Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliches Bestimmungsrecht und Arbeitszeitänderung
Leitsatz (redaktionell)
1a. Durch Tarifvertrag kann dem Arbeitgeber die Befugnis eingeräumt werden, für Arbeitnehmer mit erschwerten Arbeitsbedingungen die tariflich festgelegte Arbeitszeit zu verkürzen (tarifliche Bestimmungsklausel).
b. Wird ein Tarifvertrag mit einer solchen Bestimmungsklausel durch einen Tarifvertrag mit einer entsprechenden Regelung abgelöst, so ist das Bestimmungsrecht erneut auszuüben. Dies kann auch schlüssig geschehen, indem die bisherige Arbeitszeitverkürzung weitergewährt wird.
c.Das gleiche Bestimmungsrecht steht dem Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern zu, mit denen er die Anwendung eines Tarifvertrages vereinbart hat, der eine derartige Bestimmungsklausel enthält.
2a. Bei der Ausübung des Bestimmungsrechts muß der Arbeitgeber die Grundsätze billigen Ermessens wahren.
b. Eine bundesunmittelbare Rundfunkanstalt als Arbeitgeber darf bei einer durch einen neuen Tarifvertrag erforderlichen Ausübung des Bestimmungsrechts nach § 315 BGB berücksichtigen, daß der Bundesrechnungshof bei einer vergleichbaren bundesunmittelbaren Rundfunkanstalt die dort gewährte entsprechende Verkürzung der Arbeitszeit - insbesondere im Vergleich zu dem, was für entsprechende Erschwernisse (Schichtdienst) sonst im öffentlichen Dienst vorgesehen ist - als übertrieben großzügig beanstandet hat. Deshalb kann die Verkürzung auf einen geringeren als den bisher üblichen Umfang bemessen werden.
Orientierungssatz
Auslegung des Manteltarifvertrages für die Deutsche Welle vom 29.4.1964 und des einheitlichen Manteltarifvertrages für die Deutsche Welle vom 6.12.1979.
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 13.01.1983; Aktenzeichen 8 Sa 781/82) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 05.05.1982; Aktenzeichen 3 Ca 6318/81) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin.
Die Beklagte ist eine durch das Gesetz über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts vom 29. November 1960 (BGBl. I S. 862) geschaffene gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts. Ihre Aufgabe besteht darin, Rundfunksendungen für das Ausland auszustrahlen (§ 1 Abs. 1 aa0). Die Beklagte hat das Recht der Selbstverwaltung (§ 1 Abs. 2 aaO). Sie ist selbständig in ihrer Haushaltswirtschaft (§ 16 Abs. 1 aaO). Jeder Haushalt ist nach den Grundsätzen der Sparsamkeit in der Verwaltung aufzustellen. Die Haushaltsmittel sind wirtschaftlich und sparsam zu verwalten (§ 16 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 aaO).
Die Klägerin ist seit dem 1. Oktober 1971 bei der Beklagten als Sekretärin in der Nachrichtenredaktion beschäftigt. In der Nachrichtenredaktion, in der etwa 60 Mitarbeiter tätig sind, wird in Wechselschichten "rund um die Uhr" einschließlich der Wochenenden und der Feiertage gearbeitet, und zwar mit unterschiedlichen täglichen Einsatzzeiten. Dieser Schichtdienst war zunächst in täglich vier Schichten zu jeweils sechs Stunden aufgeteilt.
Seit Aufnahme des Sendebetriebes räumt die Beklagte den Mitarbeitern einiger Abteilungen Arbeitszeitverkürzungen bei voller Bezahlung ein. Damit sollen erschwerte Arbeitsbedingungen ausgeglichen werden, wie sie auch durch Wechselschichtdienst auftreten. Den Mitarbeitern der Nachrichtenredaktion wurden ebenfalls Arbeitszeitverkürzungen gewährt. Bis Januar 1982 betrug die Arbeitszeit der Klägerin wegen des von ihr abzuleistenden Wechselschichtdienstes 24 Stunden. Die verkürzten Arbeitszeiten der Klägerin wurden wie bei allen anderen Mitarbeitern in den Dienstplänen ausgewiesen.
Der schriftliche Arbeitsvertrag der Klägerin vom 2. August 1971 enthält keine Regelung der wöchentlichen Arbeitszeit. In § 2 des Vertrages heißt es jedoch, für alle sich aus dem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten "gelten die Bestimmungen des Manteltarifvertrages der DW in seiner jeweils gültigen Fassung." Die arbeitszeitrechtlichen Regelungen der Tarifverträge weisen folgende Entwicklung auf:
Der am 1. Mai 1964 in Kraft getretene Manteltarifvertrag vom 29. April 1964 (MTV 1964) sah in § 9 Nr. 1 eine regelmäßige Arbeitszeit von wöchentlich 45, später 42 1/2 Stunden vor. § 9 Nr. 3 Abs. 1 bestimmte für Blinde im Abhör- oder Schreibdienst eine Wochenarbeitszeit von 36 Stunden, für Telefonisten in Anlagen mit mindestens 200 Teilnehmern und für Fernschreiber und Hellschreiber in Anlagen mit mehr als fünf Fernschreibanschlüssen jeweils 40 Stunden. § 9 Nr. 3 Abs. 2 lautete:
"Bei vergleichbaren erschwerten Arbeitsbedin-
gungen kann auch für andere Betriebsstellen
eine Verkürzung der Arbeitszeit angeordnet
werden."
