Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlegung der Feiertagsruhezeit. Verlegung der Feiertagsruhezeit durch Betriebsvereinbarung. zuschlagspflichtige Feiertagsarbeit. Nachwirkung. Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG
Orientierungssatz
- Die nach § 9 Abs. 2 ArbZG zulässige abweichende Festlegung der Feiertagsruhezeit ist auch für tarifliche Feiertagszuschläge maßgeblich, es sei denn, der Tarifvertrag sähe eindeutig etwas anderes vor.
- Eine Betriebsvereinbarung über die abweichende Festlegung der Feiertagsruhezeit wirkt nach Ablauf der Kündigungsfrist gemäß § 77 Abs. 6, § 87 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BetrVG nach. Die Nachwirkung wird durch einen möglichen Wegfall der Geschäftsgrundlage der Betriebsvereinbarung nicht ausgeschlossen.
Normenkette
ArbZG § 9 Abs. 1-2; BetrVG § 76 Abs. 8, § 77 Abs. 3, 6, § 87 Abs. 1 Nr. 2; ZPO § 100 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG München (Urteil vom 26.06.2003; Aktenzeichen 4 Sa 1087/02) |
ArbG Kempten (Urteil vom 18.07.2002; Aktenzeichen 02 Ca 3125/00 KF) |
Tenor
- Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 26. Juni 2003 – 4 Sa 1087/02 – wird zurückgewiesen.
- Die Kosten der Revision haben die Kläger zu gleichen Teilen zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Zuschläge für Feiertagsarbeit.
Die Beklagte stellt Bandstahl her. Die – zuletzt noch – 27 Kläger sind bei ihr als Arbeitnehmer beschäftigt. Auf die Arbeitsverhältnisse findet der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 1. Dezember 1973 idF vom 1. November 1997 (MTV) Anwendung. Er enthält folgende Regelungen:
Ҥ 4 Begriff der Mehrarbeit, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit
…
2. Sonntags- und Feiertagsarbeit
Sonntags- und Feiertagsarbeit ist jede an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen in der Zeit zwischen 0 und 24 Uhr geleistete Arbeit. Beginn und Ende der 24stündigen Zeitspanne kann durch Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend festgelegt werden.
Im Nichteinigungsfall kann gem. § 29 Abschn. D verfahren werden.
…
Anmerkung zu § 4 Ziff. 2
Diese Bestimmung sieht vor, dass durch betriebliche Regelung die Zeitspanne der Sonntags- bzw. Feiertagsarbeit – unter Beachtung der Bestimmungen des § 9 Abs. 2 und 3 ArbZG – anderweitig festgelegt werden kann. So ist es z.B. möglich als Sonntagsarbeiten die Zeitspanne von Sonntag 6.00 Uhr bis Montag 6.00 Uhr festzulegen.
…
§ 6 Zuschläge für Mehrarbeit, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit
…
2. Sonntags- und Feiertagsarbeit
(I) Der Zuschlag beträgt
…
b) für Arbeiten an Feiertagen, für die auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen der Lohn weiterzuzahlen ist, sowie für Arbeiten, die am 24. und 31. Dezember ab 18 Uhr verrichtet werden
100 v.H. des Stundenverdienstes.
…
§ 29 Schlichtung von Streitigkeiten
…
D. Regelungsstreitigkeiten
Über die Regelung von Streitfällen, die aus … § 4 Ziff. 2 … dieses Manteltarifvertrages entstehen, entscheidet eine Schlichtungsstelle im Schnellverfahren endgültig.
…
Die Schlichtungsstelle hat innerhalb von 6 Tagen, in den Fällen der §§ 14 bis 23 innerhalb von 14 Tagen nach Anrufung ihre Entscheidung zu treffen.
Sollte die Schlichtungsstelle innerhalb dieser Frist keine Entscheidung treffen, so ist der ursprüngliche Zustand wieder herzustellen.”
