Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Jahresleistung bei Erziehungsurlaub
Leitsatz (redaktionell)
Bestätigung der Rechtsprechung des Zehnten Senats vom 24. November 1993 – 10 AZR 704/92 – AP Nr. 158 zu § 611 BGB Gratifikation und vom 10. Februar 1993 – 10 AZR 450/91 – AP Nr. 7 zu § 15 BErzGG
Normenkette
BGB § 611; EWGVtr Art. 119; BErzGG § 15; GG Art. 3, 6
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 07.06.1993; Aktenzeichen 19 Sa 321/93) |
ArbG Solingen (Urteil vom 16.12.1992; Aktenzeichen 2 Ca 1738/92) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. Juni 1993 – 19 Sa 321/93 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer tariflichen Jahresleistung für das Jahr 1991.
Die Klägerin ist seit September 1983 bei der Beklagten als Gärtnerin beschäftigt. Auf ihr Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die chemische Industrie Nordrhein Anwendung. In der Zeit vom 1. Januar bis 18. Juli 1991 nahm die Klägerin Erziehungsurlaub in Anspruch. Die Beklagte zahlte ihr für das Jahr 1991 deshalb nur eine anteilige Jahresleistung in Höhe von 1.676,00 DM nach dem Tarifvertrag über eine Jahresleistung vom 17. Juli 1989 für die chemische Industrie, Tarifbereich Nordrhein (im folgenden: TV-Jahresleistung).
Dieser TV-Jahresleistung lautet – soweit vorliegend von Interesse –:
„§ 2
Die Arbeitnehmer und Auszubildenden (Berechtigte) erhalten eine Jahresleistung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen:
§ 3
Der Anspruch auf die Jahresleistung setzt voraus, daß der Berechtigte am 31.12. des jeweiligen Kalenderjahres dem Betrieb länger als drei Monate angehört und sein Arbeitsverhältnis nicht selbst gekündigt hat.
§ 4
1. Die volle Jahresleistung beträgt für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte 100 % eines monatlichen Tarifentgelts (monatlicher Entgeltsatz gemäß dem jeweiligen Entgelttarifvertrag für die chemische Industrie in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln) und für Auszubildende 100 % der monatlichen tariflichen Ausbildungsvergütung.
2. Teilzeitbeschäftigte erhalten die nach diesen Bestimmungen zu errechnende Jahresleistung in einer Höhe, die dem Anteil ihrer persönlichen Arbeitszeit im Verhältnis zur regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit entspricht.
3. Im Eintrittsjahr erhalten Berechtigte für
jeden vollen Beschäftigungsmonat 1/12 der Jahresleistung nach Ziffer 1 und 2.
4. In den nachfolgenden Kalenderjahren besteht ein Anspruch in Höhe von 1/12 der Jahresleistung für jeden Kalendermonat, in dem der Berechtigte für mindestens 12 Arbeitstage Anspruch auf Entgelt, Ausbildungsvergütung oder Fortzahlung der Bezüge hat. Durch längere Arbeitsunfähigkeit wird der Anspruch auf die Jahresleistung nicht berührt.
5. Berechtigte, die mit oder nach Erreichen der Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung, wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit aus dem Betrieb ausscheiden, erhalten die volle Jahresleistung nach Ziffer 1 und 2, wenn sie im Austrittsjahr dem Betrieb länger als 3 Monate angehört haben.
Bei Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes oder der flexiblen Altersgrenze besteht Anspruch auf die volle Leistung, wenn der Berechtigte dem Betrieb beim Ausscheiden 8 Jahre und im laufenden Kalenderjahr länger als 3 Monate angehört hat.
6. Wird das Arbeits- und Ausbildungsverhältnis durch Tod beendet und hat der Berechtigte in dem betreffenden Kalenderjahr dem Betrieb länger als 3 Monate angehört, haben der Ehegatte, die Kinder oder die Eltern des Berechtigten Anspruch auf die volle Jahresleistung, soweit sie dessen Erben sind.
