Leitsatz

Ein Wohnungseigentümer, der von den anderen Wohnungseigentümern die Zustimmung zu einer von ihm beabsichtigten baulichen Veränderung begehre, muss mit seinem Anliegen grundsätzlich zunächst die Versammlung befassen.

Die Zustimmung nach § 22 Abs. 1 Satz BGB kann nur im Rahmen eines Beschlussverfahrens durch positive Stimmabgabe zu dem beantragten Beschluss abgegeben werden; die isolierte Zustimmung beeinträchtigter Wohnungseigentümer außerhalb eines Beschlussverfahrens ist bedeutungslos.

 

Normenkette

§ 23 Abs. 3 WEG

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer K beabsichtigt den Bau einer Garage mit überdachtem Eingang. Die Garage soll auf einer Fläche errichtet werden, die auf einem genehmigten Freiflächengestaltungsplan für Garagen für alle Eigentümer ausgewiesen ist. Durch diese Fläche verläuft ein Grundstücksstreifen, an dem für 2 Wohnungseigentümer ein gemeinsames Sondernutzungsrecht für den Zu- und Abgang sowie für den Verlauf von Versorgungsleitungen zu 2 Sondereigentumsrechten besteht. K klagt gegen Wohnungseigentümer B, der am Sondernutzungsrecht mitberechtigt ist, auf Zustimmung zur Garagenerrichtung. Die anderen Wohnungseigentümer sind mit der Angelegenheit noch nicht befasst worden. K behauptet, außer B seien sie aber mit seinem Vorhaben einverstanden. K meint, B müsse mit Blick auf ein von K beabsichtigtes Umlaufbeschlussverfahren der Errichtung der Garage zustimmen.
  2. Das Amtsgericht weist die Klage als unbegründet ab. Weder müsse B zustimmen noch sei seine Zustimmung entbehrlich, weil das weder aus dem Freiflächennutzungsplan noch aus der Gemeinschaftsordnung noch aus dem Umstand folge, dass das Maß der Beeinträchtigung nach § 14 Nr. 1 WEG mit Rücksicht auf die besonderen Belange des schwerbehinderten Sohnes des K nicht überschritten sei. Mit der Berufung verfolgt K sein Begehren fort.
 

Die Entscheidung

  1. Die Klage ist nach Ansicht des Landgerichts bereits unzulässig. Ihr fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage fehle, wenn vorrangige Rechtsschutzmöglichkeiten bestünden, die noch nicht ausgeschöpft seien, oder wenn das eigentlich verfolgte Ziel mit der Klage nicht erreicht werden könne. Beides sei der Fall.
  2. Ein Wohnungseigentümer, der von den anderen Wohnungseigentümern die Zustimmung zu einer von ihm beabsichtigten baulichen Veränderung begehre, müsse mit seinem Anliegen grundsätzlich zunächst die Versammlung befassen. Eine solche Vorbefassung der Versammlung habe noch nicht stattgefunden.
  3. Ferner könne die isolierte Zustimmung einzelner Wohnungseigentümer die Maßnahme nicht legitimieren. Die Zustimmung nach § 22 Abs. 1 Satz BGB könne nur im Rahmen eines Beschlussverfahrens durch positive Stimmabgabe zu dem beantragten Beschluss abgegeben werden; die isolierte Zustimmung beeinträchtigter Wohnungseigentümer außerhalb eines Beschlussverfahrens sei bedeutungslos (Hinweis unter anderem auf LG München I v. 16.11.2009, 1 S 4964/09, ZWE 2010 S. 98 und LG Berlin v. 29.10.2010, 55 S 155/10 WEG, ZWE 2011 S. 181). K müsse daher mit seinem Anliegen zunächst die Versammlung befassen. § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG räume ausdrücklich das Recht ein, einen Genehmigungsbeschluss zu verlangen, um verbindlich festzustellen, ob die übrigen Eigentümer mit der baulichen Veränderung (sei es insgesamt, nur unter Auflagen oder gar nicht) einverstanden seien. Dabei müssten die Eigentümer klären, ob die bauliche Veränderung einen Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG auslöse und ob gegebenenfalls benachteiligte Eigentümer zugestimmt haben. Wenn es keinen Nachteil gebe oder wenn die benachteiligten Wohnungseigentümer zugestimmt hätten, müssten die Wohnungseigentümer durch Beschluss gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG ihr Einverständnis mit der baulichen Änderung erklären. Sei die Willensbildung fehlerhaft und lehnten die Wohnungseigentümer die bauliche Änderung zu Unrecht durch Beschluss ab, müsse der den Antrag stellende Eigentümer diesen Beschluss vor Gericht anfechten und könne dabei zugleich das Ergebnis einer positiven Beschlussfassung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG herbeiführen (Hinweis auf LG München I v. 16.11.2009, 1 S 4964/09, ZWE 2010 S. 98).
  4. An der Beurteilung ändere K's Plan, ein Umlaufverfahren zu initiieren, nichts. Ein Umlaufverfahren setze nach § 23 Abs. 3 WEG die Zustimmung jedes Wohnungseigentümers zum Umlaufverfahren voraus. Daran fehle es, wenn einzelne Wohnungseigentümer – wie hier B – die Zustimmung verweigerten. Einen klageweise durchsetzbaren Anspruch auf positive Stimmabgabe im Umlaufverfahren gebe es nicht.
  5. Der "Vorrang der Herbeiführung eines Beschlusses" sei im Streitfall auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, weil – wie K meine – völlig klar sei, dass die bauliche Veränderung keine nachteilige Wirkung entfalte, sodass die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer nach § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG ohne Zweifel und ohne weitere Prüfung erteilt werden müsste. Denn auch unter Berücksichtigung der besonderen Rechtsstellung des K angesichts der verfassungsrechtlich besonders geschützten Bedürfnisse ...

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