Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassung (Beseitigung eines Wertstoffhofes). Berufung der Landesanwaltschaft Bayern gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 7. November 1994

 

Verfahrensgang

VG München (Urteil vom 07.11.1994; Aktenzeichen 8 K 93.4131)

 

Nachgehend

BVerwG (Beschluss vom 03.05.1996; Aktenzeichen 4 B 50.96)

 

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 7. November 1994 wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen gesamtverbindlich.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung T., das von Süden und nach Westen an die in diesem Bereich eine rechtwinkelige Kurve beschreibende K.straße angrenzt. Gegenüberliegend im Scheitelpunkt der Kurve (weniger als 15 m vom Wohnhaus entfernt) hat der Beklagte zu Beginn des Jahres 1994 auf mit Verbundpflaster befestigtem Untergrund – im Bereich des dortigen nordseitigen Straßenbegleitgrüns – einen kleinen Wertstoffhof (3/9 m × 6,2 m) bestehend aus sechs (je drei parallel aufgestellten) Sammelcontainern für Glas, Papier, Kartonagen und Metall und umgeben von einem Palisadenzaun (Höhe: 1,50 m) errichtet. Die Container sind zum Teil mit Fallbremsen und nicht geklebten Gummimatten ausgerüstet.

Der rechtsverbindliche Bebauungsplan „E. W.” der Gemeinde T. (reines Wohngebiet) erfaßt den Standort des Wertstoffhofes als öffentliche Verkehrsfläche. Die nördlich des Wertstoffhofes sich anschließenden Flächen sind noch unbebaut (Vorbehaltsfläche/zum Teil im Eigentum der K.P. T.). Weiter nach Westen und nördlich der K.straße schließt sich ein älteres Baugebiet an (Bebauungsplangebiet Nr. 372 – allgemeines Wohngebiet).

Schon mit Beschluß vom 18. Februar 1991 legte der Gemeinderat der Gemeinde T. Standorte für die Errichtung von Wertstoffhöfen fest. Anschließende Einwendungen der Kläger und anderer Anlieger hiergegen wies der Gemeinderat mit Beschluß vom 27. Januar 1992 zurück. Mit Schreiben vom 13. Februar 1992 beantragte der Beklagte für die Errichtung des Wertstoffhofes an der K.straße … eine Befreiung von des Festsetzungen des Bebauungsplans; die Gemeinde T. erteilte ihr Einvernehmen hierzu. Nach Aufforderung durch das Landratsamt führte die Gemeinde eine Beteiligung angrenzender Grundstückseigentümer unter Übersendung eines Lageplans M. 1: 1.000 durch; Pläne über den Umfang des Vorhabens wurden den Anliegern nicht zur Kenntnis gegeben.

Am 3. August 1992 erteilte das Landratsamt dem Beklagten eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „E. W.” hinsichtlich der Festsetzung öffentliche Verkehrsfläche unter folgenden Auflagen:

  1. Die Benutzung des Wertstoffhofes ist nur an Werktagen in der Zeit von 7.00 bis 19.00 Uhr zulässig.
  2. Für das Altglas-Recycling dürfen nur lärmarme Sammelcontainer aufgestellt werden.
  3. Der Abtransport des Recyclinggutes darf nur an Wochentagen in der Zeit von 7.00 bis 19.00 Uhr erfolgen.
  4. Um Staubaufwirbelungen zu vermeiden, ist der Standplatz für die Sammelcontainer mit einer Decke aus bituminösen Straßenbaustoffen, in Zementbeton, Verbundsteinpflaster oder gleichwertigem Material auszuführen und bei Bedarf zu säubern.
  5. Der Wertstoffhof ist mit Holzpalisaden zu umgeben und mit Sträuchern zu begrünen.

Die Errichtung des Wertstoffhofes sei genehmigungsfrei. Die Befreiung (Art. 72 Abs. 7 BayBO, § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) sei auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen zu erteilen gewesen. Dem Gebot der Rücksichtnahme sei durch die Bauauflagen entsprochen worden. Der Beklagte erfülle seine gesetzlichen Verpflichtungen. Der Wertstoffhof erschließe ein Einzugsgebiet von 300 bis 500 Einwohnern. – Mit Bescheid vom 12. Januar 1994 ordnete das Landratsamt die sofortige Vollziehung der erteilten Befreiung an.

Die Kläger ließen gegen den ihnen zugestellten Bescheid vom 3. August 1992 Widerspruch erheben, den die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 1993 zurückwies. Hiergegen erhoben sie Klage zum Verwaltungsgericht München, gerichtet gegen den Freistaat Bayern. Gegen den Bescheid vom 3. August 1992 stehe der Klageweg auch ohne Erteilung einer Baugenehmigung offen. Die K.straße … sei … (Straßenverkehrsrechtlich) verkehrsberuhigt. Die Anlage sei nicht genehmigungsfrei; dies gelte zumindest für den Palisadenzaun. Das Rücksichtnahmegebot sei bei Erteilung der Befreiung verletzt worden. § 31 BauGB sei auch nachbarschützend, wenn von nicht nachbarschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans eine Befreiung erteilt werde. Der auftretende Lärm sei nicht als sozialadäquat und wohntypisch in einem reinen Wohngebiet hinzunehmen. Der Wertstoffhof werde ein stärkeres Verkehrsaufkommen zur Folge haben. Die Gummilaschen an den Einwurfstellen dämpften den Lärm nur unvollkommen. Die Palisaden seien nicht dicht. Die Zumutbarkeit von Lärm bemesse sich nach der Norm „Schallschutz im Städtebau” (DIN 180...

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