…
7. Kommt ein Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis infolge Einberufung des Berechtigten zum Grundwehr- oder Ersatzdienst zum Ruhen, erhält der Berechtigte für jeden vollen Beschäftigungsmonat 1/12 der Jahresleistung.
…”
Die Klägerin ist der Meinung, ihr stehe für das Jahr 1991 eine volle Jahresleistung in Höhe von 4.097,00 DM zu. Die anteilige Kürzung der Jahresleistung sei rechtsunwirksam, weil der TV-Jahresleistung keine Kürzungsmöglichkeit für den Fall der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub vorsehe. Außerdem verstoße eine Kürzung gegen § 15 Abs. 4 BErzGG a. F. Da in über 90 % der Fälle Erziehungsurlaub nicht von den Vätern, sondern von den Müttern in Anspruch genommen werde, stelle eine Kürzung der Jahresleistung wegen Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubes auch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Lohngleichheit gemäß Art. 119 EWG-Vertrag dar.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.421,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 15. September 1992 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie beruft sich darauf, nach § 4 Ziff. 4 des TV-Jahresleistung zur anteiligen Kürzung der Jahresleistung wegen der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub durch die Klägerin berechtigt gewesen zu sein.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen.
Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat für das Jahr 1991 nur Anspruch auf eine anteilige Jahresleistung.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte sei nach § 4 Ziff. 4 TV-Jahresleistung zur anteiligen Kürzung der Jahresleistung für das Jahr 1991 wegen der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs durch die Klägerin berechtigt gewesen. Diese Kürzungsvorschrift verstoße nicht gegen § 15 Abs. 4 BErzGG a. F.
Es liege auch kein Verstoß gegen Art. 119 EWG-Vertrag vor, da nicht festgestellt werden könne, daß von der Regelung des § 4 Ziff. 4 TV-Jahresleistung, die bestimmte Arbeitnehmer von der Zahlung dieser Jahresleistung teilweise ausschließe, wesentlich mehr Frauen als Männer betroffen seien.
II. Sowohl im Ergebnis als auch in weiten Teilen der Begründung kann dem Landesarbeitsgericht gefolgt werden.
1. Zu Recht kommt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, daß der Klägerin für das Jahr 1991 nur ein um die Zeit ihres Erziehungsurlaubs anteilig gekürzter Anspruch auf die tarifliche Jahresleistung zusteht.
§ 4 Ziff. 4 Satz 1 TV-Jahresleistung bestimmt, daß ein an sich nach § 3 TV-Jahresleistung anspruchsberechtigter Arbeitnehmer Anspruch auf ein Zwölftel der Jahresleistung für jeden Kalendermonat hat, in dem er für mindestens zwölf Arbeitstage Anspruch auf Entgelt, Ausbildungsvergütung oder Fortzahlung der Bezüge hat.
Da die Klägerin wegen des Ruhens ihres Arbeitsverhältnisses während ihres Erziehungsurlaubs vom 1. Januar bis 18. Juli 1991 keine Vergütungsansprüche gegen die Beklagte hatte (vgl. BAG Urteil vom 22. Juni 1988, BAGE 59, 62 = AP Nr. 1 zu § 15 BErzGG und BAG Urteil vom 10. Mai 1989, BAGE 62, 35 = AP Nr. 2 zu § 15 BErzGG), stehen ihr für diesen Zeitraum nach der Tarifnorm auch keine Ansprüche auf die Jahresleistung zu.
Die Ausnahmeregelung des § 4 Ziff. 4 Satz 2 TV-Jahresleistung zugunsten derjenigen Arbeitnehmer, die auf Grund längerer Arbeitsunfähigkeit keine Vergütungsansprüche im Bezugs Zeitraum hatten, greift nach ihrem eindeutigen Wortlaut für Arbeitnehmer im Erziehungsurlaub nicht ein.
