Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindungsanspruch bei Pauschalohn
Leitsatz (amtlich)
Der Abfindungsanspruch, der einem Arbeiter nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach dem TV Personalabbau zusteht, ist nach dem zuletzt bezogenen Monatstabellenlohn zu berechnen (§ 8 Abs. 1 Satz 3 TV-Personalabbau). Dies gilt auch, wenn für den Arbeiter nach § 3 KraftfahrerTV ein Pauschallohn festgesetzt war.
Normenkette
Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes (MTB II) vom 27. Februar 1964 § 15 Abs. 1, § 21 Abs. 3, § 30 Abs. 6; Tarifvertrag über einen sozialverträglichen Personalabbau im Bereich des Bundesministers der Verteidigung vom 30. November 1991 (TV-Personalabbau) § 8 Abs. 1 Sätze 1, 3; Tarifvertrag für die Kraftfahrer des Bundes vom 5. April 1965 (KraftfahrerTV) §§ 3-4; BGB § 242; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer Abfindung.
Der Kläger war seit dem 1. März 1964 als Kraftfahrer bei der Standortverwaltung P… beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis waren der Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes (MTB II) vom 27. März 1964, der Tarifvertrag für die Kraftfahrer des Bundes vom 5. April 1965 (KraftfahrerTV) und der Tarifvertrag über einen sozialverträglichen Personalabbau im Bereich des Bundesministers der Verteidigung vom 30. November 1991 (TV-Personalabbau) anzuwenden. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag mit Ablauf des 31. März 1994. Die Beklagte zahlte aus diesem Anlaß an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 16.009,31 DM. Die Berechnung dieses Betrags nahm die Beklagte nach dem letzten Monatstabellenlohn vor, nicht aber nach dem höheren Pauschallohn, den der Kläger als Kraftfahrer zuletzt bezogen hatte.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Abfindung sei nach dem Pauschallohn zu berechnen gewesen. Dieser sei sein “individueller Monatstabellenlohn” i.S.d. hier maßgebenden Anlage 2 “Lohnsicherung von Kraftfahrern” zum Erlaß des Bundesministers der Verteidigung vom 7. Februar 1992 (S II 3 – Az. 18-20-02/03/11) gewesen, in der es heißt:
“Kraftfahrer, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages für die Kraftfahrer des Bundes vom 5. April 1965 (Kraftfahrer-TV) fallen und einen aus dem Monatstabellenlohn und dem Überstundenlohn bestehenden Pauschallohn erhalten, haben einen individuellen Monatstabellenlohn im Sinne des § 21 Abs. 3 MTB II. Das bedeutet, daß bei der Festsetzung des Sicherungsbetrages für den Kraftfahrer, dem ein Arbeitsplatz im Sinne des § 2 Abs. 5 des Tarifvertrages über einen sozialverträglichen Personalabbau im Bereich des Bundesministers der Verteidigung vom 30. November 1991 angeboten wird, im Rahmen des § 5 Abs. 2 Buchst. a dieses Tarifvertrages nicht der Pauschallohn, sondern der individuelle Monatstabellenlohn auf der Grundlage der Lohngruppe des Kraftfahrers und der individuellen Lohnstufe (§ 24 MTB II) zu berücksichtigen ist. (Dies gilt auch hinsichtlich des § 8 Abs. 1 des Tarifvertrages vom 30. November 1991).
