Leitsatz
Die notarielle Pflicht zur Belehrung über zu lange Annahmefristen schützt das Interesse der Vertragsparteien an dem wirksamen Zustandekommen eines Vertrags, welches nicht daran scheitern soll, dass die Annahmefrist bereits abgelaufen ist, nicht dagegen das Interesse, sich von einem nachträglich als von Anfang an unwirtschaftlich erkannten Vertrag zu lösen. Daher wären vom Schutzzweck der Belehrungspflichten des Notars allenfalls Aufwendungen auf einen vermeintlich wirksamen, tatsächlich aber unwirksamen Vertrag erfasst, nicht dagegen Aufwendungen auf einen tatsächlich wirksamen, jedoch unwirtschaftlichen Vertrag.
Normenkette
§§ 147 Abs. 2, 308 Nr. 1 BGB; § 17 Abs. 1 BeurkG
Das Problem
Erwerber K macht Bauträger T am 12. Dezember 2008 ein bis zum 29. Januar 2009/31. Januar 2009 bindendes Angebot zum Erwerb eines Wohnungseigentumsrechts, welches B zur Urkunde des verklagten Notars B am 27. Januar 2009 annimmt. K meint, B habe seine Pflichten verletzt und begehrt von ihm Schadensersatz wegen der Verletzung notarieller Amtspflichten.
Die Entscheidung
- Ohne Erfolg! K habe gegen B keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO. Zwar liege es nahe, dass B eine ihm gegenüber K obliegende Amtspflicht verletzt habe. B hätte die Vertragsparteien aus Anlass der Beurkundung der Annahmeerklärung wohl auf mögliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der vereinbarten Annahmefrist und daraus folgenden Bedenken gegen die rechtliche Möglichkeit der Annahme hinweisen müssen. Wie lange eine Annahmefrist in vergleichbaren Situationen bestimmt werden könne, sei im Januar 2009 noch nicht abschließend geklärt und daher für Notare nicht sicher zu beurteilen gewesen, sodass im ungünstigsten Fall zu befürchten gewesen sei, dass der Vertrag durch die zu beurkundende Annahme nicht zustande käme. Ferner hätte B gegebenenfalls darauf hinweisen muss, dass es notwendig sein könnte, die Annahme wegen § 150 Abs. 1 BGB als neues Angebot zu werten, welches erneut – nunmehr durch K – anzunehmen gewesen wäre (Hinweis auf BGH v. 9.7.1992, IX ZR 209/91).
- Ein Anspruch sei jedoch schon deshalb ausgeschlossen, weil eine etwaige Pflichtverletzung des B, es unterlassen zu haben, die Vertragsparteien auf Zweifel an der Wirksamkeit der Annahmefrist und damit an dem Zustandekommen des Vertrags hinzuweisen und ihnen sicherheitshalber eine erneute Annahme anzuraten, nicht kausal geworden sei für den Schaden des Klägers. Denn die von T abgegebene Annahmeerklärung habe einen wirksamen Vertrag zwischen den Parteien zustande gebracht. T habe K's Angebot am 27.1.2009 angenommen. Dieses Angebot des Klägers sei zu diesem Zeitpunkt noch wirksam gewesen. Grundsätzlich dürfe bei finanzierten und beurkundungsbedürftigen Verträgen der Eingang der Annahmeerklärung grundsätzlich jedenfalls innerhalb eines Zeitraums von 4 Wochen erwartet werden können (Hinweis unter anderem auf BGH v. 27.9.2013, V ZR 52/12, ZfIR 2014 S. 51). Etwas anderes gelte allerdings bei Vorliegen absehbarer Verzögerungen (Hinweis unter anderem auf BGH v. 11.6.2010, V ZR 85/09, ZIP 2010 S. 1854 Rn. 12). So liege es hier. Absehbare Verzögerungen seien die Weihnachtsfeiertage einschließlich des Jahreswechsels, mithin der Zeitraum vom 24.12.2008 bis zum 3.1.2009 anzusehen. Die vereinbarte Annahmefrist bis zum 31.1.2009 überschreite diese Frist nicht wesentlich: Wesentlich sei allein eine Überschreitung ab 50 % (Hinweis auf BGH v. 17.1.2014, V ZR 5/12). Diese Wesentlichkeitsgrenze wäre erst am 4.2.2009 erreicht worden.
- Ein Anspruch sei zudem auch deshalb ausgeschlossen, weil die von K geltend gemachten Vermögenseinbußen nicht von dem Schutzzweck der behaupteten Amtspflichtverletzung erfasst seien. Die notarielle Pflicht zur Belehrung über zu lange Annahmefristen schütze das Interesse der Vertragsparteien an dem wirksamen Zustandekommen eines Vertrags, welches nicht daran scheitern soll, dass die Annahmefrist bereits abgelaufen ist. Es schütze aber nicht das Interesse, sich von einem nachträglich als von Anfang an unwirtschaftlich erkannten Vertrag zu lösen.
Kommentar
Wie allgemein im Schadensersatzrecht kann auch im Notarhaftungsrecht nur für solche Schadensfolgen Ersatz verlangt werden, die innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm liegen. Es muss sich um Folgen handeln, die in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen wurde. Deswegen muss zwischen der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage und dem Schaden ein innerer Zusammenhang bestehen; eine bloß zufällige äußere Verbindung genügt nicht. Dem Verletzer sollen nur solche Folgen zugerechnet werden, die durch den Gebots- und Verbotszweck der Norm verhindert werden sollen. Hiernach sind Sinn und Tragweite der verletzten Norm zu untersuchen, um zu klären, ob der geltend gemachte Schaden durch diese Norm verhütet werden sollte.
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