Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz. keine Richtervorlage an das Bundesverfassungsgericht. Vereinbarkeit der Bestimmung der Kommunen zu Trägern der Grundsicherung mit dem Grundgesetz. Voraussetzungen der Anrechnung von Kindergeld auf Grundsicherungsleistungen. Vollzug des Grundsicherungsgesetzes. Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 29. Juli 2003
Normenkette
GSiG § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 1, § 6; GG Art. 28 Abs. 2, Art. 84 Abs. 1; WoGG § 34 Abs. 2
Verfahrensgang
VG Augsburg (Urteil vom 29.07.2003; Aktenzeichen 3 K 03.553) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1. Der 1976 geborene und zu 100 % erwerbsgeminderte Kläger wohnt im Haus seiner Eltern, die für ihn als Betreuer bestellt sind. Seine Mutter erhält für ihn als Kindergeldberechtigte Kindergeld. Am 17. Dezember 2002 beantragte der Kläger beim Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz. Mit Bescheid vom 23. Januar 2003 wurde ihm ab 1. Januar 2003 bis auf weiteres ein monatlicher Betrag in Höhe von 132,32 Euro bewilligt. Als Einkommen des Klägers sei unter anderem Kindergeld in Höhe von 143,75 Euro monatlich anzusetzen gewesen.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Die Aufklärungsbemühungen des Beklagten über die konkrete Verwendung des an die Mutter des Klägers ausbezahlten Kindergeldes blieben erfolglos.
Die Regierung von S. wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2003 als nicht begründet zurück. Es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass die Anspruchsberechtigten die kinderbezogenen Leistungen für den Lebensunterhalt der Kinder verwendeten (Vorteilszuwendung). Soweit der notwendige Lebensunterhalt eines Kindes nicht durch dessen eigenes Einkommen und Vermögen gedeckt sei, würden deshalb die auf das Kind entfallenden kinderbezogenen Leistungen bei der Berechnung der Hilfe zum Lebensunterhalt in der Regel als Einkommen des Kindes angesetzt. Die Vermutung einer Vorteilszuwendung zugunsten des Klägers sei im vorliegenden Fall nicht widerlegt.
2. Am 14. April 2003 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg mit dem Antrag,
den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, über die Gewährung von Grundsicherung ohne Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen des Klägers zu entscheiden.
Das Kindergeld fließe auf das gemeinsame Konto der Familie. Eine Übertragung des Kindergeldes zur ausschließlichen Verwendung für den Kläger finde nicht statt.
3. Mit Urteil vom 29. Juli 2003 verpflichtete das Verwaltungsgericht Augsburg den Beklagten unter entsprechender Abänderung seines Bescheids vom 23. Januar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2003, dem Kläger ab 1. Januar 2003 Grundsicherungsleistungen mit der Maßgabe zu gewähren, dass das Kindergeld nicht als Einkommen des Klägers angesetzt wird. Zwar sei Kindergeld grundsätzlich als bedarfsminderndes Einkommen nach § 3 Abs. 2 Grundsicherungsgesetz (GSiG) i.V.m. § 76 Abs. 1 BSHG anzusehen, da es sich um eine mit der Hilfe zum Lebensunterhalt zweckidentische Leistung handele. Der Beklagte habe das für den Kläger gezahlte Kindergeld aber zu Unrecht als dessen Einkommen berücksichtigt. Kindergeld diene dazu, die in der Person des Kindes entstehenden Ausgaben der allgemeinen Lebensführung – zumindest teilweise – zu decken, d.h. zur Entlastung von den Kosten des Lebensunterhalts des Kindes beizutragen. Es sei daher grundsätzlich Einkommen des Kindergeldberechtigten. Es könne nur dann Einkommen des Kindes werden, wenn der Kindergeldberechtigte es zweckorientiert durch einen weiteren tatsächlichen Zuwendungsakt an das Kind weitergebe, wie beispielsweise durch Überweisung auf ein Konto des Kindes. Die als Voraussetzung einer Anrechnung unverzichtbare Feststellung, dass die zweckorientierte Leistung dem Kind zugewandt werde, sei jedenfalls dann nicht getroffen, wenn das Kindergeld wie anderes Einkommen in eine Haushaltskasse fließe, aus der in erster Linie alle für den Lebensunterhalt der Familienangehörigen erforderlichen Aufwendungen bestritten werden. Denn bei dieser Wirtschaftsweise sei eine sichere Feststellung, dass zur Befriedigung des notwendigen Lebensbedarfs des Kindes Kindergeld in bestimmter Höhe zugewendet worden sei, gerade nicht möglich; jedenfalls nicht mit der Bestimmtheit, die nach Art und zeitlicher Zurechenbarkeit bei der Feststellung von anrechenbarem Einkommen zu fordern sei (BVerwG vom 7.2.1980, BVerwGE 60, 6; vom 8.2.1980, BVerwGE 60, 18). Nach diesen Grundsätzen sei das für den Kläger gewährte Kindergeld nicht als Einkommen des Klägers anzusehen. Denn seine Mutter erhalte als Bezugsberechtigte das Kindergeld, das in den „gemeinsamen Topf” auf das Familienkonto fließe, aus dem die Ausgab...