Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfallrecht. stillgelegte Deponie. Untersuchung auf Altlast. Verantwortung für Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung nach § 9 Abs. 1 und 2 BBodSchG. Verhältnis von Abfall- und Bodenschutzrecht. abfallrechtlicher Anordnung (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO). Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 19. Dezember 2002
Leitsatz (amtlich)
1. Eine vor Inkrafttreten der Neufassung des § 36 KrW-/AbfG stillgelegte Deponie ist „stillgelegt” im Sinne von § 36 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG und folglich nach dem Bundesbodenschutzgesetz zu behandeln, wenn sie tatsächlich endgültig stillgelegt ist, die Stilllegung der zuständigen Behörde angezeigt worden ist und behördliche Maßnahmen in Bezug auf die Stilllegung zunächst nicht mehr zu erwarten waren.
2. „Orientierende Untersuchungen”, die den Anfangsverdacht einer schädlichen Bodenveränderung überprüfen sollen, obliegen nach § 9 Abs. 1 BBodSchG der zuständigen Behörde.
Normenkette
VwGO § 80 Abs. 5; KrW-/AbfG § 36 Abs. 2 Sätze 1-2; BBodSchG § 9 Abs. 1-2, § 2 Abs. 5 Nr. 1, Abs. 6, § 3 Abs. 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1-2; BBodSchVO § 2 Nr. 3, § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 3
Verfahrensgang
VG Bayreuth (Beschluss vom 19.12.2002; Aktenzeichen B 2 S 02.1012) |
Tenor
I. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 19. Dezember 2002 wird die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die abfallrechtliche Anordnung der Regierung von Oberfranken vom 23. August 2002 wieder hergestellt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten der Verfahren beider Rechtszüge. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Aufwendungen selbst.
III. Der Streitwert wird unter Änderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 19. Dezember 2002 für jeden Rechtszug auf jeweils 10.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
I.
Gegenstand des Rechtsstreits ist die für sofort vollziehbar erklärte Anordnung der Regierung von Oberfranken vom 23. August 2002. Danach wurde die Antragstellerin verpflichtet, bezüglich der Altdeponie zwischen H. und Z., M., auf den Grundstücken Fl.Nrn. 313, 329 und 330 der Gemarkung Z. eine historische Recherche über die Altdeponie, zahlreiche orientierende Voruntersuchungen sowie die Entnahme einer Bodenluftprobe und deren Untersuchung auf verschiedene Parameter durchzuführen und mit der Durchführung dieser Maßnahmen und der Erstellung eines Berichts bis spätestens 31. November 2002 ein geeignetes Fachbüro zu beauftragen.
1. Die Antragstellerin hat im Zeitraum von 1968 bis etwa 1975 im Bereich einer früheren Bahntrasse (ehemalige Fl.Nrn. 580, 581, 588, 591 und 556, derzeitige Fl.Nrn. 313, 329 und 330 jeweils der Gemarkung Z.) Produktionsabfälle aus ihrem Keramik- und Porzellanwerk in R. abgelagert. Dieses Recht war ihr seitens der Grundstückseigentümer unentgeltlich eingeräumt worden. Gemäß Vertrag vom 1. März 1968 erklärten sich die Grundstückseigentümer damit einverstanden, dass neben der Antragstellerin auch die Gemeinde Z. den in H. und Z. anfallenden Müll auf diesen Grundstücken ablagert.
Mit Schreiben vom 21. März 1974 teilte die Gemeinde Z. dem Landratsamt L. mit, dass der Müllplatz in H. derzeit von der Antragstellerin vollständig aufgefüllt und saniert werde und die Arbeiten voraussichtlich in einem Jahr abgeschlossen seien. Mit Schreiben vom 18. August 1975 teilte die Antragstellerin dem Landratsamt L. mit, dass der Müllplatz in H. gegen Ende des Jahres aufgefüllt sein dürfte und Anfang 1976 mit dem Transport nach M. begonnen werde, nachdem zwischen der Gemeinde M. und der Antragstellerin ein entsprechender Vertrag abgeschlossen worden sei. Unter Bezugnahme auf dieses Schreiben bat das Landratsamt L. mit Schreiben vom 29. März 1976 die Antragstellerin um Mitteilung, ob die Ablagerung nunmehr endgültig eingestellt sei und bis wann die Arbeiten der Rekultivierung des Geländes abgeschlossen seien. Mit weiterem Schreiben vom 12. Juli 1979 bat das Landratsamt L. die Antragstellerin mitzuteilen, ob die Ablagerungsstelle inzwischen mit Mutterboden abgedeckt und angesät wurde. In Beantwortung dieses Schreibens teilte die Antragstellerin dem Landratsamt mit Schreiben vom 1. August 1979 mit, dass der Schuttplatz bereits im Juni 1976 rekultiviert und die Angelegenheit als abgeschlossen betrachtet werde. Zwar sei bei Beginn der Müllablagerung nach Beendigung der Auffüllarbeiten die Anlegung eines Tagwassergrabens geplant gewesen. Diese Maßnahme habe sich jedoch nach Ansicht eines Vertreters des Wasserwirtschaftsamts Bamberg nach einer Ortsbesichtigung am 12. Dezember 1978 als überflüssig erwiesen. Nachdem ein Anlieger mit Schreiben vom 11. Juli 1979 gegenüber der Antragstellerin erklärt habe, er wolle die Anlage dieses Wassergrabens durch einen Rechtsstreit erzwingen, habe der Vertreter des Wasserwirtschaftsamts es für sinnvoll erachtet, im Rahmen einer Ortsbesichtigung, an der ein Vertreter des Landratsamtes, der Anlieger und er selbst teilnehmen sollten, noch evtl. notwendig werdende Maßnahmen festz...