Auf Grund des klaren Wortlauts des § 4 Ziff. 4 Satz 1 TV-Jahresleistung kommt eine Auslegung dieser Tarifvorschrift dahingehend, daß sie den Fall der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub nicht erfassen will, nicht in Betracht. Außerdem zeigt die Regelung des Sonderfalls in § 4 Ziff. 4 Satz 2 (voller Anspruch auf die Jahresleistung trotz ≪teilweisen≫ Wegfalls der Lohnfortzahlung wegen längerer Arbeitsunfähigkeit), daß alle anderen möglichen Fallgestaltungen, in denen keine Entgeltzahlungspflicht für den Arbeitgeber besteht, von der Grundregelung des § 4 Ziff. 4 Satz 1 TV-Jahresleistung erfaßt werden sollen.
2. § 4 Ziff. 4 Satz 1 TV-Jahresleistung verstößt nicht gegen § 15 Abs. 4 BErzGG vom 25. Juli 1989 i.d.F. des Gesetzes vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2823).
Diese Vorschrift bestimmt, daß der Anspruch auf Erziehungsurlaub nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden kann.
Die Regelung des § 4 Ziff. 4 Satz 1 TV-Jahresleistung führt nicht zu einer gesetzwidrigen Einschränkung des Anspruches auf Erziehungsurlaub. Dieser wird durch § 15 Abs. 4 BErzGG nur im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen geschützt. Aus diesen ergibt sich, daß während des Erziehungsurlaubs die beiderseitigen Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses suspendiert sind und damit auch die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der Vergütung entfällt. Knüpfen die Tarifvertragsparteien an diese Rechtsfolge des Erziehungsurlaubs, nämlich das Ruhen des Arbeitsverhältnisses, an, und bestimmen sie, daß in diesem Falle auch die Pflicht zur Zahlung einer tariflichen Sonderzahlung nicht besteht, so geht diese Regelung nicht über das hinaus, was sich ohnehin für andere Vergütungsbestandteile aus den gesetzlichen Vorschriften des Bundeserziehungsgeldgesetzes ergibt (BAG Urteil vom 24. November 1993 – 10 AZR 704/92 – AP Nr. 158 zu § 611 BGB Gratifikation, m.w.N.).
3. Die tarifliche Regelung enthält auch keine mittelbare Diskriminierung des den Erziehungsurlaub in Anspruch nehmenden weiblichen Arbeitnehmers. Eine solche Diskriminierung wäre nach Art. 119 EWG-Vertrag unwirksam.
Es kann dahinstehen, ob dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen ist, daß nicht festgestellt werden kann, durch die in § 4 Ziff. 4 Satz 1 TV-Jahresleistung getroffene Regelung seien im Ergebnis wesentlich mehr Frauen als Männer nachteilig betroffen. Die Regelung führt unabhängig davon, ob von ihr mehr Männer als Frauen betroffen werden, zu keinem Verstoß gegen Art. 119 EWG-Vertrag.
Gemäß Art. 119 EWG-Vertrag gilt für Männer und Frauen der Grundsatz der Lohngleichheit. Verboten sind auch solche geschlechtsneutral gefaßten Regelungen, die wesentlich mehr Angehörige des einen oder des anderen Geschlechts tatsächlich benachteiligen, es sei denn, die Maßnahme ist objektiv gerechtfertigt und hat nichts mit einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts zu tun. Besteht ein wirkliches Bedürfnis für eine unterschiedliche Behandlung, so kann auch eine geschlechtsspezifische Benachteiligung zulässig sein (EuGH Urteil vom 13. Mai 1986 – Rs 170/84 – Bilka. EuGHE 1986, 1607 = AP Nr. 10 zu Art. 119 EWG-Vertrag).
Vorliegend sind hinreichend gewichtige Gründe vorhanden, die es zulassen, daß die Tarifvertragsparteien für Arbeitnehmer, die im Bezugszeitraum Erziehungsurlaub in Anspruch genommen haben, den Anspruch auf eine tarifliche Jahresleistung anteilig kürzen bzw. ggf. gänzlich ausschließen. Die Tarifvertragsparteien können sich zur Rechtfertigung ihrer tariflichen Regelung auf ein wirkliches Bedürfnis berufen.
