Entscheidungsstichwort (Thema)
Dienstreisezeiten eines Redakteurs
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach dem allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag für Redakteure an Zeitschriften vom 12. Mai 1987 ist entgegen dem Wortlaut des § 9 Ziffer 3 bei Dienstreisen eine arbeitstägliche Arbeitszeit von 7,7 Stunden zugrunde zu legen. Bei der tariflichen Formulierung acht Stunden" handelt es sich insoweit um ein Redaktionsversehen.
2. Redaktionsversehen können dann zu einer vom Tarifwortlaut abweichenden Auslegung des Tarifvertrags führen, wenn die Tarifnorm nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang unklar ist.
Verfahrensgang
LAG Nürnberg (Entscheidung vom 15.01.1990; Aktenzeichen 7 Sa 96/89) |
ArbG Würzburg (Entscheidung vom 10.01.1989; Aktenzeichen 1 Ca 145/88) |
Tatbestand
Der Kläger steht seit 1985 als Redakteur in den Diensten der Beklagten, die einen Verlag betreibt. In der Zeit von Dienstag, dem 15. März bis Freitag, dem 18. März 1988, war der Kläger auf einer Dienstreise tätig. Hierfür vergütete ihm die Beklagte 7,7 Stunden pro Tag.
Der Kläger begehrt von der Beklagten unter Berufung auf § 9 Ziff. 3 des Manteltarifvertrags für Redakteure an Zeitschriften vom 12. Mai 1987 Mehrarbeitsvergütung für weitere 0,3 Stunden je Tag für die Zeit vom 15. bis 18. März 1988 in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 43,46 DM.
Der Kläger hat vorgetragen, nach § 9 Ziff. 3 des angeführten Manteltarifvertrags werde bei Arbeitseinsätzen außerhalb des Beschäftigungsortes eine Arbeitszeit von acht Stunden zugrunde gelegt. Ziff. 3 sei unverändert aus dem Manteltarifvertrag für Redakteure an Zeitschriften vom 15. Mai 1984 in den Manteltarifvertrag vom 12. Mai 1987 übernommen worden. Für Auswärtsbeschäftigungen hätten sich die Tarifvertragsparteien bei den Tarifvertragsverhandlungen 1984 auf eine Pauschale von acht Stunden je Arbeitstag geeinigt. Von dieser sei so lange auszugehen, bis die Tarifvertragsparteien eine andere Regelung träfen. Die Dauer der Dienstreisezeiten hätten sich auch nach der Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit nicht geändert.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
43,46 DM brutto nebst 4 % Zinsen hieraus
seit dem 1. Juni 1988 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie meint, § 9 Ziff. 3 des Manteltarifvertrags 1987 enthalte einen versteckten Einigungsmangel. Im Manteltarifvertrag 1984 sei die wöchentliche Arbeitszeit erstmals auf 40 Stunden bei fünf Arbeitstagen pro Woche festgeschrieben worden. In § 9 Ziff. 3 des Manteltarifvertrags 1984 seien die Tarifvertragsparteien von der damals pro Arbeitstag festgelegten Arbeitszeit ausgegangen. Erst nach dem Abschluß des Manteltarifvertrags 1987 habe sich herausgestellt, daß eine Änderung von § 9 Ziff. 3 vergessen worden sei. Das ergebe sich bereits aus § 9 Ziff. 2 des Manteltarifvertrags 1987. Danach betrage der Divisor für die über die Regelarbeitszeit hinaus geleisteten Stunden bei einer Regelarbeitszeit von 38,5 Wochenstunden jetzt 1/127 des Bruttomonatsgehalts. Für die im Manteltarifvertrag 1984 wortgleiche Regelung des § 9 Ziff. 3 hätten sich die Grundlagen nachträglich geändert. Mit dem Verhandeln über eine Verkürzung der Regelarbeitszeit seien zwar auch zwangsläufig Verhandlungen über die hiervon abhängigen Regelungen geführt worden. Jedoch sei nur der von der Regelarbeitszeit unabhängige § 9 Ziff. 7 des Manteltarifvertrags 1987 von den Verhandlungspartnern bei der schriftlichen Niederlegung des Verhandlungsergebnisses formuliert worden. Die restlichen Formulierungen auf der Grundlage der vereinbarten Verkürzung der Arbeitszeit auf 38,5 Wochenstunden ab 1. Januar 1988 seien einer Redaktionskonferenz überlassen worden. Diese habe vergessen, Ziff. 3 und Ziff. 9 des § 9 anzupassen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage unter Beschränkung der Zinsen auf den Nettobetrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Klageabweisung. Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Zahlung von 43,46 DM brutto nebst Zinsen verlangen. Denn ihm steht für die Zeit vom 15. März bis 18. März 1988 kein Anspruch auf Vergütung von weiteren 0,3 Stunden je Arbeitstag zu. Vielmehr hat die Beklagte diese Zeit mit 7,7 Stunden zutreffend und tarifgerecht vergütet.
