Entscheidungsstichwort (Thema)
Karenzentschädigung. Ausgleichsklausel in außergerichtlichem Vergleich. Wettbewerbsverbot. Vertragsauslegung
Orientierungssatz
- Eine allgemeine Ausgleichsklausel in einem außergerichtlichen Vergleich zur Beendigung eines Kündigungsschutzrechtsstreits erfaßt in der Regel auch Ansprüche aus einem Wettbewerbsverbot. Eine anderweitige Auslegung kann sich aus Umständen vor oder bei Abschluß des Vergleichs oder dem Verhalten der Parteien danach ergeben.
- Eine Auslegung, die zum Fortbestand des Wettbewerbsverbots einerseits und zum Verzicht auf Ansprüche auf Karenzentschädigung andererseits führt, ist widersprüchlich.
Normenkette
HGB § 74 ff.
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Karenzentschädigung aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot.
Der nunmehr 44 Jahre alte Kläger ist von Beruf Diplom-Chemieingenieur und war in der Zeit vom 1. November 1995 bis zum 31. Dezember 1999 bei der Beklagten beschäftigt. Er erzielte zuletzt ein monatliches Bruttogehalt von 13.540,00 DM. Dem Arbeitsverhältnis lag der schriftliche Arbeitsvertrag vom 26./16. Oktober 1995 zugrunde. Er enthielt unter Ziffer 11) das folgende Wettbewerbsverbot:
“Der Dienstnehmer verpflichtet sich, für den Zeitraum von 2 Jahren nach Beendigung des Vertragsverhältnisses die bei der Gesellschaft erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen nicht zum Zweck des Wettbewerbs durch die gleichartige oder ähnliche Beschäftigung bei Konkurrenzfirmen innerhalb Deutschlands und der europäischen Staaten zu verwenden, auch nicht durch beratende Tätigkeit oder in sonstiger Form. Das Wettbewerbsverbot erstreckt sich auf alle Arbeitsgebiete, auf denen der Dienstnehmer als Mitarbeiter der Gesellschaft tätig war.
Die Gesellschaft verpflichtet sich, für die Dauer des Wettbewerbsverbotes eine monatliche Entschädigung in Höhe von 75 % seines letzten festen monatlichen Grundgehaltes zu zahlen. Die Entschädigung ist am Schluß eines jeden Monats fällig. Die Anrechnung eines anderweitigen Verdienstes bzw. möglichen Verdienstes bei Unterlassen erfolgt gemäß § 74c HGB. Der Dienstnehmer ist verpflichtet, der Gesellschaft über die Höhe der anderweitigen Einkünfte Auskunft zu geben.
Die Gesellschaft kann vor Ablauf des Vertrages schriftlich auf das Wettbewerbsverbot ganz oder teilweise verzichten. In einem solchen Fall entfällt für die Gesellschaft die Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung ganz oder teilweise.
Ergänzend gelten die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 74 ff. HGB.”
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 30. Juni 1999 zum 31. Dezember 1999. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Im Laufe des Rechtsstreits schlossen die Parteien am 22. September 1999 “zur Vermeidung einer weiteren arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung” folgende Vereinbarung:
- “…
- Die Firma A GmbH und Herr H… sind sich einig, dass das am 01.11.1995 begründete Dienstverhältnis nach entsprechendem Beschluß der Gesellschaft aufgrund ordentlicher, betriebsbedingter Kündigung vom 30.06.1999 mit Ablauf des 31.12.1999 enden wird.
- Herr H… erhält bis zum Vertragsende seine vertraglichen Bezüge. Im übrigen wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgerechnet.
- Die Parteien sind sich darin einig, dass es bei der Freistellung des Herrn H… zur Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge und im übrigen unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbleibt. Dabei ist es Herrn H… nicht gestattet, eine anderweitige Erwerbstätigkeit auszuüben.
- Herrn H… bleibt es vorbehalten, unter Einhaltung einer Ankündigungsfrist von einem Tag vorzeitig aus dem Dienstverhältnis auszuscheiden. In diesem Falle erhöht sich die unter Ziff. 5 vereinbarte Abfindung um DM. 8.000,-- für jeden vollen Monat vorzeitigen Ausscheidens bzw. um DM 266,-- für jeden Tag anteilig.
- Die Firma A GmbH zahlt an Herrn H… eine Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG in Verbindung mit § 3 Ziff. 9 EStG in Höhe von DM 68.000,-- fällig mit der Dezemberabrechnung.
- …
- Die Parteien sind sich darin einig, dass die vereinbarten Voraussetzungen für die Zahlung einer Tantieme für 1999 nicht erfüllt sind. Einen diesbezüglichen Anspruch wird Herr H… gegenüber der Firma A GmbH nicht geltend machen.
