rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
offene Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren. Teilhabebeeinträchtigung. Interessenabwägung
Normenkette
VwGO § 146 Abs. 1, 4; SGB VIII §§ 35a, 36a Abs. 3
Verfahrensgang
VG Augsburg (Beschluss vom 11.08.2010; Aktenzeichen Au 3 E 10.1200) |
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
I.
Rz. 1
1. Die Beteiligten streiten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes darüber, ob der Antragstellerin vom Antragsgegner Eingliederungshilfe nach § 35a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) durch Übernahme der Kosten der stationären Unterbringung für das Schuljahr 2010/2011 im Evangelischen Studienheim …, Internat für Hörgeschädigte, in … mit gleichzeitigem Besuch der …-Realschule für Hörgeschädigte zu gewähren ist.
Rz. 2
Die Antragstellerin erhielt aufgrund einer Lese- und Rechtschreibschwäche und ADS-Symptomatik – nach vorherigem Besuch eines sonderpädagogischen Förderzentrums ab dem Schuljahr 2001/2002 – vom Antragsgegner aufgrund einer Verpflichtung durch das Verwaltungsgericht im Wege einer einstweiligen Anordnung (Beschluss vom 29.8.2006, Az. Au 3 E 06.973) Eingliederungshilfe in Form der stationären Unterbringung im Landschulheim … ab 12. September 2006 und gleichzeitigem Besuch eines Gymnasiums zur sonderpädagogischen Förderung zunächst für sechs Monate. Diese Hilfe wurde vom Antragsgegner zunächst bis Ende des Schuljahres 2006/2007 und dann auch für das Schuljahr 2008/2009 weitergeführt. Für das Schuljahr 2009/2010 bewilligte der Antragsgegner die stationäre Unterbringung im Evangelischen Studienheim …, Internat für Hörgeschädigte, in … mit gleichzeitigem Besuch der …-Realschule für Hörgeschädigte.
Rz. 3
Den Antrag der Eltern vom 15. Juni 2010 auf Weiterbewilligung der letztgenannten Hilfe auch für das Schuljahr 2010/2011 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 2. August 2010 ab. Eine Eingliederungshilfe in stationärer Form sei nicht mehr erforderlich und eine Rückführung in den elterlichen Haushalt anzustreben (vgl. Hilfeplanänderung vom 4.6.2009). Auch wenn die Antragstellerin noch Probleme im Schreiben und Lesen habe und bei weiterer Internatsunterbringung Hilfestellungen insbesondere im schulischen Bereich möglich seien, sei das Ziel der Hilfe, die schulische und soziale Integration in die Gesellschaft erreicht. Die Teilhabe der Antragstellerin am Leben in der Gesellschaft sei nach den Entwicklungsberichten des Internats und der fachärztlichen Stellungnahme vom 31. März 2010 nicht mehr beeinträchtigt.
Rz. 4
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg und beantragte gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahin, den Antragsgegner zur vorläufigen Übernahme der Kosten der stationären Eingliederungshilfe mit Beginn des neuen Schuljahres zu verpflichten.
Rz. 5
Mit Beschluss vom 27. August 2010 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner zur vorläufigen Übernahme der Kosten der stationären Unterbringung ab 14. September 2010 bis längstens zum Ende des Schuljahres 2010/2011. Ein Anordnungsgrund sei gegeben. Insbesondere stehe der Dringlichkeit nicht entgegen, wenn die Eltern ohne Weiteres in der Lage sein sollten, für die Kosten der Unterbringung aufzukommen (BayVGH vom 27.7.2000 Az. 12 CE 99.3779). Nach den Einkommensverhältnissen sei nicht zu erwarten und zumutbar, die Kosten selbst zu finanzieren. Eine Entscheidung im Laufe des Schuljahres käme zu spät. Es sei auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die einschränkende Kontrollkompetenz hinsichtlich der Notwendigkeit der Hilfe im Einzelfall stehe dem Erlass der einstweiligen Anordnung nicht entgegen. Es handele sich nur um eine vorläufige Maßnahme, die durch die richterliche Gestaltungsbefugnis bei einstweiligen Anordnungen zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes gedeckt sei. Auch sei ein Anspruch auf Weiterbewilligung glaubhaft gemacht. Eine Abweichung der seelischen Gesundheit im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII folge aus der fachärztlichen Stellungnahme vom 31. März 2010. Der Antragsgegner habe eine Teilhabebeeinträchtigung (Nr. 2), die voll überprüfbar sei, “offenbar zu Unrecht” verneint, weil die Probleme, aufgrund derer die stationäre Hilfe gewährt worden sei, unverändert fortbestünden. Der Antragsgegner habe sich fachlich nicht mit der Frage der Integrationsfähigkeit der Antragstellerin “im ungeschützten sozialen und schulischen Raum” befasst, sondern nur auf das bisherige Umfeld im Internat abgestellt. Auch ergebe sich aus dem Entwicklungsbericht und der fachärztlichen Stellungnahme, dass die Probleme bei der Antragstellerin nicht behoben seien, sie auch nicht adäquat mit ihrer Legasthenie und Adipositas umgehen könne und das ADS trotz der Medikamente deutlich erkennbar sei. Der ärztliche Gutachter halte die weitere Internatsunterbringung für “alternativlos”. Diese sei zum jetzigen Zeitpunkt die einzig sinnvo...