Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzugslohn und Tronc-Aufkommen
Leitsatz (redaktionell)
Parallelentscheidung zu BAG Urteil vom 28. April 1993 – 4 AZR 329/92 –.
Normenkette
BGB §§ 611, 615; Hessisches Spielbankgesetz v. 21. Dezember 1988 § 7; GG Art. 14, 74 Nr. 12; Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Spielbank Wiesbaden v. 13. August 1982 §§ 1, 8, 14; Tronc- und Gehaltstarifvertrag für die Arbeitnehmer der Spielbank Wiesbaden vom 27. Juni 1986 §§ 1, 4
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 09.03.1992; Aktenzeichen 10 Sa 907/91) |
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 24.04.1991; Aktenzeichen 6 Ca 3396/90) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 9. März 1992 – 10 Sa 907/91 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Auskunfts- und Zahlungsansprüche des Klägers auf der Grundlage des für das Arbeitsverhältnis geltenden Tronc- und Gehaltstarifvertrages für die Arbeitnehmer der Spielbank Wiesbaden vom 27. Juni 1986 (TuG-TV). Insbesondere ist streitig, ob die Beklagte berechtigt ist, Anteile am sog. 77 %-Tronc wegen möglicher Ansprüche fristlos gekündigter Arbeitnehmer auf Nachzahlung der Vergütung bis zum Abschluß des Kündigungsrechtsstreits zurückzuhalten bzw. entsprechende Gehaltszahlungen aus diesem Tronc zu entnehmen.
Die Beklagte war bis zum 31. Dezember 1990 Betreiberin der Spielbank Wiesbaden. Der Kläger war bei ihr als Croupier beschäftigt. Im Jahre 1989 entließ die Beklagte u.a. die Croupiers B. und S. fristlos wegen des Verdachts strafbarer Handlungen. Beide Croupiers erhoben Kündigungsschutzklage. Herr B. schied aufgrund Prozeßvergleichs vom 28. November 1989 mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30. September 1989 aus dem Arbeitsverhältnis unter vertragsgemäßer Vergütung bis zu diesem Zeitpunkt aus. Über die Wirksamkeit der gegenüber Herrn S. ausgesprochenen Kündigung war der Rechtsstreit bei Entscheidung in den Tatsacheninstanzen noch anhängig. Für beide Arbeitnehmer behielt die Beklagte Anteile aus dem 77 %-Tronc in Höhe der möglicherweise zu erwartenden Vergütungsnachzahlungsansprüche für die Zeit ab Kündigungsausspruch bis zum 31. Dezember 1990 zurück. Die Vergütungsansprüche des Croupiers B. wurden nach Vergleichsabschluß ausgezahlt; den für Herrn S. zurückgehaltenen Betrag hat die Beklagte beim Amtsgericht Wiesbaden gemäß § 372 ff. BGB hinterlegt und auf die Rücknahme verzichtet.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, diese Verfahrensweise der Beklagten schmälere seine Tronc-Anteile und sei tarifwidrig. § 7 des Hessischen Spielbankgesetzes (Hess. SpielbG), auf den sich der TuG-TV stütze, sei wegen Verstoßes gegen Art. 14 und Art. 74 Nr. 12 GG nichtig. Der Spielbankbesucher gebe die Trinkgelder und sonstige Zuwendungen allein deshalb, weil er sich von der Leistung des Zuwendungsempfängers angesprochen fühle. Der jeweilige Croupier erlange das Eigentum an diesen Geldern, das ihm zugunsten des Spielbankbetreibers entschädigungslos entzogen werde. Insoweit handele es sich auch um eine Regelung arbeitsrechtlicher Art, einem Rechtsgebiet also, auf dem der Bundesgesetzgeber von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht habe.
