Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzschutz für angerechnete Vordienstzeiten
Leitsatz (amtlich)
- Der gesetzliche Insolvenzschutz erstreckt sich nur auf solche Versorgungsanwartschaften, die nach dem Gesetz unverfallbar geworden sind.
- Hat der insolvent gewordene Arbeitgeber die Berücksichtigung von Vordienstzeiten zugesagt, so ist das für die allein Insolvenzschutz genießende gesetzliche Unverfallbarkeit ohne Bedeutung.
Normenkette
BetrAVG § 7 Abs. 2, § 2 Abs. 2, § 1 Abs. 1, §§ 25-26, 32 S. 2
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 28.10.1987; Aktenzeichen 7/2 Sa 401/87) |
ArbG Köln (Urteil vom 21.01.1987; Aktenzeichen 7 Ca 8807/86) |
Tenor
- Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 28. Oktober 1987 – 7/2 Sa 401/87 – wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob der beklagte Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) Versicherungsschutz für eine Versorgungsanwartschaft gewähren muß, die nur durch Anrechnung von Vordienstzeiten unverfallbar geworden ist.
Die im Jahre 1924 geborene Klägerin war vom 25. November 1969 bis zum 30. Oktober 1971 bei der A… AG als Montiererin beschäftigt. Sie wurde wegen Arbeitsmangels entlassen und war vom 31. Oktober 1971 bis zum 28. Februar 1973 arbeitslos. Seit dem 1. März 1973 stand sie erneut in den Diensten der A… AG, die inzwischen in die A… umgewandelt worden ist. Am 31. Dezember 1984 wurde sie in den Ruhestand versetzt.
Die A… gewährt Leistungen der betrieblichen Alterversorgung. Diese richtet sich nach den Bestimmungen für die Ruhegeld-Einrichtung der A… AG vom 16. November 1951 in der Fassung vom Januar 1976 (RGE). Diese Betriebsvereinbarung wurde durch eine neue Betriebsvereinbarung Versorgungsbestimmungen der A… AG (VB) mit Wirkung vom 1. Juni 1981 abgelöst. In den Versorgungsordnungen ist die Anrechnung von Vordienstzeiten sowie die Berücksichtigung von Zeiten der Arbeitslosigkeit vorgesehen, wenn der Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen entlassen wurde und innerhalb bestimmter Fristen wieder eingestellt wird.
Am 31. Oktober 1982 wurde über das Vermögen der A… AG das Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses eröffnet. Nach dem gerichtlich bestätigten Vergleich werden Ansprüche auf Betriebsrenten sowie aus verfallbaren und unverfallbaren Anwartschaften sich ergebende Betriebsrenten zu den nach dem Inhalt der Zusage maßgeblichen Voraussetzungen und Terminen in Höhe von 40 v. H. der ohne den Vergleich zu diesen Terminen geschuldeten Beträge erfüllt. Danach zahlt die A… eine Rente von 169,80 DM monatlich. Der beklagte PSV weigerte sich, die Insolvenzsicherung der Ausfallquote zu übernehmen, weil die Klägerin am 31. Oktober 1982 keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft besaß.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte müsse die Vordienstzeit berücksichtigen. Nach der Betriebsvereinbarung von 1951 sei die Versorgungsanwartschaft nie erloschen, vielmehr habe immer eine Anrechungspflicht für die A… AG bestanden. Schließlich ergebe sich aus der weitergedachten Rechtsprechung des Senats, daß sämtliche Vordienstzeiten auch vom Beklagten angerechnet werden müssen. Wenn die Vordienstzeiten angerechnet würden, könne sie von dem Beklagten eine monatliche Rente von 88,90 DM verlangen.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 1. Januar 1985 eine monatliche Rente von 88,90 DM zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geleugnet, daß er zur Anrechnung der Vordienstzeit verpflichtet ist.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren Revision, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Der beklagte PSV braucht der Klägerin wegen ihres Versorgungsausfalles keine Insolvenzsicherung zu gewähren. Die Klägerin besaß bei Eintritt des Sicherungsfalles keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft.