Nach Teilziffer (TZ) 311 des einheitlichen Manteltarifvertrages für die Beklagte vom 6. Dezember 1979 (eMTV) betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden. In Fußnote (FN) 9 zu dieser Bestimmung hieß es:
"Die Tarifpartner stimmen darin überein, daß
für Arbeitnehmer, die unter besonders er-
schwerten Arbeitsbedingungen tätig sind, eine
von der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit
abweichende Verkürzung der tatsächlichen Ar-
beitszeit durch Dienstplan festgelegt werden
kann. Aus einer verkürzten Arbeitszeit kann
der Arbeitnehmer bei einem Arbeitsplatzwechsel
keine Ansprüche herleiten."
Durch Nr. 3 der Tarifvereinbarung zur ersten Änderung und Ergänzung des Manteltarifvertrages vom 6. Dezember 1979, abgeschlossen am 21. April 1980 und rückwirkend in Kraft gesetzt zum 1. April 1980, wurde die Fußnote 9 der TZ 311 wie folgt geändert:
"Die Tarifpartner stimmen darin überein,
daß für Arbeitnehmer, die unter besonders
erschwerten Arbeitsbedingungen tätig sind,
eine von der regelmäßigen wöchentlichen Ar-
beitszeit abweichende Verkürzung der tat-
sächlichen Arbeitszeit durch Dienstplan
festgelegt wird; dabei muß die tatsächliche
wöchentliche Arbeitszeit mindestens auf 38
Stunden verringert werden. Aus einer so ver-
kürzten Arbeitszeit kann der Arbeitnehmer
bei einem Arbeitsplatzwechsel keine Ansprüche
herleiten.
Durch Dienstvereinbarung ist festzulegen, welche
Arbeitnehmer unter besonders erschwerten Ar-
beitsbedingungen tätig sind. Dabei sind Ort und
Zeit sowie Art und Weise der Arbeitsleistung zu
berücksichtigen."
Gemäß Fußnote 9 zu TZ 311 MTV schlossen Intendant und Personalrat der Beklagten am 6. Februar 1981 mit Wirkung ab 1. März 1981 folgende Dienstvereinbarung:
"1) Besonders erschwerte Arbeitsbedingungen
sind gegeben, wenn die Arbeit
a. im durchlaufenden Schichtdienst
zu erbringen ist und bei Durch-
lauf eines Dienstplanes im
Durchschnitt wöchentlich min-
destens eine Nachtschicht zu
leisten ist,
b. im Wechseldienst während des
Durchlaufs eines Dienstplanes
in der Woche durchschnittlich
mindestens zweimal nach 22 Uhr
endet oder vor 6 Uhr beginnt.
2) Maßgebend für die Feststellung, ob die Vor-
aussetzungen der vorstehenden Ziffer 1 a) oder
b) vorliegen, ist der gem. TZ 314.2 bekannt
zugebende Dienstplan.
3) Besonders erschwerte Arbeitsbedingungen sind
gegeben bei Arbeit, die ständig zu mehr als
50 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeits-
zeit (TZ 311 MTV)
a. bei einem durchschnittlichen Geräusch-
pegel von mehr als 70 dB (A) zu lei-
sten ist oder
b. in Räumen stattfindet, die ohne Sicht-
verbindung nach draußen künstlich be-
leuchtet werden müssen oder
c. nach Art der Tätigkeit in abgedunkelten
Räumen zu erledigen ist.
4) Sofern nicht die Voraussetzungen der vorsteh-
enden Ziffern 1, 2 und 3 vorliegen, wird über
die Anerkennung besonders erschwerter Arbeits-
bedingungen von Fall zu Fall entschieden.
5) Zur Vorbereitung von Entscheidungen, gemäß
Ziffer 4, wird ein Ausschuß gebildet, dem
zwei Vertreter der Geschäftsleitung und
zwei Vertreter des Personalrates angehören.
Der Ausschuß spricht mit einfacher Stimmen-
mehrheit eine Empfehlung aus.
6) Die Arbeitszeitverkürzung gem. Fußnote 9 zu
TZ 311 kann in Form von Verkürzung der täg-
lichen oder wöchentlichen Arbeitszeit und/
oder in Form von Freischichten erfolgen."
