Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Lehrkraft. Gleichbehandlung
Normenkette
BGB §§ 242, 612 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 5. Mai 1997 – 5 Sa 2139/93 E – aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 24. Juni 1993 – 1 Ca 467/92 E – wird vollen Umfangs zurückgewiesen.
3. Die Anschlußrevision des Klägers wird zurückgewiesen.
4. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Vergütung des Klägers.
Der am 7. Juni 1947 geborene Kläger verfügt sowohl über die staatliche Anerkennung als Erzieher als auch über diejenige als Sozialpädagoge (graduiert). Seit dem 1. Oktober 1976 ist er an der Weperschule – Sonderschule “G…” in Hardegsen, einer Schule für Geistigbehinderte, als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis tätig. Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtete sich zunächst nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 19. September 1976. In dessen § 1 ist u. a. die Eingruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe IVb BAT vereinbart. Nach § 2 dieses Vertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen sowie den Eingruppierungserlassen des Niedersächsischen Kultusministers in der jeweils geltenden Fassung.
Das zunächst befristete Arbeitsverhältnis wurde durch Änderungsvertrag der Parteien am 18. April 1977 in ein unbefristetes umgewandelt. Die dem Kläger gewährte Vergütung richtet sich noch immer nach der VergGr. IVb BAT.
Der für die Eingruppierung des Klägers maßgebliche Erlaß des Niedersächsischen Kultusministers in der Fassung vom 11. April 1986 (Nds MBl S. 424) – nachfolgend kurz: Eingruppierungserlaß – lautet auszugsweise wie folgt:
“… |
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Lehrkräfte an Sonderschulen |
VergGr. |
20. |
Lehrkräfte mit der Befähigung für das Lehramt an Sonderschulen |
II a |
21. |
Lehrkräfte mit der ersten staatlichen Prüfung für das Lehramt an Sonderschulen (…) |
III |
… |
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24. |
Lehrkräfte als Gruppen-/Klassenleiter für Geistigbehinderte |
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1. |
… |
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2. |
mit staatlicher Prüfung oder staatlicher Anerkennung als Erzieher, Kindergärtnerin oder Hortnerin |
V c |
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nach dreijähriger Bewährung |
V b |
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3. |
mit der unter Nr. 2 genannten Ausbildung und einer abgeschlossenen sonderpädagogischen Zusatzausbildung |
V b |
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nach sechsjähriger Bewährung |
IV b |
…” |
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Mit Schreiben vom 11. März 1992 beantragte der Kläger seine Höhergruppierung “nach BAT 2 b”, da sich seine Tätigkeit nicht von der der Sonderschullehrer an seiner Schule unterscheide. Das beklagte Land lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 24. März 1993 ab. Mit seiner Klage erstrebt der Kläger die Feststellung der Verpflichtung des beklagten Landes zur Zahlung von Vergütung nach der VergGr. III BAT ab 12. September 1991 und zur Verzinsung der jeweiligen Nettodifferenzen – nunmehr wieder – ab Rechtshängigkeit.
Er hat die Auffassung vertreten, der Eingruppierungserlaß des beklagten Landes sei unwirksam, weil er für den angestellten Lehrer eine schlechtere Bezahlung vorsehe als für einen in vergleichbarer Position beschäftigten Sozialpädagogen der z. B. in einem Landesjugendheim straffällig gewordene Jugendliche betreue. Dessen Vergütung richte sich nach der Anlage 1a zum BAT; dieser habe eine Vergütung nach der VergGr. IVa BAT, nach sechsjähriger Bewährung nach VergGr. III BAT. Die Eingruppierungsregelung für Lehrkräfte ohne die Lehramtsbefähigung als Gruppen-/Klassenleiter für Geistigbehinderte an Sonderschulen sei auch deshalb unwirksam, weil die im Erlaß vorgesehene Vergütung derjenigen des BAT für die unter der Leitung der Gruppen-/Klassenleiter arbeitenden sog. pädagogischen Mitarbeiter an Sonderschulen entspreche, obgleich deren Qualifikation und Verantwortung geringer seien als diejenigen der Gruppen-/Klassenleiter; diese pädagogischen Mitarbeiter erhielten zudem noch eine tarifliche Vergütungsgruppenzulage. Nach dem BAT würden Sozialarbeiter in vergleichbarer Position wie Lehrkräfte ohne Lehramtsbefähigung an Sonderschulen nach VergGr. IVa BAT, nach Bewährung nach VergGr. III BAT bezahlt. Dies gelte z. B. für einen Sozialpädagogen, der in einem Landesjugendheim straffällig gewordene Jugendliche betreue. Schließlich verstoße die unterschiedliche Vergütung der Sonderschullehrer mit und ohne Lehramtsbefähigung gegen das Lohngleichheitsgebot des Art. 119 EG-Vertrag, da der Anteil der Frauen in der – benachteiligten – Gruppe der Gruppen-/Klassenleiter ohne Lehramtsbefähigung erheblich höher sei als in derjenigen mit dieser. Mittelbar werde daher auch er rechtswidrig benachteiligt.
Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihm ab 12. September 1991 Vergütung nach der VergGr. III BAT zu bezahlen und die Nettodifferenzbeträge ab jeweiliger Fälligkeit mit 4 % zu verzinsen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor. Zwar übten die Sonderschullehrer mit und ohne Hochschulabschluß im wesentlichen die gleiche Tätigkeit aus. Es sei jedoch sachgerecht, bei der Vergütung nach der unterschiedlichen beruflichen Ausbildung zu differenzieren. Zu berücksichtigen sei auch die Möglichkeit, den Sonderschullehrern mit Hochschulabschluß die Erstattung von sozialpädagogischen Gutachten zu übertragen. Auf die Vergütung der pädagogischen Mitarbeiter nach dem BAT könne der Kläger zur Begründung seines Anspruchs nicht verweisen; beide Vergütungsregelungen seien rechtlich unabhängig voneinander. Der Eingruppierungserlaß verstoße auch deshalb nicht gegen das Gebot der Lohngleichheit nach Art. 119 EG-Vertrag, weil der Frauenanteil in den VergGrn. Vc bis IVb BAT einerseits und in der VergGr. IIa BAT andererseits fast identisch, jedenfalls nur geringfügig unterschiedlich sei. Die Ungleichbehandlung der vom Kläger verglichenen Gruppen sei auch sachlich gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers unter deren Zurückweisung im übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und festgestellt, daß das beklagte Land verpflichtet ist, an den Kläger ab 12. September 1991 Vergütung nach der VergGr. IVa BAT zu zahlen und die Nettodifferenzbeträge ab jeweiliger Fälligkeit zu verzinsen. Mit seiner Revision beantragt das beklagte Land, die Klage vollen Umfangs abzuweisen. Der Kläger verfolgt mit seiner – unselbständigen – Anschlußrevision seinen Klageantrag weiter, hinsichtlich der Verzinsung wieder – wie in der Klageschrift – mit dem Inhalt, daß die Verzinsung der Nettodifferenzbeträge ab Rechtshängigkeit erfolgen solle.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist begründet, die Anschlußrevision des Klägers ist unbegründet.
I. Für den Anspruch des Klägers auf eine höhere Vergütung als die ihm vom beklagten Land gezahlte besteht keine Anspruchsgrundlage.
1. Der Kläger kann nicht kraft des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes vom beklagten Land ab 12. September 1991 Vergütung nach der VergGr. III BAT oder IVa BAT verlangen. Beide vom Kläger für diese Ansprüche gegebenen Begründungen erfüllen nicht deren Voraussetzungen.
1.1 Der Anspruch des Klägers auf die von ihm geforderte höhere Vergütung ergibt sich nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz i. V. m. Ziff. 20 des Eingruppierungserlasses. Die voneinander abweichende Vergütung von Lehrkräften mit der Befähigung für das Lehramt an Sonderschulen und solchen ohne diese Befähigung ist jedenfalls durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 219/93 – (BAGE 76, 44 = AP Nr. 51 zu Art. 119 EWG-Vertrag) und – 4 AZR 218/93 – (n. v.) für zwei hinsichtlich der entscheidungserheblichen Umstände mit dem vorliegenden Fall gleichliegende Sachen mit näherer Begründung entschieden. Er hält an dieser Auffassung nach nochmaliger Überprüfung fest.
1.2 Der Kläger kann auch nicht nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz in Verbindung mit Vergütungsregelungen für Sozialarbeiter im BAT mit Erfolg Vergütung nach der VergGr. III BAT, hilfsweise nach der VergGr. IVa BAT verlangen.
Diesen Anspruch begründet der Kläger einmal damit, seine Tätigkeit sei höherwertig im Vergleich zu derjenigen der an Sonderschulen tätigen pädagogischen Mitarbeiter, die nach dem BAT in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung seiner Anl. 1a in die VergGr. IVb BAT eingruppiert waren, Bestandsschutz genießen und zum Teil eine Zulage erhalten. Zum anderen führt er an, in vergleichbarer Position wie die angestellten Lehrer beschäftigte Sozialpädagogen, z. B. mit der Aufgabe der Betreuung straffällig gewordener Jugendlicher in einem Landesjugendheim, hätten nach dem BAT Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. IVa BAT mit Bewährungsaufstieg nach sechs Jahren in VergGr. III BAT.
