Entscheidungsstichwort (Thema)
Folgenbeseitigungsanspruch. tatsächlich-öffentlicher Weg. Verkehrssicherungspflicht. Wohnungseigentümer. Verwalteraufgaben. zivilrechtlicher Vertrag. Entfernung von Absperrungspfosten. Antrag der Klägerinnen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 15. Dezember 2005
Leitsatz (amtlich)
Wohnungseigentümer sind für ihr Grundstück auch verkehrssicherungspflichtig, soweit auf diesem ein tatsächlich-öffentlicher Weg verläuft.
Normenkette
VwGO § 121 Nr. 1; WEG § 27 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 311 Abs. 1
Verfahrensgang
VG Ansbach (Urteil vom 15.12.2005; Aktenzeichen 10 K 03.2477) |
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Klägerinnen haben die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldnerinnen zu tragen.
III. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Klägerinnen begehren als die beiden heutigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft von der Beklagten die Beseitigung der auf ihrem Grundstück Fl.Nr. 436 der Gemarkung E***** angebrachten Absperrungspfosten mit Kette sowie einer vorhandenen Stufe zum angrenzenden Straßengrundstück hin.
Eine frühere Klage der Klägerin zu 1 wurde vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 30. September 2002 (Az. AN 10 K 00.01204) als unbegründet abgewiesen. Den Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Senat mit Beschluss vom 26. März 2003
(Az. 8 ZB 02.2918) abgelehnt, weil die Klage der Klägerin zu 1 allein mangels erforderlicher Klagebefugnis bereits unzulässig sei.
Das Verwaltungsgericht hat die neuerliche Klage mit Urteil vom 15. Dezember 2005 als unbegründet abgewiesen. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstgerichtlichen Entscheidung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht gegeben.
1. Das Verwaltungsgericht hat die neuerliche Leistungsklage im Sinn von § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu Recht als zulässig angesehen. Die Rechtskraft der erstgerichtlichen Entscheidung vom 30. September 2002 nach § 121 Nr. 1 VwGO steht dem nicht entgegen.
Die Klägerin zu 2 war nicht Beteiligte des vorhergehenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Gegenüber der Klägerin zu 1 ist das Urteil vom 30. September 2002 zwar in formelle Rechtskraft erwachsen. Materielle Rechtskraft hat die Entscheidung aber nur als Prozessurteil erlangt. Ob ein Sachurteil oder ein Prozessurteil vorliegt, ist der letztinstanzlichen Entscheidung zu entnehmen (vgl. Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Oktober 2005, RdNr. 91 zu § 121 m.w.N.). Dies hat auch dann zu gelten, wenn mit der letztinstanzlichen Entscheidung ein Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt wird, weil die Klage bereits unzulässig ist. Das erstgerichtliche Urteil erwächst dann gemäß § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO nur in dem Umfang in Rechtskraft, in dem der Verwaltungsgerichtshof das Fehlen bestimmter Sachurteilsvoraussetzungen festgestellt hat. Kann der festgestellte Mangel behoben werden, steht jedenfalls einer erneuten Leistungsklage, für die grundsätzlich keine Klagefristen gelten, nichts im Wege.
2. Die Leistungsklage der Klägerinnen ist jedoch vom Verwaltungsgericht zu Recht als unbegründet abgewiesen worden. Die von den Klägerinnen vorgetragenen Gründe für das Bestehen von ernstlichen Zweifeln an der erstgerichtlichen Entscheidung greifen nicht durch.
Der von den Klägerinnen behauptete Folgenbeseitigungsanspruch (vgl. hierzu BVerwGE 94, 100/103 f.) ist nicht gegeben. Durch den hoheitlichen Eingriff der Beklagten auf dem klägerischen Grundstück ist kein fortdauernder rechtswidriger Zustand entstanden, denn die Maßnahmen der Beklagten beruhen auf einer Vereinbarung mit dem früheren Verwalter. Die durch verschiedene Schriftstücke in den Behördenakten der Beklagten belegte Absprache wird von den Klägerinnen im Zulassungsverfahren nicht mehr substanziiert infrage gestellt.
Soweit die Klägerinnen behaupten, der frühere Verwalter habe nicht die erforderliche Vertretungsmacht besessen, trifft ihre Ansicht nicht zu. Gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG ist der Verwalter berechtigt und verpflichtet, die für die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Hierzu gehört auch die Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht gegenüber Dritten (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 65. Aufl., RdNr. 6 zu § 27 WEG). Die Vertretungsmacht des Verwalters, zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht auch Verträge abzuschließen, ergibt sich vorliegend aus § 7 Abs. 4a der Gemeinschaftsordnung vom 23. Dezember 1994. Wie insbesondere die Schreiben der Beklagten vom 17. Mai 1995 und 4. Juli 1995 (Bl. 8 und 11 der Behördenakten)
an die Klägerseite belegen, ist zwischen den Beteiligten ein Vertrag im Sinn von § 311 Abs. 1 BGB zu Stande gekommen; hierbei hat d...