Im Betrieb galt eine “Betriebsvereinbarung über die Sonn- und Feiertagsruhe im Dreischichtbetrieb” vom 28. August 1991 (BV 1991). In ihr hieß es:
“Bezugnehmend auf den § 4 Ziff. 2 des Manteltarifvertrags und auf § 105b der Gewerbeordnung wird für den Dreischichtbetrieb die 24stündige Sonn- und Feiertagsruhe von 0.00 Uhr – 24.00 Uhr auf 6.00 Uhr – 6.00 Uhr festgelegt.
Beispiel: Donnerstag, der 15. August 1991
Der Feiertag beginnt für den Dreischichtbetrieb am Donnerstagmorgen um 6.00 Uhr und endet am Freitagmorgen um 6.00 Uhr.
Daraus folgt:
Schicht vom 14. August auf 15. August, 22.00 – 6.00 Uhr = Nachtarbeit
Schicht vom 15. August auf 16. August, 22.00 – 6.00 Uhr = Feiertag
Schicht vom 16. August auf 17. August, 22.00 – 6.00 Uhr = Nachtarbeit
Durch diese Regelung ist die 24stündige Feiertagsruhe auch für den Dreischichtbetrieb gewährleistet, ohne dass die 8stündige Sollarbeitszeit unterbrochen wird.”
Der Betriebrat kündigte die BV 1991 zum 30. April 2000. Am 1. Dezember 2003 schlossen die Betriebsparteien eine neue “Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit in der Nachtschicht an Feiertagen”, die die BV 1991 ersetzt hat.
Mit ihren Klagen haben die Kläger die Zahlung von Zuschlägen für Arbeit an den Feiertagen geltend gemacht, die in die Zeit vom 1. Juni 2000 bis zum 9. Mai 2002 fielen. Im Betrieb wurde während dieser Zeit in drei Schichten gearbeitet. Die Kläger waren in der Nachtschicht von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr eingesetzt. Deren Lage blieb auch dann die gleiche, wenn sie erst am Morgen eines Feiertags endete. Die nächste Frühschicht begann dann an dem auf den Feiertag folgenden Tag um 6.00 Uhr; einige wenige Arbeitnehmer – Schichtführer und Transportarbeiter – nahmen dabei ihre Arbeit jeweils schon eine Viertelstunde vorher auf.
Die Kläger haben die Ansicht vertreten, ihnen stünden für die jeweils sechs Stunden einer Nachtschicht, die in die Zeit nach 0.00 Uhr an einem Feiertag gefallen seien, die tariflich vorgesehenen Zuschläge zu. Die zum 30. April 2000 gekündigte BV 1991 habe keine Nachwirkung entfaltet. Zumindest sei ihre Geschäftsgrundlage entfallen. Seien bei ihrem Abschluss im Jahr 1991 fünf Bandöfen von vier Arbeitnehmern bedient worden, so seien dafür im Kündigungszeitpunkt nur noch drei Arbeitnehmer eingesetzt worden, die zudem Stapel- und Verpackungsarbeiten hätten leisten und Störungen an den anderen Maschinen hätten beseitigen müssen. Deshalb seien die tariflichen Regelungen in § 4 Nr. 2 und § 6 Nr. 2 Abs. (I) Buchst. b MTV anzuwenden. Im Übrigen sei die nach § 9 Abs. 2 ArbZG vorgeschriebene 24-stündige Betriebsruhe im Anschluss an das Ende einer am Feiertag endenden Nachtschicht nicht vollständig eingehalten worden, wenn – wie geschehen – manche Arbeitnehmer die Arbeit schon vor 6.00 Uhr des Folgetags aufgenommen hätten.
