Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadenersatz wegen ungerechtfertigter Kündigung
Normenkette
BGB §§ 611, 280, 286 analog, § 254; KSchG § 12
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 15.06.1990; Aktenzeichen 12 Sa 104/90) |
ArbG Bonn (Urteil vom 21.12.1989; Aktenzeichen 1 Ca 1286/89) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 15. Juni 1990 – 12 Sa 104/90 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte dem Kläger schadenersatzpflichtig ist.
Der Kläger war seit dem 11. Juni 1985 beim Beklagten als Steuerberater mit einem Bruttogehalt von zuletzt 5.252,00 DM beschäftigt. Mit Schreiben vom 18. Mai 1987 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1987. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage (– 2/5 Ca 1185/87 – ArbG Bonn), worauf am 13. Juli 1987 ein Gütetermin stattfand. Mit Schreiben vom 17. Juli 1987 erklärte der Beklagte, er nehme die Kündigung zurück und bitte den Kläger, seine Tätigkeit unverzüglich wieder aufzunehmen. Der Kläger hatte mittlerweile am 1. Juli 1987 ein neues Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber begründet. Mit einem am 23. Juli 1987 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz erweiterte der Kläger seine Klage um den Antrag, das Arbeitsverhältnis der Parteien aufzulösen und den Beklagten zur Zahlung einer Abfindung zu verurteilen.
Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt, wies aber die weitergehende Klage auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung ab. Die Berufung des Klägers, mit der er den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses weiter verfolgte, hat das Landesarbeitsgericht durch Urteil vom 2. November 1988 zurückgewiesen. Das Berufungsgericht führte auf, es sei dem Kläger nicht unzumutbar, das Arbeitsverhältnis bei dem Beklagten fortzusetzen. Binnen einer Woche nach Rechtskraft dieses Urteils verweigerte der Kläger dem Beklagten gegenüber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.
Mit der Klage begehrt der Kläger Schadenersatz. Er hat vorgetragen, infolge des rechtswidrigen Verhaltens des Beklagten sei er ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen, bei dem sein Gehalt geringer sei als dasjenige, das er beim Beklagten bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses erzielt hätte. Der Beklagte habe diese Situation durch Ausspruch einer unwirksamen Kündigung schuldhaft verursacht. Der Kläger hat die Vergütungsdifferenz, soweit in der Revision noch erheblich, auf 10.508,34 DM errechnet.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.508,34 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 27. Oktober 1989 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, ein ungerechtfertigter Auflösungsantrag legitimiere den Kläger nicht, eine Vergütung ohne Gegenleistung zu verlangen.
Die Klage war in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf entgangene Vergütung für den Zeitraum seit Zugang des Schreibens des Beklagten vom 17. Juli 1987 bis zum 31. Oktober 1988 aus positiver Vertragsverletzung (§§ 280, 286 BGB analog) nicht zu.
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Kündigung des Beklagten vom 18. Mai 1987 nicht nur rechtswidrig, sondern darüber hinaus auch eine zum Schadenersatz verpflichtende schuldhafte Handlung war (vgl. zu dieser Rechtsfrage BAG Urteil vom 24. Oktober 1974 – 3 AZR 488/73 – AP Nr. 2 zu § 276 BGB Vertragsverletzung; BAGE 25, 43 = AP Nr. 2 zu § 9 KSchG 1969; Gumpert, BB 1971, 959). Für die Ansprüche, die Streitgegenstand dieses Prozesses sind, haftet der Beklagte jedenfalls nicht.
Der Kläger hat selbst zutreffend ausgeführt, ein Anspruch aus positiver Forderungsverletzung decke solche Schäden ab, die weder durch die Regeln der Unmöglichkeit noch durch die des Verzugs erfaßt werden. Vereitelt der Geschädigte jedoch ohne sachlichen Grund Erfüllungs- oder Erfüllungsersatzansprüche, so kann er statt dessen keine Schadenersatzansprüche geltend machen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAGE 50, 164 = AP Nr. 39 zu § 615 BGB) kann der Arbeitgeber im Falle der Unwirksamkeit einer Kündigung den Annahmeverzug nur dann vermeiden, wenn er die ausgesprochene Kündigung zurücknimmt. Der Beklagte hat diesen Anforderungen genügt, indem er den Kläger mit dem am 17. Juli 1987 zugegangenen Schreiben das Angebot unterbreitete, einvernehmlich den alten Arbeitsvertrag wieder fortzusetzen. Zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits steht außerdem rechtskräftig fest, und zwar durch die Zurückweisung des Auflösungsantrages des Klägers, daß es diesem zumutbar war, die Arbeit bei dem Beklagten fortzusetzen. Der Kläger war zur Annahme dieses Angebotes nicht bereit. Wäre er dem Angebot gefolgt und hätte er geleistet, so hätten ihm Erfüllungsansprüche zugestanden. Wäre er dem Angebot gefolgt, hätte der Beklagte ihn aber dennoch nicht beschäftigt, hätte er Ansprüche gem. § 615 BGB geltend machen können, er hätte also seinen alten Verdienst in voller Höhe erhalten. Der Kläger hat durch die Weigerung, auf das Angebot des Beklagten einzugehen, selbst die Ursache dafür gesetzt (§ 254 Abs. 2 BGB), daß er weder einen Erfüllungsanspruch noch einen Ersatzanspruch hat. Mit der Forderung auf Schadenersatz handelt er seinem eigenen früheren Verhalten zuwider. Er kann nicht einerseits verhindern, daß ihm vertragliche oder gesetzliche Ansprüche zustehen und stattdessen auf eine Schadenersatzforderung ausweichen.
Besondere Umstände, die den Kläger zu einem solchen Verhalten hätten berechtigen können, hat er nicht geltend gemacht.
2. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, ob der Anspruch auf Zahlung der entgangenen Vergütung, der hier allein Streitgegenstand ist, durch das Kündigungsschutzgesetz abschließend geregelt ist. In den Fällen, in denen dem Arbeitnehmer eine weitere Beschäftigung bei dem Arbeitgeber, der ihm gekündigt hat, zuzumuten ist, geben § 12 Satz 1–3, § 16 KSchG demjenigen Arbeitnehmer, der inzwischen ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist, das Recht, binnen einer Woche nach Rechtskraft des obsiegenden Urteils die Fortsetzung des alten Arbeitsverhältnisses zu verweigern. Macht er von seinem Lösungsrecht gem. § 12 Satz 1 KSchG Gebrauch, so hat dies für ihn den Nachteil, nicht mehr den vollen Vergütungsanspruch, den er gegen den Arbeitgeber nach den Regeln des Annahmeverzuges (§ 615 BGB) erwerben würde, verlangen zu können.
3. Soweit der Kläger geltend macht, die Rechtslage sei deshalb anders zu beurteilen, weil ihm ein Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung zugestanden hätte, wenn er die Kündigung des Beklagten vom 18. Mai 1987 nicht mit der Kündigungsschutzklage angegriffen hätte, kann dem nicht gefolgt werden. Ob dem Kläger eine Karenzentschädigung zusteht, ist nicht Streitgegenstand dieses Prozesses. Der Kläger wäre rechtlich nicht gehindert gewesen, den Anspruch auf Karenzentschädigung im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses gerichtlich geltend zu machen.
Unterschriften
Michels-Holl, Dr. Ascheid, Dr. Müller-Glöge, Rosendahl, Dr. P. Umfug
Fundstellen