Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung. Wissenschaftliche Weiterbildung an Hochschule
Orientierungssatz
Die den Hochschulen gesetzlich zugewiesene Aufgabe der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses kann die Befristung des Arbeitsvertrages mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter sachlich rechtfertigen.
Normenkette
BGB § 620 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 07.09.1984; Aktenzeichen 5 Sa 1903/83) |
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 10.08.1983; Aktenzeichen 1 Ca 1070/83) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger über den 30. November 1983 hinaus in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land steht.
Der 1952 geborene Kläger, der an der Universität D in der Zeit vom 1. März 1976 bis 31. Oktober 1978 aufgrund von acht aneinandergereihten Arbeitsverträgen mit maximal neun (richtig: 19) Wochenstunden als studentische Hilfskraft beschäftigt gewesen war, ist seit November 1978 Diplom-Chemiker. In der Zeit vom 1. November 1978 bis 31. Dezember 1980 war er aufgrund von insgesamt zehn hintereinandergeschalteten Arbeitsverträgen mit 19 bzw. 20 Wochenstunden als wissenschaftliche Hilfskraft tätig. Noch vor Beendigung der Laufzeit des letzten Arbeitsvertrages schlossen die Parteien den Arbeitsvertrag vom 16. Dezember 1980, demzufolge der Kläger für die Zeit vom 1. November 1980 bis 30. November 1983 als wissenschaftlicher Angestellter bei der Universität D mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden eingestellt wurde. Gemäß § 1 Abs. 2 dieses Arbeitsvertrages gelten für das Beschäftigungsverhältnis der BAT und die ihn ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge, insbesondere die Sonderregelungen der SR 2 y BAT. § 4 des Arbeitsvertrages lautet:
Nebenabrede
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Die Beschäftigung dient zugleich zur wissenschaft-
lichen Weiterbildung. Im Rahmen der Dienstleistungen
besteht die Verpflichtung zur Durchführung von Lehr-
aufgaben im Umfang von 2 Wochenstunden.
Seit seinem Examen als Diplom-Chemiker im November 1978 betrieb der Kläger seine Promotion. Das Thema seiner Doktorarbeit wurde mit Abschluß des ab 1. November 1980 laufenden Vertrages geändert. Die normalerweise drei bis vier Jahre währende Promotionsdauer für Diplom-Chemiker lag in der Arbeitsgruppe des Klägers höher, weil sich der Lehrstuhl an der Universität D seit 1978 im Aufbau befand und nicht alle notwendigen Großgeräte von Anfang an zur Verfügung standen.
Der Kläger hat die Befristung seiner Arbeitsverträge für unwirksam gehalten und am 17. März 1983 Klage eingereicht mit den Anträgen
1. festzustellen, daß zwischen den Parteien über
den 30. November 1983 hinaus ein unbefristetes
Arbeitsverhältnis besteht;
2. das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger
über den 30. November 1983 hinaus zu unverän-
derten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Zu den früheren Beschäftigungen des Klägers hat es ausgeführt, sie seien wegen des ihnen zugrunde liegenden Runderlasses des Ministers für Wissenschaft und Forschung vom 18. Dezember 1975 ("Richtlinien für die Beschäftigung und Vergütung wissenschaftlicher Hilfskräfte und studentischer Hilfskräfte an den wissenschaftlichen Hochschulen einschließlich Gesamthochschulen und Fachhochschulen") wirksam befristet gewesen. Zum letzten Arbeitsvertrag vom 16. Dezember 1980 hat es vorgetragen, er diene der Weiterbildung des Klägers, nämlich seiner Promotion. Daß der Kläger mit dem von ihm bearbeiteten Projekt nicht in der vorgegebenen Zeit von drei Jahren zu Ende gekommen sei, habe daran gelegen, daß er es unzureichend vorangebracht habe, da er sich mehr seinem weiteren Studium für das Lehramt der Sekundarstufe II in den Fächern Chemie und Physik gewidmet habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, zwar weise der Vertrag vom 16. Dezember 1980 als Nebenabrede nur allgemein die wissenschaftliche Weiterbildung des Klägers als Nebenziel aus. Dennoch sei unbestritten, daß dieser Vertrag dazu dienen sollte, ein von den Parteien nicht näher bezeichnetes Projekt durch den Kläger vollenden zu lassen, dieses habe in der spätestens ab 1978 begonnenen Promotion des Klägers gelegen. Dafür seien unstreitig drei Jahre vorgesehen gewesen, obwohl die Vorschriften der SR 2 y BAT fünf Jahre gestatteten und nach dem Vortrag des Klägers in seiner Arbeitsgruppe sieben Jahre erforderlich seien und der Personalrat vier Jahre für angebracht gehalten habe. Gegen diese dreijährige Befristungsdauer sei nichts zu erinnern, zumal der Kläger in den vorangegangenen zwei Jahren die theoretischen Grundlagen seiner Promotion, die unbestritten Gegenstand des Arbeitsvertrages gewesen sei, habe sammeln und verarbeiten können.
