Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung
Orientierungssatz
Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision gehört die Angabe der Revisionsgründe unter Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm. Dies erfordert grundsätzlich, daß sich die Revisionsbegründung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzt. Zwar ist zur Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm im Sinne des § 554 Abs 3 Nr 3a ZPO die Angabe bestimmter Paragraphen nicht erforderlich; sogar eine falsche Bezeichnung kann unschädlich sein. Die Revisionsbegründung muß jedoch den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts aufzeigen. Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs müssen erkennbar sein. Die Revisionsbegründung muß zu den gem § 554 Abs 3 Nr 3 ZPO gerügten Punkten eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert eine konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll.
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Bremen vom 23. März 1999 - 1 Sa 213 u.
215/98 - wird als unzulässig verworfen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Der Streit der Parteien geht darum, ob der Kläger gegen die Beklagte über den 31. Dezember 1996 hinaus einen Anspruch auf Erstattung des vollen Arbeitnehmerbeitragsanteils zur gesetzlichen Rentenversicherung hat.
Der Kläger ist bei dem Beklagten als Dipl.-Ingenieur Fachrichtung Elektrotechnik in dessen Niederlassung B. beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt der vom Kläger mit dem Technischen Überwachungsverein Norddeutschland e.V. - dem Rechtsvorgänger des Beklagten - geschlossene Formulararbeitsvertrag vom 28. Mai 1974 zugrunde. Dessen § 1 enthält umfangreiche Regelungen im wesentlichen verschiedener Pflichten des zum 1. Juli 1974 eingestellten Klägers. Abschließend heißt es dort (Abs. 6):
Im übrigen finden die jeweils gültigen Tarifverträge und
Betriebsvereinbarungen Anwendung.
Die beiden nachfolgenden Paragraphen des Arbeitsvertrages lauten:
§ 2
Gehalt
Für die Höhe des Gehaltes bei Beginn der Beschäftigung ist die
Vergütungsgruppe A 10 Stufe 6 der Betriebsvereinbarung maßgebend.
Danach beträgt das monatliche Brutto-Gehalt einschließlich eines
Kinderzuschlages von DM 220,-- für 2 Kinder und eines
Kleidergeldzuschlages von DM 30,-- insgesamt DM 2.357,--.
Außerdem wird der Arbeitnehmerbeitragsanteil zur gesetzlichen
Rentenversicherung von zur Zeit DM 225,-- vom TÜV Norddeutschland
erstattet.
Die Höhe etwaiger Reisekostenerstattungen ergibt sich aus der
jeweils gültigen Reiseordnung.
Die sich aus allen Tätigkeiten des Herrn L. ergebenden Gebühren
oder Entgelte stehen dem TÜV Norddeutschland zu.
§ 3
Urlaub
Der Jahresurlaub richtet sich nach den Bestimmungen des jeweils
gültigen Tarifvertrages.
Die "Arbeitsbedingungen" der Angestellten des Rechtsvorgängers des Beklagten waren seinerzeit in der Betriebsvereinbarung vom 1. Januar 1966 in der Fassung vom 2. Dezember 1968 geregelt. Deren § 16 Abs. 1 bestimmte:
§ 16
Arbeitsentgelt
Jeder Angestellte erhält für die von ihm geleistete Arbeit das
jeweils vereinbarte Gehalt, das in Anlehnung an die BBO (Anlage A
"Richtlinien für die Gehaltsfestlegungen", Anlage B
"Vergütungsgruppen", Anlage C "Gehaltstabellen") festgesetzt wird.
Änderungen der BBO werden berücksichtigt.
§ 6 der Anlage A lautete:
§ 6
Rentenversicherung
Allen Angestellten, soweit sie nicht von der Versicherungspflicht
zur gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, wird der
Arbeitnehmerbeitragsanteil vom TÜV Norddeutschland erstattet.
Am 25. Juli 1975 schlossen die Tarifgemeinschaft Technischer Überwachungsvereine e.V. Essen und die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transporte und Verkehr (ÖTV) den Tarifvertrag über die Gewährung von Leistungen betreffend die Übernahme des Arbeitnehmeranteils zur Rentenversicherung (Arbeiter-, Angestelltenversicherung) - nachfolgend TV-Arbeitnehmeranteil 1975 -, der am 1. September 1975 in Kraft trat und den der Rechtsvorgänger des Beklagten anwandte. Dieser lautete auszugsweise:
§ 2
Die Mitarbeiter erhalten außer der Vergütung den Betrag, den sie
aufgrund ihrer Rentenversicherungspflicht von ihrem
rentenversicherungspflichtigen Einkommen als Beitrag zu zahlen
haben.
§ 5
Durch diesen Tarifvertrag werden die bei den Vereinen bestehenden
Regelungen, die die Übernahme der Arbeitnehmeranteile zur Renten-
und Arbeitslosenversicherung beinhalten, ersetzt. Hierbei ist es
gleichgültig, auf welcher Rechtsgrundlage und unter welcher
Bezeichnung diese Leistungen bisher gewährt worden sind.