Nach Abschluß der Dienstvereinbarung strebte die Beklagte eine Verlängerung der Arbeitszeit für die Mitarbeiter der Nachrichtenredaktion und des Monitordienstes sowie für die Nachrichtensprecher im Deutschen Programm an. Dabei ging die Beklagte davon aus, daß sie die bis dahin gewährten Verkürzungen nicht beibehalten könne. Die Gründe für diese Auffassung hatte die Beklagte teilweise bereits in einem unter dem 5. August 1981 verfaßten Rundbrief an die Mitarbeiter in bestimmten Dienstbereichen mitgeteilt. Darin hatte sie darauf hingewiesen, daß der Bundesrechnungshof bei der Nachbaranstalt, dem "Deutschlandfunk", die dort in ähnlicher Weise geübte Praxis der Arbeitszeitverkürzung beanstandet hatte. Außerdem hatte der Bundesminister des Innern durch Schnellbrief an den Intendanten der Beklagten vom 9. Juli 1981 unter Bezugnahme auf einen Beschluß des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 25. Mai 1981 angekündigt, die für die Beklagte vorgesehene Kassenhilfe müsse in Höhe von 10 % gesperrt werden. Schon vorher hatte der Bundesminister der Finanzen in einem Schreiben vom 26. Juni 1981 - ebenfalls unter Hinweis auf den erwähnten Beschluß des Bundestages - zur sparsamen Haushaltsführung aufgefordert und die Anweisung erteilt, ab sofort freiwerdende Stellen nicht mehr zu besetzen und 1 % der Planstellen im Rahmen der Personalfluktuation einzusparen. In dem erwähnten Schreiben vom 5. August 1981 an die betroffenen Mitarbeiter hatte die Beklagte weiter mitgeteilt, daß sie Verhandlungen mit den Gewerkschaften über eine Veränderung der Arbeitszeit führe und daß mit den Gewerkschaften bereits Musterprozesse zur Klärung der Rechtslage vereinbart worden seien. In dem Schreiben hatte die Beklagte außerdem ausgeführt, dem Personalrat stehe ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit nicht zu. Sein Einspruch gegen neue Dienstpläne sei daher rechtlich ohne Bedeutung. Gleichwohl solle die Einführung der nunmehr geplanten 32-Stunden-Woche so lange ausgesetzt werden, bis Einvernehmen erzielt worden sei. Möglicherweise müsse der Spruch einer noch zu bildenden Einigungsstelle abgewartet werden. Die Aussetzung gelte jedoch nicht für den Monitordienst, weil für diesen Bereich bei Einführung der 38-Stunden-Woche eine Zustimmung des Personalrats vorliege und der spätere Widerruf der Zustimmung nicht anerkannt werden könne.
Eine Einigung mit dem Personalrat kam in der Folgezeit jedoch nicht zustande. Daraufhin setzte die Beklagte mit Wirkung vom Januar 1982 in den Dienstplänen die neuen wöchentlichen Arbeitszeiten fest. Diese betragen für Nachrichtenredakteure und Nachrichtensekretärinnen 32 Stunden.
Mit ihrer bereits am 21. August 1981 bei Gericht eingereichten Klage wendet sich die Klägerin gegen die Neufestsetzung ihrer Arbeitszeit in den Dienstplänen. Sie hat geltend gemacht, die Beklagte sei nicht berechtigt, die Arbeitszeit einseitig zu Lasten der Arbeitnehmer zu ändern. Der Klägerin sei bei Einstellung erklärt worden, sie habe in der Nachrichtenredaktion im durchlaufenden Schichtdienst, jedoch nur insgesamt 24 Wochenstunden zu arbeiten. Damit sei keinerlei Einschränkung einhergegangen, daß diese Stundenzahl sich möglicherweise verändern könne. Danach stehe der Klägerin ein einzelvertraglicher Anspruch auf Beibehaltung der ursprünglichen Arbeitszeit zu. Zudem bestehe die ursprüngliche Arbeitszeitregelung für sämtliche Sekretärinnen der Nachrichtenredaktion seit mehr als zehn Jahren. Daher sei zumindest kraft betrieblicher Übung ein Rechtsanspruch auf Beibehaltung dieser Arbeitszeit erwachsen. Jedenfalls aber sei es unbillig, die Arbeitszeit auf 32 Wochenstunden anzuheben. Es bedeute eine sehr einschneidende Maßnahme für jeden betroffenen Mitarbeiter, wenn er pro Woche acht Stunden mehr arbeiten müsse, ohne entsprechend mehr zu verdienen. Die zusätzliche Arbeitsleistung ohne geldlichen Ausgleich entspreche rechnerisch einem jährlichen Verlust von über 10.000,-- DM. Demgegenüber stehe der Beklagten ein sachlicher Grund für die Anhebung der Arbeitszeit nicht zur Seite.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, sie zu den
bisherigen Bedingungen mit einer Arbeits-
zeit von 24 Wochenstunden, auch über den
30. August 1981 hinaus, weiterzubeschäf-
tigen.
