Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Anordnungsanspruch. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente. fehlende Mitwirkung des Leistungsberechtigten im Rentenverfahren. weder Wegfall der Hilfebedürftigkeit noch Leistungsausschluss. Handlungsmöglichkeiten des Jobcenters. Leistungsverpflichtung "dem Grunde nach"
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Handlungsmöglichkeiten eines Jobcenters bei Blockierung des eingeleiteten Rentenverfahrens durch einen Leistungsberechtigten.
2. Arbeitslosengeld II kann nicht deswegen abgelehnt werden, weil ein Antragsteller nach Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, im Rentenverfahren nicht mitwirkt.
3. Der Vorrang einer vorgezogenen Altersrente bzw der Nachrang von SGB II-Leistungen bewirkt weder einen Wegfall der Hilfebedürftigkeit noch einen Leistungsausschluss.
4. Zur Verpflichtung des Leistungsträgers durch einstweilige Anordnung, dem Grunde nach Leistungen zu erbringen.
Orientierungssatz
1. Bei mangelnder Mitwirkung eines Leistungsberechtigten im Rentenverfahren hat der SGB II-Träger folgende Handlungsmöglichkeiten:
Er kann gegen einen Ablehnungsbescheid oder Versagungsbescheid der Rentenversicherung Rechtsbehelfe einlegen. Gegen eine vollständige Versagung der Altersrente kann er einwenden, dass eine geringere Rente zu gewähren sei, wenn mitwirkungsabhängige ungeklärte Rentenzeiten bestehen und nur eine teilweise Versagung erfolgen dürfe.
Die Weigerung eines Leistungsberechtigten, einen Rentenantrag zu stellen, kann nicht zu einer Versagung von Arbeitslosengeld II führen, weil der SGB II-Leistungsträger nach § 5 Abs. 3 SGB II selbst diesen Antrag stellen kann. Ob wegen anschließender mangelnder Mitwirkung im Rentenverfahren auch eine (teilweise) Versagung von Arbeitslosengeld II möglich ist, wird in der Literatur teilweise bejaht, nach den fachlichen Weisungen der BA ist eine derartige Versagung nicht möglich.
Daneben ist ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X i.V.m. § 34b SGB II vorgesehen und es kommt ein Ersatzanspruch nach § 34 SGB II in Betracht.
2. Eine Leistungsverpflichtung dem Grunde nach ist möglichst zu vermeiden, weil sie die Vollstreckbarkeit des Beschlusses beeinträchtigt und es bei der Leistungserbringung zu Verzögerungen kommen kann. Wenn nur ein Leistungsausschluss, nicht aber die Höhe des Anspruchs strittig ist, erscheint eine bloße Verpflichtung "dem Grunde nach" aber hinnehmbar.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 17. Mai 2016 wird zurückgewiesen.
II. Der Beschwerdeführer hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdegegners für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer wendet sich dagegen, dass das Sozialgericht ihn im Eilverfahren zur Zahlung von Arbeitslosengeld II verpflichtet hat. Er geht davon aus, dass der Antragsteller nicht hilfebedürftig sei, weil er eine vorgezogene Altersrente beziehen könne.
Der im Dezember 1952 geborene Antragsteller bezog seit 2012 zusammen mit seiner 1975 geborenen Ehefrau, dem 2009 geborenen Sohn und der 2012 geborenen Tochter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II vom Antragsgegner. Der Antragsteller war zeitweise erwerbstätig und er bemüht sich fortlaufend um weitere Tätigkeiten. Die Mietwohnung kostet monatlich 570,- Euro Grundmiete und 160,- Euro Betriebskostenvorauszahlung.
Mit Schreiben vom 24.09.2015 wurde der Antragsteller vom Antragsgegner aufgefordert, einen Antrag auf eine vorzeitige Altersrente zu stellen. Ab 01.01.2016 ist laut Rentenauskunft eine vorgezogene Altersrente mit einem Abschlag von 9 % möglich. Der Antragsteller wandte sich in einem Eilverfahren erfolglos gegen diese Aufforderung (vgl. Beschluss Bay LSG vom 03.06.2016, L 7 AS 233/16 B ER). Da der Antragsteller der Aufforderung nicht nachkam, stellte der Antragsgegner gemäß § 5 Abs. 3 SGB II diesen Rentenantrag. Weil der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten auch im Rentenverfahren nicht nachkam, versagte der Rentenversicherungsträger die Rente oder lehnte sie in der Sache ab (dieser Bescheid liegt dem Gericht nicht vor). Dagegen legte der Antragsgegner Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 22.12.2015 gewährte der Antragsgegner für die Monate Januar bis April 2016 nur mehr der Ehefrau und den beiden Kindern Leistungen. Leistungen für den Antragsteller lehnte er ab, weil keine Hilfebedürftigkeit vorliege. Mit Beschluss vom 08.02.2016, S 46 AS 81/16 ER, verpflichtete das Sozialgericht München den Antragsgegner, dem Antragsteller auch für diese Monate Arbeitslosengeld II zu gewähren.
Den Antrag auf Leistungen ab 01.05.2016 verbeschied der Antragsgegner mit Bescheid vom 25.04.2016 wie zuvor: Der Ehefrau und den beiden Kindern wurden für die Monate Mai bis Oktober 2016 Leistungen in Höhe von insgesamt monatlich 1.024,- Euro bewilligt. Dabei wurden die gesetzlichen Regelbedarfe und jeweils ein Viertel der tatsächlichen U...