Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung. Diplomlehrer des Marxismus-Leninismus
Leitsatz (redaktionell)
Keine Eingruppierung eines Diplom-Lehrers des Marxismus-Leninismus in VergGr. III BAT-O (im Anschluß an das Urteil des Sechsten Senats vom 7. August 1997 – 6 AZR 716/95 – AP Nr. 62 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer)
Normenkette
BAT §§ 22, 23 Lehrer; BAT-O § 11 S. 2; Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum BAT-O § 2 Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 17. Januar 1996 – 10 Sa 861/95 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 18. Mai 1995 – 17 Ca 7575/94 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers und den sich daraus ergebenden Restvergütungsanspruch.
Der Kläger absolvierte an der Karl-Marx-Universität Leipzig ein Hochschulstudium. Aufgrund eines am 31. Oktober 1971 bestandenen Staatsexamens erlangte er den akademischen Grad eines Diplom-Lehrers des Marxismus-Leninismus. Hierzu wurde der Kläger in den Fächern Dialektischer und Historischer Materialismus, Politische Ökonomie, Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Systematische Pädagogik der Erwachsenenbildung, Methodik des gesellschaftlichen Unterrichts, Russisch und Wissenschaftlicher Sozialismus geprüft.
Der Kläger war in der kaufmännischen Berufsschule D. beschäftigt und unterrichtete in den Fächern Gesellschaftskunde und Wirtschaftslehre.
Auf das Rechtsverhältnis der Parteien fand kraft Tarifbindung der BAT-O Anwendung. Am 25. September 1991 schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag. Nach dessen § 3 gilt für die Eingruppierung der zutreffende Abschnitt der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) für die von der Anlage 1 a nicht erfaßten Angestellten, die unter den Geltungsbereich des BAT-O fallen, in der jeweiligen Fassung. Danach ist der Kläger in der Vergütungsgruppe IV a BAT-O eingruppiert worden.
Der Kläger ist am 31. März 1992 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Er begehrt für die Zeit vom 1. Juli 1991 bis zum 31. März 1992 die Eingruppierung in die VergGr. III BAT-O und die Zahlung einer Vergütungsdifferenz in unstreitiger Höhe von 2.276,53 DM brutto.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er sei entsprechend der Besoldungsgruppe A 12 zu bezahlen, weil er als Diplomlehrer des Marxismus-Leninismus eine Ausbildung in mehreren Fächern erlangt habe.
Der Kläger hat beantragt,
der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.276,53 DM brutto nebst Zinsen zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei nicht in die VergGr. III BAT-O einzugruppieren, weil sein Ausbildungsgang in der 2. BesÜV nicht berücksichtigt sei. Erforderlich sei eine Ausbildung als Diplomlehrer in einem Unterrichtsfach, das heute noch an Berufsschulen unterrichtet werde. Dies gelte für das Fach Marxismus-Leninismus seit dem Beitritt der ehemaligen DDR nicht mehr. Der Kläger habe deshalb keine Lehrbefähigung in einem aktuellen Unterrichtsfach.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt unter Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zur Klageabweisung.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf die Eingruppierung in die VergGr. III BAT-O, so daß der Restvergütungsanspruch begründet sei. Der Kläger erfülle die Voraussetzung des § 7 Abs. 1 der Anlage 1 zur 2. BesÜV, weil er Diplomlehrer mit abgeschlossener pädagogischer Hochschulausbildung sei. Rechtlich unbeachtlich sei, daß er als Diplomlehrer des Marxismus-Leninismus das Staatsexamen in einem Fach abgelegt habe, das nicht mehr unterrichtet werde. Dem Verordnungsgeber der 2. BesÜV und den Tarifvertragsparteien sei bekannt gewesen, daß es Lehrer gebe, deren Ausbildung und Prüfung in einem nicht mehr unterrichteten Fach erfolgt sei. Gleichwohl seien diese Lehrkräfte nicht aus der VergGr. III BAT-O ausgenommen worden.
Diesen Ausführungen vermag der Senat nicht zu folgen.