Hilfsweise hat sie beantragt
festzustellen, daß sie auf der Grundlage
ihres bisherigen Arbeitsverhältnisses auch
über den 30. August 1981 hinaus nicht ver-
pflichtet sei, mehr als 24 Stunden pro Woche
ihrer Arbeitskraft der Beklagten zur Verfügung
zu stellen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat bestritten, der Klägerin einen vertraglichen Anspruch auf eine Arbeitszeit von 24 Wochenstunden eingeräumt zu haben. Auch auf eine betriebliche Übung könne die Klägerin sich nicht berufen. Die Beklagte sei in Anwendung der tariflichen Arbeitszeitregelungen befugt gewesen, die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin auf 32 Stunden heraufzusetzen. Die Klägerin gehöre zu der Gruppe von Mitarbeitern, die unter besonders erschwerten Arbeitsbedingungen tätig sei. Daher sei ihr eine verkürzte Arbeitszeit zuzugestehen. Diese habe die Beklagte aber mit 32 Wochenstunden rechtswirksam festgesetzt. Diese Neufestsetzung sei angemessen, weil sie zur sparsamen Haushaltsführung angehalten worden sei. Außerdem habe sie bedenken müssen, daß der Bundesrechnungshof bei dem "Deutschlandfunk" gerade auch beanstandet habe, die Arbeitszeit sei übermäßig verkürzt worden. Die für die Mitarbeiter der Nachrichtenredaktion gefundene Neuregelung wahre billiges Ermessen. Dabei sei zu berücksichtigen, daß nur für die Mitarbeiter des Monitordienstes die wöchentliche Arbeitszeit auf 38 Stunden angehoben worden sei, während im übrigen nur eine Arbeitszeit von 32 Stunden gelte. Gegenüber der tariflichen Mindestverkürzung auf 38 Stunden bedeute das eine weitere Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit um sechs Stunden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, die ihr ursprüngliches Klageziel weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht ist mit zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, daß die Klägerin verpflichtet ist, eine wöchentliche Arbeitszeit von 32 Stunden einzuhalten. Die Beklagte war berechtigt, diesen zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung einseitig festzusetzen. Die Festsetzung stellte die Ausübung eines tariflichen Bestimmungsrechts dar. Diese entsprach billigem Ermessen und verletzte keine geschützten Rechtspositionen der Klägerin.
1. Auf die Rechtsbeziehungen der Parteien ist Tarifrecht anzuwenden. Das einschlägige Tarifrecht hat die Befugnis, für bestimmte Mitarbeiter eine verringerte wöchentliche Arbeitszeit allgemein festzulegen, auf die Beklagte übertragen.
a) Allerdings ist die Klägerin - wovon der Senat mangels entsprechender Feststellung ausgehen muß - wegen fehlender Verbandszugehörigkeit nicht tarifgebunden. In § 2 ihres Arbeitsvertrages vom 2. August 1971 haben die Parteien jedoch vereinbart, daß für das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Manteltarifvertrages der Beklagten in seiner jeweiligen Fassung gelten sollen. Das Landesarbeitsgericht hat diese - typische und daher revisible - Vertragsklausel zutreffend dahin ausgelegt, daß sich die regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin sowohl bei deren Einstellung wie auch in der Folgezeit unmittelbar nach Tarifrecht bestimmte. Die einzelvertragliche Bezugnahme auf die jeweiligen Tarifverträge soll bewirken, daß alle Arbeitnehmer gleich behandelt werden. Der nicht tarifgebundene Arbeitnehmer soll in allem so gestellt werden, wie das bei Tarifgebundenen der Fall ist. Dies bedeutet aber, daß er nicht nur in den Genuß der für ihn günstigen Regelungen kommt, sondern daß er auch die Regelungen hinnehmen muß, die für ihn eine Verschlechterung bedeuten (BAG Urteil vom 1. Juni 1970 - 3 AZR 166/69 - AP Nr. 143 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu II 2 a der Gründe; BAG 18, 217, 219, 220 = AP Nr. 54 zu § 611 BGB Gratifikation, zu 2 der Gründe; BAG Urteil vom 23. Februar 1967 - 5 AZR 234/66 - AP Nr. 57 zu § 611 BGB Gratifikation, zu 3 der Gründe; BAG Urteil vom 7. Dezember 1977 - 4 AZR 474/76 - AP Nr. 9 zu § 4 TVG Nachwirkung, Bl. 2 R - jeweils mit weiteren Nachweisen; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 3 Rz 100).