Die Kläger haben – soweit in die Revisionsinstanz gelangt – beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie – aufgeteilt in rechnerisch unstreitige Einzelbeträge zwischen rund 100,00 und 350,00 Euro – insgesamt 5.643,82 Euro nebst – auf die Einzelbeträge bezogener – Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die BV 1991 habe bis zum In-Kraft-Treten der sie ersetzenden Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2003 nachgewirkt.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Zahlungsansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Ansprüche der Kläger auf Zahlung von Feiertagszuschlägen nach dem MTV bestehen nicht. Die Kläger haben keine Feiertagsarbeit im Sinne der tariflichen Regelungen geleistet.
I. Dem Senat sind die Klagen auf Grund der unbeschränkt eingelegten Revision in vollem Umfang zur Entscheidung angefallen. Zwar hat das Arbeitsgericht einige der im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens rechtshängig gewordenen Klageerweiterungen im Tatbestand seines Urteils nicht berücksichtigt. Gleichwohl hat es erkennbar keine auf einen Teil der Klageforderungen beschränkte Entscheidung treffen wollen. Es hat sämtliche Klageanträge jeweils zur Gänze abgewiesen.
Durch die Berufung der Kläger sind die Anträge ohne Einschränkung in die nächste Instanz gelangt. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht ausweislich des Tatbestands seines Urteils nur über Ansprüche auf “Zahlung der erstinstanzlich im Wege der Klageerweiterungen eingeklagten Beträge” entschieden; dazu zählen Beträge aus der Klageschrift selbst nicht. Indessen haben die Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 22. Mai 2003 in der mündlichen Berufungsverhandlung auch auf die Anträge aus der Klageschrift vom 8. November 2000 Bezug genommen. Die Wiedergabe ihres Rechtsmittelbegehrens im Tatbestand des zweitinstanzlichen Urteils ist offensichtlich nur ungenau. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Landesarbeitsgericht die Berufung nicht insgesamt hat bescheiden und zurückweisen wollen.
II. Die Klageforderungen bestehen nicht. Die Kläger haben keine zuschlagspflichtige Feiertagsarbeit nach § 6 Nr. 2 Abs. (I) Buchst. b in Verb. mit § 4 Nr. 2 MTV geleistet.
1. Gem. § 6 Nr. 2 Abs. (I) Buchst. b MTV wird für Arbeiten an Feiertagen mit gesetzlicher Lohnfortzahlung ein Lohnzuschlag gezahlt. Feiertagsarbeit ist nach § 4 Nr. 2 Satz 1 MTV die an gesetzlichen Feiertagen in der Zeit zwischen 0.00 Uhr und 24.00 Uhr geleistete Arbeit. Allerdings gestattet Satz 2 der Bestimmung, Beginn und Ende dieser 24-stündigen Zeitspanne durch eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend festzulegen.
Machen die Betriebsparteien von dieser Möglichkeit Gebrauch, hat das zur Folge, dass Arbeit, die zwar objektiv in die 24 Stunden eines Feiertags fällt, aber außerhalb der durch die Vereinbarung abweichend festgelegten Zeitspanne liegt, nicht als Feiertagsarbeit iSv. § 4 Nr. 2 Satz 1 MTV zu behandeln ist; damit wiederum ist sie nicht zuschlagspflichtig nach § 6 Nr. 2 Abs. (I) Buchst. b MTV. Grundsätzlich folgt die lohnrechtliche der arbeitszeitrechtlichen Qualifizierung der Arbeit. Die vom Kalendertag abweichende Feiertagsruhezeit ist deshalb auch für Feiertagszuschläge maßgeblich. Wenn die Tarifvertragsparteien die Zuschlagspflicht für Feiertagsarbeit gleichwohl selbständig und unabhängig von der betrieblichen Festlegung der Feiertagsruhezeit hätten bestimmen wollen, hätte dies in den tariflichen Bestimmungen deutlich zum Ausdruck kommen müssen (BAG 29. September 1993 – 4 AZR 680/92 –, zu II 1 der Gründe; vgl. ferner BAG 17. Mai 1973 – 3 AZR 376/72 – AP FeiertagslohnzahlungsG § 1 Nr. 29; 31. Januar 1969 – 3 AZR 439/68 – BAGE 21, 332, 337 f., zu I 2 der Gründe). Unter der Geltung der BV 1991 sind damit Ansprüche der in der Nachtschicht eingesetzten Arbeitnehmer auf Feiertagszuschläge nicht entstanden. Dies sehen auch die Kläger nicht anders.