Bei der Auslegung des TuG-TV müsse berücksichtigt werden, daß Trinkgelder traditionell für das anwesende Personal gegeben werden. Schon deshalb sei die Beteiligung nicht anwesender Arbeitnehmer als Ausnahmetatbestand anzusehen. Soweit § 4 TuG-TV die Berücksichtigung abwesender Arbeitnehmer zulasse, müsse die Regelung als abschließend angesehen werden. Vergütungsansprüche von Arbeitnehmern, die im Annahmeverzug des Arbeitgebers ihre Grundlage hätten, seien dort nicht aufgeführt. Daß deren Ausschluß gewollt sei, ergebe sich auch daraus, daß andernfalls der Arbeitgeber die Freistellung einzelner Arbeitnehmer mißbräuchlich und zu Lasten der tatsächlich tätigen Mitarbeiter einsetzen könne. Wenn daher überhaupt Rücklagen der vorliegenden Art vorgenommen werden dürften, dann seien diese aus der Besoldungsrücklage nach § 5 TuG-TV zu entnehmen. Wenn überdies in § 2 dieses Tarifvertrages von Zuwendungen an die bei der Spielbank „tätigen” Arbeitnehmer die Rede sei, müsse aufgrund der Sachnähe der einen Haus-Tarifvertrag abschließenden Tarifvertragsparteien davon ausgegangen werden, daß in § 4 des Tarifvertrages Vergütungsforderungen aufgrund Annahmeverzugs nicht erfaßt werden sollten. Auch die Einrichtung einer Besoldungsrücklage zeige, daß für Nichttätige eine spezielle Regelung für erforderlich gehalten worden und gewollt gewesen sei.
Schließlich hat der Kläger die Auffassung vertreten, er habe seine Ansprüche innerhalb der Frist des § 16 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der Spielbank Wiesbaden geltend gemacht. Der Kläger sei bis heute nicht über erfolgte Rückstellungen bzw. Nachzahlung an Gekündigte unterrichtet worden. Seine Ansprüche könne er ohnehin erst nach Auskunftserteilung beziffern. Von der Nachzahlung an Herrn B. habe er erst im Januar 1990 erfahren und seine Ansprüche alsdann mit Schreiben vom 14. März 1990 geltend gemacht.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft über Rückstellungen und Zahlungen zu erteilen, die bezüglich der Arbeitnehmer B. und S. im Hinblick auf Zeiten, in denen sie aufgrund von Kündigungen oder Freistellungen der Beklagten nicht gearbeitet haben, geleistet worden sind;
- die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen, den für den Kläger sich errechnenden Anteil aus dem 77 %-Tronc gemäß Tronc- und Gehaltstarifvertrag für die Arbeitnehmer der Spielbank in Wiesbaden ohne Berücksichtigung der an die beiden Arbeitnehmer geleisteten Zahlungen neu zu berechnen und den sich ergebenden Differenzbetrag zur Auszahlung zu bringen;
- festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt ist, Rückstellungen und Auszahlungen im Hinblick auf den 77 %-Tronc vorzunehmen, bezogen auf Arbeitnehmer, die wegen Kündigung oder Freistellung durch die Beklagte tatsächlich nicht gearbeitet haben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen die Regelungen des Hessischen Spielbankgesetzes für unbegründet gehalten und darüber hinaus vorgetragen, bereits die vom Kläger eingeführte Unterscheidung zwischen Eigenmitteln des Spielbankenbetreibers einerseits und Tronc-Mitteln andererseits gebe es nicht. Auch die dem Tronc zufließenden Gelder seien Einnahmen des Arbeitgebers. Auf dieser Grundlage müßten auch die Regelungen des TuG-TV ausgelegt werden. Danach ergebe sich, daß Vergütungsansprüche von Arbeitnehmern nicht dadurch ihren Charakter als „Gehalt” im Sinne von § 4 TuG-TV verlieren könnten, daß der Arbeitgeber von seinem Recht Gebrauch mache, eine von ihm ausgesprochene und für wirksam gehaltene Kündigung zu verteidigen. Im übrigen seien die Ansprüche des Klägers nicht innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlußfrist geltend gemacht worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageansprüche weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berechnung seines Tronc-Anteils ohne Berücksichtigung der den gekündigten Arbeitnehmern gegebenenfalls aus § 615 BGB zustehenden Gehälter.