b) Bei Abschluß des Arbeitsvertrages und bei Dienstantritt der Klägerin galt der Manteltarifvertrag vom 29. April 1964. § 9 Nr. 1 MTV 1964 setzte die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf 45 (später 42 1/2) Stunden fest. § 9 Nr. 3 Abs. 1 sah für bestimmte Arbeitnehmer - wie Blinde im Abhör- oder Schreibdienst, Telefonisten und Fernschreiber in Anlagen von bestimmter Größe - eine Verkürzung der regelmäßigen Arbeitszeit auf 36 bzw. 40 Stunden vor. § 9 Nr. 3 Abs. 2 eröffnete "bei vergleichbaren erschwerten Arbeitsbedingungen" die Möglichkeit, "auch für andere Betriebsstellen" eine Arbeitszeitverkürzung einzuräumen. Sie sollte "angeordnet werden" können. Eine nähere Regelung über Voraussetzung, Durchführung und Rechtsfolgen einer solchen Verkürzung traf § 9 Nr. 3 Abs. 2 MTV 1964 nicht. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine tarifliche Bestimmungsklausel.
Es ist eine im Tarifrecht zwar nicht häufig anzutreffende, aber bekannte Erscheinung, daß die Tarifvertragsparteien gewisse Arbeitsbedingungen nicht abschließend und in allen Einzelheiten festlegen, sondern nur Rahmenbestimmungen aufstellen und deren Konkretisierung auf den Arbeitgeber (oder einen Dritten) übertragen (vgl. BAG Urteil vom 28. September 1977 - 4 AZR 743/76 - AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk; BAG Urteil vom 25. Januar 1978 - 4 AZR 509/76 - AP Nr. 10 zu § 611 BGB Croupier; BAG 30, 281, 289 = AP Nr. 6 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk; BAG 36, 59, 63 = AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bundesbahn; Wiedemann/Stumpf, aaO, § 1 Rz 91, 296; aus früherer Zeit: Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, 7. Aufl., II/1, § 15 II 10, S. 287 f. - jeweils mit weiteren Nachweisen).
Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit muß die Delegation nach Adressat und Umfang hinreichend deutlich sein (vgl. statt vieler BAG 30, 281, 289 = AP Nr. 6 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk) und zwingende Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats (Personalrats) beachten (vgl. Wiedemann/Stumpf, aaO, § 1 Rz 298 m.w.N.). Die in Ausübung des Bestimmungsrechts getroffene Regelung ergänzt den Tarifinhalt und schafft damit Normen, die wie Tarifvorschriften wirken und auch deren rechtliches Schicksal teilen. Sie enden mit dem Auslaufen des Tarifvertrages, der die rechtliche Grundlage ihrer Entstehung geschaffen hat. Sieht der nachfolgende Tarifvertrag keine Bestimmungsklausel mehr vor, ist auch kein Raum mehr für den Fortbestand von Regelungen, die aufgrund einer solchen Klausel entstanden sind, es sei denn, ihr Fortbestand würde einzelvertraglich ausdrücklich vereinbart. Behält der nachfolgende Tarifvertrag dagegen die Bestimmungsklausel verändert oder unverändert bei, so muß der betreffende Adressat von seinem Recht zur Leistungsbestimmung erneut Gebrauch machen. Er kann seine Befugnis dabei ausdrücklich oder - was insbesondere bei unveränderter Rechtslage der Fall sein wird - durch schlüssiges Verhalten ausüben.
Die in § 9 Nr. 3 Abs. 2 MTV 1964 enthaltene Bestimmungsklausel benennt zwar nicht ausdrücklich die Beklagte als Adressaten. Nach Lage der Dinge kam aber nur diese in Betracht. So hat die Beklagte die von ihr festgesetzte Arbeitszeitverkürzung ohne Widerspruch der Betroffenen ständig in die Dienstpläne aufgenommen und auf diese Weise die Ausübung ihres Bestimmungsrechts verlautbart.
c) Der MTV 1964 wurde durch den eMTV vom 6. Dezember 1979 abgelöst. Dieser ging von einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden aus (TZ 311) und räumte der Beklagten wieder ein Bestimmungsrecht für eine Arbeitszeitverkürzung ein. Nach der FN 9 zu TZ 311 konnte für Arbeitnehmer, die unter besonders erschwerten Arbeitsbedingungen tätig waren, eine von der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit abweichende Verkürzung der tatsächlichen Arbeitszeit "durch Dienstplan" festgelegt werden. In die bisherigen Dienstpläne war stets die von der Beklagten vorweg bestimmte Arbeitszeitverkürzung aufgenommen worden. Nach dem erklärten Willen der Tarifvertragsparteien sollte dieses Verfahren fortgesetzt werden. Daraus ergibt sich, daß die Beklagte als Arbeitgeber weiterhin befugt sein sollte, den Tarifvertrag durch entsprechende Bestimmung zu ergänzen. Eine Mindestkürzung wurde der Beklagten - ebenso wie im MTV 1964 - nicht vorgeschrieben. Die Beklagte hat das ihr wiederum übertragene Bestimmungsrecht ausgeübt, indem sie unverändert in den Dienstplänen die verkürzte Arbeitszeit für die betreffenden Mitarbeiter festlegte.
