Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzug. tatsächliches Angebot. Unvermögen. Schadensersatz
Orientierungssatz
1. Ein tatsächliches Angebot (§ 294 BGB) der Arbeitsleistung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer sich am Arbeitsort oder am Arbeitsplatz einfindet, um mit der Arbeitsleistung zu beginnen.
2. Um den Arbeitgeber in Annahmeverzug zu versetzen, muss der Arbeitnehmer die nach den vertraglichen Vereinbarungen bzw. deren Konkretisierung kraft Weisung nach § 106 Satz 1 GewO geschuldete Arbeitsleistung anbieten.
3. Verlangt der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer eine bestimmte Arbeitsleistung und bietet der Arbeitnehmer diese an, widerspräche es den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB), dem Arbeitnehmer vorzuhalten, er habe nicht das objektiv Geschuldete angeboten.
4. Aus § 241 Abs. 2 BGB folgt keine Pflicht des Arbeitgebers, für den gesundheitlich beeinträchtigten Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen. Wenn es ihm zumutbar und rechtlich möglich ist, muss der Arbeitgeber jedoch auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz umsetzen.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, §§ 242, 293-294, 297; GewO § 106 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Februar 2016 – 6 Sa 1084/15 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs, hilfsweise Schadensersatz.
Die Klägerin ist seit dem 1. Januar 2003 bei dem Beklagten beschäftigt.
Arbeitsvertraglich war zunächst eine Tätigkeit als „Altenpflegerin in der stationären Pflege” vereinbart. Als solche arbeitete die Klägerin zunächst in dem vom Beklagten betriebenen Altenpflegeheim L.
Aufgrund von Rückenbeschwerden erkrankte die Klägerin im Jahr 2007 für längere Zeit arbeitsunfähig. Mit Schreiben vom 4. Januar 2008 teilte sie dem Beklagten mit:
„Werter Herr D,
hiermit möchte ich Sie informieren, dass ich bis zum 16.01.08 weiterhin noch arbeitsunfähig geschrieben bin. Im Abschlussgespräch meines Kuraufenthaltes wurde mir mitgeteilt, dass ich meine alte Tätigkeit im stationären Bereich nicht mehr ausführen darf. Jedoch eine Tätigkeit im teilstationären Bereich, z. B. Tagespflege zumutbar sein würde. Da ich weiterhin sehr gerne für das D arbeiten möchte, bitte ich Sie um eine Umsetzung.”
Daraufhin vereinbarten die Parteien unter dem 28. März 2008 eine „2. Änderung zum Arbeitsvertrag”, in der es heißt:
„Frau Dü wird bis zur Genesung von Frau O als Pflegefachkraft in der ambulanten Pflege Team W umgesetzt.
Nach Wiedereintritt von Frau O endet die Umsetzung und Frau Dü tritt ihre Tätigkeit im Pflegeheim wieder an.”
In der Folgezeit arbeitete die Klägerin im Team W und war dort auch in der ambulanten Pflege von Bewohnern der Seniorenwohnanlage „H” eingesetzt.
Im Juli 2012 erkrankte die Klägerin erneut und war durchgehend bis zum 9. Dezember 2013 arbeitsunfähig. Ohne Erfolg kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. November 2012. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2012 teilte er der Klägerin mit:
„Sehr geehrte Frau Dü,
am 24.10.2012 wird über Ihre Klage gegen die ausgesprochene Kündigung entschieden. Für den Fall, dass die Kammer in der Sache Ihrer Klage stattgibt, besteht das Arbeitsverhältnis über den 30.11.2012 fort.
Sie wurden mit der 2. Änderung zum Arbeitsvertrag vom 28.03.2008 in die ambulante Pflege, Team W, umgesetzt. Ein Verbleiben in diesem Team, aber auch an dem Stand- ort W, ist aus meiner Sicht nicht möglich.
Insofern habe ich beim Betriebsrat im entsprechenden Anhörungsverfahren eine Umsetzung beantragt. Dieser Umsetzung ist von Seiten des Betriebsrats zugestimmt worden.
Bitte melden Sie sich am Tag nach Ihrer AU um 09.00 Uhr bei unserer Einrichtungsleiterin Frau Hü (…).”