1. Die Versorgungsanwartschaft der Klägerin war nicht kraft Gesetzes gegen Insolvenz geschützt.
Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG erhalten Personen, die bei Eintritt eines Sicherungsfalles eine nach § 1 BetrAVG unverfallbare Versorgungsanwartschaft haben, bei Eintritt des Versorgungsfalles einen Anspruch gegen den Pensions-Sicherungs-Verein.
a) Ein Sicherungsfall ist am 31. Oktober 1982 eingetreten. Zu den Sicherungsfällen gehört die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Konkurses (§ 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BetrAVG). Über das Vermögen der Versorgungsschuldnerin ist das gerichtliche Vergleichsverfahren eröffnet worden.
b) Die Klägerin besaß bei Eintritt des Sicherungsfalles keine aufgrund des Gesetzes unverfallbare Versorgungsanwartschaft. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG wird eine Versorgungsanwartschaft unverfallbar, wenn der Arbeitnehmer bei Eintritt des Sicherungsfalles das 35. Lebensjahr vollendet und entweder die Versorgungszusage für ihn zehn Jahre bestanden hat oder die Versorgungszusage drei Jahre bestanden hat und der Beginn der Betriebszugehörigkeit mindestens zwölf Jahre zurückliegt. Keine dieser Voraussetzungen erfüllt die Klägerin.
Bei der erstmaligen Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahre 1971 war das Betriebsrentengesetz von 1974 noch nicht in Kraft getreten. Eine rückwirkende Anwendung scheidet aus (§ 26 BetrAVG). Auch nach den von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätzen war die Versorgungsanwartschaft nicht unverfallbar (BAGE 24, 177 = AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt), da die Klägerin noch nicht auf eine zwanzigjährige Betriebszugehörigkeit zurückblicken konnte.
In dem zweiten Arbeitsverhältnis bestand für die Klägerin eine Versorgungszusage im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur rund neuneinhalb Jahre. Auch die zweite Fallgestaltung von § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG ist nicht gegeben. Die Klägerin besaß zwar mehr als drei Jahre eine Versorgungszusage. Aber selbst wenn ihre Betriebszugehörigkeitszeiten zusammengerechnet würden, erreichte sie keine zwölfjährige Betriebszugehörigkeit, sondern nur eine solche von elf Jahren, sechs Monaten und fünf Tagen.
c) Die Klägerin könnte die gesetzlichen Voraussetzungen der Unverfallbarkeit nur erfüllen, wenn die Zusagezeiten aus dem ersten und zweiten Arbeitsverhältnis zusammengerechnet werden könnten. Dies ist jedoch nicht möglich. Eine Versorgungszusage endet grundsätzlich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAGE 34, 123, 126 = AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Wartezeit, zu I 2 der Gründe; BAG Urteile vom 9. März 1982 – 3 AZR 389/79 – AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Wartezeit, zu IIb der Gründe; vom 29. September 1987 – 3 AZR 99/86 – AP Nr. 17 zu § 1 BetrAVG, zu 1 der Gründe; Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 1 Rz 72).
d) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Versorgungszusage, die ihr bei Begründung des Arbeitsverhältnisses am 25. November 1969 erteilt worden ist, auch nicht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufrechterhalten worden. Allerdings ist in der Versorgungsordnung der A… AG vorgesehen, daß bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses wegen Arbeitsmangels bei einer späteren Begründung des Folgearbeitsverhältnisses die Vordienstzeit angerechnet wird (§ 3 B I 2; II 2 RGE vom 16. November 1951). In § 3 B II 7 RGE wird sogar vorgesehen, daß bei Lösung des Arbeitsverhältnisses wegen Arbeitsmangel die Zwischenzeiten angerechnet werden. Es ist jedoch ausgeschlossen hieraus zu folgern, daß die Versorgungszusage weiterbestanden hat. Im Gegenteil geht die Versorgungsordnung davon aus, daß bei Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses eine neue Versorgungszusage erteilt werden muß. Lediglich die erbrachte Betriebstreue wird angerechnet, wenn es zu einer späteren Neubegründung des Arbeitsverhältnisses mit einer Versorgungszusage kommt.
