Entscheidungsstichwort (Thema)
Freizeitausgleich für Arbeit an Sonntagen. Auslegung von § 15 Abs. 2 Satz 3 BMT-G. Tarifauslegung
Orientierungssatz
In Betrieben/Betriebsteilen, deren Aufgaben Sonntagsarbeit erfordern, muss gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 BMT-G dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich entsprechend gearbeitet werden. Nach § 15 Abs. 2 Satz 3 BMT-G werden die an einem Sonntag geleisteten dienstplanmäßigen bzw. betriebsüblichen Arbeitsstunden durch entsprechende zusammenhängende Kürzung der Arbeitszeit an einem Wochentag der nächsten oder übernächsten Kalenderwoche ausgeglichen. Diese Tarifbestimmung begründet keinen Anspruch auf bezahlte Freistellung für dienstplanmäßige Sonntagsarbeit. Aus Sinn und Zweck und dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Bestimmung folgt, dass derjenige Arbeitnehmer, der sonntags dienstplanmäßig gearbeitet hat, an einem anderen Wochentag im Ausgleichszeitraum eine dem Umfang der Sonntagsarbeit entsprechende unbezahlte Freizeit zum Zwecke der Erholung erhält. Die Tarifbestimmung ist ausschließlich eine Regelung zur Verteilung der Arbeitszeit.
Normenkette
BMT-G § 15 Abs. 2 S. 3, § 2 Abs. 1 S. 1 Buchst. d, § 17 Abs. 4, § 22 Abs. 1 Buchst. a; Anlage 4 zum BMT-G § 6; BAT § 15 Abs. 6 Unterabs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Freizeitausgleich für Sonntagsarbeit.
Der Kläger ist bei der Flughafenfeuerwehr der Beklagten derzeit als Unterbrandmeister beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G), dem Bezirkstarifvertrag (BzT-G/NRW) sowie den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen in der jeweils geltenden Fassung bzw. nach den an deren Stelle tretenden Tarifverträgen.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d BMT-G gilt der BMT-G für Arbeiter, die in Flughafenbetrieben beschäftigt sind, mit den Sondervereinbarungen der Anlagen 1 bis 10a. In der Anlage 4 zum BMT-G heißt es ua.:
“III. Feuerwehr- und Sanitätspersonal
§ 6
(1) Die dienstliche Beanspruchung des Feuerwehr- und Sanitätspersonals beträgt bis zu 336 Stunden im Monatsdurchschnitt. Nach einer Dienstschicht von 24 Stunden ist eine ununterbrochene Ruhezeit von 24 Stunden zu gewähren.
(2) Die Dienstschicht umfaßt die reine Arbeitszeit, etwaige Arbeitsbereitschaft und die Pausen. Die Arbeitszeit beträgt durchschnittlich 167,40 Stunden monatlich. Innerhalb der Dienstschicht ist eine zusammenhängende Ruhezeit am Arbeitsplatz von mindestens acht Stunden zu gewähren.
Protokollerklärung zu Absatz 1 Satz 1:
Die Stundengrenze von 336 Stunden ist mit Rücksicht auf die Erfordernisse der Dienstplangestaltung unverändert geblieben. Die Arbeitszeitverkürzungen ab 1. Januar 1969, 1. Januar 1971,
1. Oktober 1974, 1. April 1989 und 1. April 1990 sollen im Jahresdurchschnitt durch entsprechende Schichteinteilung berücksichtigt werden.
…”
Der zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ÖTV abgeschlossene Tarifvertrag für das Feuerwehrpersonal der Beklagten vom 28. Januar 1975 enthält ua. folgende Bestimmungen:
Ҥ 1
1) Die dienstliche Beanspruchung des Feuerwehrpersonals beträgt bis zu 310 Stunden im Monatsdurchschnitt. Nach einer Dienstschicht von 24 Stunden ist eine ununterbrochene Ruhezeit von 24 Stunden zu gewähren.