II. Der Kläger hat für den Zeitraum vom 1. Juli 1991 bis 31. März 1992 weder nach den aufgrund der tariflichen Bestimmungen anzuwendenden Vorschriften der 2. BesÜV noch nach den arbeitsvertraglich vereinbarten TdL-Richtlinien einen Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. III BAT-O.
1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund beiderseitiger Tarifbindung der BAT-O und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung. Damit sind für die Eingruppierung des Klägers folgende Bestimmungen anzuwenden:
a) § 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991
…
3. Die Anlage 1 a ist, soweit sie keine besonderen Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden, die
…
als Lehrkräfte, auch wenn sie nicht unter die SR 2 II fallen,
beschäftigt sind. Diese Angestellten sind – gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien – in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde ….
b) Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 II BAT-O)
Nr. 1
Zu §§ 1 und 2 – Geltungsbereich –
Diese Sonderregelungen gelten für Angestellte als Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen und berufsbildenden Schulen (Berufs-, Berufefach- und Fachschulen)
…
Protokollnotiz:
Lehrkräfte im Sinne dieser Sonderregelungen sind Personen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes der Tätigkeit das Gepräge gibt.
Nr. 3 a
Zu §§ 23 bis 25 – Eingruppierung –
Die Lehrkräfte werden nach § 11 Satz 2 in die Vergütungsgruppen eingruppiert, die sich bei Anwendung der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung ergeben.
Soweit in der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung Ämter für entsprechende Lehrkräfte nicht ausgebracht sind, ist die Vergütung unter Berücksichtigung der Ausbildung der Lehrkraft auf der Grundlage der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung arbeitsvertraglich zu regeln.
c) Zweite Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach der Herstellung der Einheit Deutschlands (2. BeeÜV) vom 21. Juni 1991 (BGBl I S. 1345)
§ 7
Besoldungsordnungen
(1) Für Beamte an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sowie an Sonderschulen gilt ergänzend Anlage 1 dieser Verordnung ….
Anlage 1
Besoldungsgruppe A 12
Lehrer 1) 2)
– als Diplomlehrer im Unterricht nach der Klasse 10 an einer allgemeinbildenden Schule oder im allgemeinbildenden Unterricht an einer beruflichen Schule
1) Mit abgeschlossener pädagogischer Hochschulausbildung.
2) Als Eingangsamt.
…
2. Der Kläger ist Lehrkraft i.S. dieser tariflichen Bestimmungen, da er an einer beruflichen Schule des Beklagten Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes vermittelt. Seine Eingruppierung erfolgt gem. § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 in die Vergütungsgruppe, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. Dabei verweisen die Tarifvertragsparteien in Nr. 3 a Unterabs. 1 SR 2 II BAT-O auf die Vorschriften der 2. BesÜV und damit auf § 7 Abs. 1 der Anlage 1 zur 2. BesÜV, wonach Lehrer mit abgeschlossener pädagogischer Hochschulausbildung als Diplomlehrer im allgemeinbildenden Unterricht an einer beruflichen Schule in die BesGr. A 12 eingruppiert sind, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der VerGr. III BAT entspricht.
Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß der Kläger als Diplomlehrer mit abgeschlossener pädagogischer Hochschulausbildung mit allgemeinbildendem Unterricht an einer beruflichen Schule tätig war. Es hat jedoch nicht geprüft, wie es erforderlich gewesen wäre, ob der Kläger über die in der betreffenden Besoldungsgruppe genannten Merkmale hinaus in die Besoldungsgruppe A 12 eingestuft worden wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde (§ 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1). Dies ist für die Lehrbefähigung eines Diplomlehrers des Marxismus-Leninismus zu verneinen, weil die in diesem Studium gelehrten und geprüften Fächer nicht mehr unterrichtet werden. Die Ausbildung in diesen Fächern und der entsprechende Unterricht waren notwendigerweise auf das Gesellschaftssystem der ehemaligen DDR ausgerichtet. Der Beklagte hat ein entsprechendes Examen deshalb in vergütungsrechtlicher Hinsicht nicht mehr als ausreichend betrachtet und deswegen die Einstufung in die Besoldungsgruppe A 12 als ungerechtfertigt angesehen.