I. Die Klageanträge zu 1) und 2) sind als Stufen-Leistungsklage (§ 254 ZPO) zulässig. Der Klageantrag zu 3) ist als Inzident-Feststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.
II.1. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte ist berechtigt, aus dem Tronc Zahlungen an von ihr zu Unrecht gekündigte Arbeitnehmer nach § 615 BGB zu leisten und das Gehalt des Klägers aus dem um diese Zahlungsansprüche gekürzten Tronc zu berechnen. Dies folgt aus den das Tronc-Aufkommen und dessen Verwendung regelnden gesetzlichen Vorschriften in Verbindung mit den tariflichen Bestimmungen des Tronc- und Gehaltstarifvertrages (TuG-TV) vom 27. Juni 1986. Dieser findet nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und dem unstreitigen Vortrag der Parteien auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis kraft Organisationszugehörigkeit Anwendung.
2.a) Die gesetzlichen Bestimmungen über die Zuwendungen von Besuchern der Spielbank im Hessischen Spielbankgesetz vom 21. Dezember 1988 (GVBl HE 1 1989 S. 1 f.) haben – soweit es hier interessiert – folgenden Wortlaut:
„§ 7
(1) Das spieltechnische Personal muß alle Zuwendungen, die von Besuchern der Spielbank für die bei ihr beschäftigten Personen, für die Spielbank oder ohne ersichtliche Zweckbestimmung gegeben werden, den dafür aufgestellten Behältern (Tronc) zuführen.
(2) Der Spielbankunternehmer hat den Tronc, soweit nicht daraus eine Abgabe für gemeinnützige Zwecke (Troncabgabe) zu leisten ist, für das Personal, das bei der Spielbank beschäftigt ist, zu verwalten und zu verwenden.”
b) Der Manteltarifvertrag vom 13. August 1982 hat – soweit es hier interessiert – folgenden Wortlaut:
„§ 1
Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmer der Spielbank Wiesbaden, die im Empfang, an den Spielkassen, in den Spielsälen sowie in der allgemeinen Verwaltung tätig sind.
§ 8
Vergütung
1. Die Vergütung einschließlich der Zuschläge für Mehr-, Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit wird im Tronc- und Gehaltstarifvertrag geregelt.
…
§ 14
Besoldungsrücklage
Bei der Spielbank wird eine Rücklage für Besoldungszwecke gebildet. Die Einzelheiten über Dotierung, Ausgestaltung und Verwaltung sowie Verwendung der Besoldungsrücklage werden durch den Tronc- und Gehaltstarifvertrag bestimmt.”
c) Die maßgebenden Vorschriften des Tronc- und Gehaltstarifvertrages vom 27. Juni 1986 haben den folgenden Wortlaut:
„§ 1
Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmer der Spielbank Wiesbaden, die im Empfang, an den Spielkassen, in den Spielsälen sowie in der allgemeinen Verwaltung tätig sind.
§ 2
Troncaufkommen
1. Zuwendungen, die von den Besuchern der Spielbank den bei der Spielbank tätigen Arbeitnehmern für die Gesamtheit oder für bestimmte Teile der Arbeitnehmer oder für die Spielbank oder ohne ersichtliche Zweckbestimmung am Spieltisch und an den Spielkassen gegeben werden, sind den dafür aufgestellten Behältern unmittelbar zuzuführen. Sie bilden den Tronc. Zuwendungen an Pagen, Portiers und ähnliche Arbeitnehmer gehören nicht zum Tronc im Sinne der vorgenannten Bestimmung.
2. Das Troncaufkommen wird von Beauftragten der Spielbank unter Mitwirkung der abrechnenden Tischmannschaft und des staatlichen Kassenaufsichtsbeamten täglich festgestellt und unverzüglich auf ein Sonderkonto (Tronckonto) eingezahlt. Der Betriebsrat ist berechtigt, in diese Originalabrechnung Einsicht zu nehmen.