d) Zu einer Änderung der Bestimmungsklausel führte die Neufassung des eMTV vom 21. April 1980. In der FN 9 zu TZ 311 ist erstmals angeordnet, daß für Arbeitnehmer, die unter besonders erschwerten Arbeitsbedingungen tätig sind, eine von der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit abweichende Verkürzung der tatsächlichen Arbeitszeit durch Dienstplan "festgelegt wird", d.h. nicht mehr festgelegt werden "kann", sondern festgelegt werden "muß". Weiter ist nunmehr eine wöchentliche Arbeitszeitverkürzung auf 38 Stunden als Mindestgröße vorgeschrieben. An der Bestimmung der verkürzten Arbeitszeit durch Dienstplan wird festgehalten. Abweichend von den vorangegangenen tariflichen Regelungen ist nunmehr jedoch durch Dienstvereinbarung festzulegen, welche Arbeitnehmer unter besonders erschwerten Arbeitsbedingungen tätig sind, wobei Ort und Zeit sowie Art und Weise der Arbeitsleistung zu berücksichtigen sind. Der Beklagten stand danach nicht mehr zu, den Kreis der Arbeitnehmer abzugrenzen, für die eine Arbeitszeitverkürzung in Betracht kam.
Dagegen hat die tarifliche Neuregelung vom 21. April 1980 an der bisherigen alleinigen Befugnis der Beklagten, die verkürzte Arbeitszeit zu bestimmen, nichts geändert. Insbesondere ist insoweit kein Mitwirkungsrecht des Personalrats eingeführt worden. Es braucht nicht erörtert zu werden, ob die wöchentliche Arbeitsdauer überhaupt Gegenstand einer Dienstvereinbarung sein kann, jedenfalls müßte eine entsprechende rechtliche Möglichkeit durch Tarifvertrag "ausdrücklich" zugelassen werden (§ 75 Abs. 5 Satz 2 BPersVG). Hieran fehlt es in dem ab 1. April 1980 gültigen Tarifvertrag. Dieser sieht eine Dienstvereinbarung nur insoweit vor, wie es um den zu begünstigenden Kreis der Mitarbeiter der Beklagten geht. Für die Frage, in welchem Umfang die Arbeitszeit zu verkürzen ist, besagt die Fußnote zu TZ 311 eMTV, daß dies durch Dienstplan festzulegen ist. Da der Tarifvertrag deutlich zwischen Dienstvereinbarung und Dienstplan unterscheidet, kann nicht angenommen werden, daß der Umfang der Kürzung durch Dienstvereinbarung geregelt werden sollte.
e) Nachdem die Neufassung des eMTV ab 1. April 1980 das Bestimmungsrecht des Arbeitgebers nach Voraussetzung und Umfang geändert hat, war die Beklagte nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, ihr Bestimmungsrecht unter Berücksichtigung der Tarifänderung neu auszuüben. Das ist geschehen. Die dabei eingetretene zeitliche Verzögerung geht nicht zu Lasten der Beklagten und hat auf die Wirksamkeit der getroffenen Bestimmung keinen Einfluß.
Zunächst mußte die Beklagte das Zustandekommen der in FN 9 zu TZ 311 vorgesehenen Dienstvereinbarung abwarten. Nachdem diese am 6. Februar 1981 geschlossen worden war, versuchte die Beklagte zunächst, die beabsichtigte Neuregelung durch Gespräche mit ihren Mitarbeitern und Verhandlungen mit dem Personalrat einvernehmlich herbeizuführen. Da die geplante Anhebung der Arbeitszeit eine erhebliche Rücknahme der bisher eingeräumten Vergünstigungen bedeutete, entstand bei den betroffenen Arbeitnehmern verständlicherweise Unruhe. Die Bemühungen der Beklagten um eine einvernehmliche Lösung dienten dem Arbeitsfrieden. Es kann der Beklagten daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, ihr Bestimmungsrecht nicht alsbald nach Abschluß der Dienstvereinbarung vom 6. Februar 1981 ausgeübt, sondern erst mit Wirkung von Januar 1982 von ihrem Recht Gebrauch gemacht zu haben, nachdem ihre Versuche, Einvernehmen zu erreichen, gescheitert waren. Jedenfalls hat die Beklagte durch die Bekanntgabe der veränderten Dienstpläne mit Wirkung ab Januar 1982 ihr tarifliches Bestimmungsrecht ausgeübt und die Arbeitszeitverkürzungen neu geregelt.