Unter dem 6. Februar 2013 wandte sich die Klägerin an den Beklagten wie folgt:
„Werter Herr D,
heute möchte ich Sie bezüglich meines Gesundheitszustands darüber informieren, dass ich meine Tätigkeit bzgl. der Grundpflege nicht mehr ausüben kann. Andere leichtere Tätigkeiten, wie die Behandlungspflege oder ein anderer Arbeitsplatz, für Bürotätigkeiten möglich wären.
…”
Am 3. Juni 2013 fand ein sog. BEM-Gespräch statt. In dem darüber erstellten Protokoll heißt es zur Vorstellung der Klägerin für die weitere Tätigkeit:
„reine Behandlungspflege, nichts heben”. Nach Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit und eines sich anschließenden Urlaubs erschien die Klägerin am 31. Januar 2014 weisungsgemäß im Altenpflegeheim L und bot ihre Arbeitskraft an. Nach Klärung ihrer Einsatzmöglichkeiten schickte die Hausleitung die Klägerin nach Hause. Mit Schreiben vom 12. Februar 2014 wandte sich die Klägerin über ihre Gewerkschaft an den Beklagten wie folgt:
„Sehr geehrter Herr St,
in oben genannter Sache teile ich Ihnen mit, dass Frau Dü ihre Arbeitskraft in dem ihr möglichen, eingeschränkten Umfang weiter anbietet.
(…)
Frau Dü hat sich bereits mehrfach bereit erklärt, eine anderweitige Tätigkeit aufzunehmen, deren Anforderungen mit ihrer Leistungsfähigkeit vereinbar sind. (…)”
Am 3. April 2014 teilte die Betriebsärztin des Beklagten diesem mit:
„Sehr geehrter Herr D,
am 27.02.2014 führte ich in Ihrem Auftrag ein Wiedereingliederungsgespräch mit Frau Dü durch. Nach ausführlichem Gespräch sowie Einsehen von medizinischen Unterlagen schließe ich mich meinen Kollegen von der Deutschen Rentenversicherung an und kann für Frau Dü nur leichte körperliche Tätigkeiten (wie Bürotätigkeit, Richten von Medikamenten, Beschäftigungstherapie für Heimbewohner, Verbandwechsel, Infusionsvorbereitung) empfehlen.
Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn-See würde die Kosten für die notwendigen Umschulungsmaßnahmen übernehmen (zum Bsp. Stoma-Pflege, PEG-Pflege, Port-Pflege kämen hier in Frage).”
Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 28. Februar 2014 das Arbeitsverhältnis der Parteien personenbedingt zum 30. Juli 2014 gekündigt hatte, schlossen die Parteien im Kündigungsschutzprozess am 11. Juni 2014 einen gerichtlichen Vergleich, in dem sie vereinbarten, das Arbeitsverhältnis ab dem 1. Juni 2014 zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Seither arbeitet die Klägerin als Verwaltungskraft.
Mit der am 17. Dezember 2014 eingereichten und dem Beklagten am 20. Dezember 2014 zugestellten Klage hat die Klägerin Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Monate Februar bis Mai 2014, hilfsweise Schadensersatz verlangt. Sie sei zumindest für Tätigkeiten in der ambulanten Behandlungspflege, insbesondere in der Seniorenwohnanlage „H”, leistungsfähig gewesen. Jedenfalls hätte sie der Beklagte auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz umsetzen können. So wäre für sie die freie Stelle einer Teamleiterin in P in Betracht gekommen, auch eine Beschäftigung in der Verwaltung sei nicht erst ab Juni, sondern schon seit Februar 2014 möglich gewesen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 7.221,68 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Klägerin sei gesundheitsbedingt weder in der stationären noch mit allen anfallenden Tätigkeiten in der ambulanten Altenpflege einsetzbar gewesen. Zu einer Umorganisation zu Lasten der anderen Pflegekräfte sei er nicht verpflichtet. Die Beschäftigungsmöglichkeit in der Verwaltung habe nicht schon seit Februar 2014 bestanden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr unter dem Gesichtspunkt der Vergütung wegen Annahmeverzugs stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Er hatte der Klägerin vor Einlegung der Revision mitgeteilt, ihr seien „in Erfüllung” des Berufungsurteils mit der Gehaltszahlung März 2016 7.221,88 Euro brutto gezahlt worden.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Klägerin fehlt es nicht an der Beschwer des Beklagten.
