Entscheidungsstichwort (Thema)
Feiertagszuschlag bei tagesübergreifender Schichtarbeit
Leitsatz (redaktionell)
Bestimmt ein Tarifvertrag des Handelsgewerbes, daß für Feiertagsarbeit von 0.00 bis 24.00 Uhr ein Feiertagszuschlag gezahlt werden muß, so gilt das im Zweifel auch für Schichtarbeit, die am Vortage beginnt und am Feiertag um 6.15 Uhr endet. Die gegenteilige Rechtsprechung zur Schichtarbeit im Produktivgewerbe (Vergleiche BAG vom 1.12.1967 3 AZR 90/67 = BAGE 20, 237 = AP Nr 25 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG und BAG vom 31.1.1969 3 AZR 439/68 = BAGE 21, 332 = AP Nr 26 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG) ist nicht übertragbar.
Orientierungssatz
Auslegung der §§ 2, 5 des Manteltarifvertrages für das private Bankgewerbe in der Bundesrepublik Deutschland in der Fassung ab 1.3.1980.
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 04.12.1980; Aktenzeichen 25 Ca 8202/80) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des tariflichen Feiertagszuschlags für tagesübergreifende Schichtarbeit an gesetzlichen Feiertagen.
Der Kläger ist im Rechenzentrum der Beklagten in München beschäftigt. Dort wird im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet. Die Frühschicht läuft von 5.45 Uhr bis 14.15 Uhr, die Spätschicht von 13.45 Uhr bis 22.15 Uhr und die Nachtschicht von 21.45 Uhr bis 6.15 Uhr des folgenden Tages. In der Schichtzeit ist eine Ruhepause von 30 Minuten enthalten. Die Schichten wechseln jeweils von Woche zu Woche. Die Nachtschicht beginnt immer am Montag um 21.45 Uhr und endet am Sonnabend um 6.15 Uhr.
Auf das Arbeitsverhältnis ist kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für das private Bankgewerbe in der Bundesrepublik Deutschland in der ab 1. März 1980 geltenden Fassung anzuwenden. Nach § 2 Nr. 1 des Manteltarifvertrages (künftig kurz: MTV) beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen 40 Stunden (Satz 1). Die Sonnabende sind dienstfrei (Satz 2). Übergreifende Schichtarbeit zum Sonnabend ist zulässig (Satz 3).
§ 5 MTV hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"Mehrarbeits-, Sonn-, Feiertags-, Nachtarbeits-
und Schichtarbeitsvergütung
1. Die Grundvergütung für jede Mehrarbeitsstunde
beträgt 1/165 des tariflichen Monatsgehalts zu-
züglich übertariflicher Zulagen, mindestens je-
doch 1/165 des tariflichen Monatsgehalts in der
Tarifgruppe 4 im 1. Berufsjahr. Kinderzulagen
bleiben bei der Berechnung der Mehrarbeitsver-
gütung außer Ansatz. Halbe Mehrarbeitsstunden
werden mit der Hälfte dieser Sätze vergütet.
Zur Mehrarbeitsgrundvergütung wird ein Mehrar-
beitszuschlag von 25 % gewährt. Der Mehrarbeits-
zuschlag erhöht sich für Mehrarbeit, die über
8 Stunden in der Woche hinausgeht, und für Mehr-
arbeit, die an Sonnabenden (0-24.00 Uhr) ge-
leistet wird, auf 50 %.
2. Für Arbeit an Sonntagen und gesetzlichen Feier-
tagen sowie an Bankfeiertagen (0-24.00 Uhr)
- außer Wachdienst - wird ein Zuschlag von
100 % gezahlt.
3. Für Arbeit in der Nachtzeit (20.00 - 6.00 Uhr)
- außer Wachdienst - wird ein Zuschlag von
25 % gezahlt.
4. Für ständige 3-schichtige Wechselschichtarbeit
(außer Wachdienst), bei der die 3. Schicht regel-
mäßig überwiegend in der Nachtzeit (20.00 - 6.00
Uhr) liegt, wird ein monatlicher Zuschlag von
DM 350,-- gezahlt. Zusätzlich wird für je ein
halbes Jahr solcher Wechselschichtarbeit ein Tag
bezahlte Arbeitsbefreiung gewährt.
Für sonstige ständige Wechselschichtarbeit (außer
Wachdienst), bei der regelmäßig die Frühschicht
vor 6.00 Uhr beginnt oder die Spätschicht nach
20.00 Uhr endet, wird ein monatlicher Zuschlag
von DM 150,-- gezahlt.
....."
Wenn die Schichtarbeit in einen Feiertag hineinragt (nach Abzug der Pause handelt es sich dabei um jeweils sechs Stunden), fällt die nächste Schicht aus; die Nachtschicht beginnt dann erst an dem auf den Feiertag folgenden Tag um 21.45 Uhr. Bis April 1978 zahlte die Beklagte den im Rechenzentrum München beschäftigten Arbeitnehmern Feiertagszuschlag zu der Vergütung für Schichtarbeit, die von 0.00 Uhr bis 6.15 Uhr an Feiertagen geleistet wurde. Seither ist die Zahlung eingestellt.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten den Feiertagszuschlag gemäß § 5 Nr. 2 MTV für jeweils sechs Stunden an fünf Feiertagen (17. Juni 1978, 15. August 1979, 4. April 1980, 15. Mai 1980 und 5. Juni 1980) in der unstreitigen Höhe von 382,08 DM.
