Entscheidungsstichwort (Thema)
Internationale Zuständigkeit
Leitsatz (amtlich)
Der Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit iSv. Art. 5 Nr. 1 Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen verrichtet, ist der Ort, den der Arbeitnehmer als tatsächlichen Mittelpunkt seiner Berufstätigkeit gewählt hat oder von dem aus er den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt. Dies gilt nicht nur, wenn der Arbeitnehmer in verschiedenen Staaten tätig ist, sondern auch, wenn er ausschließlich in einem Vertragsstaat abwechselnd an verschiedenen Arbeitsorten arbeitet (im Anschluß an EuGH 9. Januar 1997 – RsC 383/95 – (Rutten) AP Brüsseler Abkommen Art. 5 Nr. 2).
Orientierungssatz
- Nach Art. 5 Nr. 1 des Lugano-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugÜ) kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, wenn ein individueller Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Diese besondere Zuständigkeitsregelung verdrängt den in Art. 2 LugÜ bestimmten allgemeinen Gerichtsstand, wonach Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen sind.
- Ist ein Arbeitnehmer in Deutschland für einen ausländischen Arbeitgeber, der keine Niederlassung in Deutschland hat, im Verlaufe eines kurzfristigen Arbeitsverhältnisses wechselnd auf mehreren Baustellen tätig, ist für Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers das Arbeitsgericht in Deutschland zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer während des Bestands des Arbeitsverhältnisses überwiegend eingesetzt war.
Normenkette
Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugÜ) Art. 2, 5 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers und hierbei über die internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Reutlingen.
Der in K bei Dresden wohnhafte Kläger war bei der Beklagten in der Zeit vom 1. Oktober 1999 bis zum 10. Dezember 1999 als Fachmonteur beschäftigt. Die Beklagte hat ihren Sitz in B in der Schweiz. Im Arbeitsvertrag vom 7. Oktober 1999 vereinbarten die Parteien für das Arbeitsverhältnis die Geltung deutschen Rechts. Ein Arbeitsort wurde im Arbeitsvertrag nicht bestimmt.
Der Kläger war zunächst vom 4. Oktober bis zum 17. November 1999 auf einer Baustelle in T (Arbeitsgerichtsbezirk Reutlingen) tätig. Hier arbeitete er auch am 19. November 1999 sowie vom 29. November bis zum 2. Dezember 1999. Am 18. November 1999 und vom 3. Dezember bis zum 10. Dezember 1999 wurde der Kläger auf einer Baustelle in B (Arbeitsgerichtsbezirk Stuttgart) eingesetzt. Vom 22. November bis zum 26. November 1999 war der Kläger arbeitsunfähig krank. In dieser Zeit sollte er in B arbeiten.
Die Beklagte war auf der Baustelle in T durch einen Baustellenleiter vertreten. Dieser erteilte gemeinsam mit einem Vorarbeiter dem Kläger Arbeitsanweisungen. Arbeitsnachweise und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen schickte der Kläger an den Firmensitz der Beklagten in der Schweiz. Dort zeigte er auch telefonisch seine Arbeitsunfähigkeit an. Den Oktoberlohn überwies die Beklagte dem Kläger auf ein Bankkonto. Das Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung des Klägers am 10. Dezember 1999.
Mit einer am 29. Februar 2000 beim Arbeitsgericht Reutlingen eingereichten Klage hat der Kläger rückständige Vergütungsansprüche für die Monate November und Dezember 1999 geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsgericht Reutlingen sei international zuständig, weil er während des Arbeitsverhältnisses überwiegend auf der Baustelle in T tätig gewesen sei.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsgericht Reutlingen international zuständig ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, es gebe keinen Arbeitsort, an dem der Kläger gewöhnlich seine Arbeit verrichtet habe. Er sei als Monteur auf wechselnden Baustellen eingesetzt worden. Zuständig sei daher die Gerichtsbarkeit der Schweiz.
Das Arbeitsgericht hat durch Zwischenurteil die beantragte Feststellung ausgesprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Abweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Mandrossa, Sappa
Fundstellen
Haufe-Index 793409 |
BAGE 2003, 244 |
BB 2002, 2184 |
DB 2003, 104 |
NJW 2002, 3196 |
FA 2002, 353 |
FA 2002, 355 |
NZA 2002, 1109 |
AP, 0 |
MDR 2002, 1268 |
RIW 2002, 879 |
AUR 2002, 399 |
ArbRB 2002, 298 |
IPRspr. 2002, 129 |