- Herr H… verpflichtet sich, sämtliche in seinem Besitz befindlichen Firmenunterlagen … herauszugeben.…
- Herr H… verpflichtet sich, seine unter dem Aktenzeichen – 5 Ca 1941/99 – beim Arbeitsgericht Iserlohn anhängige Kündigungsschutzklage zurückzunehmen.
- …
- Herr H… und die Firma A GmbH sind sich einig, dass mit der Erfüllung dieser Vereinbarung keine Ansprüche gleich aus welchem Rechtsgrund, aus dem Arbeitsverhältnis sowie aus seiner Beendigung mehr gegeneinander bestehen und keine Tatsachen vorliegen, aus denen sich im Hinblick auf das Dienstverhältnis sowie auf seine Beendigung Ansprüche irgendwelcher Art herleiten lassen.
- …”
Mit Schreiben vom 18. Oktober 1999 teilte der Kläger der Beklagten mit, daß entsprechend der Vereinbarung die Klage zurückgenommen worden sei. Weiter heißt es:
“…
Die Angelegenheit ist somit, soweit es das bestehende Arbeitsverhältnis betrifft, unter Berücksichtigung der Abwicklung bis zum 31.12.1999 und der sich aus der Vereinbarung ergebenden Verpflichtungen erledigt.
Nicht geregelt ist in der Vereinbarung das in Ziffer 11 des zwischen den Parteien geltenden Dienstvertrages bestimmte Wettbewerbsverbot. Wir gehen unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.10.1981 (3 AZR 1013/78) davon aus, daß dieses weiterhin Bestand hat. Unser Mandant geht davon aus, daß er an das Wettbewerbsverbot gebunden ist und wir bitten Ihre Mandantin um Bestätigung, daß die im Rahmen des Wettbewerbsverbotes zugesicherte Entschädigung ab Januar 2000 gezahlt wird.…”
Mit Schreiben vom 22. Oktober 1999 antwortete der frühere Prozeßbevollmächtigte der Beklagten:
“…
Wir haben das Thema ‘Wettbewerbsverbot’ mit unserem Mitgliedsunternehmen erörtert.
Unter Beifügung der Vollmacht erklären wir namens und im Auftrag unseres Mitgliedsunternehmens, der Firma A GmbH, den Verzicht auf das arbeitsvertragliche Wettbewerbsverbot. Im Sinne des Arbeitsvertrages verzichtet die Firma A GmbH zusätzlich ganz auf das Wettbewerbsverbot. …”
Am 17. Dezember 1999 schrieb der Kläger an die Beklagte, daß der erklärte Verzicht gem. § 75a HGB zum 31. Oktober 2000 wirke und er bis zu diesem Zeitpunkt am Wettbewerbsverbot festhalten werde. Zugleich bat er um die Bestätigung, daß die Beklagte ihrer Verpflichtung aus dem Wettbewerbsverbot bis zu diesem Zeitpunkt nachkommen werde.
Der Kläger übernahm seinen Angaben zufolge im Januar 2000 eine Tätigkeit als Geschäftsführer, die er bis Mitte Februar 2000 ausübte und bei der er Einkünfte von mindestens 21.000,00 DM erzielte. In der Folgezeit war er arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Ab Mai 2000 wurde er als selbständiger Unternehmensberater tätig und bezog Verdienste in unterschiedlicher Höhe.
Mit seiner am 7. April 2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen und mehrfach erweiterten Klage verlangt der Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Juli 2000 insgesamt 41.339,38 DM brutto nebst Zinsen, wobei er den anderweitig erzielten Verdienst in seiner Berechnung berücksichtigt hat. Der Kläger ist der Ansicht, die Vereinbarung vom 22. September 1999 berühre die nach dem Ende des Vertragsverhältnisses entstehenden Ansprüche auf Karenzentschädigung nicht. Auch die Beklagte sei vom Fortbestand des Wettbewerbsverbots ausgegangen, sonst hätte sie nicht im Schreiben vom 22. Oktober 1999 darauf verzichten müssen. Wenn die Parteien einen gegenseitigen Verzicht auf die Pflichten aus dem Wettbewerbsverbot hätten vereinbaren wollen, hätten sie dies – ähnlich wie bezüglich des Anspruchs auf Tantieme für 1999 – ausdrücklich getan. Er selbst habe im Rahmen der Vergleichsverhandlungen bewußt nicht über die Wettbewerbsvereinbarungen mit der Gegenseite gesprochen, um die Vergleichsverhandlungen nicht zu erschweren. Wenn die Beklagte geltend mache, daß Gehaltsansprüche für die Monate Januar bis März 2000 in die Abfindungssumme eingeflossen seien, und ihm deshalb für diese Zeit keine Karenzentschädigung zustehe, sei dies nicht nachvollziehbar. Das Wettbewerbsverbot sei verbindlich vereinbart worden.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 41.339,38 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 15. April 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, Ziff. 11 der Vereinbarung vom 22. September 1999 schließe Ansprüche auf Karenzentschädigung aus. Dies habe sie auch bewußt angestrebt. Sie beruft sich weiterhin auf die arbeitsvertragliche Vereinbarung, wonach sie das Recht gehabt habe, auf das Wettbewerbsverbot ganz oder teilweise zu verzichten, so daß damit die Karenzentschädigung ganz oder teilweise entfalle. Einen solchen Verzicht enthalte das Schreiben vom 22. Oktober 1999. Selbst wenn sie eine Karenzentschädigung leisten müsse, betrage diese 50 % und nicht 75 % des letzten monatlichen Gehalts, da insoweit auf die gesetzlichen Vorschriften verwiesen worden sei.