a) Die Jahresleistung stellt zumindest teilweise Entgelt für vom Arbeitnehmer erbrachte Dienste dar. Grundsätzlich soll nämlich mit einer jährlichen Sonderzahlung, einer Gratifikation, unabhängig von ihrer Bezeichnung im Einzelfall, die im Bezugszeitraum für den Betrieb geleistete Arbeit zusätzlich anerkannt und vergütet werden. Dieser Zweck der Gratifikation (Sonderzahlung) kommt regelmäßig in Bestimmungen zum Ausdruck, nach denen der Anspruch auf eine Gratifikation überhaupt erst nach einer bestimmten Dauer des Arbeitsverhältnisses entsteht, daß die Gratifikation im Eintritts- oder Austrittsjahr nur anteilig bezahlt wird und daß Teilzeitkräfte eine ihrer geringeren Arbeitszeit entsprechend geringere Gratifikation erhalten (BAG Urteil vom 5. August 1992 – 10 AZR 88/90 – AP Nr. 143 zu § 611 BGB Gratifikation, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt).
Nach dem TV-Jahresleistung haben Arbeitnehmer im Eintrittsjahr (§ 4 Ziff. 3 TV-Jahresleistung) nur Anspruch auf eine anteilige Jahresleistung. Auch ist eine Mindestbetriebszugehörigkeit von drei Monaten Voraussetzung für einen Anspruch auf eine Jahresleistung (§ 3 TV-Jahresleistung). Des weiteren erhalten Teilzeitbeschäftigte nur eine Jahresleistung in der Höhe, die dem Anteil ihrer persönlichen Arbeitszeit im Verhältnis zur regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit entspricht (§ 4 Ziff. 2 TV-Jahresleistung).
Aus diesen Regelungen wird deutlich, daß sich die Jahresleistung nach dem TV-Jahresleistung (auch) als ein Entgelt für geleistete Dienste darstellt.
An diesem Entgeltcharakter der Jahresleistung ändert auch der Umstand nichts, daß Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine volle Jahresleistung haben, obwohl sie nicht während des gesamten Bezugszeitraumes eine Arbeitsleistung erbracht haben.
So steht Arbeitnehmern, die wegen Erreichens der Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung, wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit ausscheiden, die volle Jahresleistung zu, wenn sie im Austrittsjahr dem Betrieb länger als drei Monate angehört haben (§ 4 Ziff. 5 Satz 1 TV-Jahresleistung).
Gleiches gilt beim Ausscheiden wegen Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes oder der flexiblen Altersgrenze bei mindestens achtjähriger Betriebszugehörigkeit und dreimonatiger Betriebszugehörigkeit im Kalenderjahr (§ 4 Ziff. 5 Satz 2 TV-Jahresleistung).
Diese Regelungen stellen lediglich Ausnahmen von dem in § 3 TV-Jahresleistung normierten Grundsatz dar, daß vor dem 31. Dezember des Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidende Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Jahresleistung haben.
Diese aus sozialen Gesichtspunkten vereinbarten tariflichen Ausnahmebestimmungen geben keine Anhaltspunkte dafür, daß die Jahresleistung grundsätzlich keinen Entgeltcharakter besitzt. Dies gilt vor allem deshalb, weil auch jede dieser Ausnahmebestimmungen eine bestimmte Betriebszugehörigkeit (länger als drei Monate im Kalenderjahr) zur Anspruchsvoraussetzung für eine Jahresleistung macht.
b) Die Tarifvertragsparteien dürfen die Höhe einer Zuwendung mit Entgeltcharakter davon abhängig machen, daß der Arbeitnehmer die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeit tatsächlich erbringt.
Solche Gestaltungen sind weder nach nationalem noch nach europäischem Recht verboten. Es gilt der Rechtssatz, daß Lohn nur für erbrachte Arbeit geschuldet wird, sofern nicht das Gesetz ausnahmsweise eine Lohnzahlungspflicht auch für Zeiten ohne Arbeitsverpflichtung vorsieht (z.B. Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle, Lohnfortzahlung für gesetzliche Feiertage, Zuschuß zum Mutterschaftsgeld in Zeiten des Mutterschutzes, Annahmeverzug des Arbeitgebers).