2. Die Konkretisierung der Arbeitsbedingungen aufgrund einer tariflichen Bestimmungsklausel muß die Grundsätze billigen Ermessens (§ 315 Abs. 1 BGB) wahren (statt vieler Wiedemann/-Stumpf, aaO, § 1 Rz 301 m.w.N.). Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn sie die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat (vgl. nur BAG Urteil vom 28. September 1977 - 4 AZR 743/76 - AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk, Bl. 3, m.w.N.). Ob das geschehen ist, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Diese ist in der Revisionsinstanz unbeschränkt nachzuprüfen (BAG aaO, Bl. 2 R und Bl. 3, m.w.N.). Das Landesarbeitsgericht hat die Leistungsbestimmung der Beklagten an den Maßstäben des § 315 Abs. 1 BGB gemessen und ist zu dem Ergebnis gelangt, die Beklagte habe ihre Entscheidung nach billigem Ermessen getroffen. Dem ist beizupflichten.
Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht als besonders wichtige Umstände hervorgehoben das Schreiben des Bundesministers des Innern an die Beklagte vom 9. Juli 1981 (Sperrung der Kassenhilfe in Höhe von 10 % der gesamten Zuwendungen), das Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 26. Juni 1981 (Aufforderung zur sparsamen Haushaltsführung und zum Nichtbesetzen freiwerdender Stellen bis zu 1 % der Personalstellen) und die Tatsache, daß der Bundesrechnungshof beim "Deutschlandfunk" die frühere Arbeitszeitverkürzung nachdrücklich mißbilligt hatte. Zwar lag eine unmittelbare Beanstandung der Haushaltsführung der Beklagten durch den Bundesrechnungshof noch nicht vor, es ist aber zu billigen, wenn die Beklagte einer solchen Maßnahme durch entsprechendes - vom Gesetz im übrigen ausdrücklich gefordertes - wirtschaftliches Verhalten vorbeugen wollte.
Das Landesarbeitsgericht hat weiter berücksichtigt, daß die Beklagte die Arbeitszeitvergünstigungen nicht schematisch abgebaut und die wöchentliche Arbeitszeit allgemein auf 38 Stunden als den tariflich vorgeschriebenen Mindestwert erhöht hat. Sie hat die unterschiedliche Arbeitsbelastung der zu begünstigenden Gruppen bedacht. So hat sie für Nachrichtenredakteure und - in entsprechender Koordination - auch für Nachrichtensekretärinnen 32 Stunden und für die Mitarbeiter im Monitordienst 38 Stunden festgelegt. Diese Differenzierung wahrt die Interessen der einzelnen Gruppen, die durch den Schichtdienst nicht in gleicher Weise belastet sind: während in der Nachrichtenredaktion "rund um die Uhr" gearbeitet werden muß, ist für den Monitordienst die Zeit von 1.00 Uhr nachts bis 5.00 Uhr morgens stets dienstfrei.
Ferner hat das Landesarbeitsgericht zutreffend die Arbeitszeitvergünstigungen für ähnlich belastete Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst zum Vergleich herangezogen. Hier werden für die Erschwernisse des Schichtdienstes keine allgemeinen Arbeitszeitverkürzungen eingeräumt, sondern nur Zeitzuschläge gezahlt (vgl. § 35 BAT) und zusätzlicher Urlaub bis zu höchstens vier Tagen im Jahre gewährt (§ 48 a BAT, in Kraft seit dem 1. Januar 1981, eingefügt durch § 1 Nr. 8 des 47. Änderungstarifvertrages vom 1. Juli 1981; § 14 c des Tarifvertrages für die Angestellten der Deutschen Bundespost; § 25 Abs. 13 des Tarifvertrages für die Angestellten der Deutschen Bundesbahn). Zeitzuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit (TZ 550 eMTV) erhalten die im Schichtdienst beschäftigten Angestellten der Beklagten ebenfalls, desgleichen werden ihnen, wie das Landesarbeitsgericht unwidersprochen festgestellt hat, zusätzliche Urlaubstage gewährt.
Demgegenüber muß das Interesse der Klägerin an der Beibehaltung ihrer bisherigen Arbeitszeit zurücktreten. Sicherlich bringt die im Wechselschichtdienst zu leistende Arbeit, die überdies Präzision und Schnelligkeit verlangt, Erschwernisse mit sich. Diese besonderen Belastungen werden aber dadurch ausgeglichen, daß die Klägerin nur eine um 20 % gegenüber der regelmäßigen Arbeitszeit verringerte tatsächliche Arbeitszeit zu erbringen hat. Dieser Ausgleich ist, für sich betrachtet, immer noch ausgesprochen großzügig. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß die Klägerin nicht darauf vertrauen konnte, die auf tariflicher Regelung beruhende ungewöhnlich weitgehende Vergünstigung, anstelle regelmäßiger 45, 42 1/2 oder 40 Stunden lediglich 24 Stunden arbeiten zu brauchen, werde für alle Zeiten bestehen bleiben.