Mit seiner Berufung hat der Kläger nur noch den Klageantrag zu 1. weiterverfolgt. Ihm ist vom Landesarbeitsgericht stattgegeben worden. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des Ersturteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Wiederherstellung des Ersturteils, das heißt zur Klageabweisung.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, zwischen den Parteien bestehe ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, im wesentlichen ausgeführt, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts müsse zur Beurteilung des letzten Arbeitsvertrages vom 16. Dezember 1980 auch auf die befristeten Arbeitsverträge zurückgegriffen werden, die mit dem Kläger nach seinem im November 1978 abgeschlossenen Diplom-Examen mit dem Ziel der Ermöglichung seiner Promotion vereinbart worden seien und dem letzten Arbeitsvertrag ohne zeitliche Unterbrechung vorausgingen. Unerheblich sei, daß für diese zehn Verträge nicht der BAT und damit die SR 2 y BAT, sondern der Runderlaß vom 18. Dezember 1975 gegolten habe. Maßgebend sei vielmehr, daß der Abschluß dieser Verträge, wie auch der des letzten BAT-Vertrages, jeweils denselben sachlichen Grund gehabt habe, nämlich dem Kläger die Promotion als spezieller beruflicher Fortbildung zu ermöglichen. Die durch Ziffer 2 der Protokollnotiz zu Nr. 1 der SR 2 y BAT festgelegte Fünf-Jahres-Grenze für die Dauer eines Zeitvertrages werde auch dann objektiv umgangen, wenn die Gesamtdauer mehrerer aneinandergereihter befristeter Arbeitsverträge die Höchstfrist überschreite, sofern die einzelnen Zeitverträge auf denselben oder gleichartigen Gründen beruhten. Überschreite die Gesamtdauer der Verträge fünf Jahre, wie es hier der Fall sei, so werde der letzte befristete Vertrag durch einen unbefristeten Vertrag ersetzt.
II. Dieser Würdigung kann sich der Senat nicht anschließen. Sie beruht entscheidend auf der Ansicht des Landesarbeitsgerichts, auch durch mehrere aneinandergereihte befristete Arbeitsverträge, die jeweils für sich allein nicht für eine längere Zeit als fünf Jahre abgeschlossen werden, könne die Fünf-Jahres-Grenze der Ziffer 2 der Protokollnotiz zu Nr. 1 SR 2 y BAT objektiv umgangen werden. Diese Ansicht ist unrichtig; sie widerspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit dem Urteil des erkennenden Senats vom 22. März 1985 (- 7 AZR 142/84 - AP Nr. 90 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). Der Streitfall gibt dem Senat keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
III. Gegenstand der Prüfung, ob der Kläger zum beklagten Land in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht, ist lediglich der letzte zwischen den Parteien abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 16. Dezember 1980. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 8. Mai 1985 (- 7 AZR 191/84 - EzA § 620 BGB Nr. 76) unter Aufgabe seiner früheren abweichenden Rechtsprechung entschieden, daß es für die Frage, ob die Befristung des Arbeitsverhältnisses mangels eines die Befristung sachlich rechtfertigenden Grundes unwirksam ist, grundsätzlich nur auf den zuletzt abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrag ankommt. Denn wollen die Arbeitsvertragsparteien im Anschluß an einen befristeten Arbeitsvertrag ihr Arbeitsverhältnis noch für eine bestimmte Zeit fortsetzen und schließen sie deshalb vorbehaltslos einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag, so bringen sie damit jedenfalls regelmäßig zum Ausdruck, daß der neue Vertrag fortan für ihre Rechtsbeziehungen allein maßgeblich sein soll. Dieser Wille der Vertragsparteien, den Vertrag vom 16. Dezember 1980 zur alleinigen Grundlage ihrer Rechtsbeziehungen zu machen, ist im Entscheidungsfall gegeben; ein irgendwie gearteter Vorbehalt ist weder aus der Vertragsurkunde ersichtlich noch von einer der Parteien behauptet worden.
IV. Die Befristung dieses letzten Arbeitsvertrags vom 16. Dezember 1980 zum 30. November 1983 war rechtswirksam.
1. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, dieser Vertrag habe denselben sachlichen Grund wie die vorangegangenen Verträge gehabt, nämlich dem Kläger die Promotion als spezieller beruflicher Fortbildung zu ermöglichen. Läge hierin eine bindende Feststellung des Landesarbeitsgerichts, so wäre die sachliche Rechtfertigung der Befristung bereits auf der Grundlage des Senatsurteils vom 19. August 1981 (- 7 AZR 252/79 - BAG 36, 171 = AP Nr. 60 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag), das die Beschäftigung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters zum Zwecke der speziellen Fort- und Weiterbildung (wie etwa der Promotion) als Befristungsgrund anerkannt hat, zu bejahen, zumal auch die gewählte dreijährige Befristungsdauer keinen Anhaltspunkt für die Annahme gibt, der Befristungsgrund sei lediglich vorgeschoben.
