen (§ 286 Abs. 1, § 280 Abs. 1, § 287 Satz 2 BGB). An die Stelle des ursprünglichen Urlaubsanspruchs trete in diesem Fall als Schadenersatzanspruch (§ 249 Satz 1 BGB) ein Urlaubsanspruch (Ersatzurlaubsanspruch) in gleicher Höhe. Der erkennende Senat folgt dieser Auffassung.
2. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs sind jedoch nur für den Zusatzurlaub 1979 erfüllt. Nur insoweit befand das beklagte Land sich mit der Gewährung des Urlaubs in Leistungsverzug.
a) Nach § 284 Abs. 1 BGB bedarf es zur Herbeiführung des Verzugs einer Mahnung des Gläubigers, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt. In der vom Landesarbeitsgericht festgestellten schriftlichen Geltendmachung des Urlaubsanspruchs für 1979 ist eine solche Mahnung zu sehen.
b) Demgegenüber hat der Kläger den Zusatzurlaub für 1980 nicht in einer den Verzug des beklagten Landes begründenden Weise geltend gemacht. Darin, daß der Kläger, wie er behauptet, ab Dezember 1978 ständig auf das laufende Anerkennungsverfahren und damit verbunden auf seine Zusatzurlaubsansprüche hingewiesen hat, kann eine Mahnung bezüglich des Zusatzurlaubs 1980 nicht gesehen werden. Eine Mahnung muß bestimmt und eindeutig sein. Sie erfordert zwar keine Fristsetzung oder Androhung bestimmter Folgen, sie muß aber erkennen lassen, daß das Ausbleiben der Leistung Folgen haben wird (vgl. BGH LM Nr. 1 zu § 284 BGB; Palandt/Heinrichs, BGB, 45. Aufl., § 284 Anm. 3 b). Die in der Mahnung zum Ausdruck kommende Aufforderung an den Schuldner muß dahin zu verstehen sein, daß die geschuldete Leistung nunmehr unverzüglich zu bewirken ist (vgl. Jauernig/Vollkommer, BGB, 3. Aufl., § 284 Anm. 4). Diese Voraussetzungen erfüllten die ständigen Hinweise auf das Anerkennungsverfahren und die Zusatzurlaubsansprüche nicht. Jedenfalls wenn ein Arbeitnehmer erstmals Zusatzurlaub verlangt, muß er ihn gegenüber dem Arbeitgeber ausdrücklich geltend machen, d. h. er muß sich auf seine Schwerbehinderteneigenschaft berufen und außerdem verlangen, daß der Arbeitgeber ihm Zusatzurlaub gewährt, und zwar für ein bestimmtes Urlaubsjahr (BAG 37, 379, 381 = AP Nr. 3 zu § 44 SchwbG, zu 3 a der Gründe; BAG 22, 85, 88 = AP Nr. 1 zu § 7 BUrlG Urlaubsjahr, zu 1 der Gründe).
3. Für das von ihm nach § 287 Satz 2 BGB zu vertretende Erlöschen des Zusatzurlaubs 1979 hat das beklagte Land den Kläger nach § 251 BGB in Geld zu entschädigen. Denn nachdem das Arbeitsverhältnis am 31. Dezember 1981 beendet wurde, ist die nach § 249 Satz 1 BGB zunächst geschuldete Gewährung von Ersatzurlaub unmöglich geworden. Der Höhe nach beläuft der Anspruch sich auf 621,50 DM. Dabei geht der Senat von der unstreitigen Höhe des Abgeltungsanspruchs aus. Diese betrug für zunächst 14 Urlaubstage 1.450,-- DM. Nachdem der Kläger die Klage um den Betrag für zwei Urlaubstage ermäßigt hatte, ging das Berufungsgericht, wie sich aus der Streitwertfestsetzung im angefochtenen Urteil ergibt, von einem restlichen Abgeltungsbetrag von 1.243,-- DM für die Jahre 1979 und 1980 und somit von einem gleichen Betrag für alle abzugeltenden Urlaubstage aus. Auf die sechs Zusatzurlaubstage für das Jahr 1979 entfällt somit die Hälfte von 1.243,-- DM = 621,50 DM.
Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer
Neuroth Dr. Johannsen
Fundstellen
Haufe-Index 441727 |
BAGE 52, 254-258 (LT) |
BAGE, 254 |
BB 1986, 2270-2270 (LT1) |
NZA 1987, 98-99 (LT1) |
RdA 1986, 405 |
AP § 44 SchwbG (LT1), Nr 5 |
AR-Blattei, ES 1440 Nr 85 (LT) |
AR-Blattei, Schwerbehinderte Entsch 85 (LT) |
EzA § 44 SchwbG, Nr 5 (LT) |
PersV 1991, 189 (K) |