Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen einen Eingliederungsverwaltungsakt

 

Leitsatz (amtlich)

Einstweiliger Rechtsschutz gegen einen Eingliederungsverwaltungsakt.

 

Orientierungssatz

1. Wendet sich der Betroffene gegen den Sofortvollzug der Pflichten aus einem Eingliederungsverwaltungsakt und hat er bereits gegen die ihm auferlegten Pflichten verstoßen, begehrt er vorbeugenden Rechtsschutz gegen eine mögliche Sanktion. Er begehrt dann vorbeugenden Rechtsschutz. Dafür ist ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse erforderlich, das insbesondere beinhaltet, dass der Betroffene nicht auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (vgl. LSG München, 24. Juni 2014, L 7 AS 446/14 B ER).

2. Hat der Betroffene nicht erkennbar gegen die ihm auferlegten Pflichten verstoßen, so macht er nicht nur vorbeugenden Rechtsschutz gegen eine künftige mögliche Sanktion geltend. Er wendet sich zunächst gegen die aktuelle Verpflichtung zu einem bestimmten Verhalten. Dahinter steht faktisch auch die Frage, ob er in Ruhe gegen die auferlegten Pflichten verstoßen kann oder mit einer Sanktion rechnen muss, wenn er die Pflichten nicht mehr erfüllt. Insoweit besteht ein Rechtsschutzinteresse (vgl. BVerfG, 9. November 2015, 1 BvR 3460/13).

3. Für die Begründetheit eines solchen Antrags muss ersichtlich sein, dass die durch den Eingliederungsverwaltungsakt auferlegten Pflichten bereits jetzt auf Eis gelegt werden müssen, um einen erheblichen rechtswidrigen Eingriff oder eine gegenwärtige Notlage zu vermeiden. Es ist zu prüfen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes bestehen und zugleich eine Dringlichkeit vorliegt (LSG München, 13. Februar 2015, L 7 AS 23/15 B ER).

 

Normenkette

SGB II § 15 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 39 Nr. 1; SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 20. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Eingliederungsverwaltungsaktes.

Der 1968 geborene Beschwerdeführer (Bf), dessen 1966 geborene Ehefrau und die 2000 geborene Tochter leben in einer Bedarfsgemeinschaft.

Aufgrund des Antrags vom 17.02.2016 bewilligte der Beschwerdegegner (Bg) den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.02.2016 bis 31.01.2017.

Nach Antragstellung wurden mit dem Bf. und dessen Ehefrau Verhandlungen über Eingliederungsvereinbarungen aufgenommen, die letztlich scheiterten. Daraufhin erließ der Bg gegenüber dem Bf zunächst einen Eingliederungsverwaltungsakt mit Datum vom 01.04.2016, der auf Widerspruch des Bf. mit Abhilfebescheid vom 17.05.2016 aufgehoben wurde, da die Geltungsdauer des Eingliederungsverwaltungsaktes ohne Ermessenausübung auf drei Monate beschränkt worden war.

Mit Datum vom 23.05.2016 erließ der Bg. erneut einen Eingliederungsverwaltungsakt, der inhaltlich der gescheiterten Eingliederungsvereinbarung und dem aufgehobenen Eingliederungsverwaltungsakt vom 01.04.2016 entsprach. Der Eingliederungsverwaltungsakt bestimmte als Laufzeit nunmehr sechs Monate für die Zeit vom 23.05.2016 bis 22.11.2016. Als Ziel des Eingliederungsverwaltungsaktes wurde die Heranführung und Integration des Bf. auf den ersten Arbeitsmarkt angestrebt und dabei unter "1. Unterstützung durch Jobcenter im Landkreis A-Stadt" festgelegt, dass

- bei Vorlage der Anspruchsvoraussetzungen Leistungen nach dem SGB II bewilligt würden,

- Hilfestellung bei der Erstellung von Bewerbungsschreiben, Beratungsangebot, Angebot von Vermittlungsvorschlägen, Trainingsmaßnahmen, Arbeitsgelegenheiten, je nachdem, ob diese/s Angebot/e für den Leistungsempfänger geeignet ist. Diese Eignung wird von dem persönlichen Ansprechpartner des Jobcenters beurteilt.

- Zurverfügungstellung aussagekräftiger Bewerbungsunterlagen,

- Unterstützung von Bewerbungsaktivitäten durch Übernahme nachgewiesener Kosten für schriftliche Bewerbungen soweit diese vorher beantragt wurden,

- Unterstützung von Bewerbungsaktivitäten nach Maßgabe des § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 44 SGB III durch Übernahme von angemessenen nachgewiesenen Fahrkosten zu Vorstellungsgesprächen, sofern die Kostenübernahme vor Fahrtantritt beantragt wurde.

Im Gegenzug wurde unter "2. Bemühungen" als Pflichten des Bf. festgelegt:

- Bewerbung auf Vermittlungsvorschläge des Bg. innerhalb von drei Tagen nach Erhalt unter Unterrichtung des persönlichen Ansprechpartners beim Bg. in schriftlicher Form auf dem erhaltenen Vordruck über das Ergebnis Bewerbung.

- Dokumentation der Eigenbemühungen.

- Verpflichtung, Arbeitsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen und spätestens vor Ablauf des dritten Kalendertages nach Eintritt der AU eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit Angabe der Dauer vorzulegen.

- Mitteilungspflichten im Hinblick auf Veränderungen.

In der Rechtsfolgenbelehrung wurde der Bf. darauf hingewiesen, dass Pflichtverstöße zu einer Minderung der Leistun...

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