Der Kläger könne sich nach Treu und Glauben nicht auf Ansprüche auf Karenzentschädigung berufen. Er habe das Wettbewerbsverbot bewußt nicht zur Sprache gebracht und den Eindruck erweckt, eine umfassende Regelung treffen zu wollen. Wenn er sich insgeheim vorbehalten habe, weitere Ansprüche geltend zu machen, sei dies treuwidrig. Die Interessenlage der Beklagten sei dem Kläger deutlich gewesen. Aus der in Ziff. 4 enthaltenen Regelung sei dem Kläger ebenfalls deutlich geworden, daß die Beklagte keinesfalls sowohl Gehalt als auch Karenzentschädigung habe zahlen wollen.
Schließlich habe sie ein Zurückbehaltungsrecht, da der Kläger nicht ausreichend dargelegt und belegt habe, welchen anderweitigen Verdienst er erzielt habe. Weiterhin habe er es böswillig unterlassen, darüber hinausgehenden Verdienst zu erzielen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision des Klägers war das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, da sie noch nicht zur Entscheidung reif ist.
Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
Das Wettbewerbsverbot sei durch die Vereinbarung vom 22. September 1999 nicht aufgehoben worden und grundsätzlich bestehe ein Anspruch aus § 74 Abs. 2 HGB, da die Beklagte durch den ausgesprochenen Verzicht auf das Wettbewerbsverbot nicht die gesetzlichen Vorschriften der §§ 74 ff. HGB habe umgehen können. Die vertraglich eingeräumte Verzichtsmöglichkeit stehe einem bedingten Wettbewerbsverbot gleich, woraus nur der Arbeitnehmer und nicht der Arbeitgeber Rechte herleiten könne. Damit habe der Kläger ein Wahlrecht gehabt, das er am 18. Oktober 1999 ausgeübt habe, wodurch das Wettbewerbsverbot verbindlich geworden sei. Jedoch seien die Ansprüche durch die Ausgleichsklausel ausgeschlossen worden. Diese erfasse auch Ansprüche, die nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen sollten. Es handele sich hier nicht um eine Ausgleichsquittung, sondern um eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung. Es gebe keine allgemeine Auslegungsregel, wonach eine Ausgleichsklausel in einem Aufhebungsvertrag im Zweifel Ansprüche auf Karenzentschädigung nicht umfasse. Die nach §§ 133, 157 BGB zu treffende Auslegung ergebe, daß es in beiderseitigem Interesse gelegen habe, abschließend einen Schlußstrich zu ziehen. Die fachkundig beratenen Parteien hätten durch den Hinweis auf das Nichtbestehen von Tatsachen im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis deutlich gemacht, daß sie alle Ansprüche erfassen wollten, die ihren Rechtsgrund im Arbeitsverhältnis gehabt hätten. Dies reiche über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus. Unterstrichen werde dies durch die Formulierung “mit der Erfüllung dieser Vereinbarung”. Der außergerichtliche Vergleich sei früh vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Fälligkeit der Ansprüche aus dem Wettbewerbsverbot abgeschlossen worden. Die “Tatsachen” umfaßten auch die Ausübung des Wahlrechts des Klägers, ob das bedingte Wettbewerbsverbot wirksam werden solle. Diese Tatsache habe am 22. September 1999 noch nicht vorgelegen. Damit habe das Wahlrecht dem Kläger abgeschnitten werden sollen. Während die Beklagte die Ansprüche aus dem Wettbewerbsverbot habe umfassen wollen, habe der Kläger dies nicht gewollt, es aber für möglich gehalten, daß die Karenzentschädigung durch die Ausgleichsklausel erfaßt werde. Die Interessenlage der Beklagten sei dem Kläger erkennbar gewesen. Dem Kläger habe bewußt sein müssen, daß die Beklagte kaum für den Zeitraum von Januar bis März 2000 habe Arbeitsentgeltansprüche in die Abfindungssumme einfließen lassen wollen und sich gleichzeitig Ansprüchen auf Karenzentschädigung aussetzen wollte. Der Verzicht vom 22. Oktober 1999 spreche nicht gegen die Einbeziehung des Wettbewerbsverbots in die Ausgleichsklausel. Nachdem der Kläger Ansprüche aus dem Wettbewerbsverbot angemeldet habe, habe es im wohlverstandenen Interesse der Beklagten, die an einer Einhaltung des Wettbewerbsverbots nicht interessiert gewesen sei, gelegen, einen Verzicht zu erklären. Die Vereinbarung vom 22. September 1999 habe Ansprüche des Klägers auf Karenzentschädigung nicht mit hinreichender Klarheit ausgeschlossen.
