Alexander C. Blankenstein
3.2.1 Mehrheitliche Gestattung
Auf Grundlage des § 20 Abs. 1 Alt. 2 WEG können Wohnungseigentümern bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums gestattet werden.
Markisenmontage
Einer der Wohnungseigentümer will im Bereich seines Balkons eine Markise montieren. Ohne einen Anspruch hierauf zu haben, können die Wohnungseigentümer diese bauliche Veränderung mit einfacher Mehrheit gestatten.
Der Umstand, dass die Markise das optische Erscheinungsbild der Wohnanlage verändert, spielt keine Rolle. Auch wenn einzelne Wohnungseigentümer die Markise als optisch unschön empfinden würden, könnten sie allein mit diesem Argument den Gestattungsbeschluss nicht erfolgreich anfechten. Der Beschluss über eine Gestattungsmaßnahme ist erst dann auf Anfechtung für ungültig zu erklären, wenn die bauliche Veränderung zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage oder einer unbilligen Benachteiligung einzelner Wohnungseigentümer gegenüber anderen Wohnungseigentümern führen würde.
3.2.2 Anspruch auf bauliche Veränderung
§ 20 Abs. 3 WEG begründet einen Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Gestattung einer baulichen Veränderung,
- wenn durch sie kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird oder
- etwa beeinträchtigte Wohnungseigentümer ihr Einverständnis mit der Baumaßnahme erklärt haben.
Sind die Voraussetzungen des § 20 Abs. 3 WEG erfüllt, haben die Wohnungseigentümer im Rahmen der Beschlussfassung im Gegensatz zu den Maßnahmen nach § 20 Abs. 2 WEG kein Ermessen bezüglich des "Wie" der Maßnahme.
3.2.3 Kriterien einer Beeinträchtigung
Eine Beeinträchtigung ist nach dem Wortlaut von § 20 Abs. 3 WEG rechtlich nicht relevant, wenn sie nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht oder die über dieses Maß hinaus beeinträchtigten Wohnungseigentümer mit der begehrten Baumaßnahme einverstanden sind.
Maßstab für die Beurteilung, ob eine bauliche Veränderung beeinträchtigend ist, ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der betreffenden Situation verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann. Dies ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Das subjektive Empfinden eines Eigentümers, seine Ängste und Befürchtungen spielen bei der Beurteilung keine Rolle. Auch lediglich die theoretische Möglichkeit einer Rechtsbeeinträchtigung ist nicht ausreichend.
Parabolantenne auf dem Dach
Möchte ein Wohnungseigentümer auf dem Dach der Wohnanlage eine Parabolantenne montieren, besteht zwar die theoretische Möglichkeit einer Undichtigkeit; diese ist aber ausgeschlossen, wenn der Einbau fachgerecht durch ein geeignetes Fachunternehmen erfolgt.
Nachteil
Ein Nachteil liegt erst dann vor, wenn durch die bauliche Maßnahme die Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer oder auch nur eines einzelnen von ihnen hinreichend wahrscheinlich ist und insoweit die Gefahr eines über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehenden Nachteils besteht. Dies kann etwa bei
- Eingriffen in die Statik und Substanz des Gebäudes,
- Schäden am Gemeinschafts- oder Sondereigentum,
- nachteiligen Veränderungen des optischen Gesamteindrucks,
- Möglichkeit intensiverer Nutzung,
- Erhöhung des Kostenaufwands für Erhaltungsmaßnahmen,
- Gefährdung anderer Wohnungseigentümer,
- Immissionen oder
- wirtschaftlicher Entwertung des Eigentums
der Fall sein. Insoweit kommt es dann auf das Einverständnis etwa beeinträchtigter Wohnungseigentümer an.
Das Einverständnis ist nicht an eine bestimmte Form gebunden. Im Streitfall hat der bauwillige Wohnungseigentümer jedenfalls das erforderliche Einverständnis darzulegen und zu beweisen. Relevant wird die Frage der tatsächlichen Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben erträgliche Maß hinaus dann, wenn der Antrag des bauwilligen Wohnungseigentümers keine Mehrheit findet und er insoweit gezwungen ist, eine Beschlussersetzungsklage gemäß § 44 Abs. 1 WEG zu erheben.
Kosten und Folgekosten sind kein Nachteil
Eine Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer kann sich nicht aus den Kosten der Baumaßnahme oder der durch sie entstehenden Folgekosten ergeben. Denn diese Kosten sind gemäß § 21 Abs. 1 WEG allein vom bauwilligen Wohnungseigentümer zu tragen.
3.2.4 Beeinträchtigung liegt nicht vor
Ist mit der baulichen Veränderung kein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil für die Wohnungseigentümer verbunden und besteht auch nicht die konkrete Gefahr eines derartigen Nachteils, hat der bauwillige Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Gestattung der Maßnahme durch Beschluss nach § 20 Abs. 3 WEG Auch wenn mit der begehrten Maßnahme kein Nachteil verbunden sein wird, muss sich der bauwillige Wohnungseigentümer an den Verwalter wenden und diesen bitten, einen entsprechenden Beschlussantrag zur Tagesordnung zu nehmen. Denn eine Gestattungsbeschlussfassung ist zwingende Voraussetzung fü...