Demgemäß hat der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 382,08 DM
brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergeben-
den Nettobetrag ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, dem Kläger stehe der verlangte Zuschlag nicht zu.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die zugelassene Sprungrevision der Beklagten, die ihr Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des tariflichen Feiertagszuschlages nach § 5 Abs. 2 MTV.
1. § 5 Nr. 2 MTV erklärt die an Sonntagen, gesetzlichen Feiertagen sowie an Bankfeiertagen in der Zeit von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr geleistete Arbeit (mit Ausnahme des Wachdienstes) zur Sonn- bzw. Feiertagsarbeit und bestimmt gleichzeitig, daß für diese Arbeit ein Zuschlag von 100 % zu zahlen ist. Nach dem Wortlaut der Vorschrift gilt jede Art von Arbeit, die während des Ablaufs der vollen kalendertägigen Dauer eines Sonn- oder Feiertages zu irgendeinem Zeitpunkt erbracht wird, als Sonn- bzw. Feiertagsarbeit. Nur der Wachdienst wird ausdrücklich ausgenommen. Damit wird auch der in den Feiertag hineinragende Teil der Schichtarbeit erfaßt und ist als Arbeit an einem gesetzlichen Feiertag anzusehen. Daraus folgt, daß für diesen Teil der Schichtarbeit der Feiertagszuschlag in gleicher Weise zu zahlen ist wie für jede andere während des Feiertages geleistete Arbeit.
2. Dieses aus dem Wortlaut des § 5 Nr. 2 MTV folgende Ergebnis entspricht auch Sinn und Zweck der Zuschlagsregelung für Feiertagsarbeit.
Der Arbeitnehmer, der nach Ableistung der Nachtschicht gegen 7.00 Uhr morgens nach Hause kommt, kann den Feiertag nicht in der gleichen Weise gestalten wie ein Arbeitnehmer, der am späten Nachmittag oder am Abend des vorhergehenden Tages seine Arbeitszeit beendet hat. Wer die Nacht durchgearbeitet hat, wird normalerweise erst einige Stunden schlafen müssen, um sich zu erholen. Damit verliert er den gesamten Vormittag, regelmäßig auch einen Teil des frühen Nachmittages für die allgemeinübliche Feiertagsnutzung.So kann der Arbeitnehmer bei einem kirchlichen Feiertag am Vormittag nicht den Gottesdienst besuchen oder bei einem weltlichen Feiertag nicht an den üblichen Vormittagsveranstaltungen, wie Versammlungen oder kleinen Treffen, teilnehmen; er kann auch keinen Tagesausflug unternehmen (vgl. Canaris, Anm. zu AP Nr. 26 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu I 2 b; ferner Konzen, Anm. zu AP Nr. 29, aaO, zu II 2 c). Daß der Arbeitnehmer den Abend besser nutzen kann, weil er noch nicht müde ist und am nächsten Morgen nicht zu einer bestimmten Zeit aufstehen und zur Arbeit fahren muß, bedeutet zwar einen gewissen Ausgleich für den verlorengegangenen Feiertagsvormittag, schließt aber das Bedürfnis einer finanziellen Entschädigung nicht völlig aus.
3. Die in § 2 MTV enthaltene arbeitszeitrechtliche Regelung legt die wöchentliche Arbeitszeit auf 40 Stunden fest. Weiter ist bestimmt, daß die Sonnabende dienstfrei sind und daß die übergreifende Schichtarbeit zum Sonnabend zulässig ist. Weder die Sonntagsarbeit noch die Schichtarbeit im allgemeinen sind in dieser Bestimmung angesprochen. Dagegen findet sich eine Erwähnung der Sonntags- und auch der allgemeinen Schichtarbeit in § 5 MTV. Diese Vorschrift verbindet eine Definition der Sonn- und Feiertagsarbeit sowie der Nachtarbeit mit abgestuften Zuschlagsregelungen. Auch dieser Aufbau des Tarifvertrages macht den Willen deutlich, die Belastung durch in den Feiertag hineinreichende Schichtarbeit als besondere Art der Feiertagsarbeit zu berücksichtigen und dementsprechend finanziell in Gestalt von Zuschlägen zu entschädigen.
II. Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Gewährung von Feiertagszuschlägen bei schichtübergreifender Tätigkeit im Produktivgewerbe berufen, die zu dem gegenteiligen Ergebnis gelangt ist. In den früher entschiedenen Fällen enthielt die tarifliche Regelung Lücken, die vorliegend nicht anzunehmen sind.