3. Die Leistungsbestimmung der Beklagten griff nicht in geschützte Rechtspositionen der Klägerin ein.
a) Die Beklagte war nach allgemeinen tarifrechtlichen Grundsätzen nicht gehindert, eine früher eingeräumte Arbeitszeitverkürzung bei der nunmehr vorzunehmenden Neubestimmung zum Nachteil der begünstigten Arbeitnehmer zu ändern. Im Verhältnis von zwei zeitlich aufeinander folgenden Tarifverträgen oder Tarifnormen gilt das Ablösungsprinzip. Die Tarifvertragsparteien können einen von ihnen früher vereinbarten Tarifvertrag oder früher vereinbarte Tarifnormen abändern, einschränken oder aufheben. Das kann mit Verschlechterungen für einzelne Arbeitnehmer verbunden sein (BAG Urteil vom 1. Juni 1970 - 3 AZR 166/69 - AP Nr. 143 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu II 3 c der Gründe; BAG Urteil vom 14. Dezember 1982 - 3 AZR 251/80 - AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG Besitzstand, zu II 3 der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen; Wiedemann/Stumpf, aaO, § 4 Rz 149). Der Ablösungsgrundsatz gilt in gleicher Weise für die Ausübung eines von einem Tarifvertrag übertragenen, der Leistungskonkretisierung dienenden Bestimmungsrechts.
b) Besondere - aus dem Tarifrecht abzuleitende - Rechtspositionen der Klägerin sind nicht berührt. Von der aus dem Ablösungsprinzip folgenden Rechtslage, wonach Tarifänderungen zur Anspruchskürzung führen können, wird eine Ausnahme anerkannt für die Fälle, in denen ein Arbeitnehmer aufgrund bisheriger Kollektivregelung bereits eine feste Rechtsposition erworben hatte, wie etwa die des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber (vgl. BAG Urteil vom 16. Februar 1962 - 1 AZR 164/61 - AP Nr. 11 zu § 4 TVG Günstigkeitsprinzip, zu 2 a der Gründe). Eine derartige gesicherte Rechtsstellung haben die Klägerin und die vergleichbaren Arbeitnehmer hinsichtlich der Arbeitszeitverkürzungen jedoch nicht erworben. Arbeitszeitregelungen, besonders für bestimmte Arbeitnehmergruppen, stehen unter dem Vorbehalt künftiger Anpassungen. Daß sich vorliegend die Arbeitsbedingungen verschlechtert haben, steht dem nicht prinzipiell entgegen. Diese besondere Lage ist letztlich nur das Ergebnis einer früheren ungewöhnlichen Großzügigkeit des Arbeitgebers. Jedenfalls ist eine bestimmte Arbeitszeitregelung hinsichtlich des Vertrauensschutzes bei weitem nicht so hoch zu veranschlagen, wie wenn das Arbeitsverhältnis durch Ausschluß der ordentlichen Kündigung in seinem Bestand geschützt ist.
c) Für ihr Verlangen, die frühere Arbeitszeitverkürzung beizubehalten, kann die Klägerin sich nicht auf das Bestehen einer betrieblichen Übung berufen. Die betriebliche Übung ist keine Rechtsquelle eigener Art mit normativer Wirkung. Sie vermag lediglich durch eine an alle betroffenen Arbeitnehmer gerichtete konkludente Gesamtzusage die einzelnen Arbeitsverhältnisse zu gestalten. Aus ihr erwachsen vertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer auf die üblich gewordene Vergünstigung (statt vieler BAG 23, 213, 217 ff. = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu I der Gründe). Eine betriebliche Übung kommt aber dann nicht in Betracht, wenn, wie hier, die Vergünstigung aufgrund vertraglich vereinbarten Tarifrechts gewährt wird. Bei Bestehen einer bestimmten tariflichen Regelung ist für eine betriebliche Übung gleichen Inhalts kein Raum (vgl. BAG Urteil vom 28. September 1977 - 4 AZR 743/76 - AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk, Bl. 4 R).
Anders ist die Rechtslage nur dann zu beurteilen, wenn eine betriebliche Übung über den Rahmen der tarifvertraglichen Regelung hinausgeht. Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor. Überdies hat die Klägerin auch nicht behauptet, es sei ihr vertraglich zugesichert worden, sie solle die gewährte Arbeitszeitverkürzung selbst bei tariflicher Verschlechterung behalten.
Dr. Thomas Dr. Gehring Michels-Holl
Scherer Dr. Schönherr
Fundstellen
BAGE 00, 00 |
DB 1985, 183-183 (LT1) |
AP § 4 TVG Bestimmungsrecht (LT1-2), Nr 2 |
EzA § 4 TVG Rundfunk, Nr 12 (LT1-2) |
ZfA 1985, 543-544 (T) |