2. Die Regelung in § 4 Nr. 2 Satz 2 MTV über die abweichende Festlegung der Feiertagsruhezeit ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Zwar dürfen Arbeitnehmer gem. § 9 Abs. 1 ArbZG an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0.00 bis 24.00 Uhr nicht beschäftigt werden. Nach § 9 Abs. 2 ArbZG kann aber in mehrschichtigen Betrieben mit regelmäßiger Tag- und Nachtschicht Beginn oder Ende der Sonn- und Feiertagsruhe um bis zu sechs Stunden vor- oder zurückverlegt werden. Erforderlich ist, dass sodann der Betrieb für die auf den Beginn der Ruhezeit, dh. gem. § 5 Abs. 1 ArbZG für die auf das Ende der Arbeitszeit folgenden 24 Stunden ruht.
§ 4 Nr. 2 Satz 2 MTV enthält allerdings keine Beschränkung auf Mehrschichtbetriebe mit regelmäßiger Tag- und Nachtschicht. In der Bestimmung heißt es außerdem, Beginn “und” Ende der Zeitspanne zwischen 0.00 und 24.00 Uhr könne abweichend festgelegt werden; nach dem Gesetz kann dagegen Beginn “oder” Ende der Feiertagsruhe vor- bzw. zurückverlegt werden. Diese Unstimmigkeit ist unschädlich. Unabhängig davon, ob nicht die tarifliche Regelung ohnehin nach Maßgabe des Gesetzestextes zu verstehen ist, wird sie ergänzt durch die zu ihr im Tarifvertrag selbst ergangene “Anmerkung”. In dieser heißt es, die Zeitspanne der Feiertagsarbeit könne durch betriebliche Regelung “unter Beachtung der Bestimmungen des § 9 Abs. 2 und 3 ArbZG” festgelegt werden. Der Tarifvertrag hat folglich für die Betriebsparteien keinen über das Gesetz hinausgehenden Spielraum eröffnet.
3. Die Betriebsparteien haben mit der BV 1991 die ihnen eingeräumte Regelungsmöglichkeit wahrgenommen. Die BV 1991 ist wirksam zustandegekommen.
a) Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 ArbzG sind erfüllt. Bei der Beklagten wird mehrschichtig mit regelmäßiger Tag- und Nachtschicht gearbeitet. Die BV 1991 hält sich innerhalb der gesetzlichen Ermächtigung. Wegen der entsprechenden tariflichen Öffnungsklausel in § 4 Nr. 2 Satz 2 MTV verstößt sie auch nicht etwa gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.
b) Die Betriebsparteien handelten in Ausübung ihrer generellen Kompetenz zur Regelung betrieblicher und arbeitsvertraglicher Fragen. Diese Befugnis folgt – unabhängig vom Bestehen eines zwingenden Mitbestimmungsrechts etwa nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG und der tariflichen Gestattung in § 4 Nr. 2 Satz 2 MTV – aus § 88 BetrVG, sie wird dort zumindest vorausgesetzt (vgl. nur Fitting § 88 Rn. 1 ff. mwN).
c) Die BV 1991 ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die im Anschluss an den verschobenen Beginn der Feiertagsruhe nach § 9 Abs. 2 ArbZG einzuhaltende 24- stündige Betriebsruhe möglicherweise nicht durchgehend gewahrt wird. Falls die Arbeit, wie die Kläger behauptet haben, von einigen Belegschaftsmitgliedern am Folgetag schon vor dem regulären Beginn der Arbeitszeit um 6.00 Uhr aufgenommen wird, so mögen bestimmte Schichtpläne, die dies vorsehen, oder entsprechende Arbeitsanweisungen der Beklagten unwirksam sein. Das hat aber nicht die Unwirksamkeit der BV 1991 zur Folge. Diese entspricht den gesetzlichen Erfordernissen und will, wie das in ihr aufgeführte Beispiel zeigt, die 24-stündige Betriebsruhe im Anschluss an das Ende der vorhergehenden Nachtschicht gerade gewährleisten.