§ 3
Troncverwendung
Nach Vorwegabzug entsprechend den jeweiligen gesetzlichen oder Verordnungsbestimmungen ist das verbleibende Troncaufkommen zugunsten der bei der Spielbank Wiesbaden beschäftigten Arbeitnehmer (§ 3 MTV), für deren Vergütung (Gehälter, Löhne, usw.) und gem. § 4 Ziff. 3 und 4 Tronc- und Gehaltstarifvertrag zu verwenden. Aus dem Tronc dürfen nur Entnahmen nach Maßgabe dieses Tarifvertrages getätigt werden.
§ 4
Troncverteilung
1. Vom monatlichen Troncaufkommen sind 77 % für die Besoldung der spieltechnischen Arbeitnehmer (§ 3, Ziff. I A. MTV) zu verwenden.
Zur Besoldung im Sinne dieser Vorschrift gehören:
- die Gehälter (§ 12, Gruppe A Tronc- und Gehaltstarifvertrag),
- die Vergütungen in Urlaubs- und Krankheitsfällen (§§ 9 und 10 MTV sowie § 7 Tronc- und Gehaltstarifvertrag),
- die Arbeitgeberanteile zur Pflicht- oder freiwilligen Versicherung in der Sozialversicherung (Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung) oder zu einer ablösenden privaten Versicherung, maximal jedoch bis zur Höhe der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze (§ 6, Ziff. 1 und 2 Tronc- und Gehaltstarifvertrag),
- Jubiläums Zahlungen (§ 8, Ziff. 4 Tronc- und Gehaltstarifvertrag),
- sonstige Zahlungen (§ 8, Ziff. 5 Tronc- und Gehaltstarifvertrag),
- Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge (§ 10 Tronc- und Gehaltstarifvertrag),
- Beihilfen gem. § 12 MTV
2. Aus dem 23%-igen Teil des Troncaufkommens ist zunächst die Besoldung aller übrigen Arbeitnehmer (§ 3, II), B, C und D MTV) zu decken.
…”
3.a) Nach § 8 Ziff. 1 MTV ergibt sich die Vergütung des Klägers aus dem TuG-TV. Da der Kläger unstreitig spieltechnischer Arbeitnehmer (§ 31 Ziff. A MTV) ist, gehört er zu den nach § 4 Ziff. 1 TuG-TV am Troncaufkommen beteiligten Arbeitnehmern der Beklagten. Nach dieser Vorschrift ist das monatliche Tronc-Aufkommen zu 77 % für die Besoldung der spieltechnischen Arbeitnehmer zu verwenden. Nach Abs. 2 gehören zur Besoldung im Sinne dieser Vorschrift u.a. die Gehälter der spieltechnischen Arbeitnehmer (§ 12 Gruppe A TuG-TV).
b) Die Tarifvertragsparteien haben nicht gesondert erläutert, was sie unter „Gehalt” im Sinne dieser Vorschrift meinen. Der Inhalt dieses Begriffs ist daher durch Auslegung zu ermitteln.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamt Zusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAGE 42, 86, 89 = AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 60, 219, 223 f. = AP Nr. 127 zu § 611 BGB Gratifikation, zu II 1 a der Gründe).
Bei der Auslegung der Vorschrift ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats zu berücksichtigen (vgl. BAGE 42, 272, 277 = AP Nr. 61 zu § 616 BGB; BAGE 50, 147, 151 = AP Nr. 35 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; BAG Urteil vom 1. März 1989 – 4 AZR 639/88 – AP Nr. 14 zu § 611 BGB Croupier), daß die Tarifvertragsparteien bei Verwendung eines Begriffs, der eine bestimmte, vorgegebene Bedeutung hat, ihn auch in ihrem Regelungsbereich in seiner allgemeinen rechtlichen Bedeutung verwenden und angewendet wissen wollen, sofern sie nicht selbst etwas anderes bestimmen. Bei der Auslegung des Begriffs „Gehalt” in § 4 TuG-TV ist ferner zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber in § 7 Hess.SpielbG angeordnet hat, daß alle Zuwendungen, die von Besuchern der Spielbank für die bei ihr beschäftigten Personen, für die Spielbank oder ohne ersichtliche Zweckbestimmung gegeben werden, von dem spieltechnischen Personal dem Tronc zuzuführen sind. Der Spielbankunternehmer hat seinerseits den Tronc, soweit nicht daraus eine Abgabe für gemeinnützige Zwecke zu leisten ist, für das bei der Spielbank beschäftigte Personal zu verwalten und zu verwenden.
c) Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet „Gehalt” (in dem hier in Betracht kommenden Sinn) „die Summe, für die man jemanden in Diensten hält” (so Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Aufl.) oder „regelmäßige (monatliche) Arbeitsvergütung für Beamte und Angestellte” (so Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1981, Bd. 3). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und im Rechtssinn steht aber auch der zu Unrecht gekündigte Arbeitnehmer noch „in Diensten” des Kündigenden. Dies ergibt sich schon aus der Regelung des § 615 BGB, der im Gegensatz zur Auffassung der Revision dem gekündigten Arbeitnehmer nicht irgendeinen besonders gearteten Vergütungsanspruch gewährt, sondern lediglich dem Arbeitnehmer den originären Vergütungsanspruch des § 611 BGB aufrechterhält, obwohl er seine Arbeitsleistung nicht erbringt (vgl. statt vieler BAG Urteil vom 23. August 1990 – 2 AZR 156/90 – DB 1991, 445, 446; MünchKomm-Schaub, BGB, 2. Aufl., § 615 Rz 39 u. 41, jeweils m.w.N.). § 615 BGB will dem Arbeitnehmer bei einem Annahmeverzug des Arbeitgebers den vertraglichen Erfüllungsanspruch erhalten, allerdings aus Gründen der Billigkeit unter Anrechnung anderweitiger Einkünfte (BGH Urteil vom 14. November 1966 – VII ZR 112/64 – NJW 1967, 248, 250; BAGE 5, 217 f. = AP Nr. 1 zu § 9 KSchG). § 615 BGB gewährt, trotz der Anrechnung anderweitigen Verdienstes, keinen Schadenersatzanspruch oder etwas ähnliches, sondern einen Anspruch auf Gehaltszahlung (Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. I, 3. Aufl., S. 278). Damit umfaßt der Begriff „Gehalt” in § 4 TuG-TV aber auch den von der Beklagten gezahlten Verzugslohn. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte auch nur Vergütungsansprüche des Croupiers B. erfüllt und für Vergütungsansprüche des Croupiers S. Rückstellungen gebildet. Soweit die Revision des Klägers nunmehr die Vermutung aufstellt, die Beklagte habe darüber hinaus Abfindungen nach §§ 9 f. KSchG gezahlt, ist dies als neuer Vortrag nicht zu berücksichtigen.
d) Gegen diese Auslegung spricht auch nicht der Gesamtzusammenhang des TuG-TV. Insbesondere läßt sich eine andere Auslegung nicht, wie die Revision meint, aus dem übrigen Inhalt des § 4 Ziff. 1 TuG-TV entnehmen. Vielmehr erhärten die dort getroffenen Einzelregelungen die hier vertretene Auffassung.
