Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten bei den Kündigungsfristen
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BMTV für die Systemgastronomie vom 26. Februar 1993 §§ 2, 6, 9, 15 Ziff. 2; ZPO § 293
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. Juli 1997 – 7 Sa 72/97 – aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 22. März 1995 – 3 Ca 204/94 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin war bei der Beklagten seit 10. April 1994 als Arbeiterin beschäftigt. Nach § 6 ihres Arbeitsvertrages findet der jeweilige Manteltarifvertrag für die Systemgastronomie (im folgenden: MTV) Anwendung. In §§ 2, 9 MTV ist u.a. folgendes geregelt:
Ҥ 2 Einstellung
…
3. Probezeit, Probearbeitsverhältnis und Kündigung in der Probezeit
Die Probezeit bei gewerblichen Arbeitnehmer(n)/-innen beträgt in der Regel einen Monat; die Kündigungsfrist beträgt während der Probezeit drei Arbeitstage.
Bei Angestellten beträgt die Probezeit in der Regel sechs Monate; während dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von vier Wochen gekündigt werden.
…
§ 9 Beendigung des Arbeitsverhältnisses
…
2. Kündigungsfristen
Nach Ablauf der Probezeit betragen die Kündigungsfristen beiderseitig
2.1 für gewerbliche Arbeitnehmer/-innen bei einer Betriebszugehörigkeit
bis zu 1 Jahr |
2 Wochen |
bis zu 3 Jahren |
3 Wochen |
bis zu 5 Jahren |
4 Wochen |
nach 5 Jahren |
1 Monat zum Monatsende, |
nach 10 Jahren |
3 Monate zum Monatsende, |
nach 20 Jahren |
3 Monate zum Quartalsschluß |
Bei Berechnung der Betriebszugehörigkeit werden Beschäftigungsjahre, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegen, nicht berücksichtigt.
2.2 Für Angestellte bei einer Betriebszugehörigkeit
bis zu 5 Jahren |
6 Wochen zum Quartalsschluß |
von mehr als 5 Jahren |
3 Monate zum Quartalsschluß |
von mehr als 8 Jahren |
4 Monate zum Quartalsschluß |
von mehr als 10 Jahren |
5 Monate zum Quartalsschluß |
von mehr als 12 Jahren |
6 Monate zum Quartalsschluß |
Bei Berechnung der Betriebszugehörigkeit werden Beschäftigungsjahre, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegen, nicht berücksichtigt.”
§ 15 Ziffer 2 MTV lautet:
“Gültigkeit der tariflichen Kündigungsfristen
Bezüglich der Kündigungsfristen für gewerbliche Arbeitnehmer/-innen und Angestellte gehen die Tarifvertragsparteien weiterhin von der Gültigkeit der tariflichen Fristen gemäß § 2 Ziffer 3 und § 9 Ziffer 2.1 und 2.2 dieses Tarifvertrages aus. Die Tarifvertragsparteien werden unmittelbar nach Änderung der gesetzlichen Kündigungsfristen aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1990 (Az. 1 BvL 2/93 u.a.) die bestehenden tariflichen Kündigungsfristen überprüfen und gegebenenfalls ändern unter Beachtung der Besonderheiten in der Systemgastronomie.”
Am 28. April 1995 haben die Tarifvertragsparteien ferner folgende Erklärung unterzeichnet:
“Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, daß die Kündigungsfristen nach §§ 2 Ziffer 2 und § 9 Ziffer 2 MTV West- und Ostdeutschland (konstitutiv) eigenständig und verfassungskonform sind.
Insoweit finden die gesetzlichen Kündigungsfristen nach dem Gesetz zur Vereinheitlichung der Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten (KündFG) vom 7. Oktober 1993 keine Anwendung.”