Dem folgt der Senat nur teilweise in der Begründung. Die Auslegung der Vereinbarung durch das Landesarbeitsgericht ist nicht frei von Rechtsfehlern.
Dem Landesarbeitsgericht ist darin zuzustimmen, daß der Anspruch auf Karenzentschädigung durch den von der Beklagten am 22. Oktober 1999 erklärten Verzicht auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots nicht entfallen konnte. Im Arbeitsvertrag ist zwar geregelt, daß die Gesellschaft vor Ablauf des Vertrages schriftlich auf das Wettbewerbsverbot “ganz oder teilweise” verzichten kann und in einem solchen Fall die Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung “ganz oder teilweise” entfällt. Hierdurch kann sich die Beklagte jedoch nicht von ihren Verpflichtungen völlig befreien, da die Regelung eine gem. § 75d HGB unzulässige Umgehung der Schutzvorschriften der §§ 74 ff. HGB darstellt. Mit dieser Formulierung hat sich die Beklagte entschädigungsfrei die Entscheidung darüber vorbehalten, ob das Wettbewerbsverbot ganz oder teilweise zum Tragen kommen soll. Damit hat sie ein sog. bedingtes Wettbewerbsverbot begründet, das mit den Grundsätzen der §§ 74 ff. HGB nicht vereinbar ist. Es läßt den Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses darüber im Unklaren, ob er einem entschädigungspflichtigen Wettbewerbsverbot unterliegt, und behindert ihn damit bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz (BAG 2. August 1971 – 3 AZR 12/71 – AP HGB § 74 Nr. 27 = EzA HGB § 74 Nr. 14; 19. Januar 1978 – 3 AZR 573/77 – BAGE 30, 23; vgl. Buchner Wettbewerbsverbote während und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses 2. Aufl. Rn. C187 bis 203). Aus einem bedingten Wettbewerbsverbot kann nur der Arbeitnehmer, nicht jedoch der Arbeitgeber Rechte herleiten. Der Arbeitnehmer hat die Wahl, ob er sich vom Wettbewerbsverbot löst oder an ihm festhält und damit auch Anspruch auf die vereinbarte Entschädigung erwirbt. Wenn der Arbeitnehmer sich für das Wettbewerbsverbot entscheidet, muß er dies spätestens zu Beginn des Karenzzeitraums definitiv erklären und seiner Unterlassungspflicht nachkommen (BAG 22. Mai 1990 – 3 AZR 647/88 – AP HGB § 74 Nr. 60 = EzA HGB § 74 Nr. 53).
Der Kläger hat mit Schreiben vom 18. Oktober 1999 mitgeteilt, daß er sich an das Wettbewerbsverbot halten wolle und die ab Januar 2000 fällige Entschädigung verlange. Damit kann das Wettbewerbsverbot auch für den Kläger verbindlich geworden sein, wenn es nicht zuvor durch den Vergleich vom 22. September 1999 aufgehoben worden ist.
Die Beklagte hat mit dem Schreiben vom 22. Oktober 1999 gem. § 75a HGB auf das Wettbewerbsverbot verzichtet. Damit würde sie mit dem Ablauf eines Jahres seit der Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung frei. Dies hat der Kläger durch sein Schreiben vom 17. Dezember 1999 akzeptiert. Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Anspruch begründet sein.
Ob die Ausgleichsklausel aus der Vereinbarung vom 22. September 1999 dem Anspruch entgegensteht, kann der Senat nicht abschließend beurteilen.