Als alleinige Anspruchsgrundlage für die Klageforderung kommt der Manteltarifvertrag für Redakteure an Zeitschriften vom 12. Mai 1987 (MTV 1987) in Betracht, der auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft Allgemeinverbindlichkeit mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung findet (§ 5 Abs. 4, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Dort sind in § 9 folgende Regelungen getroffen worden:
Arbeitszeit
-----------
1. Die regelmäßige Arbeitszeit für Redakteure
beträgt bis zum 31.12.1987 40 Stunden, ab
dem 1.1.1988 38,5 Stunden wöchentlich. Sie
ist auf fünf Tage in der Kalenderwoche zu
verteilen.
2. Überschreitet die zugewiesene oder nachträg-
lich anerkannte Arbeitszeit 40 Stunden bzw.
38,5 Stunden in der Woche und ergibt sich
bis zum Ablauf des nachfolgenden Verrechnungs-
zeitraums von acht Wochen kein Zeitausgleich
im Verhältnis 1:1, so erhält der Redakteur
für jede zusätzlich geleistete Stunde eine
Vergütung von 1/133 bzw. 1/127 seines Brutto-
monatsgehalts.
Bei Redakteuren im Sinne des § 2, 3 b) GTV
gilt eventuelle Mehrarbeit als abgegolten.
3. Für Tage, an denen der Redakteur außerhalb
des Beschäftigungsortes tätig ist, wird eine
Arbeitszeit von acht Stunden zugrunde gelegt.
4. ...
5. Wird die Arbeitszeit von 40 Stunden bzw.
38,5 Stunden wöchentlich durch Arbeit an ei-
nem 6. oder 7. Tag überschritten, so erfolgt
der Ausgleich nach den Regeln von Ziffer 4.
6. ...
7. Für weisungsgemäße Arbeiten an Sonn- und
Feiertagen innerhalb der gem. Ziff. 1, 2
und 6 zulässigen Grenzen erhält der Redak-
teur eine Zulage, deren Höhe nach einer ge-
leisteten Arbeitszeit bis zu vier Stunden
75,-- DM (Volontäre 65,-- DM), bei einer dar-
über hinausgehenden Arbeitszeit 150,-- DM
(Volontäre 130,-- DM) beträgt.
8. Die Vereinbarung einer Pauschale der Sonn-
und Feiertagszulage sowie der Vergütung für
das Überschreiten der Arbeitszeit von 40
Stunden wöchentlich ist unter folgenden Vor-
aussetzungen zulässig:
a) Die Pauschale ist jeweils gesondert im
Anstellungsvertrag auszuweisen.
b) Die Höhe der Pauschalvergütung muß min-
destens der durchschnittlichen monatli-
chen Vergütung im Wege der Einzelabrech-
nung unter Berücksichtigung des mögli-
chen Freizeitausgleichs entsprechen. Die
Pauschale ist bei Veränderung der Voraus-
setzungen zu überprüfen und ggf. neu fest-
zusetzen.
9. Durch Urlaub, Krankheit und gesetzliche
Feiertage ausgefallene Arbeitszeit gilt mit
acht Stunden täglich als geleistet. Dies
gilt auch für freie Tage, die als Ausgleich
für Mehrarbeit genommen werden.