Die Beklagte hat der Klägerin unter dem 16. September 1994 zum 30. September 1994 gekündigt.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin Lohn für die Zeit vom 1. bis 15. Oktober 1994 in unstreitiger Höhe mit der Begründung geltend gemacht, die Kündigungsfrist sei falsch berechnet; die Differenzierung im MTV zwischen Arbeitern und Angestellten sei mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 660,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit 20. Oktober 1994 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten im MTV hinsichtlich der Kündigungsfristen sei sachlich gerechtfertigt, weil sie der notwendigen Flexibilität im produktiven Bereich Rechnung trage. Die hohe Fluktuationsrate, die bei Arbeitern durchschnittlich 50 % betrage, lasse eine kürzere Kündigungsfrist angebracht erscheinen. Bei den Arbeitern handele es sich um ungelernte Arbeitskräfte, nämlich Studenten, Schüler und Hausfrauen, die zum Teil einer Nebenbeschäftigung nachgingen bzw. lediglich für einen begrenzten Zeitraum eine Verdienstquelle suchten. Ihre durchschnittliche Beschäftigungsdauer betrage weniger als ein Jahr. Es bestehe ein wechselseitiges Interesse an einer kurzen Kündigungsfrist im gewerblichen Bereich; das gelte insbesondere für die Arbeitnehmer, die während der Semesterferien oder während der Übergangszeit zwischen Abitur und Studium einer Beschäftigung in der Systemgastronomie nachgingen. Die Tarifvertragsparteien hätten deshalb mit der Regelung der Kündigungsfristen in Kenntnis der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1990 den branchenspezifischen Gegebenheiten Rechnung getragen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 7. Dezember 1995 die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Diese Entscheidung ist durch Urteil des Senats vom 21. November 1996 – 2 AZR 171/96 – aufgehoben worden; nach Zurückverweisung hat das Landesarbeitsgericht nach Einholung zahlreicher Auskünfte erneut die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung. Der Senat hat zusätzlich Auskünfte der Sozialpartner des MTV Systemgastronomie eingeholt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Klageabweisung. Die von der Beklagten gewählte Kündigungsfrist ist nicht zu beanstanden; § 9 Ziff. 2.1 MTV ist nicht verfassungswidrig.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine entgegenstehende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Wenn die Tarifpartner in § 15 Ziffer 2 MTV Systemgastronomie an den früher vereinbarten Kündigungsfristen des § 2 Ziffer 3 und § 9 Ziffer 2.1 und 2.2 MTV festgehalten hätten, so könne die Pflicht zur Gleichbehandlung, die grundgesetzlich abgesichert sei, nicht Gegenstand tarifvertraglicher Vereinbarungen sein. Da die nach Zurückverweisung durch das Bundesarbeitsgericht eingeholten Auskünfte beim DGB, der BDA, der Bundesanstalt für Arbeit und der AOK Rheinland-Pfalz hinsichtlich der Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten, was die Fluktuation in der Systemgastronomie angehe, nichts ergeben hätten, sei an der früheren Entscheidung festzuhalten, nämlich daß Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sei mit der Folge, daß die Beklagte gemäß § 622 Abs. 1 BGB eine vierwöchige Kündigungsfrist hätte einhalten müssen, so daß sie den restlichen Lohn für zwei Wochen aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges schulde.
II. Dem folgt der Senat nicht. Die Beklagte rügt zu Recht eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. § 9 Ziffer 2 MTV für die Systemgastronomie.
1. Wie der Senat bereits im Zurückverweisungsurteil vom 21. November 1996 ausgeführt hat, ist § 9 Ziffer 2.1 MTV als konstitutive Regelung der Kündigungsfristen für Arbeiter anzusehen, über deren Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG die Arbeitsgerichte in eigener Kompetenz zu befinden haben (im Anschluß an Senatsurteil vom 16. September 1993 – 2 AZR 697/92 – BAGE 74, 167 = AP Nr. 42 zu § 622 BGB, m.w.N.).
2. Es geht nach wie vor um dieselbe Frage, ob nämlich die in der genannten Tarifnorm geregelte Eingangsfrist von zwei Wochen für Arbeiter gegenüber derjenigen für Angestellte von sechs Wochen zum Quartalsschluß ohne ausreichenden sachlichen Grund die Arbeiter gemäß Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig benachteiligt. Soweit das Berufungsgericht angesichts der nach seiner Auffassung vorliegenden Unaufklärbarkeit, ob ein solcher sachlicher Grund für die Differenzierung vorliegt, von der Verfassungswidrigkeit der Kündigungsfristenregelung ausgegangen ist, ist das unzutreffend. Dieser Begründungsansatz läuft im Ergebnis darauf hinaus, als Folge der im Zivilprozeß geltenden Parteimaxime bei Unaufklärbarkeit eines Sachgrundes die Verfassungswidrigkeit einer Tarifnorm anzunehmen, obwohl Tarifverträge Normqualität (§ 4 Abs. 1 TVG) haben. Demgegenüber haben die Arbeitsgerichte, wie der Senat bereits im Urteil vom 4. März 1993 (– 2 AZR 355/92 – AP Nr. 40, aaO) entschieden hat, nach den Grundsätzen des § 293 ZPO von Amts wegen die näheren für die unterschiedlichen Kündigungsfristen maßgeblichen Umstände, die für und gegen eine Verfassungswidrigkeit sprechen, zu ermitteln. Der Senat hat deshalb ergänzende Stellungnahmen der Sozialpartner des MTV Systemgastronomie eingeholt.