1. Der Senat hat mehrfach entschieden, daß Feiertagszuschlag nicht gezahlt zu werden braucht, wenn in einem in drei Schichten arbeitenden Betrieb des Produktivgewerbes aufgrund des § 105 b Abs. 1 Satz 4 GewO der Beginn der Feiertagsruhe auf die Zeit ab 6.00 Uhr des Feiertages verlegt ist. Für derartige Fälle hat der Senat die Auslegungsregel aufgestellt, daß - sofern keine anderweitige tarifliche Regelung besteht - bei durchlaufender Schichtarbeit die lohnrechtlichen Folgen nach der Schichteinteilung und nicht nach dem Kalendertag zu beurteilen sind. Danach bleiben die in den Feiertag hineinragenden Stunden der Nachtschicht zuschlagsfrei. Die Tarifklausel "Sonn- und Feiertagsarbeit ist die an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen in der Zeit von 0.00 bis 24.00 Uhr geleistete Arbeit" ist nach der erwähnten Rechtsprechung des Senats nicht ohne weiteres als abweichende tarifliche Regelung zu verstehen, die auch den tagesübergreifenden Schichtbetrieb im Produktivgewerbe erfassen soll (BAG 20, 237 = AP Nr. 25 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; 21, 332 = AP Nr. 26, aaO; BAG, Urteil vom 17. Mai 1973 - 3 AZR 376/72 - AP Nr. 29, aaO). Diese Überlegungen sind im vorliegenden Fall jedoch aus verschiedenen Gründen nicht anwendbar.
2. Die arbeitszeitrechtliche Lage im Produktivgewerbe (§ 105 b Abs. 1 Satz 1 GewO) unterscheidet sich grundlegend von der im Handelsgewerbe (§ 105 b Abs. 2 GewO). Im Produktivgewerbe besteht ein besonderes Bedürfnis für fortlaufenden Schichtbetrieb. Deshalb erlaubt § 105 b Abs. 1 Satz 4 GewO hier ausdrücklich, daß bei regelmäßiger Tag- und Nachtschicht der Beginn der Ruhezeit an Sonn- und Feiertagen auf 6.00 Uhr morgens verschoben werden kann, wenn für die auf den Beginn der Ruhezeit folgenden 24 Stunden der Betrieb ruht. Bestimmen die Tarifvertragsparteien des Produktivgewerbes die Arbeitszeit als die Zeit von 0.00 bis 24.00 Uhr, so ist im Zweifel nicht anzunehmen, daß mit dieser Regelung eine Verschiebung des Feiertagsbeginns ausgeschlossen werden sollte, auch wenn dies gesetzlich möglich gewesen wäre. Eine Abbedingung der von § 105 b Abs. 1 Satz 4 GewO eigens ermöglichten arbeitszeitrechtlichen Sonderregelung wäre ganz ungewöhnlich und überdies weder für Arbeitgeber noch für Arbeitnehmer sinnvoll; sie müßte daher klar und unmißverständlich im Tarifvertrag ausgesprochen sein (Canaris, Anm. zu AP Nr. 26 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu I 1).
Für das Handelsgewerbe, wozu auch das Bankgewerbe zählt, besteht dagegen keine allgemeine gesetzliche Regelung, die die Verschiebung der Feiertagsruhe gestattet. Die Bestimmung des § 105 b Abs. 2 Satz 2 GewO sieht lediglich vor, daß die zuständige Behörde für bis zu zehn Sonn- und Feiertage im Jahr unter bestimmten Voraussetzungen eine Beschäftigung bis zu acht Stunden zulassen kann. Ob im Streitfall die in den Feiertag hineinragende Schichtarbeit überhaupt arbeitszeitrechtlich zulässig war, ist nicht festgestellt worden, kann für die Entscheidung auch dahinstehen. Jedenfalls müssen die Tarifvertragsparteien des Handelsgewerbes anders als im Produktivgewerbe nicht von dem allgemein üblichen Sachverhalt ausgehen, daß im Mehrschichtbetrieb die Verschiebung der Feiertagsruhe die Regel ist. Wird daher, wie vorliegend, in einem Tarifvertrag für das Handelsgewerbe eine Regelung der Zeit von 0.00 bis 24.00 Uhr an Sonn- und Feiertagen getroffen und für die in dieser Zeit erbrachte Arbeit ein Zuschlag vorgesehen, so ist davon auszugehen, daß mangels ausdrück- licher anderweitiger Regelung damit auch die als Nachtschicht geleistete und teilweise in den Feiertag hineinreichende Arbeit gemeint ist.
Dr. Dieterich Dr. Gehring Schaub Dr. Krems Kunze
Fundstellen
BAGE 43, 143-148 (LT1) |
BAGE, 143 |
BB 1983, 2054-2054 (LT1) |
DB 1983, 2579-2580 (LT1) |
ARST 1984, 19-20 (LT1) |
BlStSozArbR 1984, 37-37 (T) |
AP § 1 FeiertagslohnzahlungsG (LT1), Nr 40 |
EzA § 1 FeiertLohnzG, Nr 25 (LT1) |