10. Die Sonn- und Feiertagszulage sowie die
Vergütung für zeitliche Mehrbelastung durch
Überschreiten der Arbeitszeit von 40 Stun-
den bzw. 38,5 Stunden wöchentlich können,
sofern einzelvertraglich zulässig, binnen
sechs Monaten nach Inkrafttreten des Tarif-
vertrags auf übertarifliche Gehaltsbestand-
teile angerechnet werden.
11. ...
Nach dem Wortlaut der tariflichen Regelung des § 9 Ziff. 3 MTV 1987 ist zwar für die Tage der Dienstreise des Klägers eine Arbeitszeit von acht Stunden je Arbeitstag zugrunde zu legen. Dies bedeutete eine Überschreitung der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit je Arbeitstag von 7,7 Stunden (§ 9 Ziff. 1 MTV 1987) um 0,3 Stunden und könnte deshalb nach § 9 Ziff. 2 MTV 1987 insoweit einen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung begründen. Entgegen dem Wortlaut des § 9 Ziff. 3 MTV 1987 ist bei Dienstreisen von Redakteuren jedoch nur eine Arbeitszeit von 7,7 Stunden zugrunde zu legen. Tarifnormen sind über ihren reinen Wortlaut hinaus stets auch nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang auszulegen, da der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen für die Auslegung maßgebend ist und dieser nicht allein aus einer einzelnen Tarifnorm, sondern regelmäßig nur bei Mitberücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs zutreffend ermittelt werden kann. Hierbei ist wegen der weitreichenden Wirkung der Tarifnormen auf die Rechtsverhältnisse von an Tarifvertragsverhandlungen unbeteiligten Dritten im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu fordern, daß der Wille der Tarifvertragsparteien grundsätzlich nur dann bei der Tarifauslegung berücksichtigt werden kann, wenn er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Gerade dies erfordert die Berücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs, der auch für unbeteiligte Dritte, die tarifunterworfenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, jedenfalls objektiv erkennbar ist (vgl. BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).
Nach § 9 Ziff. 1 MTV 1987 ist die regelmäßige Arbeitszeit nach Zeiträumen unterschiedlich geregelt. Für die Zeit bis 31. Dezember 1987 ist eine regelmäßige Arbeitszeit von 40 Stunden und ab 1. Januar 1988 von 38,5 Stunden wöchentlich festgelegt worden. Daran knüpfen auch die Regelungen in § 9 Ziff. 2, 5 und 10 MTV 1987 an, wenn sie von einer Arbeitszeit von "40 Stunden bzw. 38,5 Stunden" wöchentlich ausgehen.
Demgegenüber legt § 9 Ziff. 3 MTV 1987 ohne zeitliche Differenzierung zwischen der Zeit bis 31. Dezember 1987 (40-Stunden- Woche) und der Zeit ab 1. Januar 1988 (38,5-Stunden-Woche) für Tage, an denen der Redakteur außerhalb seines Beschäftigungsortes tätig ist, eine Arbeitszeit von acht Stunden zugrunde. Ferner knüpft § 9 Ziff. 8 MTV 1987 für die Vereinbarung einer Vergütungspauschale ohne zeitliche Differenzierung an "das Überschreiten der Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich" an. Ebenso wird in § 9 Ziff. 9 MTV 1987 ohne zeitliche Differenzierung für Urlaub, Krankheit und gesetzliche Feiertage eine Arbeitszeit von acht Stunden täglich zugrunde gelegt. Insbesondere bei Urlaub, Krankheit und gesetzlichen Feiertagen ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, weshalb einerseits bis 31. Dezember 1987 im Rahmen der 40-Stunden-Woche ein Arbeitstag von acht Stunden (= regelmäßige Arbeitszeit) zugrunde gelegt wird und andererseits für die Zeit ab 1. Januar 1988 bei einer 38,5-Stunden-Woche ebenfalls ein Arbeitstag mit acht Stunden berücksichtigt werden soll, was bedeuten würde, daß damit 0,3 Überstunden je Arbeitstag bei Urlaub, Krankheit und gesetzlichen Feiertagen zu vergüten wären. Auch bei den Tagen, an denen der Redakteur außerhalb des Beschäftigungsortes tätig ist, leuchtet es nicht ohne weiteres ein, daß im Rahmen der 40-Stunden-Woche eine arbeitstägliche Arbeitszeit von acht Stunden (= regelmäßige Arbeitszeit) zugrunde gelegt wird, im Rahmen der 38,5-Stunden-Woche (ab 1. Januar 1988) bei einer Arbeitszeit von acht Stunden aber 0,3 Stunden als Überstunden zu vergüten wären.
