Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 15 Abs. 3 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 242 BGB, § 823 BGB, § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB, § 263 ZPO, § 264 ZPO, § 265 ZPO
Kommentar
1. Einer Eigentümerin gehörte zusammen mit ihrer minderjährigen Tochter eine EG-Wohnung mit vorgelagertem Gartensondernutzungsrecht. Gekauft wurde diese Wohnung 1991. Schon seit 1978 wurde durch den Sondernutzungsgarten mit Zustimmung des Rechtsvorgängers der Wohnung ein Plattenweg zu einem gemeinschaftlichen Spielplatz im rückwärtigen Teil des Grundstücks geschaffen, den die Gemeinde nachträglich gefordert hatte und der eines entsprechenden Zuganges bedurfte. Die Antragsgegnerin ließ nun 1992 den Plattenweg entfernen und verlegte diesen in den Grenzbereich zu einem anderen Gartensondernutzungsrecht (kurviger, länger als der frühere Weg und durch schlichten Bewuchs mit gepflanzten Büschen schlechter nutzbar). Im Anschluss an ergebnislose Aufforderung der Antragsgegnerin durch Eigentümerbeschluss, den Weg wieder wie früher herzustellen kam es zur gerichtlichen Antragstellung auf Wiederherstellung des alten Weges und Nutzungsduldung. Während das AG die Anträge abwies, hatte die Antragstellung beim LG und beim BayObLG Erfolg.
2. Der Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes ergibt sich aus der Verletzung des zwischen den Wohnungseigentümern bestehenden Schuldverhältnisses ( § 14 Nr. 1, Nr. 3 WEG und § 15 Abs. 3 WEG, sowie aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB und § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 249 Satz 1 BGB).
3. Ein allein gegen die Antragsgegnerin als Miteigentümerin eines Wohnungssondereigentums gerichteter Beseitigungs- und Duldungsantrag ist zulässig; Anträge können nicht so ausgelegt werden, dass sie sich von vornherein auch gegen die minderjährige Tochter und Bruchteilsmiteigentümerin zusammen mit der Antragsgegnerin gerichtet hätten. Eine hilfsweise Ausdehnung der Anträge auch auf eine Bruchteils-Miteigentümerin in der Beschwerdeinstanz ist nicht zulässig.
Antragsänderung und -erweiterung werden im WE-Verfahren, also einem echten Streitverfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit nach den Bestimmungen und den Grundsätzen des Zivilprozessrechtes behandelt (vgl. §§ 263ff. ZPO; h. R. M.; dies gilt auch, wenn ein Antrag gegen einen weiteren Wohnungseigentümer, der bisher nur schlichter Beteiligter war, ausgedehnt werden soll. Nach diesen Grundsätzen ist aber die hilfsweise, d.h. von einer Bedingung abhängig gemachte Erweiterung eines (Klage-)Antrages auf einen weiteren Antragsgegner oder Beklagten nicht zulässig. Dies hat jedoch auf die Zulässigkeit des Antrages gegen die Antragsgegnerin keinen Einfluss; dabei kann es offen bleiben, ob § 62 ZPO im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, in dem es keine "Parteien" gibt, sondern grundsätzlich alle Wohnungseigentümer materiell beteiligt sind, anwendbar ist. Vorliegend richteten sich die geltend gemachten Ansprüche (mit Ausnahme des Duldungsanspruches) gegen die Antragsgegnerin persönlich; eine andere, hier nicht zu entscheidende Frage ist, ob die Verurteilung (Verpflichtung) allein der Antragsgegnerin zur etwaigen Zwangsvollstreckung ( §§ 887, 890, 892 ZPO) ausreicht.
4. Die Beseitigung eines Plattenweges stellt ebenso wie die Anlage eines solchen eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG dar, denn sie war mit einer gegenständlichen Veränderung des Grundstückes verbunden (h. M.). Die Antragsgegnerin war nicht berechtigt, diese bauliche Veränderung eigenmächtig und allein vorzunehmen (Beeinträchtigung der restlichen Wohnungseigentümer). Vielmehr hatte die Antragsgegnerin den Weg in ursprünglicher Lage zu dulden ( § 1004 Abs. 2 BGB), da er mit Zustimmung des allein davon betroffenen Wohnungseigentümers, nämlich dem Rechtsvorgänger der Antragsgegnerin, angelegt worden war und es sich damit um eine rechtmäßige bauliche Veränderung handelte. Die damals vom Rechtsvorgänger erteilte Zustimmung war an keine Form gebunden und konnte sogar stillschweigend erklärt werden; die Antragsgegnerin ist an die von Rechtsvorgängerseite erklärte Zustimmung gebunden (h. M.).
5. Entsprechende Beseitigungs- und Wiederherstellungsansprüche können auch von jedem einzelnen Wohnungseigentümer allein geltend gemacht werden, sind also Individualansprüche (h.R.M.).
6. Auch ein sondergenutzter Grundstücksteil bleibt gemeinschaftliches Eigentum. Genehmigte bauliche Veränderungen und Eingriffe in ein Sondernutzungsrecht bedürfen auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen eines Sondernachfolgers nicht der Grundbucheintragung, da ein Erwerber einer Wohnung den durch die bauliche Veränderung geschaffenen Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums vor dem Erwerb ohne weiteres in Augenschein und sich vom Veräußerer über die Rechtslage unterrichten lassen und davon seine Kaufentscheidung abhängig machen kann.
7. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben kann grundsätzlich nicht nur eine Abänderung der Teilungserklärung (Gemeinschaftsordnung), sondern auch die Verlegung einer baulichen Anlage oder ...