aa) Wie das Landesarbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, sind auch andere Fälle der Verpflichtung des Arbeitgebers, das Gehalt auch ohne Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu zahlen, nicht ausdrücklich genannt, obwohl derartige Zahlungen unter den Begriff „Gehalt” fallen. Dies gilt im Gegensatz zur Auffassung der Revision für den Fall der Arbeitsbefreiung nach § 37 Abs. 2 BetrVG. Diese Zahlungen sind nicht als Umlage im Sinne von § 41 BetrVG anzusehen, denn diese Vorschrift setzt voraus, daß von Arbeitnehmern Beiträge für Zwecke des Betriebsrats erhoben oder geleistet werden. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn derartige Beiträge aus dem Vermögen der Arbeitnehmer fließen, sei es, daß sie direkt Beiträge abführen, sei es, daß durch die Zahlungen ihre Ansprüche gekürzt werden. Dies ist aber vorliegend nicht der Fall (vgl. zum Ganzen BAG Beschluß vom 24. Juli 1991 – 7 ABR 76/89 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Aus der Regelung in § 7 Abs. 1 Hess.SpielbG folgt vielmehr mit Rücksicht auf die Ablieferungspflicht aller Zuwendungen, daß der Tronc nicht im Eigentum der Arbeitnehmer der Spielbank steht. Die einzige Besonderheit des Tronc besteht nach § 7 Abs. 2 Hess.SpielbG darin, daß der Spielbankunternehmer ihn als Sondervermögen für das bei ihm beschäftigte Personal zu verwalten und zu verwenden hat. Aber auch unter dem Gesichtspunkt der Schmälerung des Vermögens der Arbeitnehmer durch Kürzung ihrer Ansprüche auf Auskehrung des Tronc liegt kein Verstoß gegen § 41 BetrVG vor. Ein unmittelbarer Anspruch auf ungeschmälerte Auskehrung ergibt sich nicht. Der Spielbankunternehmer kann vielmehr nach der Regelung des § 7 Abs. 2 Hess.SpielbG den Tronc auch für freigestellte Betriebsratsmitglieder verwenden, denn auch diese sind bei der Spielbank beschäftigt.
bb) Auch aus allgemeinen arbeitsrechtlichen Erwägungen ergibt sich kein Anspruch der troncberechtigten Arbeitnehmer des Inhaltes, daß aus dem Tronc nicht die durch Betriebsratstätigkeit entstehenden Personalkosten der Betriebsratsmitglieder zu tragen sind. Die Verwendung des Tronc zur Deckung von Aufwendungen, die ansonsten allein der Arbeitgeber zu tragen hätte, ist grundlegendes Kennzeichen der gesetzlichen Regelung über das Troncaufkommen und seine Verwendung (vgl. BAG Urteil vom 1. März 1989 – 4 AZR 639/88 – AP Nr. 14 zu § 611 BGB Croupier, unter Hinweis auf BAG Urteile vom 30. Juli 1966 – 5 AZR 256/65 – und – 5 AZR 385/65 – AP Nr. 1 und 2 zu § 611 BGB Croupier).
cc) Tarifvertragliche Regelungen, aus denen sich ergeben könnte, daß den Arbeitnehmern derart ein Anspruch auf Auskehrung des Tronc ohne Berücksichtigung der durch Betriebsratstätigkeit verursachten Personalkosten zustünde, bestehen nicht. Die für den Betrieb der Arbeitgeberin geltenden Tarifverträge sehen dies nicht vor.
e) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, der Begriff des Gehalts sei auch nicht einschränkend auszulegen, weil die Tarifvertragsparteien in den Katalog der aus dem Tronc zu befriedigenden Besoldung auch die Urlaubs- und Krankheitsvergütung aufgenommen haben.
