Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen mangelnden Bedarfs (Abs. 4 Ziff. 2 EV)
Leitsatz (amtlich)
- Erfordert eine Kündigung nach dem Einigungsvertrag wegen mangelnden Bedarfs eine Auswahlentscheidung, so muß diese nach billigem Ermessen unter ausreichender Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte erfolgen (im Anschluß an BAG Urteil vom 19. Januar 1995 – 8 AZR 814/93 – EzA Art. 20 Einigungsvertrag Nr. 43).
- Zur ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung vor Ausspruch der Kündigung gehört die Mitteilung der Auswahlüberlegungen, die der Arbeitgeber angestellt hat. Beruft er sich auf eine Auswahl nach sozialen Kriterien, hat er der Personalvertretung auch die von ihm herangezogenen Sozialdaten der aufgrund der Auswahl nicht betroffenen Arbeitnehmer anzugeben (Fortsetzung der Rechtsprechung im Urteil vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 1019/94 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
Normenkette
Einigungsvertrag Art. 20 Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2; BGB §§ 242, 315; SächsPersVG §§ 76, 78
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 16. August 1994 – 5 Sa 204/94 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin (geboren am 27. Februar 1951) war seit 4. Juni 1976 als Kindergärtnerin in der Kindertagesstätte “G…” der Beklagten zu einem monatlichem Bruttoverdienst von zuletzt 3.089,00 DM beschäftigt. Von den hier beschäftigten 19 Erzieherinnen wurde 3 Arbeitnehmerinnen, darunter der Klägerin, gekündigt, während andere Kindergärtnerinnen, darunter die Arbeitnehmerinnen A… B… (zur Zeit der Kündigung 28 Jahre alt, acht Jahre Betriebszugehörigkeit) und Frau H… (33 Jahre alt, 13 Jahre Betriebszugehörigkeit) nach Angabe der Klägerin weiterbeschäftigt wurden. Mit Schreiben vom 12. März 1993 informierte der Bürgermeister der Beklagten den Personalrat über die beabsichtigte Kündigung von 16 Mitarbeitern in Kindertageseinrichtungen, unter anderem der Klägerin, und zwar unter Beifügung einer Liste der zu kündigenden Arbeitnehmerinnen mit Angabe der Sozialdaten. In dem Anhörungsschreiben heißt es einleitend:
“Mit der Schließung der drei Kindereinrichtungen zum 31. Juli 1993, sowie der rückläufigen Kinderzahlen und unter Beachtung sozialer Kriterien, ist die Kündigung folgend aufgeführter Mitarbeiter unumgänglich …”
Mit Schreiben vom 23. März 1993 teilte der Personalrat mit, er stimme den beabsichtigten Kündigungen im Erzieherbereich zu. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 24. März 1993 das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. September 1993 gemäß Einigungsvertrag Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2 (im folgenden: Abs. 4 Ziff. 2 EV) auf.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Kündigung sei ungerechtfertigt, da mangelnder Bedarf nicht vorliege; der Hinweis auf den Personalschlüssel nach Maßgabe der Betriebskostenverordnung und des Sächsischen Kindertagesstättengesetzes sei nicht ausreichend. Jedenfalls sei die Kündigung nicht unter Beachtung sozialer Auswahlkriterien erfolgt; andere Mitarbeiterinnen seien in andere Einrichtungen umgesetzt worden, während ihr, der Klägerin, gekündigt worden sei.