2) Durch betriebliche Regelung wird die planmäßige Dienstschicht auf 8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Arbeitsbereitschaft und 8 Stunden zusammenhängende Ruhezeit an der Arbeitsstelle aufgeteilt. …
…”
Nach dem Dienstplanschema der Beklagten für die Flughafenfeuerwehr wird das Feuerwehrpersonal in Dienstschichten von 24 Stunden eingesetzt, die sich jeweils aus acht Stunden reine Arbeitszeit, acht Stunden Arbeitsbereitschaft und acht Stunden Ruhezeit zusammensetzen. Im Anschluss an jede Dienstschicht von 24 Stunden wird eine Ruhezeit von 24 Stunden gewährt. Den tariflichen Arbeitszeitverkürzungen trägt die Beklagte gemäß der Protokollerklärung zu § 6 Abs. 1 Satz 1 der og. Sondervereinbarung dadurch Rechnung, dass sie – im Hinblick auf die maximal an jedem zweiten Kalendertag mögliche Dienstplaneinteilung – 38 Freischichten im Jahr festlegt. Außerdem werden besondere Freischichten für geleistete Arbeit an Wochenfeiertagen gewährt.
Der Kläger arbeitete im ersten Halbjahr 2001 an insgesamt acht Sonntagen. Er ist der Ansicht, ihm sei für die an den Sonntagen geleisteten Dienstschichten an einem anderen Werktag, an dem sonst Arbeit zu leisten wäre, eine Freischicht zu gewähren.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- ihm einen Freizeitausgleich von acht Tagen für seine an folgenden Tagen geleistete Sonntagsarbeit zu gewähren: 7. Januar, 4. Februar, 18. Februar, 18. März, 1. April, 29. April, 13. Mai sowie 24. Juni 2001,
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm zusätzlich zu den 24-stündigen Ruhezeiten einen Freizeitausgleich für Sonntagsarbeit zu gewähren.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
- Die Klage ist zulässig. Die Anträge bedürfen allerdings der Auslegung. Ihr Wortlaut lässt nicht erkennen, ob der Kläger eine bezahlte oder eine unbezahlte Freistellung erstrebt. Aus der Klagebegründung und seinem weiteren Vorbringen wird jedoch deutlich, dass es ihm darum geht, für seine an einem Sonntag geleistete Arbeit eine Freistellung an solchen Tagen zu erlangen, an denen er nach dem Dienstplan zu arbeiten hätte. Mithin verlangt er eine bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht.
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat weder nach § 15 Abs. 2 Satz 3 BMT-G noch auf Grund sonstiger Rechtsnormen einen Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich für die von ihm dienstplanmäßig geleistete oder noch zu leistende Sonntagsarbeit.
a) In Betrieben/Betriebsteilen, deren Aufgaben Sonntagsarbeit erfordern, muss gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 BMT-G dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich entsprechend gearbeitet werden. Der Flughafen ist eine Dienststelle, in der typischerweise Sonntagsarbeit zu leisten ist. Nach § 15 Abs. 2 Satz 3 BMT-G werden die an einem Sonntag geleisteten dienstplanmäßigen bzw. betriebsüblichen Arbeitsstunden durch entsprechende zusammenhängende Kürzung der Arbeitszeit an einem Wochentag der nächsten oder übernächsten Kalenderwoche ausgeglichen. Diese Tarifbestimmung begründet schon keinen Anspruch auf eine bezahlte Freistellung für dienstplanmäßige Sonntagsarbeit. Das folgt aus dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung sowie dem tariflichen Gesamtzusammenhang.
aa) Der Wortlaut der Tarifvorschrift ist nicht eindeutig. Die darin angeordnete Kürzung der Arbeitszeit an einem Wochentag in dem maßgeblichen Ausgleichszeitraum deutet iSd. der Rechtsauffassung des Klägers darauf hin, dass es sich um die Kürzung der regelmäßigen und damit vergütungspflichtigen Arbeitszeit handelt und die Vorschrift damit eine bezahlte Arbeitsbefreiung regelt.
bb) Einem solchen Auslegungsergebnis stehen Sinn und Zweck der Regelung entgegen.