Da dem MTV 1987 kein einleuchtender Grund dafür zu entnehmen ist, weshalb die Regelungen des § 9 Ziff. 3, 8 und 9 sowohl im Rahmen der 40-Stunden-Woche als auch im Rahmen der 38,5-Stunden- Woche gelten sollen, läßt es sich nicht ausschließen, daß insoweit ein Redaktionsversehen vorliegt. Der tarifliche Gesamtzusammenhang führt damit im vorliegenden Fall zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis. Dann aber ist nach der Senatsrechtsprechung auf weitere Kriterien wie die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags als Auslegungskriterien zurückzugreifen (BAGE 46, 308, 314 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).
Berücksichtigt man die Tarifgeschichte, wird ersichtlich, daß § 9 MTV 1987 an § 9 des Manteltarifvertrags für Redakteure an Zeitschriften vom 15. Mai 1984 (MTV 1984), der von dem MTV 1987 abgelöst wurde, anknüpft. In § 9 MTV 1984 heißt es:
Arbeitszeit
-----------
1. Die regelmäßige Arbeitszeit für Redakteure
beträgt 40 Stunden wöchentlich. Sie ist auf
fünf Tage in der Kalenderwoche zu verteilen.
2. Überschreitet die zugewiesene oder nach-
träglich anerkannte Arbeitszeit 40 Stunden
in der Woche und ergibt sich bis zum Ablauf
des nachfolgenden Verrechnungszeitraums von
acht Wochen kein Zeitausgleich im Verhält-
nis 1:1, so erhält der Redakteur für jede
zusätzlich geleistete Stunde eine Vergü-
tung von 1/133 seines Bruttomonatsgehalts.
Bei Redakteuren im Sinne des § 2, 3 b) GTV
gilt eventuelle Mehrarbeit als abgegolten.
3. Für Tage, an denen der Redakteur außerhalb
des Beschäftigungsortes tätig ist, wird ei-
ne Arbeitszeit von acht Stunden zugrunde ge-
legt.
4. ...
5. Wird die Arbeitszeit von 40 Stunden wöchent-
lich durch Arbeit an einem 6. oder 7. Tag
überschritten, so erfolgt der Ausgleich nach
den Regeln von Ziffer 4.
6. ...
7. Für weisungsgemäße Arbeiten an Sonn- und
Feiertagen innerhalb der gem. Ziff. 1, 2
und 6 zulässigen Grenzen erhält der Redak-
teur eine Zulage, deren Höhe nach einer ge-
leisteten Arbeitszeit bis zu vier Stunden
65,-- DM (Volontäre 50,-- DM), bei einer
darüber hinausgehenden Arbeitszeit 130,-- DM
(Volontäre 100,-- DM) beträgt.
8. Die Vereinbarung einer Pauschale der Sonn-
und Feiertagszulage sowie der Vergütung für
das Überschreiten der Arbeitszeit von 40
Stunden wöchentlich ist unter folgenden Vor-
aussetzungen zulässig:
a) Die Pauschale ist jeweils gesondert im
Anstellungsvertrag auszuweisen.
b) Die Höhe der Pauschalvergütung muß min-
destens der durchschnittlichen monatli-
chen Vergütung im Wege der Einzelabrech-
nung unter Berücksichtigung des mögli-
chen Freizeitausgleichs entsprechen.
Die Pauschale ist bei Veränderung der
Voraussetzungen zu überprüfen und ggf.
neu festzusetzen.
9. Durch Urlaub, Krankheit und gesetzliche
Feiertage ausgefallene Arbeitszeit gilt mit
acht Stunden täglich als geleistet. Dies
gilt auch für freie Tage, die als Ausgleich
für Mehrarbeit genommen werden.
