Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachbarwidersprüche gegen Baugenehmigung. vorläufiger Rechtsschutz. Beschwerdebegründung. Nachbarrechte des Wohnungseigentümers. Gebietsbewahrungsanspruch. Gebot der Rücksichtnahme. Anfechtung von Baugenehmigungen für das Grundstück Fl.Nr. **** Gemarkung R******** (Antrag gemäß § 80 a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO). Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 12. Juni 2003
Leitsatz (amtlich)
Ein Wohnungseigentümer (§ 1 Abs. 2 WEG) kann baurechtliche Nachbarrechte wegen Beeinträchtigung seines Sondereigentums in vollem Umfang und aus eigenem Recht (§ 13 Abs. 1 Halbsatz 2 WEG) geltend machen. Eine Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums kann er, anders als ein Teilhaber einer Bruchteilsgemeinschaft (vgl. § 744 Abs. 2 BGB), nur in den engen Grenzen einer Notgeschäftsführung (§ 21 Abs. 2 WEG) und nur in Prozessstandschaft für die Eigentümergemeinschaft abwehren (wie OVG NRW vom 28.2.1991 NVwZ-RR 1992, 11).
Normenkette
VwGO § 146 Abs. 4 Sätze 1, 3-4, 6; WEG § 13 Abs. 1 Hs. 2, § 21 Abs. 2; BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
VG München (Entscheidung vom 12.06.2003; Aktenzeichen M 1 SN 03.2043 u.a.) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragstellers zu 2 wird verworfen.
II. Die Beschwerde des Antragstellers zu 1 wird zurückgewiesen.
III. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfe.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Antragsteller begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen zwei der Beigeladenen für das „Kunstmühlgelände” (Fl.Nr. **** Gemarkung R********) erteilte Baugenehmigungen.
1. Der Antragsteller zu 1 ist Miteigentümer des mit zwei Eigentumswohnanlagen bebauten Grundstücks Fl.Nr. ****. Seine Wohnung befindet sich im Anwesen S*******straße 1. Das Grundstück liegt nördlich des Baugrundstücks in einem durch den Bebauungsplan Nr. 111 „Kunstmühlgelände” ausgewiesenen allgemeinen Wohngebiet. Es ist vom Baugrundstück durch die S*******straße getrennt. Der Antragsteller zu 2 ist Miteigentümer des an der P*******straße gelegenen, mit einer Wohnanlage bebauten Grundstücks Fl.Nr. ******1. Das Grundstück liegt westlich des Baugrundstücks in einem „faktischen” allgemeinen Wohngebiet.
Für das Baugrundstück war ursprünglich durch den Bebauungsplan Nr. 111 ein Sondergebiet mit der Zweckbestimmung „Schule” festgesetzt. Im westlichen, bisher unbebauten Bereich war eine Turnhalle vorgesehen. Durch die am 5. März 2003 in Kraft getretene dritte Änderung des Bebauungsplans Nr. 111 wurde das Baugrundstück als Sondergebiet mit der Zweckbestimmung „Erhalt und Revitalisierung des Industriedenkmals Kunstmühle und Dienstleistungszentrum” ausgewiesen.
Mit Bescheid vom 16. April 2003 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen eine Baugenehmigung für den Umbau, die Sanierung und die Änderung der Nutzung der ehemaligen Weizenmühle und des Silogebäudes. Mit Bescheid vom 29. April 2003 wurde die Errichtung einer Tiefgarage mit 37 Stellplätzen im westlichen Teil des Baugrundstücks genehmigt. Die Antragsteller erhoben gegen beide Genehmigungen Widerspruch. Ein Antrag, den Vollzug der Satzung über die dritte Änderung des Bebauungsplans Nr. 111 vorläufig auszusetzen, hatte keinen Erfolg (Beschluss des Senats vom 7.7.2003 – 1 NE 03.984).
2. Die Antragsteller beantragten am 1. bzw. 6. Mai 2003, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche anzuordnen. Mit Beschluss vom 12. Juni 2003 lehnte das Verwaltungsgericht die Anträge ab.
Mit der Beschwerde machen die Antragsteller geltend, beide Baugenehmigungen verletzten nachbarschützende Vorschriften. Die dritte Änderung des Bebauungsplans Nr. 111 sei unwirksam. Der Satzungstext entspreche nicht dem Satzungsbeschluss. Die Zweckbestimmung „Dienstleistungszentrum” sei nicht hinreichend konkretisiert. Der Änderungsbebauungsplan beruhe auf Abwägungsfehlern. Das zusätzliche Verkehrsaufkommen in der S*******straße sei nicht in die Abwägung eingestellt, das zusätzliche Verkehrsaufkommen in der P*******straße sei falsch eingeschätzt worden. Der deshalb nach wie vor geltende Bebauungsplan Nr. 111 sehe für das Baugrundstück eine Schulnutzung vor. Diese hätten die Anwohner als wohngebietsverträglich akzeptiert. Die Baugenehmigungen verstießen auch gegen die Abstandsflächenvorschriften und gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Die Lärmschutzwerte für ein allgemeines Wohngebiet würden tags und nachts nicht eingehalten.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 12. Juni 2003 zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Widersprüche vom 1. Mai 2003 gegen den Bescheid der Stadt R******** vom 16. April 2003 und der Widersprüche vom 6. Mai 2003 gegen den Bescheid der Stadt R******** vom 29. April 2003 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen, die Beschwerden zurückzuweisen.
Nach Auffassung der Antragsgegnerin verletzt die Baugenehmigung vom 16. April 2003...