1. Ein Rechtsmittelverfahren soll dem Rechtsmittelkläger Gelegenheit geben, eine ihm ungünstige vorinstanzliche Entscheidung durch Inanspruchnahme einer weiteren Instanz überprüfen zu lassen. Der Rechtsmittelkläger muss deshalb bei der Einlegung und noch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel beschwert sein. Bei einer zur Zahlung verurteilten Partei ist dies nicht (mehr) der Fall, wenn sie den Urteilsbetrag nicht nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil bezahlt, sondern den Klageanspruch aus freien Stücken ohne Vorbehalt endgültig erfüllen will (BAG 21. März 2012 – 5 AZR 320/11 – Rn. 11 f. mwN).
2. Eine das Fehlen oder den Wegfall der Beschwer bedingende vorbehaltlose Zahlung des Beklagten hat die Klägerin nicht dargetan. Für eine solche reicht es nicht aus, wenn – wie hier – eine noch nicht rechtskräftig verurteilte Partei vor Ablauf der Rechtsmittelfrist der Gegenseite Zahlung des ausgeurteilten Betrags „in Erfüllung des Urteils” ankündigt. Dies allein rechtfertigt für den Zahlungsempfänger nicht den Schluss, der Zahlende wolle sich des möglichen Rechtsmittels begeben und den Klageanspruch aus freien Stücken endgültig erfüllen.
II. Die Revision des Beklagten ist erfolgreich. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann der Klage nicht stattgegeben werden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs. Ob und ggf. in welcher Höhe die Klage unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes begründet ist, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
1. Die Klägerin hat für die streitgegenständlichen Monate Februar bis Mai 2014 keinen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs.
a) Allerdings scheitert der Annahmeverzug des Beklagten nicht am Angebot der geschuldeten Arbeitsleistung durch die Klägerin.
aa) Nach § 293 BGB kommt der Arbeitgeber in Annahmeverzug, wenn er im erfüllbaren Arbeitsverhältnis die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Leistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Ein wörtliches Angebot (§ 295 BGB) genügt (nur), wenn der Arbeitgeber ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen oder sei nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem die tatsächliche Heranziehung übersteigenden Umfang zu beschäftigen (BAG 21. Oktober 2015 – 5 AZR 843/14 – Rn. 19, BAGE 153, 85). Dabei ist die Arbeitsleistung so anzubieten, wie sie zu bewirken ist, also am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen bzw. deren Konkretisierung kraft Weisung nach § 106 Satz 1 GewO (BAG 19. Mai 2010 – 5 AZR 162/09 – Rn. 14, BAGE 134, 296; 24. September 2014 – 5 AZR 611/12 – Rn. 37, BAGE 149, 144).
bb) Die iSv. § 294 BGB von der Klägerin zu bewirkende Arbeitsleistung war zuletzt die mit der zweiten Änderung zum Arbeitsvertrag vom 28. März 2008 vereinbarte Tätigkeit als Pflegekraft in der ambulanten Pflege Team W.
(1) Die Voraussetzungen für ein Wiederaufleben der arbeitsvertraglich ursprünglich vereinbarten Tätigkeit als Altenpflegerin in der stationären Pflege lagen zum Zeitpunkt des Arbeitsantritts der Klägerin nach dem Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht vor. Die Beschäftigte O, die die Klägerin vertreten sollte, war nicht wieder eingetreten im Sinne der arbeitsvertraglichen Vereinbarung, sondern ausgeschieden.
(2) Die einseitige Rückumsetzung in das Altenpflegeheim L, die der Beklagte mit seinem Schreiben vom 17. Oktober 2012 anordnen wollte, war unwirksam. Mit der zweiten Änderung zum Arbeitsvertrag haben die Parteien eine konkret bestimmte Tätigkeit und deren Dauer vereinbart und iSd. § 106 Satz 1 GewO „durch den Arbeitsvertrag (…) festgelegt”. Der Beklagte konnte daher die Tätigkeit der Klägerin nicht mehr einseitig durch Weisung bestimmen. § 106 Satz 1 GewO eröffnet dem Arbeitgeber ein Weisungsrecht nur innerhalb, aber nicht außerhalb der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen.
cc) Tatsächlich angeboten hat die Klägerin am 31. Januar 2014 mit ihrem Erscheinen im Altenpflegeheim L nur die ursprünglich dort zu erbringende Arbeit als Altenpflegerin in der stationären Pflege.