Darüber hinaus hat die Klägerin die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrats bestritten; dieser sei nicht imstande gewesen, die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmerinnen nachzuvollziehen, da eben nur deren Sozialdaten, nicht jedoch die der übrigen vergleichbaren Arbeitnehmerinnen vorgelegen hätten.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 24. März 1993 zum 30. September 1993 nicht beendet worden ist,
- die Beklagte zu verurteilen, sie, die Klägerin, über den 30. September 1993 hinaus zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat sich auf mangelnden Bedarf berufen; wegen der schon seit längerer Zeit rückläufigen Kinderzahlen habe sie per 31. Juli 1993 drei Kindertagesstätten schließen müssen, weshalb das Personal laufend abgebaut worden sei. So seien 1990 noch 91 Arbeitnehmerinnen, 1992 noch 62 und 1993 nur noch 46 Arbeitnehmerinnen beschäftigt worden. In den weitergeführten Kindertagesstätten habe sich nach dem Personalschlüssel ein erheblicher Personalüberhang ergeben. Die Kindertagesstätte der Klägerin sei um drei Arbeitskräfte überbesetzt gewesen, so daß das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin habe gekündigt werden müssen. Dieser Sachverhalt sei auch dem Personalrat mitgeteilt worden, dem auch die Kriterien für die personelle Auswahl und die Sozialdaten der zu kündigenden Arbeitnehmerinnen mitgeteilt worden seien; ferner habe am 15. März 1993 eine Erörterung mit dem Personalrat stattgefunden, wobei alle für und gegen die Kündigungen sprechenden Umstände berücksichtigt worden seien. Aus dem Protokoll der Personalratssitzung vom 23. März 1993 gehe hervor, daß der Beschluß des Stadtparlaments zur Schließung von drei Kindereinrichtungen sowie statistische Ermittlungen über rückläufige Kinderzahlen und den damit verbundenen Bedarf an Erziehern vorgelegen hätten.
Das Arbeitsgericht hat den Klageanträgen stattgegeben. Die Berufung der beklagten Stadt ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt diese ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Die Kündigung ist nach § 78 Abs. 3 SächsPersVG unwirksam.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Es könne dahinstehen, ob die Kündigung wegen mangelnden Bedarfs nach Abs. 4 Ziff. 2 EV gerechtfertigt sei, denn sie sei jedenfalls wegen nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats unwirksam, §§ 76, 78 SächsPersVG. Dem Personalrat seien nämlich nicht alle Auswahlüberlegungen der Beklagten mitgeteilt worden, so daß der Personalrat nicht in der Lage gewesen sei, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über seine Stellungnahme schlüssig zu werden.
II. Dieser Entscheidung tritt der Senat bei. Die Revision rügt zu Unrecht, das Landesarbeitsgericht habe die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers gegenüber dem Personalrat hinsichtlich der von ihm berücksichtigten bzw. zu berücksichtigenden sozialen Auswahlgesichtspunkte bei der Kündigung der Klägerin überspannt.
1. Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, daß die Beteiligungsrechte des Personalrats auch bei Kündigungen, die auf Abs. 4 EV gestützt werden, zu beachten sind, denn die gesetzlichen Bestimmungen des Personalvertretungsrechts sind keine eigenständigen oder abweichenden Regelungen im Sinne der Anlage I zum Einigungsvertrag, so daß sie von den Sonderkündigungsregelungen des Einigungsvertrages nicht verdrängt werden (ständige Rechtsprechung des BAG seit Urteil vom 23. September 1993 – 8 AZR 262/92 – AP Nr. 9 zu Art. 20 Einigungsvertrag). Das sieht auch die beklagte Stadt nicht anders, sondern der Streit der Parteien geht nur darum, wie weit die Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Personalrat bei einer auf mangelnden Bedarf nach Abs. 4 Ziff. 2 EV gestützten Kündigung geht.
2. Dabei ist vorliegend zunächst zu beachten, daß es nicht um die Darlegung von sozialen Auswahlgesichtspunkten nach § 1 Abs. 3 KSchG gehen kann, denn diese Bestimmung ist bei einer auf Abs. 4 Ziff. 2 EV gestützten Kündigung nicht anwendbar; vielmehr hat der Arbeitgeber lediglich bei der Auswahl zu kündigender Arbeitnehmer Billigkeitsgesichtspunkte im Sinne der §§ 315, 242 BGB zu berücksichtigen (BAG Urteile vom 24. September 1992 – 8 AZR 557/91 -BAGE 71, 221 = AP Nr. 3 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX und vom 19. Januar 1995 – 8 AZR 914/93 – EzA Einigungsvertrag Art. 20 Nr. 43, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Senatsurteil vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 1019/94 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, bestimmt zu B II 1 der Gründe).
