Entscheidungsstichwort (Thema)
internationale Zuständigkeit gem. Art. 5 Ziff. 1 HS 2 LugÜ. Erbringung der Arbeitsleistung in einem Vertragsstaat an mehreren Orten
Leitsatz (amtlich)
Art. 5 Ziff. 1 HS 2 LugÜ ist dahin auszulegen, dass bei einem Arbeitsvertrag, zu dessen Erfüllung der Arbeitnehmer seine Tätigkeit an mehreren Orten in einem Vertragsstaat verrichtet, im Sinne dieser Bestimmung der Ort ist, wo der Arbeitnehmer hauptsächlich seine Arbeitsleistung erbracht hat.
Normenkette
Lugano Übk (Übereinkommen vom 16.09.1988 über die gerichtliche Zuständigkeitdie Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- undHandelssachen [LugÜ]) Art. 5 Ziff. 1 Hs. 2
Verfahrensgang
ArbG Reutlingen (Zwischenurteil vom 24.08.2000; Aktenzeichen 1 Ca 102/00) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen dasZwischenurteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 24.08.2000 – Az.: 1 Ca 102/00 – wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in einem Verfahren, in dem es um Vergütungsansprüche des Klägers von 4.426,20 DM brutto und 1.224,– DM netto geht, um die internationale Zuständigkeit.
Der in … bei … wohnhafte Kläger war bei der Beklagten, die ihren Sitz in … (Kanton …) in der … hat, in der Zeit vom 01.10.1999 bis 09. oder 10.12.1999 als Fachmonteur beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 07.10.1999, wegen dessen Inhalt auf Blatt 8–10 der erstinstanzlichen Akte verwiesen wird, vereinbarten die Parteien u. a. die Anwendung deutschen Rechts. Der Kläger arbeitete während der Vertragszeit bei der Beklagten, die in Deutschland keine Niederlassung hat, auf zwei Baustellen. Er war eingesetzt auf der Baustelle „….” in … (Arbeitsgerichtsbezirk …) vom 04.10. bis zum 17.11.1999, am 19.11.1999 und vom 29.11. bis 02.12.1999.
Am 18.11.1999 und vom 03.12.1999 bis 09. oder 10.12.1999 verrichtete der Kläger seine Arbeit beim Bauvorhaben „…” in … (Arbeitsgerichtsbezirk …). In der Zeit vom 22.11. bis 26.11.1999, wo der Kläger in … arbeiten sollte, war er arbeitsunfähig. Die Beklagte war auf der Baustelle in … durch einen Baustellenleiter vertreten, der zusammen mit einem Vorarbeiter dem Kläger Arbeitsanweisungen gab. Die einzelnen Arbeitsnachweise und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen schickte der Kläger an den Firmensitz der Beklagten in die … Dort teilte er auch telefonisch seine Arbeitsunfähigkeit mit. Den Oktoberlohn bezahlte die Beklagte per Überweisung an den Kläger.
Mit der am 29.02.2000 beim Arbeitsgericht Reutlingen erhobenen Klage hat der Kläger Vergütungsansprüche für die Monate November und Dezember 1999 geltend gemacht. Die Beklagte hat die internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Reutlingen bestritten.
Das Arbeitsgericht hat in dem am 24.08.2000 verkündeten Zwischenurteil festgestellt, dass das Arbeitsgericht Reutlingen international zuständig ist. Es hat insbesondere ausgeführt, dass gemäß Artikel 5 Ziff. 1 des … Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.09.1988 (im folgenden: …) der Arbeitgeber vor dem Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, verklagt werden kann. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu der insoweit gleichlautenden Norm des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.09.1968 (im folgenden: EuGVÜ) sei der Ort zu bestimmen, mit dem der Rechtsstreit die engste Verknüpfung aufweise. Bei verschiedenen Einsatzorten sei auf denjenigen Einsatzort abzustellen, an dem die Arbeitsleistung überwiegend erbracht worden sei. Da der Kläger für den Zeitraum des Arbeitsverhältnisses überwiegend in … eingesetzt worden sei, sei … Arbeitsort im Sinne des Artikel 5 Ziff. 1 LugÜ. Wegen der weiteren Begründung des Arbeitsgerichts wird auf Seite 3 und 4 des angefochtenen Urteils (Bl. 71 und 72 der erstinstanzlichen Akte) verwiesen.
Gegen dieses der Beklagten am 11.09.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 11.10.2000 eingelegte und am 13.11.2000 (einem Montag) ausgeführte Berufung der Beklagten. Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte insbesondere vor, dass (auch) das … Übereinkommen eine internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes Reutlingen nicht begründe. Im vorliegenden Verfahren sei kein Ort ersichtlich, an dem der Kläger gewöhnlich seine Arbeit verrichtet habe (Artikel 5 Ziff. 1 …). Der Kläger habe auf mehreren Baustellen an verschiedenen Orten seine Arbeitsleistung erbracht. Bei ständig wechselnden Arbeitsorten gebe es keinen tatsächlichen Mittelpunkt der Berufstätigkeit. Der Kläger müsse seine Ansprüche am Sitz der Beklagten in der … geltend machen. Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten im zweiten Rechtszug wird auf den in mündlicher Verhandlung Bezug genommenen Schriftsatz vom 13.11.2000 (Bl. 27–34 d.A.) verwiesen.
Die Beklagt...