2. Die von der A… AG vorgenommene Anrechnung von Vordienstzeiten kann den gesetzlichen Insolvenzschutz nicht auslösen.
a) Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG genießen nur Personen Insolvenzschutz, die bei Eintritt des Insovenzfalles eine nach § 1 BetrAVG unverfallbare Versorgungsanwartschaft haben. Nach dem Wortlaut des Gesetzes sollen nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen unverfallbar gewordene Anwartschaften gegen Insolvenz gesichert werden. Die Vorschriften über die Insolvenzsicherung betrieblicher Ruhegeldleistungen und Versorgungsanwartschaften waren im Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 28. September 1973 (BR- Drucks. 590/73) noch nicht enthalten. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde ein Forschungsgutachten “Die Insolvenzsicherung von Ruhegeldansprüchen auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung” erstellt. In ihm wurde vorgeschlagen, sowohl fällige Versorgungsansprüche wie unverfallbare Versorgungsanwartschaften zu sichern. Die Unverfallbarkeit sollte sich nach den Bestimmungen der Pensionszusage, mindestens nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften richten. Der Gesetzgeber ist dieser Anregung nicht gefolgt. Vielmehr heißt es in Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit- und Sozialordnung vom 22. November 1974 (BT-Drucks. 7/2843, S. 8), daß durch (jetzt) § 7 Abs. 2 BetrAVG auch die Personen in den Insolvenzschutz einbezogen werden, die bei Eintritt des Sicherungsfalles noch keine betriebliche Altersversorgung beziehen, sondern lediglich Versorgungsanwartschaften erworben haben. Umfang und Höhe dieser Versorgungsanwartschaften richten sich weitgehend nach den Voraussetzungen der Berechnung der gesetzlichen Unverfallbarkeit.
b) Der Senat hat der vertraglichen Berücksichtigung der Vordienstzeiten für die gesetzliche Unverfallbarkeit nur dann Bedeutung beigemessen, wenn die angerechneten Vordienstzeiten von Versorgungszusagen begleitet waren und im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht erloschen sind, sondern bis an das Arbeitsverhältnis mit der zu schützenden Versorgungsanwartschaft heranreichen (BAGE 31, 45 = AP Nr. 1 zu § 7 BetrAVG; 44, 1 = AP Nr. 17 zu § 7 BetrAVG). Die der Klägerin am 25. November 1969 erteilte Versorgungszusage war jedoch am 30. Oktober 1971 erloschen. Sie war zu einem späteren Zeitpunkt für den gesetzlichen Insolvenzschutz nicht mehr zu reaktivieren.
3. Der Senat kann dem Wunsch der Klägerin nicht folgen, die bisherige Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Vordienstzeiten im Rahmen des Insolvenzschutzes weiterzuentwickeln. Zwar wurden in den bislang entschiedenen Fällen sogar Dienstzeiten bei einem anderen Arbeitgeber im Rahmen des Insolvenzschutzes berücksichtigt. Im vorliegenden Fall handelt es sich dagegen um die bei der A… AG selbst verbrachten Vordienstzeiten. Doch setzt eine richterliche Rechtsfortbildung voraus, daß eine vom Gesetzgeber unerkannte Regelungslücke vorhanden ist. Hieran fehlt es, wenn die gesetzliche Regelung bewußt hinter den Vorschlägen eines Gutachtens zur Insolvenzsicherung zurückgeblieben ist. Eine weitere Ausdehnung des Gesetzes würde die Absichten des Gesetzgebers durchkreuzen.
Auch eine korrigierende Auslegung des Gesetzes ist nicht möglich. Die Ausgestaltung der Insolvenzsicherung als Mindestsicherung ist nicht willkürlich. Es bestehen sachliche Gründe, wenn das Gesetz nur im Umfang der Regeln über die gesetzliche Unverfallbarkeit Insolvenzschutz einräumt. Das Gesetz gewährleistet einen durch Beiträge der Arbeitgeber finanzierten Insolvenzschutz im Rahmen der gesetzlichen Mindestsicherung. Insoweit hat der Gesetzgeber einen weitgehenden Ermessensspielraum in der Bewertung der Interessen.
4. Soweit die Klägerin Erwägungen über den Wert der Versorgungsanwartschaft anstellt, braucht der Senat hierauf nicht einzugehen. Die Klägerin besaß keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft. Auf ihre Erwägungen zur Wertberechnung kommt es daher nicht an.
Unterschriften
Dr. Heither, Schaub, Griebeling, Heimann, Halberstadt
Fundstellen
Haufe-Index 872074 |
BAGE, 47 |
JR 1990, 396 |
RdA 1990, 63 |
ZIP 1990, 194 |