a) Schon nach der bisherigen Auskunft der Gewerkschaft Nahrung Genuß Gaststätten vom 16. Oktober 1995 ist davon auszugehen, daß das Zahlenverhältnis zwischen Arbeitern und Angestellten in der fraglichen Branche etwa 90 zu 10 ist, d.h. es werden ganz überwiegend gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt. Das wird auch durch die ergänzende Stellungnahme der Gewerkschaft ebenso bestätigt wie durch die Auskunft des Bundesverbandes der Systemgastronomie e.V. vom 14. August 1998. Der gewerkschaftlichen Auskunft ist ferner zu entnehmen, daß die Betriebszugehörigkeit bei gewerblichen Arbeitnehmern niedriger liegt als bei Angestellten; die Auskunft geht schließlich dahin, daß mit der Vereinbarung zur Entgeltrunde 1995 aus der Sicht der Gewerkschaft ein guter Entgeltabschluß vorlag, den die Arbeitgeberseite mit der Unterschrift unter die bisherigen Kündigungsregelungen verbunden hatte. Der Bundesverband der Systemgastronomie e.V. hat in seiner Stellungnahme ferner darauf hingewiesen, die Fluktuationsrate bei gewerblichen Arbeitnehmern betrage rund 80 %, wobei in 85 % der Fälle Eigenkündigungen der Arbeitnehmer vorlägen und 60 % ihre Kündigungsfristen nicht einhielten, sondern nach Abgabe der Kündigungserklärung der Arbeit fernblieben. Das entspricht im Kern der Behauptung der Beklagten, die vorgetragen hatte, die Fluktuationsrate bei gewerblichen Arbeitnehmern sei dadurch bedingt, daß keine gelernten Arbeitskräfte, sondern oft Studenten, Schüler und Aushilfskräfte eingestellt würden, so daß auf beiden Seiten ein Interesse an kurzen Kündigungsfristen bestehe, um sich während der Semesterferien sowie der Übergangszeit zwischen Abitur und Studium schnell voneinander trennen zu können. Demgegenüber hat die Gewerkschaft gemeint, ihr lägen keine nachvollziehbaren Daten über Fluktuationen im Bereich der Systemgastronomie vor. Schon der früheren Stellungnahme des Bundesverbandes der Systemgastronomie e.V. war aber zu entnehmen, daß die Arbeitsverhältnisse der gewerblichen Arbeitnehmer regelmäßig kurzlebig sind; dies sei bei den Angestellten – so die Stellungnahme vom 14. August 1998 – nicht der Fall, was darauf beruhe, daß es sich ausschließlich um Restaurantmanagementtätigkeiten handele, für die die Angestellten drei Jahre lang in firmeneigenen Akademien qualifiziert und aufgrund von mit der IHK abgestimmten Ausbildungsinhalten geschult würden; deshalb bestehe auch ein engeres Verhältnis zum jeweiligen Unternehmen. Im übrigen ergibt sich aus der erstinstanzlich eingeholten Auskunft der Bundesanstalt für Arbeit, daß nach der Statistik des Jahres 1994 für begonnene und beendete Beschäftigungsverhältnisse das Gaststätten- und Beherbungsgewerbe – was die Fluktuationsrate aller Wirtschaftszweige angeht – jedenfalls im oberen Drittel an einer der vorderen Stellen liegt. Angesichts dieser Umstände, die die Gewerkschaft zumindest nicht anders dargestellt hat, spricht dies für eine sachliche Rechtfertigung unterschiedlicher Kündigungsfristen, wie der Senat schon im Zurückverweisungsurteil unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung ausgeführt und belegt hat.
Der Senat hat auch bereits im Zurückverweisungsurteil den Einwand der Klägerin zurückgewiesen, die Eignung der Arbeiter könnten die Arbeitgeber auch in der Probezeit überprüfen; denn es sei durchaus vorstellbar, daß Arbeiter im ersten Monat des Arbeitsverhältnisses wegen der kurzen Kündigungsfrist in der Probezeit branchentypische Eignungsmängel häufig durch überobligatorischen Einsatz kompensierten und sich solche Eignungsmängel erst in der Folgezeit herausstellten. Der Senat hat auch das frühere Argument des Landesarbeitsgerichts nicht gelten lassen, bei Schülern, Studenten und anderen an einer zeitlich begrenzten Beschäftigung interessierten Aushilfskräften könnten befristete Arbeitsverträge abgeschlossen werden; dies möge zwar häufig zutreffen, derartige Vertragsgestaltungen seien aber nur begrenzt geeignet, erhöhten Flexibilitätsinteressen der Arbeiter Rechnung zu tragen. Die Klägerin hat sich im gesamten Prozeß zu den unstreitigen Umständen und dem Sachvortrag der Beklagten zum Flexibilitätsbedürfnis im Grunde nur dahin eingelassen, der Willkür der Tarifparteien seien verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt; den bisherigen Auskünften sei ein sachlicher Grund für die Differenzierung in den Kündigungsfristen nicht zu entnehmen; eine mögliche Fluktuation liege eventuell auch in der Teilzeitbeschäftigung begründet.
b) Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu unterschiedlichen Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten immer wieder darauf hingewiesen, die Tarifvertragsparteien könnten zwar aus Art. 9 Abs. 3 GG keine weitergehenden Eingriffsbefugnisse herleiten als der Gesetzgeber selbst (kritisch hierzu im Sinne einer weitergehenden Befugnis der Tarifparteien: Dieterich, Festschrift für Schaub, 1998, S. 117 f., 122), es sei aber nicht Sache der Gerichte zu prüfen, ob sie bei Inanspruchnahme ihrer Gestaltungsfreiheit die jeweils “gerechteste und zweckmäßigste” Regelung gefunden hätten, vielmehr genüge es, daß für die vorgenommenen Differenzierungen sachlich einleuchtende Gründe vorhanden seien; im Rahmen der den Tarifpartnern gewährten Tarifautonomie sei ihnen eine sachverständige Beurteilungskompetenz einzuräumen; ihnen müsse es auch überlassen bleiben, in eigener Verantwortung unter Umständen Zugeständnisse in einer Hinsicht mit Vorteilen in anderer Hinsicht auszugleichen; es bestehe insoweit wegen der Gleichwertigkeit der Tarifvertragsparteien eine – wenn auch keine uneingeschränkte – materielle Richtigkeitsgewähr für tarifliche Regelungen; diese hätten mit Einschränkungen die Vermutung für sich, daß sie den Interessen beiden Seiten gerecht würden und keiner Seite ein unzumutbares Übergewicht vermittelten (Senatsurteile vom 2. April 1992 – 2 AZR 516/91 – und vom 16. September 1993 – 2 AZR 697/92 – AP Nr. 38 und 42 zu § 622 BGB).
Es spricht demnach mehr für die Annahme, daß vorliegend ein sachlicher Grund für die Differenzierung – jedenfalls bei der hier in Rede stehenden Eingangskündigungsfrist – besteht. Der Auskunft der Gewerkschaft NGG ist zu entnehmen, daß gegen einen zufriedenstellenden Entgeltabschluß den Wünschen der Arbeitgeberseite bei der Kündigungsfrist nachgegeben worden ist. Das kann dann nicht anders interpretiert werden, als daß auch die Gewerkschaft von ihrer Beurteilungskompetenz her dem grundsätzlichen Bedürfnis an kurzen Kündigungsfristen im gewerblichen Bereich gegenüber aufgeschlossen war, und zwar in Kenntnis der Tatsache, daß nicht nur das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 30. Mai 1990 die früheren Differenzierungen in den Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten verworfen hatte, sondern daß auch der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 622 BGB die Unterschiede in den Kündigungsfristen eliminiert hat. So hat auch der Senat im Zurückverweisungsurteil bereits darauf hingewiesen, die Bestätigung der Kündigungsfristen in § 9 Ziffer 2.1 und 2.2 MTV spreche eher dafür, daß die beiderseitigen Interessen von Arbeitern und Arbeitgebern in der Branche zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht worden seien.
c) Der Klägerin ist zwar einzuräumen, daß die Beurteilung der Tarifpartner, wonach ihre Kündigungsfristenregelung – so die ausdrückliche Erklärung vom 28. April 1995 – verfassungskonform sei, nicht präjudizierend sein kann und das Gericht nicht bindet. Ihre Auffassung, wenn es dem Gesetzgeber verwehrt sei, ohne sachlichen Grund zu differenzieren, sei dies den Tarifvertragsparteien erst recht verwehrt, ist jedoch nur teilweise richtig. Zutreffend ist, daß ohne sachlichen Grund weder der Gesetzgeber noch die Tarifparteien differenzieren können. Das ändert jedoch nichts daran, daß den Tarifparteien wegen ihrer aus Art. 9 Abs. 3 GG herzuleitenden Kompetenz und ihres Sachverstandes eine besondere Einschätzungsprärogative, und zwar nicht zuletzt für die Sachgerechtigkeit der Gruppenbildung, einzuräumen ist (ebenso Dieterich, aaO, S. 130). Das gilt gerade für Tarifparteien, die sich auf die privatautonome Legitimation durch ihre Verbandsmitglieder stützen können. Durch die in § 6 des Arbeitsvertrages vorgesehene Übernahme der tariflichen Regelungen hat sich ihnen auch die Klägerin privatautonom unterworfen.
Unterschriften
Etzel, Bitter, Bröhl, Nipperdey, Thelen
Fundstellen