Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmtheitsgebot. Merkblatt einer Behörde. Website einer Behörde. allgemein zugängliche Informationsquelle. Störerauswahl. Eigentümer als Verhaltensstörer. Orts-und Sachnähe. Verhältnismäßigkeit. bodenschutzrechtlicher Anordnung (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO). Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 26. Januar 2004

 

Leitsatz (amtlich)

1. Textdateien, die auf einer jedermann zugänglichen Internetseite in einem gängigen Dokumentenformat dauernd bereitgehalten werden, stellen unter den heuten Umständen allgemein zugängliche Informationen dar, auf die eine Behörde zur näheren Bestimmung des Bescheidsinhalts jedenfalls gegenüber einem behördlichen Adressaten verweisen darf.

2. Ob der Eigentümer einer Deponiefläche als Mitverursacher einer Altlast herangezogen werden kann, hängt von seiner Nähe zum späteren Gefahreneintritt und den sonstigen Umständen des Einzelfalls ab.

 

Normenkette

BayVGH Art. 37 Abs. 1; BBodSchG § 4 Abs. 3 S. 1, § 9 Abs. 2

 

Verfahrensgang

VG Augsburg (Beschluss vom 26.01.2004; Aktenzeichen 7 S 03.1447)

 

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Antragsstellerin wendet sich im Eilverfahren gegen einen für sofort vollziehbar erklärten Bescheid des Landratsamts Neu-Ulm vom 2. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Schwaben vom 7. Januar 2004. Sie wird darin verpflichtet, zur Ermittlung der von einer ehemaligen Abfalldeponie ausgehenden erheblichen Grundwasserverunreinigung Detailuntersuchungen für den Wirkungspfad Boden-Grundwasser „unter Beachtung der Nrn. 2.2 und 2.3 (gemeint: 3.2) des Merkblatts Nr. 3.8/1 des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft vom 31. Oktober 2001” durchführen zu lassen und dem Landratsamt rechtzeitig vor Durchführung der Detailuntersuchung ein zielführendes Untersuchungsprogramm vorzulegen.

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit Beschluss vom 26. Januar 2004 ab.

Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt die Antragstellerin vor, der angegriffene Bescheid sei wegen der Verweisung auf ein ihr unbekanntes Merkblatt nicht ausreichend bestimmt; außerdem sei bei der Störerauswahl nicht hinreichend die Möglichkeit beachtet worden, die Bundesrepublik Deutschland als Eigentümerin des ehemaligen Deponiegrundstücks und als weitere Handlungsstörerin in Anspruch zu nehmen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

1. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht einen Verstoß gegen das Erfordernis hinreichender Bestimmtheit von Verwaltungsakten (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) verneint. Dieses rechtsstaatliche Gebot verlangt, dass der Regelungsinhalt für den Betroffenen aus der behördlichen Entscheidung unzweideutig erkennbar ist. Der Adressat muss in die Lage versetzt werden zu erkennen, was von ihm gefordert wird (BVerwGE 84, 335/338). Welches Maß an Konkretisierung hierzu notwendig ist, lässt sich nicht abstrakt bestimmen, sondern hängt von der Art des Verwaltungsakts, den Umständen seines Erlasses und seinem Zweck ab, wobei sich die Maßstäbe auch aus dem jeweiligen Fachrecht ergeben können (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, RdNr. 12 zu § 37). Der hinreichenden Bestimmtheit stehen auch Hinweise auf technische Regelwerke nicht entgegen, sofern diese genau bezeichnet und dem Betroffenen bereits bekannt (gemacht) oder allgemein zugänglich sind (BVerwG vom 22. 4. 1996, NVwZ-RR 1997, 278/279; Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., RdNr. 13 m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben kann die im angegriffenen Bescheid enthaltene Bezugnahme auf einzelne Abschnitte des Merkblatts Nr. 3.8/1 des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft vom 31. Oktober 2001 nicht als zu unbestimmt angesehen werden. Das genannte Merkblatt dürfte zwar der Antragstellerin als einer außerbayerischen kreisfreien Stadt bisher nicht unmittelbar bekannt gewesen sein. Die darin enthaltenen Hinweise zur Untersuchung und Bewertung von Altlasten, schädlichen Bodenveränderungen und Gewässerverunreinigungen sind jedoch nicht allein auf verwaltungsinternem Wege verbreitet, sondern auch der Allgemeinheit unbeschränkt zugänglich gemacht worden. Das Merkblatt konnte und kann jederzeit im Internet auf der Website des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft (www.bayern.de/lfw) in Form einer pdf-Datei aufgerufen und von dort auf eigene Datenträger gespeichert oder ausgedruckt werden. Textdateien, die auf einer für jedermann zugänglichen Internetseite in einem gängigen Dokumentenformat dauernd bereitgehalten werden, stellen unter den heutigen Umständen allgemein zugängliche Informationen dar. Als „allgemein zugänglich” im Rechtssinne gilt jede In...

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