a) Daraus ergibt sich, was die Beteiligung des Personalrats überhaupt angeht, nicht etwa von vornherein eine mangelnde Zuständigkeit und Kompetenz des Personalrats. Das Bundesarbeitsgericht hat nämlich – und das sieht wohl auch die Revision nicht anders – in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß der Betriebs- bzw. Personalrat auch bei solchen Kündigungen zu beteiligen ist, die nicht unter den Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes fallen (Urteile vom 13. Juli 1978 – 2 AZR 717/76 und 798/77 – BAGE 30, 386 und 31, 1 = AP Nr. 17 und 18 zu § 102 BetrVG 1972; zuletzt Senatsurteil vom 18. Mai 1994 – 2 AZR 920/93 – AP Nr. 64, aaO, zu II 3 der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen), wobei hier im übrigen nach der genannten Rechtsprechung nur § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG durch die Sonderbestimmungen des Einigungsvertrages ersetzt wird. Auch in diesen Fällen hat der Arbeitgeber den als maßgebend erachteten Sachverhalt unter Angabe von Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluß hergeleitet wird, näher so zu beschreiben, daß der Betriebs- bzw. Personalrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen, um sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden. Zu diesen für den Kündigungsentschluß maßgebenden und deshalb auch dem Personalrat mitzuteilenden Gründen zählen auch die bei einer Kündigung herangezogenen Auswahlgesichtspunkte (Senatsurteile vom 29. März 1984 – 2 AZR 429/83 (A) – BAGE 45, 277, 288 f. = AP Nr. 31, aaO, zu III 5b der Gründe und vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 1019/94 –, aaO; BAG Urteil vom 16. Januar 1987 – 7 AZR 495/85 – EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 48, zu 2 der Gründe), denn erst damit wird der allgemeine Kündigungsentschluß personalisiert (Senatsurteil vom 24. März 1983 – 2 AZR 21/82 – BAGE 42, 151 = AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).
b) Davon geht auch das Landesarbeitsgericht aus, das im übrigen den nach §§ 315, 242 BGB eingeschränkten Prüfungsmaßstab beachtet, wenn es ausführt, die Beklagte habe derartige Billigkeitsgesichtspunkte nach ihrer subjektiven Vorstellung dem Personalrat mitteilen müssen. Aus dem Schreiben des Bürgermeisters vom 12. März 1993 an den Personalrat ergebe sich, daß die Beklagte die Auswahlentscheidung unter Beachtung sozialer Kriterien vorgenommen habe; dem Personalrat seien jedoch nur die Sozialdaten (Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Kündigungsfrist) der zu kündigenden, nicht jedoch derjenigen Beschäftigten, die im Dienst verbleiben sollten, mitgeteilt worden. Damit habe sich der Personalrat kein Bild darüber machen können, ob soziale Gesichtspunkte bei der Auswahlentscheidung tatsächlich berücksichtigt worden seien; dies wäre nur möglich gewesen, wenn die Vergleichsdaten der übrigen im Bereich der Kindertageseinrichtungen beschäftigten, vergleichbaren Arbeitnehmer dem Personalrat ebenfalls mitgeteilt worden wären. Da dies nicht geschehen sei, sei der Personalrat unvollständig und damit nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden.
c) Dazu rügt die Revision, der Arbeitgeber habe die Gründe für die soziale Auswahl von sich aus nur mitzuteilen, wenn er die Auswahl tatsächlich nach sozialen Gesichtspunkten vorgenommen habe; im Schreiben vom 12. März 1993 seien aber nach der Feststellung, die Auswahl habe “unter Beachtung sozialer Kriterien” stattgefunden, genau die Kriterien der zu kündigenden Arbeitnehmer mitgeteilt worden, die aus Sicht des Arbeitgebers maßgeblich waren. Anhaltspunkte, daß die Gesamtheit aller vergleichbaren Mitarbeiterinnen hätte in Betracht gezogen werden müssen, ergäben sich nicht.