…”
Der “individuelle Monatstabellenlohn” i.S. dieser Anlage enthalte neben dem Überstundenlohn und seinen Zuschlägen auch die Nachtarbeitszuschläge. Mit dem nach Lohngruppen und Lohnstufen gestaffelten Monatstabellenlohn werde jedoch nur die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit (§ 15 Abs. 1 MTB II) abgegolten, die nur für die Kraftfahrer gelte, die keinen Pauschallohn erhielten. Der nach der durchschnittlichen Monatsarbeitszeit des vorangegangenen Kalenderhalbjahres zu berechnende Pauschallohn begründe einen Besitzstand. Er sei daher als “individueller Monatstabellenlohn” der pauschalierten Kraftfahrer anzusehen. Nach dieser Berechnung belaufe sich die Abfindung auf 25.556,28 DM, der noch zu zahlende Restbetrag somit auf 9.546,97 DM, mindestens aber auf 7.557,22 DM, wenn man Überstunden- und Nachtzuschlag abziehe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.546,97 DM nebst 4 % Zinsen ab 1. April 1994 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, der Begriff “individueller Monatstabellenlohn” komme im Tarifwortlaut nicht vor. Er sei lediglich in der Anlage 2 zum Erlaß vom 7. Februar 1992 enthalten und betreffe ausschließlich die Lohnsicherung von Kraftfahrern. Nach dem TV-Personalabbau sei für die Bemessung der Abfindung nicht der Pauschallohn, sondern allein der Monatstabellenlohn i.S.d. § 21 Abs. 3 MTB II maßgebend.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die mit der Klage geltend gemachte weitere Abfindungszahlung.
I. Nach § 8 Abs. 1 TV-Personalabbau erhält ein Arbeitnehmer, der wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes im gegenseitigen Einvernehmen ausscheidet, eine Abfindung, die sich nach der Höhe der Monatsbezüge, der Dauer der Beschäftigungszeit und dem Lebensalter bemißt.
1. Das Arbeitsverhältnis endete unstreitig mit Ablauf des 31. März 1994 wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes des Klägers durch Aufhebungsvertrag.
2. Unstreitig gewährte die Beklagte dem Kläger eine auf der Grundlage des Monatstabellenlohns zuzüglich des Sozialzuschlags rechnerisch richtig berechnete Abfindung in Höhe von 16.009,31 DM. Ein höherer Abfindungsbetrag stand dem Kläger nicht zu.
II. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht für die Berechnung der Abfindung nicht auf den Pauschallohn des Klägers abgestellt.
1. Nach § 8 Abs. 1 Satz 3 TV-Personalabbau ist Monatsbezug i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 TV-Personalabbau bei Arbeitern der Betrag, der als Summe aus dem Monatstabellenlohn und dem Sozialzuschlag im letzten Kalendermonat vor dem Ausscheiden zugestanden hat oder zugestanden hätte. Monatstabellenlohn ist nach § 21 Abs. 3 MTB II der nach Lohngruppen und Lohnstufen gestaffelte Lohn. Daraus folgt, daß ein Arbeiter nur Anspruch auf eine nach dem Monatstabellenlohn und dem Sozialzuschlag zu berechnende Abfindung hat. Dies gilt auch für einen im Pauschallohn (vgl. §§ 3, 4 KraftfahrerTV) arbeitenden Kraftfahrer. Die Tarifvertragsparteien haben durch die Bezugnahme in § 8 Abs. 1 Satz 3 TV Personalabbau für die Berechnung der Höhe der Abfindung den Begriff “Monatsbezug” (§ 8 Abs. 1 Satz 1 TV-Personalabbau) definiert und damit eine für die Anwendung dieses Tarifvertrags verbindliche Begriffsbestimmung getroffen, die mit dem bereits in § 21 Abs. 3 MTB II definierten Begriff “Monatstabellenlohn” inhaltlich übereinstimmt. Es spricht nichts dafür, daß die Tarifvertragsparteien des KraftfahrerTV, die in dem ebenfalls von ihnen abgeschlossenen MTB II den Begriff des Monatstabellenlohns definiert und von anderen Begriffen (z.B. “Monatslohn”, “Monatsregellohn”, “Lohn”) als den nach Lohngruppen und Lohnstufen gestaffelten Lohn abgegrenzt haben, unter den Monatstabellenlohn i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 3 TV-Personalabbau etwas anderes verstanden haben als unter dem “Monatstabellenlohn” i.S.d. § 21 Abs. 3 MTB Aus dem insoweit eindeutigen Tarifwortlaut, auf den es für die Auslegung von Tarifnormen in erster Linie ankommt (vgl. BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung), ergibt sich somit, daß auf den Pauschallohn des Klägers als Berechnungsgrundlage nicht zurückgegriffen werden kann.
