Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Entschädigung für Verdienstausfall bei selbstständiger Tätigkeit von nur geringem zeitlichem Umfang

 

Leitsatz (amtlich)

1. Geht ein Selbstständiger nur mit deutlich reduziertem zeitlichem Einsatz seiner Tätigkeit nach, wird er oft in der Lage sein, sich die Arbeitszeit frei einzuteilen. Die daraus resultierende nicht fernliegende Möglichkeit, dass er durch den Gerichtstermin überhaupt keinen Verdienstausfall erleidet, weil er die von ihm im Rahmen der beruflichen Tätigkeit zu erbringenden Arbeiten an einem anderen Tag erledigen kann und wegen des Gerichtstermins überhaupt keinen Auftrag ablehnen muss, steht dem im Vollbeweis zu erbringenden Nachweis eines Verdienstausfalls entgegen.

2. Eine Entschädigung für Zeitversäumnis ist regelmäßig dann zu gewähren, wenn eine Entschädigung für Verdienstausfall beantragt worden ist, diese aber am Nachweis des Verdienstausfalls scheitert.

3. Zu entschädigen ist die nach objektiven Maßstäben zu ermittelnde gesamte Dauer der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise und Wartezeiten.Diese beträgt maximal 10 Stunden am Tag.Weitergehende Begrenzungen der Berücksichtigungsfähigkeit der zu entschädigenden Zeit gibt es nicht.

4. Zu den Voraussetzungen einer Anreise am Vortag.

5. Eine Entschädigung für Übernachtungskosten hat dann nicht zu erfolgen, wenn ersichtlich ist, dass dem Antragsteller keine Kosten für eine Übernachtung entstanden sind. Davon ist typischerweise dann auszugehen, wenn ein Antragsteller keinerlei Angaben zu etwaigen Übernachtungskosten macht.

6. Rückforderung - Verjährung, kein Vertrauensschutz

 

Orientierungssatz

1. Eine Anreise am Vortag ist objektiv erforderlich, wenn der Beteiligte seine Wohnung am Morgen des Gerichtstermins vor 6.00 Uhr hätte verlassen müssen, um rechtzeitig bei Gericht anzukommen; dies ist ihm nicht zuzumuten.

2. Es bestehen erhebliche Bedenken, ob bei einem Anspruch auf Rückerstattung einer Überzahlung neben der Verjährungsvorschrift des § 2 Abs. 4 Satz 1 JVEG Raum für einen Vertrauensschutz auf ein Behaltendürfen einer Barauszahlung ist.

 

Tenor

I. Die Entschädigung des Antragstellers für die Teilnahme am Güterichtertermin am 11.03.2014 wird auf 126,- € festgesetzt.

II. Der Antragsteller hat 100,- € wegen zu viel ausgezahlter Entschädigung an die Staatskasse zurückzuzahlen.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Teilnahme an einem Gerichtstermin. Dabei steht auch ein Rückzahlungsanspruch der Staatskasse wegen zu viel bereits ausgezahlter Entschädigung im Raum. Insbesondere geht es um die Frage der Entschädigung für Verdienstausfall.

In dem am Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 30 SF 296/13 GR durchgeführten Güterichterverfahren fand am 11.03.2014 ein Güterichtertermin statt, an dem der Antragsteller nach Anordnung des persönlichen Erscheinens teilnahm. Der auf 10.15 Uhr geladene Termin dauerte bis um 12.40 Uhr.

Mit beim LSG noch am Tag des Güterichtertermins abgegebenem Entschädigungsantrag beantragte der Antragsteller eine Entschädigung für Verdienstausfall für 8 Stunden zu je 50,- €, einen Fahrtkostenersatz für zwei Bayerntickets zu je 23,- € und Zehrkosten. Seine Anreise bereits am Vortag begründete er mit dem frühen Beginn des Gerichtstermins und der weiten Anreise. Er erhielt eine Barauszahlung in Höhe von 226,- € (168,- € Verdienstausfall für 8 Stunden zu je 21,- €, zweimal 23,- € für Fahrkarten und 12,- € für Zehrkosten).

Nachdem in einem weiteren Verfahren des Antragstellers beim Bayer. LSG im Rahmen eines Antrags gemäß § 4 JVEG mit Beschluss des Senats vom 16.04.2015, Az.: L 15 SF 330/14, festgestellt worden war, dass dem Antragsteller eine Entschädigung für Verdienstausfall wegen eines Gerichtstermins am 15.10.2014 nicht zustehe, da er seine selbständige Tätigkeit nicht regelmäßig oder nur mit zeitlich erheblich reduziertem Aufwand ausgeübt habe, wurde die Entschädigung wegen des Güterichtertermins am 11.03.2014 nochmals überprüft. Anschließend setzte der Kostenbeamte des Bayer. LSG mit Schreiben vom 22.06.2015 die Entschädigung wegen des Gerichtstermins am 11.03.2014 auf 105,- € fest, wobei anstelle einer Entschädigung für Verdienstausfall eine solche für Zeitversäumnis gemäß § 20 JVEG und zwar für 10 Stunden am Tag des Güterichtertermins zu Grunde gelegt wurde. Dementsprechend wurde der Rückzahlungsanspruch der Staatskasse mit 121,- € beziffert.

Dagegen hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 23.06.2015 gewandt.

Der Senat hat neben den Akten des Güterichterverfahrens auch die des bei ihm durchgeführten Verfahrens mit dem Aktenzeichen L 15 SF 330/14 beigezogen.

II.

Die Entschädigung für den Gerichtstermin am 11.03.2014 ist auf 126,- € festzusetzen. Wegen der bereits erfolgten Barauszahlung von 226,- € hat der Antragsteller 100,- € an die Staatskasse zurückzuzahlen.

Der Kostensenat des Bayer. LSG entscheidet im vorliegenden Fall über die Festsetzung der Entschädigung weg...

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