10. Die Sonn- und Feiertagszulage sowie die
Vergütung für zeitliche Mehrbelastung durch
Überschreiten der Arbeitszeit von 40 Stun-
den wöchentlich können, sofern einzelver-
traglich zulässig, binnen sechs Monaten nach
Inkrafttreten des Tarifvertrags auf über-
tarifliche Gehaltsbestandteile angerechnet
werden.
11. ...
12. ...
Aus § 9 MTV 1984 ergibt sich, daß die regelmäßige Arbeitszeit für Redakteure auf 40 Stunden wöchentlich festgesetzt wurde und auf fünf Tage in der Kalenderwoche zu verteilen war, was einer durchschnittlichen regelmäßigen arbeitstäglichen Arbeitszeit von acht Stunden entsprach. Alle weiteren Regelungen des § 9 MTV 1984 gehen dann von einer Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich aus, z. B. bei der Überschreitung der Arbeitszeit (Ziff. 5), bei der Vereinbarung einer Vergütungspauschale für das Überschreiten einer Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich (Ziff. 8) und der Anrechnung der Vergütung für zeitliche Mehrbelastung durch Überschreiten der Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich auf übertarifliche Gehaltsbestandteile (Ziff. 10). Soweit es um die Vergütung für ausfallende Arbeitszeit (durch Urlaub, Krankheit und gesetzliche Feiertage) geht, wird die regelmäßige durchschnittliche arbeitstägliche Arbeitszeit von acht Stunden zugrunde gelegt (Ziff. 9). Für Tätigkeiten von Redakteuren außerhalb des Beschäftigungsortes wird ebenfalls eine Arbeitszeit von acht Stunden zugrunde gelegt, was der durchschnittlichen regelmäßigen arbeitstäglichen Arbeitszeit entspricht (Ziff. 3). Insoweit handelt es sich um eine Pauschale, worauf sich die Tarifvertragsparteien bei Abschluß des MTV 1984 geeinigt haben. Der MTV 1984 enthält keinen Anhaltspunkt dafür, daß eine der Regelungen, die an eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden oder eine arbeitstägliche Arbeitszeit von acht Stunden anknüpfen, damit eine bestimmte Stundenzahl ohne Rücksicht auf die regelmäßige Arbeitszeit zugrunde legen wollte. Alle Einzelregelungen des § 9 MTV 1984 beruhen vielmehr ausnahmslos auf einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einer durchschnittlichen regelmäßigen arbeitstäglichen Arbeitszeit von acht Stunden. Dies erscheint auch durchaus sinnvoll. Damit ist es schwer vereinbar, daß § 9 MTV 1987 hiervon bei einer 38,5-Stunden-Woche nach seinem Wortlaut eine abweichende Regelung trifft, ohne daß hierfür ein sachlicher Grund aus dem Tarifvertrag ersichtlich ist.
Die Entstehungsgeschichte des MTV 1987 zeigt jedoch, daß bei den Regelungen des § 9 Ziff. 3, 8 und 9 ein Redaktionsversehen vorliegt. Die Tarifvertragsparteien haben hinsichtlich des § 9 am 12. Mai 1987 lediglich folgende Vereinbarung getroffen:
Arbeitszeit:
------------
Die Regelarbeitszeit für Redakteure beträgt ab
1.1.1988 38,5 Stunden in der Woche.
Urlaubsgeld:
------------
...