- Die Parteien eines Arbeitsvertrages können ein vereinbartes Wettbewerbsverbot jederzeit wieder aufheben (st. Rechtsprechung vgl. BAG 10. Januar 1989 – 3 AZR 460/87 – AP HGB § 74 Nr. 57 = EzA HGB § 74 Nr. 51). Dem steht der vertraglich vereinbarte Schriftformzwang (§ 125 BGB) nicht entgegen, wenn die Parteien die Maßgeblichkeit einer mündlichen Vereinbarung übereinstimmend wollen (BAG 10. Januar 1989 – 3 AZR 460/87 – aaO). Damit kann ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot auch konkludent aufgehoben werden.
Dies kann in der Aufhebungsvereinbarung vom 22. September 1999 geschehen sein.
- Bei den Bestimmungen des Aufhebungsvertrages handelt es sich um nichttypische Erklärungen, deren Auslegung in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt überprüfbar ist, nämlich daraufhin, ob das Tatsachengericht gegen die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB, gegen Erfahrungssätze oder gegen Denkgesetze verstoßen hat, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen wurden (st. Rechtsprechung vgl. BAG 17. Oktober 2000 – 3 AZR 69/99 – AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 56 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 71 mwN). Während gerichtliche Vergleiche immer selbständig durch das Revisionsgericht auszulegen sind, gilt dies für außergerichtliche Vereinbarungen nicht, selbst wenn sie zur Erledigung eines anhängigen Rechtsstreits abgeschlossen werden. Auch solche Vereinbarungen mögen typische Klauseln enthalten können, dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Parteien haben die Formulierung, “es besteht Einigkeit, daß mit der Erfüllung dieser Vereinbarung keine Ansprüche gleich aus welchem Rechtsgrund aus dem Arbeitsverhältnis sowie aus seiner Beendigung mehr gegeneinander bestehen”, ergänzt durch die Einigkeit über das Nichtvorliegen von Tatsachen, aus denen sich im Hinblick auf das Dienstverhältnis sowie auf seine Beendigung Ansprüche irgendwelcher Art herleiten lassen.
Welche Rechtsqualität und welchen Umfang eine Ausgleichsklausel hat, ist durch Auslegung nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Als rechtstechnische Mittel mit unterschiedlichen Rechtsfolgen kommen für den Willen der Parteien, ihre Rechtsbeziehung zu bereinigen, der Erlaßvertrag, das konstitutive und das deklaratorische positive oder negative Schuldanerkenntnis in Betracht. Ein Erlaßvertrag ist dann anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend als nicht mehr zu erfüllen betrachten. Ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis liegt dann vor, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder eine bestimmte Gruppe von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen bringen zu wollen. Ein deklaratorisches positives oder negatives Schuldanerkenntnis ist dann gegeben, wenn die Parteien nur die von ihnen angenommene Rechtslage eindeutig dokumentieren und damit fixieren wollen (vgl. OLG Düsseldorf 9. Juli 1997 – 3 U 11/97 – EzA BGB § 397 Nr. 4 mwN).
Danach ist der in der auszulegenden Erklärung verkörperte maßgebliche Wille der Parteien zu ermitteln. Läßt sich dabei ein übereinstimmender Wille der Parteien feststellen, so ist dieser allein maßgeblich, auch wenn er in dem Vertrag nur einen unvollkommenen oder gar keinen Ausdruck gefunden hat. Das Landesarbeitsgericht hat einen übereinstimmenden Willen nicht festgestellt. Während die Beklagte mit der Ausgleichsklausel die Ansprüche aus dem Wettbewerbsverbot habe erfassen wollen, sei der Kläger vom Fortbestand des Wettbewerbsverbots ausgegangen.
In einem solchen Fall sind die jeweiligen Erklärungen der Vertragsparteien jeweils aus der Sicht des Erklärungsempfängers so auszulegen, wie er sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und mußte. Diese Auslegung hat ausgehend vom Wortlaut, der nach dem Sprachgebrauch der jeweiligen Verkehrskreise zu bewerten ist, sämtliche den Parteien erkennbare Begleitumstände, die für den Erklärungsinhalt von Bedeutung sein können, zu berücksichtigen. Hierzu gehören vornehmlich die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluß, der Zweck des Vertrages und die bei Vertragsschluß vorliegende Interessenlage (OLG Düsseldorf 9. Juli 1997 aaO).