Für die Jahresleistung nach dem TV-Jahresleistung bedeutet dies folgendes:
Ist der Arbeitgeber von der Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts befreit, weil das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers wegen der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub ruht, steht es den Tarifvertragsparteien grundsätzlich frei, den Arbeitgeber auch von der Erbringung zusätzlicher Entgeltleistungen freizustellen. Dieser darf, so wie das Arbeitsverhältnis im Ganzen ruht, auch seine Aufwendungen für zusätzliche Entgeltleistungen „ruhen” lassen.
Die vorstehenden Überlegungen werden durch die bei Teilzeitarbeit von Rechts wegen gebotene Leistungsgestaltung bestätigt. Es ist ein Ausdruck der Gleichbehandlung, daß Teilzeitarbeit nur nach dem zeitlichen Anteil der Arbeitsleistung im Vergleich zur Vollzeitarbeit vergütet wird. Ein Arbeitnehmer, der Teilzeitarbeitet leistet, kann nicht die gleiche Vergütung verlangen wie ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Anderenfalls könnten die vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ungerechtfertigt benachteiligt sein. Nichts anderes gilt für die hier streitige Zahlung einer tariflichen Jahresleistung. Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer kann nicht eine gleich hohe Jahresleistung fordern, wie sie für die volle Arbeitszeit im TV-Jahresleistung vorgesehen ist. Dies ist auch in § 4 Ziff. 2 TV-Jahresleistung ausdrücklich geregelt.
Würden Zeiten des Erziehungsurlaubs in vollem Umfange für die Höhe der tariflichen Jahresleistung berücksichtigt, wären solche Arbeitnehmer gleichheitswidrig benachteiligt, die zwar nur Teilzeitarbeit leisten, diese aber tatsächlich erbringen. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung für tatsächlich erbrachte Dienste wäre in unerträglicher Weise erschüttert. Der Unterschied zwischen ruhendem und nicht ruhendem Arbeitsverhältnis ist so gewichtig, daß eine unterschiedliche Behandlung nicht nur beim Lohn, sondern auch bei der Gewährung zusätzlicher Leistungen zum Arbeitsentgelt gerechtfertigt ist (so zur Berücksichtigung von Zeiten des Erziehungsurlaubs für die Berechnung einer betrieblichen Altersversorgung: BAG Urteil vom 15. Februar 1994 – 3 AZR 708/93 –, zur Veröffentlichung bestimmt).
4. Aus den gleichen Gründen scheidet auch ein Verstoß der tariflichen Regelung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 2, Abs. 3 GG aus. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses während des Erziehungsurlaubs mit der Folge der Aussetzung von Arbeitspflicht und Lohnzahlungspflicht ist von solchem Gewicht, daß eine allgemeine Gleichstellung der betroffenen Arbeitnehmer mit Arbeitnehmern in nicht ruhenden Arbeitsverhältnissen nicht gefordert werden kann.
5. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 4 GG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dem Anspruch der Mutter auf Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft werden die Regelungen des Mutterschutzgesetzes und des Bundeserziehungsgeldgesetzes gerecht. So wird ihr während der Schutzfrist nach der Entbindung und während des Erziehungsurlaubs der Arbeitsplatz erhalten (§ 9 Abs. 1 MuSchG, § 18 Abs. 1 BErzGG), der Anspruch auf die gesetzliche Rente fortgeführt und eine staatliche Leistung in Form des Mutterschafts- bzw. Erziehungsgeldes gewährt. Zu weitergehenden Entgeltleistungen ist der Arbeitgeber aus Gründen der Gleichbehandlung nicht verpflichtet (so auch: BAG Urteil vom 15. Februar 1994, a.a.O.).
Da es somit nicht darauf ankommt, in welchem zahlenmäßigen Verhältnis Männer und Frauen Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen, gehen die Verfahrensrügen der Klägerin, welche die diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts betreffen, ins Leere.
Demnach hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen, so daß ihre Revision erfolglos bleiben mußte.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Dr. Freitag, Böck, Dr. Weidner, Schlaefke
Fundstellen