2. Indessen kann dahinstehen, ob die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Vertrag habe dem Kläger die Promotion ermöglichen sollen, als bindende tatsächliche Feststellung zu werten ist. Denn ihre Richtigkeit ergibt sich mit ausreichender Sicherheit aus dem unstreitigen Parteivortrag. Schon das Arbeitsgericht hatte festgestellt, daß der Vertrag der Vollendung der vom Kläger spätestens 1978 begonnenen Promotion dienen sollte. Hiergegen hat sich der Kläger nicht substantiiert, sondern nur durch die Darlegung gewandt, die Anfertigung der Dissertation sei im Vertrag vom 16. Dezember 1980 nicht als Befristungsgrund vereinbart worden. Auch die eingehenden Darlegungen im Schriftsatz des Beklagten vom 26. April 1984, der Kläger sei allein seiner Promotion wegen beim beklagten Land eingestellt worden, hat der Kläger nicht substantiiert bestritten, sondern nur dargelegt, bei den Verhandlungen zwischen der Universität und dem Personalrat über die Dauer des abzuschließenden Zeitvertrages habe die voraussichtliche Dauer seiner Promotion keine Rolle gespielt. Die Schlußfolgerung des Klägers, seine Anstellung als wissenschaftlicher Angestellter habe daher in keinem Zusammenhang mit seinem Promotionsvorhaben gestanden, erscheint deshalb unverständlich.
3. Letztlich kommt es jedoch nicht einmal hierauf entscheidend an. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 12. Februar 1986 (- 7 AZR 482/84 - zur Veröffentlichung bestimmt) entschieden, daß die den Hochschulen gesetzlich zugewiesene Aufgabe der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses die Befristung des Arbeitsvertrages mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter sachlich rechtfertigen kann. Hierfür ist nicht erforderlich, daß die Tätigkeit des wissenschaftlichen Mitarbeiters von vornherein auf eine bestimmte formale wissenschaftliche Qualifikation, wie etwa eine Promotion, ausgerichtet ist. Vielmehr genügt es, wenn dem wissenschaftlichen Mitarbeiter aufgrund seiner vertraglichen Tätigkeit, insbesondere auch aufgrund seiner Mitarbeit an Forschungsprojekten eines Hochschullehrers, eine vertiefte Beschäftigung mit wissenschaftlichen Fragestellungen, Arbeitsweisen und Methoden ermöglicht wird und er sich dadurch über die im Studium bereits erworbenen Kenntnisse hinaus wissenschaftlich fort- und weiterbilden kann.
Nach diesen Grundsätzen, an denen der Senat festhält, erweist sich die vorliegende Befristung auch dann als sachlich gerechtfertigt, wenn das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht seiner Promotion dienen sollte. Denn nach dem unstreitigen Sachvortrag erhielt der Kläger durch seine Tätigkeit nicht nur die Gelegenheit zu einer allgemeinen Fort- und Weiterbildung, wie sie mit nahezu jeder Tätigkeit eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an einer Universität verbunden ist, und die deshalb zur Rechtfertigung einer Befristung nicht ausreicht. Vielmehr wurde dem Kläger Gelegenheit gegeben, sich für eine begrenzte Zeit wissenschaftlich zu betätigen und dabei vertiefte Erfahrungen mit wissenschaftlichen Fragestellungen, Arbeitsweisen und Methoden zu sammeln. Damit diente der Arbeitsvertrag der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung, die ihrer Natur nach nicht zeitlich unbegrenzt ausgedehnt werden kann.
Auch die Dauer der vereinbarten Befristung begegnet keinen Bedenken. Der erkennende Senat hat in seinem angeführten Urteil vom 12. Februar 1986 ausgeführt, daß die vereinbarte Dauer eines der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung dienenden Arbeitsvertrages nicht so kurz bemessen sein darf, daß in ihr eine ins Gewicht fallende Verbesserung der wissenschaftlichen Qualifikation des Mitarbeiters nicht erreicht werden kann. Andererseits darf sie nicht übermäßig ausgedehnt werden, damit die Zweckbestimmung der Stelle, auch anderen jungen Wissenschaftlern gleiche Chancen zur wissenschaftlichen Weiterbildung zu geben und damit der Nachwuchsförderung zu dienen, erhalten bleibt. Welche Zeitspanne in diesem Rahmen für den jeweiligen Einzelfall angemessen ist, muß weitgehend der fachlichen Beurteilung der dafür zuständigen Stellen der Hochschule überlassen bleiben, die insoweit einen erheblichen Beurteilungsspielraum haben. Im Entscheidungsfalle ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß sich das beklagte Land mit der vereinbarten dreijährigen Befristungsdauer nicht im Rahmen dieses Beurteilungsspielraumes gehalten hätte.
Dr. Seidensticker Dr. Becker Dr. Steckhan
Seiler Dr. Johannsen
Fundstellen