Diese tarifliche Regelung wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1996 durch den Tarifvertrag vom 11. Oktober 1996 abgelöst (nachfolgend: TV-Arbeitnehmeranteil 1996). Dieser sieht in §§ 2, 3 einen Zuschuß des Arbeitgebers zu dem Betrag, den die Mitarbeiter auf Grund ihrer Rentenversicherungspflicht von ihrem rentenversicherungspflichtigen Einkommen als Beitrag zu zahlen haben, in Höhe der ihnen insoweit im Kalenderjahr 1996 gewährten Leistungen vor, die in diesem Kalenderjahr dem vollem Beitragssatz entsprachen. Dessen § 5 bestimmt wiederum die Ablösung aller früheren Regelungen betreffend die Übernahme ua. des Arbeitnehmeranteils zur Rentenversicherung. Die vom persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfaßten Mitarbeiter hatten im Falle ihrer Vollbeschäftigung nach der von den Tarifvertragsparteien ebenfalls am 11. Oktober 1996 geschlossenen "Vereinbarung über eine Einmalzahlung" Anspruch auf Zahlung von 900,00 DM brutto.
Der Beklagte, der diese Tarifverträge anwandte bzw. anwendet, zahlte an den nunmehr in entsprechender Anwendung der Besoldungsgr. A 13 BBesG vergüteten Kläger mit dem Januargehalt 1997 nebst dem Zuschuß nach §§ 2, 3 TV-Arbeitnehmeranteil 1996 die tarifliche Einmalzahlung von 900,00 DM brutto aus. Mit Schreiben vom 7. Februar 1997 bestand der Kläger unter Hinweis auf § 2 Abs. 2 seines Arbeitsvertrages auf "Erstattung des vollen Arbeitnehmeranteiles zur gesetzlichen Rentenversicherung" und bat darum, den ihm ausgezahlten Einmalbetrag von 900,00 DM mit den zukünftigen vertragsgemäßen Zahlungen zu verrechnen. In seinem Antwortschreiben vom 28. Februar 1997 beharrte der Beklagte darauf, für die "Übernahme des Arbeitnehmeranteils zur Rentenversicherung" seien die einschlägigen "Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung" maßgebend, und beschränkte seine Leistung insoweit weiter auf den Zuschuß.
Mit seiner Klage erstrebt der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung der Differenz zwischen den erhaltenen Zahlungen und der vollen Erstattung des Arbeitnehmerbeitragsanteils zur Rentenversicherung für das erste Halbjahr 1997 in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 243,42 DM sowie die Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den vollen Arbeitnehmerbeitragsanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung zu erstatten. Er ist der Ansicht, sein Anspruch auf Erstattung des vollen Arbeitnehmerbeitragsanteils zur gesetzlichen Rentenversicherung folge aus § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrages, der im Unterschied zu anderen im Arbeitsvertrag enthaltenen Bestimmungen keinen Verweis auf die jeweils gültigen Tarifverträge bzw. Betriebsvereinbarungen enthalte.
Der Kläger hat beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 243,42 DM nebst
4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit auf den sich ergebenden
Nettobetrag zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist,
dem Kläger den vollen Arbeitnehmerbeitragsanteil zur
gesetzlichen Rentenversicherung zu erstatten.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Ansicht vertreten, nach dem Wortlaut des Arbeitsvertrages und dessen Auslegung richte sich das Gehalt des Klägers einschließlich des Anspruchs auf Erstattung des Arbeitnehmerbeitragsanteils nach den zur Zeit seiner Einstellung geltenden und den sie ablösenden kollektiven Regelungen. Der Kläger habe damit nach dem TV-Arbeitnehmeranteil 1996 nur noch Anspruch auf die eingefrorenen Arbeitgeberleistungen zum Arbeitnehmerbeitragsanteil.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision des Klägers ist unzulässig.
Die Revisionsbegründung entspricht nicht den Anforderungen des § 72 Abs. 5 ArbGG in Verb. mit § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO, so daß sie gem. § 554 a Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen ist. Denn sie greift das Berufungsurteil allenfalls im Ergebnis an, läßt aber die gesetzlich gebotene Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils vermissen.
1. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision gehört die Angabe der Revisionsgründe unter Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm. Dies erfordert grundsätzlich, daß sich die Revisionsbegründung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzt (BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 624/96 - BAGE 87, 41 mwN). Zwar ist zur Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm im Sinne des § 554 Abs. 3 Nr. 3 a ZPO die Angabe bestimmter Paragraphen nicht erforderlich; sogar eine falsche Bezeichnung kann unschädlich sein. Die Revisionsbegründung muß jedoch den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts aufzeigen. Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs müssen erkennbar sein. Die Revisionsbegründung muß zu den gem. § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO gerügten Punkten eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert eine konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG aaO mwN; BAG 1. Dezember 1999 - 7 ABR 53/98 - nv.). Dadurch soll ua. sichergestellt werden, daß der Prozeßbevollmächtigte des Revisionsklägers das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage genau durchdenkt. Außerdem soll die Revisionsbegründung durch ihre Kritik des angefochtenen Urteils zur richtigen Rechtsfindung durch das Revisionsgericht beitragen (BAG 4. September 1975 - 3 AZR 230/75 - AP ZPO § 554 Nr. 15; 13. April 2000 - 2 AZR 173/99 - nv.; 7. Juli 1999 - 10 AZR 575/98 - AP ZPO § 554 Nr. 32).
2. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung des Klägers nicht gerecht.
a) Die Bezugnahme des Klägers "zur Begründung der Revision ... auf sein gesamtes bisheriges Vorbringen in 1. und 2. Instanz" sowie auf einzelne Schriftsätze aus den Tatsacheninstanzen enthält keine Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil, sondern ein Beharren auf früher Gesagtem (BAG 4. September 1975 - 3 AZR 230/75 - aaO; 2. März 1992 - 2 AZR 508/91 - nv.).
b) Die Ausführungen des Klägers, entgegen der Darstellung des Landesarbeitsgerichts seien in seinem Arbeitsvertrag nicht lediglich sein Name und die Zahlungsbeträge unter unzutreffender Benennung der Vergütungsstufe "gesondert eingesetzt" worden, lassen nicht erkennen, ob mit der Rüge die Verletzung materiellen oder prozessualen Rechts geltend gemacht wird. Denn es tritt nicht deutlich zu Tage, ob dem angefochtenen Urteil zum Vorwurf gemacht wird, es habe nicht den vollständigen Text der Betriebsvereinbarung als Erkenntnisquelle benutzt, oder ob er ihm vorwerfen will, es habe daraus falsche Schlüsse gezogen. Eine Revisionsbegründung, die insoweit Zweifel bestehen läßt, entspricht nicht den Anforderungen des § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO. Denn es ist Aufgabe der Revisionsbegründung, Verfahrensrügen in sauberer Trennung von materiellrechtlichen Rügen deutlich anzubringen (BAG 19. Oktober 1959 - 2 AZR 60/59 - AP ZPO § 554 Nr. 4; BAG 3. August 1961 - 2 AZR 117/60 - BAGE 11, 236, 244).
c) Soweit der Kläger auf das vom Landesarbeitsgericht herangezogene Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18. August 1998 (- 1 AZR 589/97 - NZA 1999, 659) verweist, in dem für eine vertragliche Vergütungsregelung mit einem von derjenigen des vorliegenden Falles abweichenden Inhalt trotz Verweisung auf die beamtenrechtlichen Besoldungsvorschriften die Begründung eines - davon unabhängigen - vertraglichen Anspruchs angenommen worden sein soll, ist damit nicht einmal die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, das eine "individualrechtliche Grundlage" für den Klaganspruch verneint hat, als rechtsfehlerhaft gerügt, geschweige denn dargelegt, worin der Rechtsfehler bestehen soll. Vielmehr begründet der Kläger sein Rechtsmittel insoweit damit, "hier" werde "das BAG um die Entscheidung ersucht, ob in der hier in Rede stehenden Formulierung ebenfalls die Begründung eines eigenen Entgeltanspruchs gesehen werden kann oder nicht".
d) Bei der die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu § 3 "Urlaub" des Arbeitsvertrages betreffenden Rüge wird wiederum deren Richtung nicht deutlich. Hier gilt ebenfalls das unter b) Gesagte.
e) Die Ausführungen des Klägers, "unter Zugrundelegung der Auffassung des LAG Hamburg" in dem unveröffentlichten Urteil vom 7. Mai 1997 (- 8 Sa 113/96 -) zu einem der von dem Beklagten verwendeten Formulararbeitsverträge "müsse ... auch vorliegend das Günstigkeitsprinzip Anwendung finden", enthalten nicht die Rüge, das angefochtene Urteil sei fehlerhaft, und demzufolge auch nicht die Darlegung eines Rechtsfehlers; denn der Kläger führt das vorgenannte Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg "beispielhaft" an, sagt aber nicht, die darin vertretene Rechtsauffassung zu einem Arbeitsvertrag, in dem es im übrigen nach den Ausführungen in jener Entscheidung "an jeglicher Bezugnahme zum TV" fehlte, sei im Gegensatz zu derjenigen im angefochtenen Urteil zutreffend. Zum anderen enthalten diese Ausführungen nicht mit hinreichender Deutlichkeit eine Auseinandersetzung mit dem in diesem Zusammenhang auch mit keinem Wort angesprochenen Urteil des Landesarbeitsgerichts, denn sie könnten wortlautgleich auch in einem Schriftsatz des Klägers aus den Tatsacheninstanzen stehen.
II. Die Kostentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Schliemann Wolter Bott
Seifner Buschmann
Fundstellen