Richtig daran ist, daß soziale Auswahlgesichtspunkte nur mitzuteilen sind, wenn tatsächlich eine Sozialauswahl stattgefunden hat (BAG Urteil vom 16. Januar 1987 – 7 AZR 495/85 – EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 48, zu 2 der Gründe). Das folgt aus dem Grundsatz der subjektiven Determination der vom Arbeitgeber mitzuteilenden Kündigungsgründe. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat bzw. dem Personalrat lediglich die Gründe mitzuteilen, die nach seiner Auffassung die Auswahl rechtfertigen (Senatsurteil vom 29. März 1984 – 2 AZR 429/83 (A) – BAGE 45, 277 = AP Nr. 31 zu § 102 BetrVG 1972, mit Anm. von Hoyningen-Huene; siehe auch Bitter, NZA Beilage 3/1991, S. 16 f., 20; Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 1 Rz 488, 489; KR-Etzel, 3. Aufl., § 102 BetrVG Rz 62e). An diesem Grundsatz der subjektiv bestimmten Kündigungsgründe hat der Senat auch in der Folgezeit festgehalten (Senatsurteil vom 22. September 1994 – 2 AZR 31/94 – AP Nr. 68, aaO). Wenn die Beklagte erstmals mit der Revision geltend macht, eine derartige Auswahl habe es nicht gegeben, so steht das im Widerspruch zu den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die für den Senat nach § 561 ZPO verbindlich sind.
Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, daß nach vorhergehenden Personalreduzierungen in den Jahren 1990 und 1992 der Personalbestand im Kindergartenbereich 1993 von 46 um 16 Kindergärtnerinnen reduziert werden sollte, wovon drei aus dem Kreis der 19 Erzieherinnen der Beschäftigungsstelle der Klägerin (“G…”) stammten. Daraus folgt zunächst einmal, daß die Beklagte nicht nur die Klägerin aus dem Kreis ihrer unmittelbaren Kolleginnen, sondern auch aus dem Kreis aller Mitarbeiterinnen im Erzieherbereich objektiv ausgewählt hat. Daß sie dies auch subjektiv, d. h. mit der konkreten Absicht getan hat, die Klägerin und nicht etwa z. B. die benannten Arbeitnehmerinnen A… B… und Frau H… auszusuchen, ergibt sich, worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist, schon aus dem Anhörungsschreiben vom 12. März 1993, wonach die Kündigung der aufgeführten Mitarbeiter “unter Beachtung sozialer Kriterien” erfolgen sollte. Auch die Revision spricht insoweit von einer ”Auswahl unter Beachtung sozialer Kriterien”, wenn sie die Kriterien auch nur auf die später gekündigten Arbeitnehmerinnen bezogen wissen will. Die Tatsache der Auswahl im Sinne einer Abgrenzung, wer zur Kündigung anstehe und wer nicht, wird damit nicht bestritten. Erstinstanzlich hat die Beklagte auch vortragen lassen, nicht willkürlich gehandelt und der Klägerin etwa bewußt vorsätzlich gekündigt zu haben, weil sie sozial schutzwürdiger sei. Mit anderen Worten: Die Beklagte hat sich selbst darauf berufen, sachliche Kriterien bei der Kündigungsmaßnahme, also bei der Bestimmung der zu kündigenden Arbeitnehmerinnen, beachtet zu haben. Diese hat sie aber dem Personalrat nicht benannnt, so daß dieser nicht in der Lage war – wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt –, die Auswahlentscheidung wenigstens nach Billigkeitsgesichtspunkten nachzuprüfen. Gerade deshalb wird aber dem Personalrat in § 78 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SächsPersVG ein Mitbestimmungsrecht bei Kündigungen eingeräumt. Es ist Sinn dieser Vorschrift – ebenso wie des vergleichbaren § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG –, dem Personal- bzw. Betriebsrat ein Widerspruchsrecht eben wegen unzutreffender sozialer Auswahl einzuräumen, um damit Einfluß auf den Arbeitgeber auszuüben, die Kündigungsabsicht zu überdenken. Das wird dem Personalrat jedoch nicht ermöglicht, wenn ihm weder die Auswahlkriterien noch überhaupt die herangezogenen Sozialdaten vergleichbarer Arbeitnehmer mitgeteilt werden. Er kann dann nicht überprüfen, ob Billigkeitsgesichtspunkten im Sinne der §§ 315, 242 BGB, wie sie hier nach den Ausführungen zu II 2 zu berücksichtigen sind, Rechnung getragen worden ist. Dies war für ihn nur erkennbar, wenn die eventuell gegen die Klägerin sprechenden Gesichtspunkte denen vergleichbarer, bei der Beklagten verbliebener Arbeitnehmerinnen gegenübergestellt wurden. Insofern mag es sein, daß der Arbeitgeber möglicherweise nicht verpflichtet ist, dem Betriebs- bzw. Personalrat eine Liste sämtlicher als eventuell vergleichbar in Betracht kommender Arbeitnehmer auszuhändigen (vgl. dazu Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 3. Aufl., § 102 Rz 27; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 79 Rz 31, 32; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 102 Rz 16a, 17; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 102 Rz 37; KR-Etzel, 3. Aufl., § 102 BetrVG Rz 62e; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 5. Aufl., Rz 275). Soll dem Personalrat aber eine Prüfung und Abwägung in dem vorstehend gekennzeichneten Sinne ermöglicht werden, so kommt der Arbeitgeber nicht umhin, ihm die Personaldaten der von ihm für vergleichbar gehaltenen Arbeitnehmer und die von ihm praktizierten Abwägungskriterien, nämlich wie u. a. Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten sowie eventuell besondere betriebliche Belange gewichtet worden sind, mitzuteilen.