(1) Das von § 294 BGB verlangte tatsächliche Angebot ist ein Realakt. Es bedeutet, dass der Arbeitnehmer sich am Arbeitsort oder am Arbeitsplatz einfindet, um mit der Arbeitsleistung zu beginnen (vgl. nur ErfK/Preis 17. Aufl. § 615 BGB Rn. 17; MüKoBGB/Henssler 7. Aufl. § 615 BGB Rn. 18; HWK/Krause 7. Aufl. § 615 BGB Rn. 27 f.).
(2) Dass die Klägerin bei dieser Gelegenheit zudem wörtlich (§ 295 BGB) die geschuldete Arbeitsleistung in der ambulanten Pflege im Team W angeboten hätte, konnte sie nach den Senat bindender (§ 559 ZPO) Feststellung des Landesarbeitsgerichts nicht beweisen.
dd) Indes ist die Klägerin mit dem abgegebenen tatsächlichen Angebot der Weisung des Beklagten, sie solle sich nach dem Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit bei der Leiterin des Altenpflegeheims L melden, nachgekommen. Deshalb ist sie so zu stellen, als hätte sie die geschuldete Arbeitsleistung ordnungsgemäß angeboten, § 242 BGB. Verlangt der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer eine bestimmte Arbeitsleistung und bietet der Arbeitnehmer diese an, widerspräche es den Grundsätzen von Treu und Glauben, dem Arbeitnehmer vorzuhalten, er habe nicht das objektiv Geschuldete angeboten.
b) Der Beklagte geriet gleichwohl nicht in Annahmeverzug, weil die Klägerin im Streitzeitraum außerstande war, die geschuldete Leistung zu bewirken, § 297 BGB.
aa) Die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers ist eine vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss (BAG 21. Oktober 2015 – 5 AZR 843/14 – Rn. 22, BAGE 153, 85, st. Rspr.). Fehlt sie, gerät der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug.
bb) Die Klägerin war nach ihrem Vorbringen im Streitzeitraum aus gesundheitlichen Gründen nicht nur außerstande, eine Arbeit als Altenpflegerin in der stationären Pflege zu erbringen, sondern auch, alle in der ambulanten Pflege im Team W anfallenden Arbeiten zu verrichten. Letzteres hat das Landesarbeitsgericht zwar offengelassen, die Klägerin hat dies indes in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt.
cc) Leistungsfähig soll die Klägerin nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts für eine „Tätigkeit als Altenpflegerin in der Seniorenwohnanlage H” sein, allerdings – so die Klägerin selbst – nur in der reinen Behandlungs- und nicht in der Grundpflege. Unbeschadet der Frage, ob die Klägerin eine solche eingeschränkte Tätigkeit am 31. Januar 2014 oder danach überhaupt ordnungsgemäß angeboten hat, ist diese nicht die arbeitsvertraglich geschuldete und damit iSd. § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung, sondern nur ein Teil davon.
2. Ob der Klägerin die Klageforderung unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zusteht, weil der Beklagte es schuldhaft unterlassen hat, der Klägerin ab dem 1. Februar 2014 eine andere, ihren gesundheitlichen Einschränkungen entsprechende Tätigkeit zuzuweisen (zu den Voraussetzungen im Einzelnen: BAG 19. Mai 2010 – 5 AZR 162/09 – Rn. 27 ff., BAGE 134, 296; 27. Mai 2015 – 5 AZR 88/14 – Rn. 26, BAGE 152, 1) kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.
a) Die Klägerin stellt sich eine Beschäftigung in der ambulanten Behandlungspflege der Bewohner der Seniorenwohnanlage „H” vor. Ob es innerhalb des Teams W einen solchen Arbeitsplatz überhaupt gibt und er im Streitzeitraum frei oder unschwer frei zu machen gewesen wäre (vgl. BAG 19. Mai 2010 – 5 AZR 162/09 – Rn. 30 f., BAGE 134, 296), lässt sich den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entnehmen. Der Sachvortrag der Parteien gibt Anlass zu der Annahme, dass die Versorgung der Bewohner dieser Seniorenwohnanlage nur Teil der vom Team W zu verrichtenden Aufgaben ist.