Das Landesarbeitsgericht hat einerseits die Vereinbarung vom 22. September 1999 so ausgelegt, daß durch sie das Wettbewerbsverbot nicht aufgehoben worden sei. Der Kläger habe es durch die Ausübung seines Wahlrechts durch sein Schreiben vom 18. Oktober 1999 verbindlich in Kraft gesetzt. Andererseits hat es aber die Vereinbarung vom 22. September 1999 so ausgelegt, daß der Kläger sowohl auf die Ausübung des Wahlrechts, also die Schaffung von Tatsachen, als auch auf eine Karenzentschädigung verzichtet habe. Diese Auslegung ist widersprüchlich und läßt nicht erkennen, daß wesentliche Umstände, nämlich der zeitliche Ablauf der Erklärungen der Parteien angemessen berücksichtigt worden sind.
Zuzustimmen ist dem Landesarbeitsgericht darin, daß der Wortlaut der Vereinbarung, wonach “keine Ansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund, aus dem Arbeitsverhältnis sowie aus seiner Beendigung mehr gegeneinander bestehen” auch Ansprüche aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot abdeckt.
Ein Wettbewerbsverbot hat seine Grundlage im Arbeitsvertrag und die daraus resultierenden Pflichten werden mit und nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Die vertraglichen Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestehen während der Dauer des Wettbewerbsverbots fort (BAG 13. August 1980 – 5 AZR 588/78 – BAGE 34, 101, 105 f.). Die Ausgleichsklausel erfaßt damit auch diese Ansprüche. Diese Auslegung entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Ausgleichsklauseln im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen sind (10. Mai 1978 – 5 AZR 97/77 – AP ZPO § 794 Nr. 25 = EzA ZPO § 794 Nr. 3; 15. Dezember 1994 – 8 AZR 250/93 – nv.; 18. Mai 1982 – 3 AZR 1024/79 – nv.). In einem Aufhebungsvertrag wollen die Parteien in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig, ob sie daran dachten oder nicht. Jede andere Auslegung würde den angestrebten Vergleichsfrieden in Frage stellen. Der beurkundete Vergleichswille wäre wertlos, wenn die Vergleichsverhandlungen sogleich Quelle neuer, über den beurkundeten Inhalt hinausgehender Ansprüche und damit neuen Parteistreits sein können (BAG 5. April 1973 – 5 AZR 574/72 – AP ZPO § 794 Nr. 22 = EzA ZPO § 794 Nr. 1).
Aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Oktober 1981 (– 3 AZR 1013/78 – AP HGB § 74 Nr. 39) läßt sich keine Auslegungsregel entnehmen, wonach die hier vorliegende Vergleichsformulierung grundsätzlich nachvertragliche Wettbewerbsverbote und Karenzentschädigungen nicht umfasse. In dem jener Entscheidung zugrunde liegenden Fall ist das Bundesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß der Wortsinn einer allgemeinen Ausgleichsklausel derartige Ansprüche umschließen kann. Angesichts der Umstände und des Zwecks der Erklärung hat es aber den Schluß gezogen, daß dies bei der zu beurteilenden Ausgleichsklausel im Zusammenhang mit einer Quittierung des Erhalts von Arbeitspapieren (Ausgleichsquittung) nicht der Fall war. Es hat diesen Schluß anhand der Begleitumstände, der Entstehungsgeschichte, des Zwecks des Vertrages und weiterer Umstände gezogen. Danach wäre es ganz ungewöhnlich, wenn sich eine Ausgleichsquittung anläßlich der Aushändigung der Arbeitspapiere auch auf Ansprüche bezöge, die erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wirksam werden sollten. Das Gegenteil müsse klar zum Ausdruck gebracht werden.
Der Auslegung der Ausgleichsklausel des Vergleichs steht auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Verzicht auf Ansprüche aus einer betrieblichen Altersversorgung nicht entgegen. Für solche Ansprüche hat das Bundesarbeitsgericht die Auslegungsregel aufgestellt, wonach allgemeine Ausgleichsklauseln im Zweifel diese Ansprüche nicht erfassen (17. Oktober 2000 – 3 AZR 69/99 – AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 56 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 71 mwN). Diese Rechtsprechung beruht auf der existentiellen wirtschaftlichen Bedeutung, die Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung für die Arbeitnehmer haben. Unter diesen Umständen ist nicht zu erwarten, daß solche gewichtigen Ansprüche durch eine allgemeine Ausgleichsklausel erfaßt werden. Allerdings lassen auch in diesen Fällen besondere Umstände eine andere Auslegung zu.
Eine Übertragung der für die Aufhebung von Ansprüchen aus betrieblicher Altersversorgung entwickelten Auslegungsregel auf Ansprüche, die mit einem Wettbewerbsverbot in Verbindung stehen, ist jedoch nicht geboten. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot und die damit verbundene Karenzentschädigung haben nicht dieselbe weitreichende Bedeutung für die künftige Existenz eines Arbeitnehmers wie die betriebliche Altersversorgung. Die Ansprüche sind zeitlich begrenzt und im Volumen überschaubar.
Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, wonach Ansprüche auf Karenzentschädigung von der Ausgleichsklausel erfaßt werden, ist jedoch im Ergebnis revisionsrechtlich zu beanstanden.
Es ist nämlich widersprüchlich, wenn das Landesarbeitsgericht einerseits aus der weiteren Formulierung in der Ausgleichsklausel, wonach keine Tatsachen vorlägen, aus denen sich im Hinblick auf das Dienstverhältnis sowie auf seine Beendigung Ansprüche irgendwelcher Art herleiten ließen, geschlossen hat, davon sei zumindest der Anspruch des Klägers auf Karenzentschädigung umfaßt, zuvor jedoch zu dem Schluß gekommen ist, der Kläger habe – zeitlich danach – durch die Ausübung des Wahlrechts das bedingte Wettbewerbsverbot in Kraft setzen können. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger die Formulierung im Aufhebungsvertrag so verstehen konnte, daß nur er durch Ausübung seines Wahlrechts ein verbindliches Wettbewerbsverbot für sich schaffen konnte und gleichzeitig auf die daraus erwachsenden Ansprüche auf Karenzentschädigung verzichten wollte. Vielmehr bestehen nur zwei einander ausschließende Möglichkeiten: Die Vereinbarung kann so ausgelegt werden, daß die Parteien das Wettbewerbsverbot konkludent aufgehoben haben, so daß dem Kläger die Ausübung des Wahlrechts gerade abgeschnitten werden sollte. Damit müßte der Ausgleichsklausel zu entnehmen sein, daß die Parteien sich nicht nur darüber einig waren, es lägen keine Tatsachen vor, sondern es dürften auch keine Tatsachen geschaffen werden, aus denen sich weitere Ansprüche nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses ergeben könnten. Die andere Möglichkeit besteht darin, daß auch die Beklagte davon ausging bzw. der Kläger ihre Erklärung so verstehen mußte, daß das Wettbewerbsverbot bzw. die Möglichkeit, es verbindlich werden zu lassen, fortbestehen sollte.
Für die zweite Möglichkeit kann der nachvertragliche Schriftverkehr der Parteien sprechen. Dessen zeitliche Abfolge hat das Landesarbeitsgericht nur unzureichend gewürdigt. Nachdem der Kläger sein – ihm seiner Auffassung nach zustehendes – Wahlrecht ausgeübt hatte, wonach das Wettbewerbsverbot für ihn verbindlich sein solle, verzichtete die Beklagte auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots, ohne jedenfalls ausdrücklich irgendeinen Vorbehalt zu erklären. Dem bisher vorliegenden Sachvortrag ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß die Beklagte den Verzicht nur vorsorglich erklärt hätte. Es wäre aber zu erwarten gewesen, daß die Beklagte, wenn sie gemeint hätte, das Wettbewerbsverbot sei bereits durch die Vergleichsformulierung hinfällig, darauf Bezug genommen und nur vorsichtshalber den vertraglich vorgesehenen Verzicht erklärt hätte. Hierzu hätte insbesondere deshalb Anlaß bestanden, weil der Kläger sowohl ausdrücklich als auch durch das Zitat der “Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Oktober 1981 (– 3 AZR 1013/78 –) “ die arbeitsrechtlich kundig vertretene Beklagte bereits darauf hingewiesen hatte, daß seiner Auffassung nach Ziff. 11 des Vergleichs seine Ansprüche nicht ausschließe. Wenn nach dem Vergleich ohnehin keine über das Arbeitsverhältnis hinausreichenden Ansprüche irgendwelcher Art hätten bestehen sollen, wäre das Wettbewerbsverbot insgesamt gegenstandslos, also aufgehoben, das heißt, auch die Beklagte hätte nicht verlangen können, daß der Kläger Wettbewerb unterlassen solle. Dann aber wäre ein Verzicht überflüssig. Die Beklagte hat sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, sie habe das Thema “Wettbewerbsverbot” erörtert und dann das vertraglich vereinbarte Verzichtsrecht ausgeübt.
Diese unzureichende Würdigung der nachvertraglichen Umstände wird aus den Ausführungen im Urteil des Landesarbeitsgerichts deutlich, wonach es “im wohlverstandenen Interesse der Beklagten” gelegen habe, einen Verzicht zu erklären, “da sie an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots nicht interessiert” gewesen sei. Wenn es weiter heißt, die Vereinbarung vom 22. September 1999 schließe Ansprüche des Klägers auf Karenzentschädigung nicht mit hinreichender Klarheit aus, widerspricht dies der zuvor vorgenommenen Auslegung, die Ausgleichsklausel enthalte einen Verzicht des Klägers auf Karenzentschädigung.