Daß eine solche Mitteilung erfolgt sei, wird auch mit der Revision nicht geltend gemacht. Insbesondere wird mit der Revision nicht gerügt, es sei etwa erstinstanzlich vorgetragen worden, dem Personalrat sei die Sozialauswahl des gesamten Erzieherpersonals vorgelegt worden; insoweit liegt eine ordnungsgemäße formelle Rüge etwa übergangenen Sachvortrags gemäß § 554 Abs. 3 ZPO nicht vor. Es erübrigt sich daher, darauf einzugehen, ob dieser frühere Sachvortrag überhaupt substantiiert genug war, woran erhebliche Zweifel bestehen, weil die Beklagte immer argumentiert hat, die Mitteilung der Sozialdaten nur der zu kündigenden Mitarbeiterinnen reiche aus.
d) Demnach bleibt festzuhalten, daß sich die vorliegende Fallkonstellation wesentlich von derjenigen des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Januar 1987 (– 7 AZR 495/85 – EzA, aaO) unterscheidet, indem der Arbeitgeber dort dem Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung mitteilte, eine soziale Auswahl sei nicht vorzunehmen, weil kein mit dem betroffenen Arbeitnehmer vergleichbarer anderer Arbeitnehmer vorhanden sei. Außerdem war damals unstreitig, daß der Arbeitgeber Überlegungen zur Sozialauswahl nicht angestellt hatte. Demgegenüber ist hier davon auszugehen, daß eine Auswahl der betroffenen 16 Arbeitnehmerinnen aus dem Kreis der vergleichbaren 46 Kindergärtnerinnen stattgefunden hat und zwar, wie die Beklagte dem Personalrat mitgeteilt hat, unter Beachtung sozialer Kriterien. Inwiefern letzteres wirklich geschehen sei, ist dem Personalrat entgegen §§ 73 Abs. 2, 76, 78 Abs. 1 SächsPersVG nicht mitgeteilt worden.
Damit erweist sich die rechtliche Schlußfolgerung des Landesarbeitsgerichts als zutreffend, daß mangels ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats die Kündigung nach § 78 Abs. 3 SächsPersVG unwirksam ist. Dieser Mangel wurde auch nicht etwa dadurch geheilt, daß der Personalrat der Kündigung der Klägerin zustimmte, denn es läßt sich nicht ausschließen, daß dessen Stellungnahme – insbesondere im Hinblick auf § 78 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SächsPersVG – anders ausgefallen wäre, wenn die Beklagte ihn ordnungsgemäß über die von ihr herangezogenen Sozialdaten vergleichbarer Arbeitskolleginnen der Klägerin informiert hätte (vgl. BAG Urteile vom 4. August 1975 – 2 AZR 266/74 – BAGE 27, 209 = AP Nr. 4 zu § 102 BetrVG 1972; vom 28. September 1978 – 2 AZR 2/77 – BAGE 31, 83, 89 = AP Nr. 19, aaO, zu III 2a der Gründe und vom 9. Oktober 1986 – 2 AZR 649/85 – RzK I 5d Nr. 16; vgl. ferner KR-Becker, 3. Aufl., § 1 KSchG Rz 139; KR-Etzel, aaO, § 102 BetrVG Rz 112).
Unterschriften
Etzel, Bitter, Bröhl, Thelen, Mauer
Fundstellen
Haufe-Index 871611 |
BAGE, 199 |
BB 1995, 2376 |
BB 1996, 1222 |
NZA 1996, 703 |