Diese Wertung ist rechtlich nicht zu beanstanden, weil der Verordnungsgeber der 2. BesÜV die Vergütung neben der Eignung und Befähigung auch von formalen Kriterien, wie dem Hochschulstudium und dessen Abschluß in einem Fach, das noch unterrichtet wird, abhängig machen kann (vgl. auch BAG Urteil vom 7. August 1997 – 6 AZR 716/95 – für das Fach Staatsbürgerkunde – AP Nr. 62 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer). Deshalb ist es rechtlich auch unerheblich, ob einzelne Fachrichtungen, die der Kläger ausweislich des Diplomzeugnisses studiert hat, heute noch Gültigkeit haben. Die Einstufung des Klägers in die Besoldungsgruppe A 12 aufgrund seines Hochschulabschlusses als Diplom-Lehrer für Marxismus-Leninismus wäre nicht erfolgt, so daß nach § 2 Nr. 3 Satz 2 Änderungstarifvertrag Nr. 1 auch kein Anspruch auf Eingruppierung in die VergGr. III BAT-O besteht.
3. Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen der VergGr. III BAT-O nach den arbeitsvertraglich vereinbarten TdL-Richtlinien. Diese hatten im Klagezeitraum vom 1. Juli 1991 bis 31. März 1992 folgenden Wortlaut:
E. Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis
I. Eingruppierung
Die Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis sind nach den nachstehenden Tätigkeitsmerkmalen einzugruppieren.
Soweit in den Tätigkeitsmerkmalen auf Lehrbefähigungen abgestellt wird, entscheiden die Länder darüber, ob eine in der ehemaligen DDR erworbene Lehrbefähigung als solche im Sinne des Abschnitts anerkannt werden kann.
II. Berufliche Schulen
Vergütungsgruppe III
1. Lehrer mit abgeschlossener pädagogischer Hochschulausbildung als Diplomlehrer mit der Lehrbefähigung für mindestens zwei Fächer, die allgemeinbildenden Unterricht an einer beruflichen Schule erteilen.
Die Ziff. 1 lautete ab dem 1. Januar 1992:
Lehrer mit abgeschlossener pädagogischer Hochschulausbildung als Diplomlehrer, die allgemeinbildenden Unterricht an einer beruflichen Schule erteilen.
Zwar verfügt der Kläger über eine abgeschlossene pädagogische Hochschulausbildung als Diplomlehrer und erteilt Unterricht an einer beruflichen Schule. Seine Lehrbefähigung als Diplomlehrer für Marxismus-Leninismus rechtfertigt jedoch nicht, die für Diplomlehrer in VergGr. III Fallgruppe 1 der TdL-Richtlinien vorgesehene Eingruppierung. Nach Satz 2 der Einleitung zum Abschnitt E der TdL-Richtlinien entscheiden die Länder darüber, ob eine in der ehemaligen DDR erworbene Lehrbefähigung als solche i.S. des Abschnittes E anerkannt werden kann Diese sind insoweit prüfungsbedürftig (vgl. Satz 2 der Einleitung) als es sich um ideologisch ausgerichtete Lehrbefähigungen handelt, die mit den Grundsätzen eines demokratischen Rechtsstaates nicht vereinbar sind (vgl. BAG Urteil vom 7. August 1997, aaO).
Aufgrund der in Satz 2 der Einleitung zum Abschnitt E der TdL-Richtlinien eröffneten Prüfungskompetenz hat der Beklagte die Lehrbefähigung eines Diplomlehrers des Marxismus-Leninismus vergütungsrechtlich nicht anerkannt Sie vermag deshalb eine Eingruppierung in die VergGr. III Fallgruppe 1 als Diplomlehrer nicht zu rechtfertigen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus dem § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag, Dr. Jobs, Hauck, Bacher, Burger
Fundstellen