aa) Geht es nicht um die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes, sondern darum, die Arbeitsplätze der im Team W Beschäftigten insgesamt anders zuzuschneiden und für die Klägerin einen Arbeitsplatz zu schaffen, der – aus ihrer Sicht – nur „nicht-schwere” Tätigkeiten in der Seniorenwohnanlage „H” umfasst, wäre der Beklagte dazu aus § 241 Abs. 2 BGB nicht verpflichtet. Der Arbeitgeber muss zwar bei einer ermessengerechten Ausübung seines Weisungsrechts nicht nur auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen (so ausdrücklich § 106 Satz 3 GewO), sondern im Rahmen des ihm Zumutbaren auch auf krankheitsbedingte Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Er ist aber nicht verpflichtet, einen „leidensgerechten Arbeitsplatz” erst zu schaffen. Denn es obliegt seiner unternehmerischen Entscheidung und Planungshoheit, wie er den Betrieb und die zu verrichtende Arbeit organisiert und welche Arbeitsplätze er hierfür einrichtet. Die Planung der Arbeitsplätze unterliegt nur der Mitwirkung des Betriebsrats (§ 90 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG), nicht aber der Arbeitsgerichte. Diese haben die planerischen Erwägungen des Arbeitgebers zu respektieren und nicht – wie es das Landesarbeitsgericht letztlich unternimmt – durch eigene Organisationsvorstellungen zu ersetzen. Auch kündigungsrechtlich ist der Arbeitgeber als milderes Mittel gegenüber der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ggf. zur Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder zur Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, durch Umsetzung „freizumachenden” Arbeitsplatz verpflichtet (BAG 13. Mai 2015 – 2 AZR 565/14 – Rn. 28 mwN; zur Anpassung des Arbeitsplatzes mit zumutbaren Anstrengungen bei behinderten Arbeitnehmern sh. BAG 19. Dezember 2013 – 6 AZR 190/12 – Rn. 54 ff., BAGE 147, 60), nicht jedoch zur Schaffung eines eigens auf den eingeschränkt leistungsfähigen Arbeitnehmer zugeschnittenen Arbeitsplatzes.
bb) Anderes gölte indes, wenn den im Team W beschäftigten Arbeitnehmern, deren Anzahl das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt hat, keine inhaltlich klar definierten Arbeitsplätze zugewiesen wären, sondern der Beklagte anhand der jeweils ambulant zu versorgenden Patienten in gewissen Zeitabständen zB „Touren” festlegt, nach denen bestimmte Arbeitnehmer bestimmte Patienten in bestimmter Reihenfolge zu versorgen haben. Schneidet der Arbeitgeber gleichsam die Arbeitsplätze immer wieder neu zu, gebietet § 241 Abs. 2 BGB, dabei jeweils im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf die gesundheitlichen Einschränkungen der Beschäftigten Rücksicht zu nehmen. Entscheidend wäre in einem solchen Falle, ob der Beklagte im Streitzeitraum für den Einsatz der gesundheitlich beeinträchtigten Klägerin im arbeitsvertraglich vereinbarten zeitlichen Umfang ausreichend Patienten hatte, bei denen nur Behandlungspflege anfiel, und Patienten mit weiter gehenden Bedarf ohne nennenswerten zusätzlichen Aufwand von anderen Beschäftigten mit-versorgt werden konnten.
b) Darüber hinaus hat sich die Klägerin auf am 1. Februar 2014 freie Arbeitsplätze außerhalb der Pflege bzw. ohne Pflegetätigkeiten berufen, auf denen sie aus ihrer Sicht hätte eingesetzt werden können. Dem ist das Landesarbeitsgericht nicht nachgegangen. Das wird, war die Zuweisung einer sich auf Behandlungspflege beschränkenden Tätigkeit dem Beklagten nicht möglich oder zumutbar (dazu BAG 19. Mai 2010 – 5 AZR 162/09 – Rn. 29 ff., BAGE 134, 296), im erneuten Berufungsverfahren nachzuholen sein.
Unterschriften
Koch, Biebl, Weber, Prinz, Felstehausen
Fundstellen
Haufe-Index 11295148 |
ArbRB 2017, 369 |