Verfahrensgang

ArbG Reutlingen (Zwischenurteil vom 24.08.2000; Aktenzeichen 1 Ca 101/00)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 24.08.2000 – Aktenzeichen 1 Ca 101/00 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in einem Verfahren, in dem der Kläger Ansprüche auf Vergütung und auf Ausfüllung und Herausgabe einer Lohnsteuerkarte geltend macht, über die internationale Zuständigkeit.

Der in Dresden wohnhafte Kläger war bei der Beklagten, die ihren Sitz in B. (Kanton Tessin) in der Schweiz hat, in der Zeit vom 01.10.1999 bis 10.12.1999 als Fachmonteur beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 07.10.1999, wegen dessen Inhalt auf Blatt 10 bis 15 der erstinstanzlichen Akte verwiesen wird, vereinbarten die Parteien unter anderem die Anwendung deutschen Rechts. Der Kläger arbeitete während der Vertragszeit bei der Beklagten, die in Deutschland keine Niederlassung hat, auf zwei Baustellen. Er war vom 04.10.1999 bis zum 17.11.1999, am 19.11.1999 und vom 29.11.1999 bis 02.12.1999 auf der Baustelle „Personalkasino Schnarrenberg” in Tübingen (Arbeitsgerichtsbezirk Reutlingen), dagegen am 18.11.1999 und vom 03.12.1999 bis 10.12.1999 beim Bauvorhaben „Württembergische Versicherung” in Böblingen (Arbeitsgerichtsbezirk Stuttgart) eingesetzt. In der Zeit vom 22.11.1999 bis 26.11.1999, in welcher der Kläger in Böblingen arbeiten sollte, war er arbeitsunfähig. Die Beklagte war auf der Baustelle in Tübingen durch einen Baustellenleiter vertreten, der zusammen mit einem Vorarbeiter dem Kläger Arbeitsanweisungen gab. Die einzelnen Arbeitsnachweise und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen schickte der Kläger an den Firmensitz der Beklagten in die Schweiz. Dorthin teilte er auch telefonisch seine Arbeitsunfähigkeit mit. Den Oktoberlohn bezahlte die Beklagte per Überweisung an den Kläger.

Mit der am 29.02.2000 beim Arbeitsgericht Reutlingen eingereichten Klage hat der Kläger für die Monate November und Dezember 1999 Ansprüche auf Vergütung in Höhe von DM 4 204,20 brutto sowie auf Auslösung in Höhe von DM 1 224,0 netto, außerdem Ansprüche auf Ausfüllung und Herausgabe der Lohnsteuerkarte 1999 geltend gemacht. Die Beklagte hat die internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Reutlingen bestritten.

Das Arbeitsgericht hat in dem am 24.08.2000 verkündeten Zwischenurteil festgestellt, daß das Arbeitsgericht Reutlingen international zuständig ist. Es hat insbesondere ausgeführt, daß gemäß Artikel 5 Ziffer 1 des Lugano-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil-und Handelssachen vom 16.09.1988 (im folgenden: LugÜ) der Arbeitgeber vor dem Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, verklagt werden kann. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu der insoweit gleichlautenden Norm des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.09.1968 (im folgenden: EuGVÜ) sei der Ort zu bestimmen, mit dem der Rechtsstreit die engste Verknüpfung aufweise. Bei verschiedenen Einsatzorten sei auf denjenigen Einsatzort abzustellen, an dem die Arbeitsleistung überwiegend erbracht worden sei. Da der Kläger für den Zeitraum des Arbeitsverhältnisses überwiegend in Tübingen eingesetzt worden sei, sei Tübingen Arbeitsort im Sinne des Artikels 5 Ziffer 1 LugÜ. Wegen der weiteren Begründung des Arbeitsgerichts wird auf Seite 3 und 4 des angefochtenen Urteils (Blatt 110 und 111 der erstinstanzlichen Akte) verwiesen.

Gegen dieses der Beklagten am 11.09.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 11.10.2000 eingelegte und am 13.11.2000 (einem Montag) ausgeführte Berufung der Beklagten. Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte insbesondere vor, daß (auch) das Lugano-Übereinkommen eine internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Reutlingen nicht begründe. Im vorliegenden Verfahren sei kein Ort ersichtlich, an dem der Kläger gewöhnlich seine Arbeit verrichtet habe (Artikel 5 Ziffer 1 LugÜ). Der Kläger habe auf mehreren Baustellen an verschiedenen Orten seine Arbeitsleistung erbracht. Bei ständig wechselnden Arbeitsorten gebe es keinen tatsächlichen Mittelpunkt der Berufstätigkeit. Der Kläger müsse seine Ansprüche am Sitz der Beklagten in der Schweiz geltend machen. Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten im zweiten Rechtszug wird auf den in der mündlichen

Verhandlung in Bezug genommenen Schriftsatz vom 13.11.2000 (Blatt 18 bis 25 der Akten) verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Reutlingen, Aktenzeichen 1 Ca 101/00, vom 24.08.2000 abzuändern und die Klage als unzulässig abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat auf die Berufung insbesondere erwidert, daß die internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Reutlingen gemäß Artikel 5 Ziffer 1 LugÜ begründet werde, da der ...

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