(1) Die tarifliche Bestimmung soll sicherstellen, dass derjenige Arbeitnehmer, der sonntags dienstplanmäßig gearbeitet hat, an einem anderen Wochentag im Ausgleichszeitraum eine der Sonntagsarbeit entsprechende Freizeit zum Zwecke der Erholung erhält. Es handelt sich ausschließlich um eine Regelung zur Verteilung der Arbeitszeit. Der Ausgleichstag für den Sonntag dient neben dem beabsichtigten Erholungszweck auch und gerade dem rechnerischen Ausgleich zur Einhaltung der vereinbarten regelmäßigen bzw. dienstplanmäßigen Wochenarbeitszeit und erfolgt deshalb ohne Fortzahlung der Vergütung (Scheuring/Lang/Hoffmann BMT-G Stand Januar 2004 § 15 Erl. 9). Demgemäß führt die zum Ausgleich der Sonntagsarbeit zu gewährende unbezahlte Freizeit auch nicht zu einer Verkürzung der regelmäßigen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit als dem wirtschaftlichen Gegenwert für die zu zahlende Vergütung. Vielmehr wird die Freizeit durch den Ausgleich nach § 15 Abs. 2 Satz 3 BMT-G lediglich vom normalerweise arbeitsfreien Sonntag auf einen anderen Wochentag der nächsten oder der übernächsten Woche verlagert. Für die Sonntagsarbeit erhält der Schichtdienstleistende den Zeitzuschlag nach § 22 Abs. 1 Buchst. a BMT-G. Im Übrigen leistet er nicht mehr als seine dienstplanmäßige Arbeitszeit, für die die monatliche Vergütung zu zahlen ist.
(2) Sinn und Zweck des § 15 Abs. 2 Satz 3 BMT-G entsprechen daher der vergleichbaren Regelung in § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 BAT, nach der ebenfalls dienstplanmäßige bzw. betriebsübliche Arbeitszeit an einem Sonntag durch eine entsprechende zusammenhängende Freizeit an einem Werktag oder ausnahmsweise an einem Wochenfeiertag der nächsten oder übernächsten Woche auszugleichen ist. Hierzu hat der erkennende Senat bereits in der Entscheidung vom 30. Juli 1992 (– 6 AZR 283/91 – AP BAT § 16 Nr. 1, zu II 2 der Gründe) ausgeführt, dass diese Vorschrift die Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit auf die einzelnen Tage einer Woche regele und damit gewährleiste, dass auch der Schichtarbeiter, der an einem Sonntag arbeiten müsse, zeitlich nicht mehr arbeite als die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit. Die zu diesem Zweck zu gewährende Freizeit ist hiernach unbezahlte Freizeit, die von einem Sonntag auf einen anderen Wochentag der nächsten oder übernächsten Kalenderwoche verlegt wird, und führt demgemäß nicht zu einer Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit.
cc) Auch die Tarifsystematik stützt dieses Auslegungsergebnis.
(1) Der tarifliche Gesamtzusammenhang mit der in § 15 Abs. 2 Satz 4 und 5 BMT-G getroffenen Regelung macht hinreichend deutlich, dass es sich bei dem Freizeitausgleich nach § 15 Abs. 2 Satz 3 BMT-G um unbezahlte Freizeit handelt. In § 15 Abs. 2 Satz 5 BMT-G ist ausdrücklich festgelegt, dass die dienstplanmäßige bzw. betriebsübliche Arbeitszeit an einem Wochenfeiertag auf Antrag des Arbeiters durch eine entsprechende Freizeit an einem Werktag der laufenden oder der folgenden Woche unter Fortzahlung des Monatsgrundlohns und etwaiger für den Kalendermonat zustehender ständiger (ggf. pauschalierter) Lohnzuschläge ausgeglichen werden, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen. Anders als § 15 Abs. 2 Satz 3 BMT-G für die Sonntagsarbeit regelt mithin Satz 5 für den Fall der dienstplanmäßigen Arbeit an einem Wochenfeiertag eine Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung auf entsprechenden Antrag des Arbeiters. Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Freizeitausgleich für Sonntagsarbeit nach § 15 Abs. 2 Satz 3 BMT-G im Gegensatz zu Arbeit an Wochenfeiertagen grundsätzlich unbezahlt ist.