aa) Die Tarifvertragsparteien haben durch Klammerzusätze der §§ 9, 10 MTV, § 7 TuG-TV deutlich gemacht, daß sie damit nicht die gesetzliche Vergütung von Urlaubs- und Krankheitszeiten gemeint haben, sondern die in diesen Paragraphen geregelten über den gesetzlichen Anspruch von Arbeitnehmern nach dem LFZG bzw. BUrlG hinausgehenden zusätzlichen Ansprüche der Spielbankarbeitnehmer auf Urlaubsgeld (§ 9 Ziff. 1 MTV i.Verb.m. § 7 TuG-TV) bzw. auf Krankengeld und Krankengeldzuschuß (§ 10 Ziff. 2 und 5 MTV, § 7 TuG-TV). Dies sind zusätzliche Ansprüche, die über die gesetzlich geschuldeten Gehälter in Urlaubs- und Krankheitsfällen hinausgehen, und die deshalb von den Tarifvertragsparteien gesondert, als zur Besoldung im Sinne der Vorschrift gehörig bezeichnet werden mußten. Das gleiche gilt für die aufgeführten Jubiläumszahlungen nach § 8 Ziff. 4 und die „sonstige Zahlung” nach § 8 Ziff. 5 TuG-TV. Hinsichtlich der „Beihilfen” hat der Senat erst durch Urteil vom 17. Februar 1993 entschieden, daß sie nicht „Gehalt” sind (– 4 AZR 52/92 –, zu III 3 der Gründe). Allein die aufgeführten Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge nach § 10 des TuG-TV können auch unter den Begriff „Gehalt” gefaßt werden. Nachdem der Tarifvertrag aber keinerlei Hinweis darauf enthält, daß durch diese einzelne Regelung gleichzeitig alle Fälle der Gehaltsfortzahlung bei fehlender Arbeitsleistung abschließend behandelt und insbesondere deren Zahlung aus dem Tronc-Aufkommen ausgeschlossen werden soll, läßt sich ein derartiger Ausschluß jedenfalls nicht aus § 4 TuG-TV entnehmen.
bb) Ein solcher Ausschluß läßt sich auch nicht aus der Regelung des § 3 TuG-TV entnehmen. Danach ist das „verbleibende Tronc-Aufkommen zugunsten der bei der Spielbank Wiesbaden beschäftigten Arbeitnehmer (§ 3 MTV) für deren Vergütung (Löhne, Gehälter, usw.)” zu verwenden. Nach § 3 Abs. I und II MTV gehören zu den Arbeitnehmern der Spielbank in diesem Sinne die spieltechnischen Arbeitnehmer, die technischen Arbeitnehmer, die Verwaltungsarbeitnehmer und sonstige Arbeitnehmer (Gruppe A-D) sowie schließlich sonstige als Arbeitnehmer zu behandelnde Personen (§ 3 Abs. III MTV). Die von der Beklagten fristlos gekündigten Arbeitnehmer sind bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzverfahrens weiterhin Arbeitnehmer der Beklagten, was sich schon aus ihrem Anspruch auf Gehalt (§ 615 BGB) ergibt. Aus dieser Regelung könnte sich allenfalls – was hier aber nicht zu entscheiden ist – ein Anspruch des Klägers ergeben, wenn die Beklagte nicht nur Rückstellungen bis zum rechtskräftigen Abschluß der Kündigungsschutzverfahren gemacht hätte, sondern den gekündigten Arbeitnehmern unter Freistellung von der Arbeitsleistung das Gehalt fortgezahlt hätte und die Kündigungsschutzklage rechtskräftig abgewiesen worden wäre. Der Kläger trägt im übrigen selbst nicht vor, es sei keine ordnungsgemäße Verwaltung des Tronc gegeben, die einen Schadenersatzanspruch auslösen könnte. Es kann mithin dahinstehen, ob in derartigen Fällen entsprechende Rückstellungen vorgenommen werden dürfen.
dd) Weitere Vorschriften, die eine einengende Auslegung des Begriffs „Gehalt” in § 4 Ziff. 1 1. Spiegelstrich TuG-TV erforderlich machten, sind nicht ersichtlich.
4. Die Vorschriften des § 7 Hess.SpielbG und die darauf aufbauenden Bestimmungen des Manteltarifvertrages bzw. des TuG-TV beinhalten auch keine Enteignung des spielbanktechnischen Personals, die wegen Art. 14 GG nichtig wäre, denn der Kläger war bei der Empfangnahme des Geldes für den Tronc lediglich Besitzdiener und hat deshalb kein Eigentum daran erworben. § 7 Hess.SpielbG unterliegt auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken nach Art. 74 Nr. 12 GG; das Abführungsgebot soll einen unbeeinflußten Spielbetrieb gewährleisten.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schaub, Dr. Wißmann, Schneider, Venzlaff, Jansen
Fundstellen