4. Die BV 1991 hat nach Ablauf der Kündigungsfrist am 30. April 2000 jedenfalls für die Dauer des streitbefangenen Zeitraums bis zum 9. Mai 2002 nachgewirkt. Damit hat Feiertagsarbeit iSv. § 6 Nr. 2 Abs. (I) Buchst. b in Verb. mit § 4 Nr. 2 Satz 1 MTV weiterhin erst bei Arbeiten in der Zeit nach 6.00 Uhr des jeweiligen Feiertags vorgelegen. In dieser Tageszeit haben die Kläger unstreitig nicht gearbeitet.
a) Nach § 77 Abs. 6 BetrVG gelten die Regelungen einer Betriebsvereinbarung auch nach ihrem Ablauf in denjenigen Angelegenheiten weiter, in denen die Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann. Dies ist in allen in § 87 Abs. 1 BetrVG geregelten Angelegenheiten der Fall.
Die Regelungen der BV 1991 unterliegen der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Gemäß dieser Vorschrift hat der Betriebsrat ua. mitzubestimmen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit. Die BV 1991 regelt das Ende von Nachtschichtarbeit an Feiertagen. Hätten die Betriebsparteien sie nicht abgeschlossen, würde eine Nachtschicht, die am Vorabend des Feiertags beginnt, trotz anders lautender Schichtpläne mit Beginn des Feiertags um 0.00 Uhr enden. Nach § 9 Abs. 1 ArbZG dürfen Arbeitnehmer an gesetzlichen Feiertagen von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr nicht beschäftigt werden; ein gesetzlicher Ausnahmetatbestand lag nicht vor, eine gewerberechtliche Ausnahmegenehmigung war der Beklagten nicht erteilt. Die auf § 9 Abs. 2 ArbZG, § 4 Abs. 2 Satz 3 MTV gestützte Verschiebung des Beginns der Feiertagsruhe erlaubt dagegen die Fortsetzung der Nachtschicht bis zu ihrem regulären Ende. Die Wahrnehmung dieser gesetzlich und tariflich eröffneten Möglichkeit hat deshalb Auswirkung auf die Lage der Arbeitszeit. Sie bedarf der Zustimmung des Betriebsrats.
b) Die Nachwirkung der BV 1991 ist, anders als die Kläger meinen, nicht deshalb ausgeschlossen, weil in § 4 Nr. 2 Satz 3 MTV für den Fall der Nichteinigung von Arbeitgeber und Betriebsrat als Schlichtungsorgan nicht die betriebliche Einigungsstelle, sondern die tarifliche Schlichtungsstelle iSd. § 29 MTV vorgesehen ist. Nach Abschn. D Satz 1 dieser Bestimmung entscheidet auch sie “endgültig”. Gemäß § 76 Abs. 8 BetrVG kann durch Tarifvertrag bestimmt werden, dass an die Stelle der Einigungsstelle nach § 76 Abs. 1 BetrVG eine tarifliche Schlichtungsstelle tritt. Davon haben die Tarifvertragsparteien Gebrauch gemacht. Dabei ist es entgegen der Ansicht der Kläger ohne rechtliche Bedeutung, dass es in § 4 Nr. 2 Satz 3 MTV heißt, im Fall der Nichteinigung “könne” gem. § 29 Abschn. D verfahren werden. Auch die Einigungsstelle nach dem Betriebsverfassungsgesetz wird nach § 76 Abs. 5 BetrVG nur auf Antrag einer Seite tätig; die Betriebsparteien können sie anrufen, sie müssen dies aber nicht tun.
c) Ein Ausschluss der Nachwirkung ergibt sich auch nicht aus den weiteren Regelungen in § 29 Abschn. D MTV. Danach hat die tarifliche Schlichtungsstelle in Streitfällen aus § 4 Nr. 2 MTV innerhalb von sechs Tagen nach ihrer Anrufung eine Entscheidung zu treffen, andernfalls “ist der ursprüngliche Zustand wiederherzustellen”.