2. Auch eine Auslegung nach Sinn und Zweck der Regelung führt nicht zu dem von dem Kläger vertretenen Ergebnis. § 8 Abs. 1 TV-Personalabbau bezweckt eine einheitliche Berechnung der Abfindungen. Die Bestimmung zwingt nicht dazu, entgegen dem eindeutigen Tarifwortlaut auf den im Einzelfall tatsächlich zugeflossenen Lohn abzustellen. Daß dieser nicht für die Höhe der Abfindung bestimmend sein soll, wird auch dadurch belegt, daß der “Monatstabellenlohn” auch in den Fällen maßgebend ist, in denen der Monatsbezug nach dem Betrag zu berechnen ist, der dem Arbeiter im letzten Kalendermonat “zugestanden hätte”. Auch wenn der Arbeiter in diesem Monat mangels Arbeitsleistung keinen Anspruch auf einen Arbeitslohn hatte, steht ihm somit die Abfindung zu. Sie ist auch dann nach dem Monatstabellenlohn zu berechnen. Auch dies läßt darauf schließen, daß der Monatstabellenlohn nach dem Inhalt der Tarifregelung in allen Abfindungsfällen als Berechnungsgrundlage heranzuziehen ist.
3. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Tarifvertragsparteien nicht gehindert sind, bei im Pauschallohn beschäftigten Kraftfahrern ebenso an den Monatstabellenlohn anzuknüpfen wie bei anderen Arbeitern. Eine Abfindungsregelung auf der Grundlage des tatsächlich verdienten Lohns einschließlich der Überstunden und der Sonn- und Feiertagsvergütung wird durch den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht gefordert. Daran ändert nichts, daß der Kläger wegen seiner schwankenden Arbeitszeit im Pauschallohn vergütet wird und regelmäßig eine höhere monatliche Arbeitszeit leisten muß als der Arbeiter, der Monatstabellenlohn bezieht. Die höhere Arbeitszeit wird durch den gem. § 3 KraftfahrerTV in Verbindung mit § 30 Abs. 6 MTB II festgesetzten Pauschallohn abgegolten. Für die Berechnung einer aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlenden Abfindung ergeben sich daraus aber keine rechtlichen Folgerungen. Den Tarifvertragsparteien steht es im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich geschützten Regelungsbefugnis frei, die Voraussetzungen des Abfindungsanspruchs und dessen Höhe zu regeln und dabei sachgerecht zu typisieren. Die hier gewählte Typisierung kann der Kläger nicht mit der Erwägung als sachwidrig bekämpfen, der Pauschallohn des Kraftfahrers begründe für diesen einen Besitzstand. Dies ist schon deshalb nicht der Fall, weil er in halbjährlichen Abständen neu zu berechnen ist (§ 4 Abs. 1 KraftfahrerTV).
4. Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, nach der Anlage 2 zum Erlaß des Bundesministers der Verteidigung vom 7. Februar 1992 richte sich die Höhe der Abfindung nach dem “individuellen” Monatstabellenlohn, also nach den tatsächlichen Arbeitsstunden, die der im Pauschallohn beschäftigte Kraftfahrer im Vormonat geleistet hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß der Begriff eines individuellen Monatstabellenlohns nicht im TV-Personalabbau oder im MTB II verwendet wird, sondern nur in dem genannten Erlaß. Unabhängig vom Inhalt dieses Erlasses, auf den für die Entscheidung dieses Falles nicht näher einzugehen ist, kommt diesem Begriff jedenfalls keine normative Wirkung zu. Die Beklagte ist somit nicht gehindert, § 8 Abs. 1 TV-Personalabbau richtig anzuwenden, selbst wenn sie den Inhalt dieser Bestimmung in der Anlage zu dem Erlaß verfehlt haben sollte. Für diesen Fall könnte der Kläger seinen Anspruch auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 242 BGB) stützen. Er hat keine Tatsachen dafür vorgetragen, daß die Beklagte den Erlaß in der Vergangenheit in Kenntnis seiner etwaigen Abweichung vom Tarifinhalt bei der Berechnung von Abfindungen pauschal entlohnter Kraftfahrer in dem vom Kläger behaupteten Sinne angewendet hat.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Freitag, Reinecke, Gebert, Bruse
Fundstellen
Haufe-Index 884831 |
NZA 1997, 162 |