Mit diesen Vergleichen greift der Kläger zu weit. Während das beklagte Land die Eingruppierung der angestellten Lehrkräfte durch arbeitsvertragliche Verweisung auf den Eingruppierungserlaß regelt, richtet sich die Vergütung der an Sonderschulen tätigen pädagogischen Mitarbeiter sowie der in einem Landesjugendheim beschäftigten Sozialpädagogen nach dem BAT, wovon der Kläger auch selbst ausgeht. Damit gehören die Vergleichsgruppen verschiedenen Ordnungs- und Regelungsbereichen an. Hinzu kommt, daß für beide Ordnungs- und Regelungsbereiche verschiedene Träger zuständig sind. Aus diesen Gründen findet das Gleichbehandlungsgebot keine Anwendung. Darin folgt der Senat der Rechtsprechung des Zehnten Senats (Urteil vom 3. Dezember 1997 – 10 AZR 563/96 – AP Nr. 149 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
Zudem liegen verschiedene Sachverhalte vor, wenn sich die Eingruppierung einer Gruppe von Arbeitnehmern nach einem Tarifvertrag, die einer zum Vergleich herangezogenen anderen Arbeitnehmergruppe nach einem Eingruppierungserlaß richtet. Denn im ersten Fall gilt bei beiderseitiger Tarifgebundenheit gem. § 4 Abs. 1 TVG die tarifliche Vergütungsordnung mit unmittelbarer und zwingender Wirkung, während im zweiten Fall – in den Grenzen des Gleichbehandlungsgebots, das der Arbeitgeber innerhalb der einseitig gesetzten Vergütungsordnung zu beachten hat (z. B. Urteil des Fünften Senats vom 19. August 1992 – 5 AZR 513/91 – AP Nr. 102 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) – Vertragsfreiheit hinsichtlich der Vergütung besteht. Auch wenn der tarifgebundene Arbeitgeber die Geltung der tariflichen Vergütungsordnung mit nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern vereinbart, unterscheidet sich die tatsächliche Ausgangslage von der Vereinbarung der Geltung einer einseitig gesetzten Vergütungsordnung. Denn der Arbeitgeber weiß zum einen zumeist nicht, ob auch der Arbeitnehmer tarifgebunden ist und ihm die tarifliche Vergütung überhaupt verwehrt werden kann. Zum anderen will er aus verständlichen Gründen tarifgebundene und nicht tarifgebundene Arbeitnehmer mit gleicher Tätigkeit nicht unterschiedlich vergüten. Bei einer Arbeitnehmergruppe, für die keine tarifliche Regelung besteht, spielen diese Umstände für ihn keine Rolle.
2. Dem Kläger steht gegenüber dem beklagten Land auch kein Anspruch auf die von ihm geforderte Vergütung aus § 612 Abs. 3 BGB – kurz “Lohngleichheitssatz” genannt – zu, der die Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Vergütung für gleiche oder für gleichwertige Arbeit gebietet. Als männlicher Angehöriger der benachteiligten Frauengruppe, so macht der Kläger geltend, habe er denselben Anspruch wie die mittelbar diskriminierten Frauen.
Der Anspruch nach § 612 Abs. 3 BGB setzt hier unter anderem voraus, daß der Anteil von Männern und Frauen in der durch den Eingruppierungserlaß begünstigten Vergleichsgruppe – der Lehrkräfte mit der Befähigung für das Lehramt an Sonderschulen – wesentlich von demjenigen in der durch ihn benachteiligten Vergleichsgruppe – Lehrkräfte ohne diese Lehrbefähigung – abweicht (z. B. Urteile des Senats vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 219/93 – aaO; vom 10. Dezember 1997 – 4 AZR 264/96 – AP Nr. 3 zu § 612 BGB Diskriminierung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Das ist nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht der Fall. Dieses hat in den Entscheidungsgründen, die ebenfalls bindende Tatsachenfeststellungen i.S.v. § 561 ZPO enthalten können, festgestellt, in beiden Vergleichsgruppen, und zwar auch “in allen Untergruppen”, seien “in weit überwiegender Anzahl Frauen beschäftigt”. Dies sei “zwischen den Parteien unstreitig”. Diese Tatsachenfeststellungen sind für den Senat bindend (§ 561 Abs. 2 ZPO); eine Verfahrensrüge, das Landesarbeitsgericht habe Vortrag der Parteien zu den tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs aus § 612 Abs. 3 BGB außer Acht gelassen oder falsch verstanden, hat der Kläger nicht erhoben.
3. Nach alledem war das klageabweisende erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat gem. § 91, § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.
Unterschriften
Schliemann, Friedrich, Bott, Jürgens, Valentien
Fundstellen