Entgegen der Auffassung der Kläger folgt aus dieser Bestimmung nicht, dass mit Ablauf der Kündigungsfrist die ohne die BV 1991 geltende Regelung des § 4 Nr. 2 Satz 1 MTV anzuwenden wäre. Zum einen würde dies voraussetzen, dass eine der Betriebsparteien die tarifliche Schlichtungsstelle nach dem 30. April 2000 überhaupt angerufen hätte. Das ist nicht der Fall. Schon aus diesem Grund greift die Regelung über die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands nicht ein.
Zum anderen bestünde die tariflich geforderte Wiederherstellung des “ursprünglichen Zustands” allein in der Beseitigung derjenigen Zustandsänderung, die Anlass zur Anrufung der Schlichtungsstelle war. Selbst wenn also eine der Betriebsparteien die Schlichtungsstelle nach dem Ausspruch der Kündigung der BV 1991 angerufen und die Schlichtungsstelle sodann nicht innerhalb von sechs Tagen entschieden hätte, wäre nach § 29 Abschn. D MTV allenfalls der Zustand vor Ausspruch der Kündigung wiederherzustellen. Das wiederum hätte die Weitergeltung der BV 1991 und nicht den Ausschluss ihrer Nachwirkung zur Folge.
In Fällen wie dem vorliegenden ergibt dies freilich keinerlei Sinn und zeigt, dass die tarifliche Bestimmung ohnehin etwas anderes meint. Sie zielt ersichtlich auf eine vom Arbeitgeber in den Angelegenheiten des § 29 Abschn. D Satz 1 MTV schon vor der Entscheidung der Schlichtungsstelle einseitig getroffene Regelung, die nach ergebnislosem Ablauf der Sechstagefrist rückgängig zu machen ist. Auch daran fehlt es hier.
d) Die Nachwirkung der BV 1991 scheidet ebenso wenig wegen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage aus. Unabhängig davon, ob für den Wegfall der Geschäftsgrundlage einer Betriebsvereinbarung neben der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung überhaupt Raum ist, ob sich auch die Kläger oder nur die Betriebsparteien auf einen solchen Wegfall berufen können und ob die in § 313 Abs. 1 BGB aufgeführten Voraussetzungen vorliegen, führt ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht zur Beendigung der Betriebsvereinbarung. Er hat nur die Notwendigkeit ihrer Anpassung an die geänderten Umstände zur Folge und begründet gegenseitige Ansprüche der Betriebsparteien auf Aufnahme entsprechender Verhandlungen. Bis dahin besteht die Betriebsvereinbarung mit ihrem bisherigen Inhalt fort.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97, § 100 Abs. 1 ZPO. Besteht die unterlegene Partei eines Rechtsstreits aus mehreren Personen, haften diese für die Kostenerstattung nach Kopfteilen. Eine Quotelung nach § 100 Abs. 2 ZPO hatte nicht zu erfolgen. Es fehlt an der nötigen erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit, die angesichts des Streitwerts eine Haftung zu gleichen Teilen unzumutbar machen würde.
Unterschriften
Wißmann, Linsenmaier, Kreft, Giese, Büßenschütt
Fundstellen
NZA 2005, 532 |
AP, 0 |
EzA-SD 2005, 14 |
ArbRB 2005, 203 |
SPA 2005, 6 |
sis 2006, 135 |