Diese Mängel der Auslegung werden nicht durch die weiter getroffenen Erwägungen behoben, wonach die Interessenlage der Beklagten, Ansprüche aus der nachvertraglichen Wettbewerbsvereinbarung ausschließen zu wollen, dem Kläger erkennbar gewesen sei, weil in die Berechnung der Abfindung Arbeitsentgeltansprüche für die Zeit von Januar bis März 2000 eingeflossen seien. Dies ist für die Frage, ob auf eine Karenzentschädigung verzichtet wurde, unerheblich. Wenn die Möglichkeit im Raum stand, daß das Arbeitsverhältnis zulässigerweise erst im März 2000 hätte beendet werden dürfen und dem die Parteien durch Erhöhung der Abfindung Rechnung trugen, so berührt dies das Schicksal des Wettbewerbsverbots und der damit verbundenen Karenzentschädigung nicht. Wäre das Arbeitsverhältnis erst am 31. März 2000 beendet worden, hätte ein mögliches Wettbewerbsverbot erst ab diesem Zeitpunkt in Kraft treten können. Die zweijährige Karenzentschädigung bei Wirksamkeit des Wettbewerbsverbots hätte dann erst ab dem 1. April 2000 zu laufen begonnen und der Kläger hätte Vergütung bis zu diesem Zeitpunkt erhalten müssen. Die Reduzierung der Ansprüche auf ein Jahr nach Erklärung des Verzichts war im September 1999 bei Abschluß der Vereinbarung noch nicht absehbar, so daß diesbezügliche Erwägungen in die Berechnungen der Höhe der Abfindung auch keinen Eingang finden konnten.
Das Landesarbeitsgericht wird also den Sachverhalt nach den zuvor dargelegten Gesichtspunkten nochmals zu würdigen haben. Kommt es – gegebenenfalls auf Grund weiteren Sachvortrags – zu dem Ergebnis, der Verzicht der Beklagten auf das Wettbewerbsverbot sei nur vorsorglich erklärt worden und Ziff. 11 der Aufhebungsvereinbarung umfasse auch Ansprüche aus dem bedingten Wettbewerbsverbot, ist die Klage abzuweisen. Kommt es zu dem Ergebnis, die Erklärung der Beklagten sei angesichts des nachvertraglichen Verhaltens nicht so zu verstehen gewesen, daß die Ansprüche aus dem Wettbewerbsverbot davon hätten umfaßt sein sollen, so kann ein Anspruch auf Karenzentschädigung grundsätzlich gegeben sein.
Hinsichtlich der Höhe der Karenzentschädigung wird das Landesarbeitsgericht zu überprüfen haben, ob die vertraglich vereinbarte Karenzentschädigung von 75 % des “letzten festen monatlichen Grundgehaltes” die gem. § 74 Abs. 2 HGB vorgesehene Mindestentschädigung von “der Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen” erreicht. Diese Leistungen übersteigen das letzte feste monatliche Grundgehalt, da sämtliche Sonderleistungen wie Gratifikationen und Tantiemen und ggf. Provisionen einzubeziehen sind. Sollte die Entschädigung zu niedrig sein, wäre das Wettbewerbsverbot auch aus diesem Grund unverbindlich und durch das Wahlrecht des Klägers in Kraft gesetzt worden. Ob in einem solchen Fall die Karenzentschädigung bis zur Höhe des gesetzlichen Anspruchs aufzustocken wäre, ist in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Januar 1990 (– 3 AZR 110/88 – BAGE 64, 1) ausdrücklich offen gelassen worden, während im Fall einer Unverbindlichkeit wegen einer zu weit gehenden Anrechnungsklausel demgegenüber die Karenzentschädigung nur entsprechend § 74c HGB gekürzt worden ist (BAG 25. Juni 1985 – 3 AZR 305/83 – BAGE 49, 109 ff.).
Weiterhin wird das Landesarbeitsgericht zu klären haben, ob der Kläger seinen Auskunfts- und Nachweispflichten aus § 74c HGB hinsichtlich der Anrechnung anderweitigen Erwerbs hinreichend nachgekommen ist (vgl. hierzu Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 2. Aufl. Rn. 569 ff.) oder der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zusteht.
- Das Landesarbeitsgericht wird auch über die in der Revisionsinstanz entstandenen Kosten mit zu befinden haben.
Unterschriften
Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, v. Baumgarten, Trümner
Fundstellen
FA 2003, 155 |
FA 2003, 22 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 13 |
EzA |