(2) Nichts anderes folgt aus § 15 Abs. 2 Satz 4 BMT-G. Falls der Freizeitausgleich für Sonntagsarbeit nach § 15 Abs. 2 Satz 3 BMT-G an einem Wochenfeiertag erfolgt, wird nach Satz 4 für die an diesem Tage die Sonntagsarbeit ausgleichenden Arbeitsstunden der Urlaubslohn gezahlt. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, den Arbeiter finanziell dafür zu entschädigen, dass sein unbezahlter freier Tag, den er zum Ausgleich für Arbeit am vorhergehenden Sonntag erhält, auf einen Wochenfeiertag fällt, an dem er in aller Regel unter Fortzahlung des Lohns frei gehabt hätte (Scheuring/Lang/Hoffmann BMT-G Stand Januar 2004 § 15 Erl. 10). Die gesonderte Regelung des Freizeitausgleichs für Sonntagsarbeit an einem Wochenfeiertag beruht mithin gerade darauf, dass der Arbeitnehmer an einem Feiertag ohnehin von der ihm an diesem Tag obliegenden Arbeitspflicht unter Fortzahlung der Vergütung gemäß § 2 Abs. 1 EFZG befreit ist, während dies an anderen Tagen nicht der Fall ist. Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich daher aus der besonderen Regelung des Freizeitausgleichs an Wochenfeiertagen nach § 15 Abs. 2 Satz 4 BMT-G nicht im Wege eines Umkehrschlusses ableiten, dass der Freizeitausgleich nach § 15 Abs. 2 Satz 3 BMT-G unter Fortzahlung der Vergütung zu erfolgen hat.
b) Die Klageforderung ergibt sich auch nicht auf Grund einer anderen Anspruchsgrundlage.
aa) Der Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung nach § 17 Abs. 4 BMT-G für geleistete Überstunden besteht nur bis zum Ablauf des dritten Kalendermonats und wandelt sich dann in einen Zahlungsanspruch um, der vom Klageantrag nicht erfasst ist. Zudem kann vorliegend nicht festgestellt werden, ob der Kläger an den im Antrag zu 1) bezeichneten Sonntagen Überstunden geleistet hat.
bb) Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf die Richtlinie des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (93/104/EG) vom 23. November 1993 (ABl. EG Teil L Nr. 307 vom 13. Dezember 1993, S. 18) und die dazu ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stützen. Die Frage, ob und inwieweit die vom Kläger nach dem Dienstplan zu leistenden 24-Stunden-Schichten in vollem Umfang als Arbeitszeit zu werten sind, betrifft einen anderen Streitgegenstand als den vorliegenden. Es muss daher nicht entschieden werden, ob die Feuerwehr als eine Einrichtung des Katastrophenschutzes nach Art. 1 Abs. 3 vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen ist (vgl. BAG 29. Mai 2002 – 5 AZR 370/01 – EzA BGB § 611 Mehrarbeit Nr. 10) oder für die Beantwortung dieser Frage der Europäische Gerichtshof im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens angerufen werden muss (BVerwG 17. Dezember 2003 – 6 P 7.03 – ZTR 2004, 215).
Unterschriften
Schmidt, Dr. Armbrüster, Brühler, Wendtlandt, Oye
Fundstellen
Haufe-Index 1251409 |
ZTR 2005, 88 |
AP, 0 |
EzA-SD 2004, 16 |
PersV 2005, 237 |
BAGReport 2004, 416 |