Nach § 9 Ziff. 7 wird für weisungsgemäße Arbei-
ten an Sonn- und Feiertagen der Zuschlag von
bisher DM 130,-- (über 4 Stunden) auf DM 150,--,
unter 4 Stunden DM 75,-- und für Volontäre
auf DM 130,-- über 4 Stunden, DM 65,-- unter
4 Stunden erhöht.
Die weitere Abfassung des § 9 MTV 1987 wurde einer Redaktionskonferenz überlassen. Diesen Vortrag der Beklagten hat der Kläger nicht bestritten. Die Redaktionskonferenz hatte die Anpassung der von der festgelegten Regelarbeitszeit von 38,5 Stunden abhängigen Einzelregelungen vorzunehmen. Solche Kommissionen zur Konkretisierung von Tarifverträgen sind durchaus üblich (vgl. Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl. 1977, § 1 Rz 89). Die Redaktionskonferenz hatte somit die von den Tarifvertragsparteien getroffene Grundentscheidung (hier: 38,5-Stunden-Woche ab 1. Januar 1988) nachzuvollziehen. Dies bedeutet aber, daß in § 9 MTV 1987, anknüpfend an die Regelungen des MTV 1984, alle Bestimmungen von einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden bis 31. Dezember 1987 und von 38,5 Stunden ab 1. Januar 1988 sowie einer durchschnittlichen arbeitstäglichen Arbeitszeit von acht Stunden bis 31. Dezember 1987 und von 7,7 Stunden ab 1. Januar 1988 auszugehen hatten.
Da die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit und die durchschnittliche arbeitstägliche Arbeitszeit für alle Regelungen des § 9 MTV 1984 maßgebend waren und kein Anhaltspunkt dafür bestand, daß Einzelregelungen des § 9 MTV 1984 an hiervon unabhängige absolute Arbeitszeiten (40 Stunden wöchentlich, acht Stunden arbeitstäglich) anknüpfen, konnte es nur Aufgabe der Redaktionskonferenz sein, alle Einzelregelungen des § 9 MTV 1987 für die Zeit ab 1. Januar 1988 auf die neuen Arbeitszeiten umzustellen. Dies hat die Redaktionskonferenz für die Regelungen in § 9 Ziff. 2, 5 und 10 vollzogen. Wenn sie hiervon in § 9 Ziff. 3, 8 und 9 absah, hatte sie hierzu kein Mandat. Es ist unstreitig, daß - abgesehen von § 9 Ziff. 7 - über die weiteren Regelungen des § 9 MTV 1987 zwischen den Tarifvertragsparteien keine Verhandlungen geführt wurden. Hätten die Tarifvertragsparteien aber im MTV 1987 abweichend vom MTV 1984 in § 9 Einzelregelungen nicht an die regelmäßige wöchentliche oder durchschnittliche arbeitstägliche Arbeitszeit anknüpfen wollen, hätte dies bei den Tarifverhandlungen zum Ausdruck kommen müssen, was aber gerade nicht geschehen ist. Damit waren die Regelungen des § 9 MTV 1987 für die Zeit ab 1. Januar 1988 an die nunmehr geltende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden und durchschnittliche arbeitstägliche Arbeitszeit von 7,7 Stunden anzupassen. Soweit dies nicht geschehen ist, liegt ein Redaktionsversehen vor. Hinsichtlich der Regelung des § 9 Ziff. 9 MTV 1987 räumt dies der Kläger sogar ein. Nichts anderes kann aber für die Regelung des § 9 Ziff. 3 MTV 1987 gelten.
Da die Tarifauslegung bei der Anwendung des § 9 Ziff. 3 MTV 1987 zur Annahme einer Arbeitszeit von 7,7 Stunden ab 1. Januar 1988 führt, kommt es nicht darauf an, ob die Beibehaltung einer Arbeitszeit von acht Stunden über den 1. Januar 1988 sinnvoll gewesen wäre und die Dauer von Dienstreisezeiten sich ab 1. Januar 1988 nicht verringert hat.
Der Kläger hat als unterlegene Partei gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Schaub Dr. Freitag Dr. Etzel
Peter Jansen Dr. Konow
Fundstellen
BAGE 66, 177-186 (LT1-2) |
BAGE, 177 |
DB 1991, 607-608 (LT1-2) |
EBE/BAG 1991, 2-4 (LT1-2) |
NZA 1991, 201-202 (LT1-2) |
RdA 1991, 64 |
AP § 1 TVG Tarifverträge Presse (LT1-2), Nr 11 |
AR-Blattei, Dienstreise und Wegezeit Entsch 6 (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 590 Nr 6 (LT1-2) |
AfP 1990, 334 |
AfP 1990, 334-336 (ST1-2) |
EzA § TVG Presse, Nr 3 (LT1-2) |
JZ 1991, 419 |
JZ 1991, 419-422 (ST) |
ZUM 1991, 602-604 (LT) |